Erich Glaubmirnix

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Erich Glaubmirnix
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Gregor Kästner

ERICH GLAUBMIRNIX

Die seltsamen Abenteuer eines Polizeibeamten

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2017

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Vorwort

Erich Glaubmirnix

Der „fliegende Teppich“

Auf der Uhlenburg

Der fast alltägliche Wahnsinn!

Zwei Monate später

Der nächste Fußballeinsatz

Gedanken zum „Tag der Deutschen Einheit“

Wo ist Heidi?

Im Rotlichtmilieu

Probleme über Probleme

Im Haus der Familie von Uhlen

Was zwischenzeitlich geschah

Ein unterirdisches Labyrinth

3. Oktober

Auf nach Kladno

Eine (un-)heimliche Begegnung?

Drei Geschichten aus der Weihnachtszeit

Eine seltsame Begegnung mitten im Wald

Eine Spätschicht in der Weihnachtszeit

Heiligabend

Der gutmütige Mensch wird sehr oft ausgenutzt und selten belohnt!

Doch wie wäre diese Welt ohne die Gutmütigen?

Egoistisch? Herzlos? Kaltblütig?

GREGOR KÄSTNER

VORWORT

LIEBE LESERINNEN UND LIEBE LESER,

hiermit möchte ich die Gelegenheit ergreifen, mich kurz mal vorzustellen. Mein Name ist Gregor Kästner. Ich bin in Thüringen geboren und wohne auch in diesem schönen Bundesland. Ich nenne es meine Heimat. Meine berufliche Laufbahn begann bei der Deutschen Reichsbahn in der ehemaligen DDR und ich war dann bis zur Wende Angehöriger der Transportpolizei. Nun bin ich Polizeibeamter bei der Bundespolizei und kann immer nur sagen, dass mir dieser Beruf über die vielen Jahre hinweg Spaß gemacht hat. Auch wenn es manches Mal hart wurde.

Nun, wie komme ich dazu, ein Buch zu schreiben? Das war ganz einfach. Die Idee kam aus einer dummen Überlegung heraus, die da lautete: „Was könnte passieren, wenn ein Bundespolizist auf den Weihnachtsmann trifft?“ Ich machte daraus eine lustige Geschichte, welche bei den Kollegen gut ankam. Ich möchte Ihnen diese Geschichte nicht vorenthalten. Sie befindet sich mit zwei weiteren Weihnachtsgeschichten im Anhang dieses Buches. Ich selbst hatte beim Schreiben Spaß und es folgten weitere Geschichten.

Zum Schluss wurden die einzelnen Geschichten zusammengefügt und zu einem Roman vereint.

Dieser Roman handelt von einem Helden, der genau wie Sie und ich, die Tücken des alltäglichen Lebens meistern muss. Dieser Held ist der Polizeiobermeister Erich Glaubmirnix. Dieser Erich Glaubmirnix ist ein gutmütiger Mensch und ist immer bereit, anderen Menschen zu helfen, auch wenn es ihm manchmal schwerfällt. Und es gibt Tage, da scheint sich die ganze Welt gegen ihn zu verschwören. Ich drücke es mal so aus: „Wenn irgendwo ein Fettnäpfchen aufgestellt wurde, ist unser Erich garantiert der Erste, der da rein tritt.“

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen,

ihr Gregor Kästner

ERICH GLAUBMIRNIX
DER „FLIEGENDE TEPPICH“

Eichenfeld

Hier in Deutschland gibt es unheimlich viele und schöne Landstriche. Manch ein Landstrich ist gezeichnet von schmucken Siedlungsstätten, hohen Bergen, grünen Wäldern mit weit auslaufenden Feldern. Und in einer der schönsten Landschaften gibt es eine Stadt mit dem Namen Eichenfeld. Ja, diese Stadt hat mit ihrer Umgebung von allen oben beschriebenen Eigenschaften etwas abbekommen. Die Berge hier sind zwar nicht ganz so hoch wie die des Erzgebirges oder des Thüringer Waldes, aber mindestens ebenso anmutig und schön anzuschauen. Die heimatlichen Berge umschließen ihre Stadt so, als wollten sie die Stadt vor allen Unbilden schützen und sie entwickeln dabei ihre eigenen Reize. Manch ein Romantiker, der die Berge erklimmt, kommt bei dem Anblick ins Schwärmen. In Eichenfeld selbst, gibt es einen gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern, der umgeben ist von einer Stadtmauer mit wuchtigen Wehrtürmen. In dieser Stadt findet man Fachwerkhäuser, Kirchen, Museen und Denkmäler. Diese sind umgeben von gepflegten Grünflächen mit allerlei Blumen. Und wer Lust hat, kann verschiedene kleine Lädchen mit allerlei handwerklicher Kunst und Souvenirs entdecken. Nicht vergessen darf man die gemütlichen Gaststätten und Hotels, wo manch einem Gast auch schon mal „heimgeleuchtet“ wurde. Es gibt hier aber auch Orte der Besinnung und Erholung, wie zum Beispiel den Kurpark mit dem Schwanenteich. Hier gibt es überall Grünflächen, worauf Bäume wachsen, die an heißen Tagen als Schattenspender dienen. Und der Pavillon darf nicht vergessen werden. Das ist ein beliebter Treffpunkt für unsere Jugend.

Aus diesem Grund wird Eichenfeld immer wieder von seinen Touristen bewundert. Nicht nur die Touristen, nein auch die Einheimischen fühlen sich hier wohl.

Und am nordwestlichen Rand dieser Stadt gibt es eine schmucke Siedlung mit mehreren Ein- und Zweifamilienhäusern. Die dort ansässigen Menschen sind freundlich, höflich und aufgeschlossen. Sie hegen gute nachbarschaftliche Beziehungen und genießen, nach vollendetem Tagwerk, ihre Freizeit. Und bei all dem Miteinander, kommt es auch mal vor, dass sie sich am Wochenende zu einem gemütlichen Abend verabreden. Das funktioniert nicht nur im Sommer, nein auch im Winter, denn die kalte Jahreszeit hat ja bekanntlich auch ihre schönen Seiten. Wen verwundert es da nicht, wenn in dieser geselligen Runde auch mal ein Feuerkorb angezündet und mit Glühwein und anderen hochprozentigen Getränken der Sternenhimmel bestaunt wird. Glaubt es mir, das macht Spaß! Und wenn das Holz in den Flammen nur so knistert und die nötige Wärme abgestrahlt, kommen diese Menschen auch mal auf andere Gedanken und können ihre Alltagssorgen vergessen.

Und mitten in dieser Gemeinschaft wohnt unser Held. Es ist der Polizeiobermeister Erich Glaubmirnix. Er ist verheiratet und hat eine Familie, auf die er sehr stolz ist. Erich Glaubmirnix hatte vor etlichen Jahren, in einer Disco, eine wunderschöne Frau kennengelernt und sich augenblicklich in sie verknallt. Sie trug damals den Namen Heidi Wummelberg. Es dauerte nicht lange und sie legte diesen Namen ab. Jetzt heißt sie Heidi Glaubmirnix. Diese große Liebe wurde auch mit zwei prächtigen Kindern belohnt, ihrem Sohn Wolfgang und ihrer Tochter Kerstin.

Und hier, im Haus der Familie Glaubmirnix, beginnt unsere Geschichte.

Es war ein richtig schöner sommerlicher Nachmittag zu fortgeschrittener Stunde. Erich ging auf seine Terrasse, nahm sich eine Flasche Bier und legte sich in den Liegestuhl. Er schloss die Augen und ließ sich von der Sonne verwöhnen. Heidi, die Ehefrau vom Erich Glaubmirnix, war zu diesem Zeitpunkt in der Küche und wollte das Abendbrot vorbereiten. Das Radio spielte seine Lieblingsoldies.

Ab und zu richtete sich der Erich ein wenig auf, um einen Schluck Bier zu trinken. Während er sein Bierchen fröhlich in der Hand hielt, bemerkte er am südwestlichen Horizont einen kleinen dunklen Punkt. Dieser bewegte sich sehr langsam, aber kontinuierlich in seine Richtung. Da aber die Sonne zu sehr blendete, wandte er sich wieder ab und widmete sich wieder der Bierflasche.

 

Dann war plötzlich für eine kurze Zeitspanne die Sonne weg und Erich schaute wieder hoch. Das, was er jetzt sah, konnte er nicht so richtig begreifen, denn es war ein fliegender Teppich. Auf diesem Teppich saßen mehrere Leute und in der Mitte stand ein Mann, der seine Arme zum Himmel streckte. Dabei machten seine Hände merkwürdige Bewegungen und es sah so aus, als wollte dieser Mann beten. Erich rieb sich die Augen und sah anschließend auf seine Bierflasche und dann wieder zum Himmel, wo der Teppich über ihm schwebte. Und dieser Teppich wurde von einem flatternden Geräusch begleitet. Obwohl dieser ganz ruhig in der Luft dahin glitt. Der Blick ging automatisch zur Bierflasche und anschließend wieder zum Himmel. Der „Fliegende Teppich“ war wieder weg.

Da gab es nur eine Schlussfolgerung: „Ab sofort keinen Alkohol mehr!“

Wenige Tage später war das flatternde Geräusch wieder am Himmel. Erich schaute hoch, konnte aber nichts sehen, denn es wurde bereits dunkel.

Am nächsten Tag, auf der Dienststelle, erzählte er das seinem Kumpel Leo. Dieser antwortete nur: „Ich möchte mal wissen, was du da rauchst, dass du um diese Uhrzeit schon so glücklich bist und mit solchen Fantasien zum Dienst kommst? Und jetzt siehst du auch schon fliegende Teppiche? He Leute, hört mal her! Der Erich sieht fliegende Teppiche am Himmel. Den müssen wir mal zum Drogentest schicken.“ Natürlich wurde herzlich gelacht, und das auf Erichs Kosten.

Erich wurde sauer und sprach mit seinem Kumpel kein Wort mehr: „Dieser Blödmann! Hätte ich doch nur die Schnauze gehalten!“

Nach Dienstschluss fuhr Erich mit seinem Auto wieder nach Hause und wie es der Teufel will, sah er wieder über sich diesen verfluchten Teppich. Dieses Mal war nur ein Mann darauf. Der hatte die Arme wieder zum Himmel gestreckt und fummelte in der Luft herum.

„Das ist doch zum Verrücktwerden. Das glaubt mir doch keiner. Irgendeiner muss doch diesen Teppich auch mal gesehen haben. Das Beste ist, einfach ignorieren.“ Aber das ist leichter gesagt als getan, zumal es so aussieht, als ob der Teppich immer öfter hier lang fliegt.

Drei Wochen später an einem Montag

Um 04 : 00 Uhr klingelte der Wecker. Erich kroch widerwillig aus dem Bett und fuhr lustlos zur Frühschicht. Auf der Dienststelle angekommen, nahm er wie immer seine Kaffeetasse, schenkte sich ein, setzte sich auf seinen Platz und schwatzte mit den Kollegen.

Der Dienstgruppenleiter kam rein und alle waren still. Wie immer. Die Einweisung begann: „Männers! Hört mal her! Wir haben seit den letzten Wochen ein großes Problem! Die illegale Einwanderung nimmt ungeahnte Dimensionen an! Das Schlimme daran ist, dass die Migranten ausgerechnet in unserem Bereich aufschlagen! Keiner weiß wie und wo die herkommen und die Kollegen von der Landespolizei haben bis jetzt auch noch keine Erkenntnisse!“ Es folgte eine kurze Pause, der DGL holte Luft und die Einweisung ging weiter: „Ich weise für die heutige Schicht folgende Maßnahmen an: Wir besetzen ab sofort alle wichtigen Knotenbahnhöfe! Das heißt: zwei nach Weinfelde, zwei nach Mühlendorf und zwei bleiben hier in Nordstadt. Sie besetzen den Bahnhof und halten, wie gesagt, die Augen auf! Der Rest fährt Zugstreife! Die Strecken und Züge werden noch konkretisiert und im Anschluss bekanntgegeben!“

Der DGL unterbrach die Einweisung und schaute mit ernster Miene zum Obermeister Glaubmirnix rüber: „Warum störst du ständig meine Einweisung? Du bist doch nur am Lachen!“

„Nein, ich hab nicht gelacht! Nur geschmunzelt, denn mir ist gerade was Lustiges eingefallen!“ Erich wusste ja, wo die Migranten herkommen.

„Nun erzähl mal, was gibt’s denn so Lustiges? Die Kollegen hier wollen auch mal was zum Lachen haben!“

Erichs Gedanken: „Scheiße, immer erwischt es mich, egal was ich mache!“, und sagte: „Nur was Unwichtiges mit der Frau!“

Mit dieser Notlüge gab sich der DGL zufrieden.

Und so vergingen die Tage und Wochen, die Maßnahmen wurden immer mehr ausgeweitet. Es erfolgte ein Einsatzbefehl nach dem anderen. Ohne Erfolg, denn die Migranten waren einfach da. Erst wöchentlich, jetzt schon fast täglich und niemand wusste wo und wie die hierherkamen. Nur einer wusste es und der sagte kein Wort!

Da sich während des ganzen Einsatzes keine Erfolge einstellten, sank die Moral in der Truppe bis auf einen historischen Tiefststand. Denn die Einsätze schlauchten nicht nur physisch, sondern immer mehr auch psychisch. Einfach gesagt, man sah es den Leuten an.

Die Kollegen der Landespolizei richteten in Absprache mit der Bundespolizei überall Straßensperren ein. Natürlich konnten auch die keine Erfolge vorweisen. Eigentlich taten mir die Leute nur noch leid, denn die wurden sinnlos verheizt. Glaubt es mir, Erich hatte ein schlechtes Gewissen!

Viele Tage später

Erich lag wieder in seinem Liegestuhl und hatte mit einer Flasche Bier sein schlechtes Gewissen weggespült, als der „Fliegende Teppich“ wieder auftauchte. Dieses Mal stoppte der Flug direkt über Erich und der Mann in der Mitte hatte wie immer die Arme und Hände gen Himmel gerichtet. Jetzt schaute er herunter und erzählte seinen „Fluggästen“ irgendwas Unverständliches. Aus lauter Wut über den Teppich, lauschte Erich wie ein Luchs und hoffte dabei, irgendeine Erkenntnis oder einen Tipp zu erhaschen. Selbst für den geringsten Hinweis wäre er dankbar. Egal wie er sich auch anstrengte, er konnte kein Wort, nicht mal eine Silbe, verstehen. „Vermutlich erzählt der was über mich, wie ich immer faul im Liegestuhl liege, den ganzen Tag über nichts arbeite, nur saufe und ständig sündige. Vielleicht betet der auch zu Gott und bittet darum, dass er mit seinem Teppich niemals abstürzen möge! Und wenn doch, dann auf diesen da unten im Liegestuhl!“ Seine „Fluggäste“ lächelten und manch einer zeigte mit dem Finger zum Erich runter.

Wutentbrannt über seine Hilflosigkeit, reckte Erich seine Faust zum Himmel und fluchte: „Bete du nur, ich werde dich schon irgendwie kriegen!“

Der Mann lächelte und flog langsam weiter.

Zum nächsten Dienst verschärfte sich die Situation.

Erich nahm, wie immer, seine Kaffeetasse und setzte sich auf seinen Platz. Dieses Mal hatten sie keine große Zeit zum Schwatzen. Der DGL kam rein und legte gleich los: „Nicht nur das wir die illegalen Migranten auf den Hals haben, nein, jetzt kommen auch noch Buntmetalldiebstähle dazu! Der Notfallmanager der Bahn hat bei einer Streckenkontrolle mehrere Stellen gefunden, wo Kupferdraht gekappt und entwendet wurde. Betroffen ist die Strecke von Silberstädt nach Dingelhausen. Das bedeutet für uns: Eine Streife wird jede Nacht an der Strecke sein und den Streckenabschnitt observieren! Die Observation erfolgt in zivil!“

„Jetzt wird das Bein dick!“, meinte Leo. Erich flüsterte: „Sei still, das packen wir schon!“

„Herr Glaubmirnix? Was gibt es da schon wieder zu schwatzen? Interessiert dich wohl nicht, was ich hier sage?“

Erich antwortete gelangweilt: „Doch, doch, bin ganz Ohr!“, und dachte: „Warum schon wieder ich?“

„Herr Glaubmirnix und Herr Löwinger, ihr beide seid gleich am nächsten Wochenende dran! Euer Einsatzort befindet sich am Bahnkilometer 57,3!“

„Hab’s mit!“, war die Antwort.

Erich graute es vor den Nachtschichten und jetzt auch noch zum Wochenende. „Zwölf Stunden im Wald, Wahnsinn!“ Er durfte nicht darüber nachdenken. „Na ja, da haben wir wenigstens die Chance, den Kupferdieb zu fangen. Ist doch auch was Wert, oder? Denn den Schleuser fangen wir eh nicht!“

Und Leo antwortete: „Mach dir deswegen keinen Kopf und denk immer an den alten Leitspruch der da lautet: Neunzig Prozent seines Lebens, wartet der Schutzmann vergebens!“

Das Wochenende kam und somit auch die Nachtschichten

Die ersten zwei Nachtschichten verliefen ruhig, aber die Dritte hatte es in sich.

Gleich nach der Einweisung wurde das angewiesene Auto geschnappt und rausgefahren.

Der betroffene Streckenabschnitt mit dem Bahnkilometer 57,3 lag mitten im Wald. Sie hatten in der ersten Nacht einen tollen Platz, mitten auf einem Hügel gefunden. Hier hatten sie eine optimale Sicht auf einen großen Abschnitt der Eisenbahnstrecke. Zwischen dem Bahndamm und dem Standort des Autos befanden sich auch ein Waldweg und eine Wiese. Also ein ganz übersichtlicher Tatort.

Diesen Hügel fuhren sie auch in der dritten Nachtschicht an, stellten das Auto hinter einem Busch ab und beobachteten den Streckenabschnitt.

Gegen 23 : 00 Uhr stellten sie auf der rechten Seite einen Lichtkegel fest und beide wurden aufmerksam! Nach circa zwei Minuten fuhr ein PKW unterhalb ihres Standortes am Hügel vorbei, bog ab und fuhr über die Wiese in Richtung Bahndamm und hielt dort an.

Da es, Gott sei Dank, eine klare Vollmondnacht war, konnten sie das Auto genau beobachten, obwohl die Entfernung zum Fahrzeug schätzungsweise 300 Meter betrug. Erich und Leo nahmen ihre Taschenlampen in die Hand und liefen vorsichtig, die Büsche und Bäume als Deckung ausnutzend, zum abgestellten Auto. Auf den letzten paar Metern konnten sie sehen, dass das Auto leicht wackelte. Erich konnte sich schon vorstellen, was sich dort abspielte. Sein Kumpel auch und rief: „Das sind die Kupferdiebe!“ Er machte die Taschenlampe an und stürmte los. Erich hinterher. Sie erreichten das Auto zur gleichen Zeit und Leo leuchtete durch die Frontscheibe ins Auto. Sie konnten einen ganz verwirrten jungen Mann erkennen, der sich die Arme vors Gesicht hielt.

Erich klopfte gegen die Scheibe und sprach ihn an: „Guten Abend, Obermeister Glaubmirnix! Was suchen Sie hier? Wo kommen Sie her und sind Sie allein im Auto?“

„Ja, ja, ich bin alleine hier, ich wollte mich nur ein bisschen ausruhen!“

„Könnten Sie mal aussteigen und uns den Kofferraum zeigen?“

„Nein, das möchte ich jetzt nicht!“

Erich wurde misstrauisch, denn das könnte wirklich der Buntmetalldieb sein. Tatort und Tatzeit passten. „Steigen Sie aus, öffnen Sie den Kofferraum und ich möchte Ihren Personalausweis sehen!“

„Geht wirklich nicht!“

„Mir reicht’s! Steigen Sie aus! Jetzt sofort!“

„Ich hab doch keine Hose an!“, war die kleinlaute Antwort.

Nun gut: Erich nahm seine Taschenlampe und leuchtete auf den Rücksitz. Hier sah er eine Wolldecke und bemerkte, dass sich unter ihr etwas bewegte.

„Kommen Sie sofort unter der Decke vor!“

Langsam wurde die Decke etwas bei Seite geschoben und eine junge Frau kam zum Vorschein. Sie hielt aber immer noch mit der Decke ihren Körper bedeckt.

Als Erich das sah, beendete er die Maßnahme und sagte zum Pärchen: „Okay, hier können Sie nicht bleiben! Fahren sie weiter und suchen sich ein anderes stilles Örtchen!“

Zu Leo sagte er nur: „Ich will ja kein Spielverderber sein!“

So schnell konnte Erich gar nicht gucken, wie der Motor gestartet wurde und das Auto über die Wiese davonraste.

Leo wetterte gleich los: „Was machst du denn da? Das waren die Kupferdiebe!“

„Nein, die wollten es sich nur ein bisschen schön machen!“

„Nein, das war der Dieb, und das Weib sollte aufpassen! Wir müssen hinterher!“

„Glaub mir, die wollten nur poppen und nichts klauen!“ Aber bei Leo kam der Streithammel durch! „Verstehst du das nicht? Wir müssen hinterher!“

Erich versuchte ihn zu beruhigen: „Wir müssen nicht hinterher, sondern erst zum Auto und in der Zeit sind die eh weg!“

„Du bist Schuld, wenn die wieder klauen!“

„Okay, ich bin Schuld, aber beruhige dich!“

Dem Erich kamen nun doch langsam Zweifel, ob seine Entscheidung richtig war. Aber das konnten sie jetzt nicht mehr ändern. Sie gingen zum Auto zurück und richteten ihren Blick wieder zum Bahndamm.

Im Auto wollte und wollte die Zeit nicht vergehen und sie unterhielten sich nun über alles Mögliche.

„Du Erich, erzähle doch mal! Wie war das damals, als du bei deiner Oma den 80. Geburtstag gefeiert hast?“

„Leo, das war nicht meine Oma, sondern die Oma meiner Frau! Außerdem geht dich das nichts an!“

„Hab dich nicht so, immerhin müssen wir hier noch ’ne Weile durchhalten und mir ist es hier unheimlich langweilig!“ Komm schon, dass Meiste kenne ich eh. Hat mir deine Frau schon erzählt! Ich kann’s immer noch nicht so richtig glauben, was du damals gemacht hast! Ich erzähl dir auch, wie das mit meinem Leistenbruch gewesen ist! Glaub mir, dass ist auch interessant!“

„Also gut! Nun hör genau zu, was mir damals so alles passiert ist. Ich erzähl’s nur einmal und dann nie wieder!“

 

Der 80. Geburtstag oder gefährliches „Osterwasser“

Die Großmutter meiner Frau hatte vor zwei Jahren genau am Ostersonntag ihren 80. Geburtstag. Das wurde natürlich zum Anlass genommen, um unter vielen anderen Getränken auch das beliebte „Osterwasser“ zu trinken. Bei dem „Osterwasser“ handelt es sich selbstverständlich um den Nordhäuser Doppelkorn.

Um den Geburtstag würdig zu feiern wurde die gesamte Verwandtschaft eingeladen. Die Party sollte schon um 15 : 00 Uhr zum Kaffeetrinken starten. Eingeladen wurde in die Gaststätte „Zum Waldblick“. Das ist übrigens eine sehr empfehlenswerte und gemütliche Kneipe. Ich hab dort den Großteil meiner Jugend verbracht!

Nun will ich erst mal ein paar Worte zur Jubilarin verlieren. Ihr Name ist Wilma Wummelberg. Im Allgemeinen wird sie auch „Alte Gräfin“ genannt. Wenn du sie kennen würdest, wüsstet du auch warum. Sie wirkt mit ihrer Gestik den Menschen gegenüber ziemlich unnahbar und sehr hochnäsig. Sie ist sehr schlank, sonnengebräunt, immer vornehm gekleidet, willensstark und zickig. Also von der „alten Schule“. Eigentlich sieht die schon aus wie ein abgemagertes Gerippe. Aber das sage ich meiner Frau lieber nicht.

Ich konnte damals die Zeit kaum abwarten, denn ich war gespannt, wer denn alles kommen würde. Da mein Schwager Josef kommen sollte, der heißt übrigens genau so wie du, musste ich mir unbedingt seine Gertrud anschauen. Denn die ist immer und grundsätzlich unpassend gekleidet. Und sie kamen und Gertrud war unpassend gekleidet. Neulich war sie mit ihren 160 Kilo auch bei Willi zum Geburtstag. Das ist mein anderer Schwager. Und sie hatte an dem Abend einen Minirock an und der Rücken war frei. Du kannst dir nicht vorstellen, wie das aussieht, wenn die Schwerkraft siegt. Egal, Josef sagt nichts mehr dazu, der hat’s schon lange aufgegeben und sich damit abgefunden. Und wenn ich das Thema anspreche, folgt der Kommentar meiner Frau: „Du sollst nicht immer über Gertrud lästern!“ Dabei lästere ich doch gar nicht.

Da auch mein Schwager Manni unter den Gästen war, gab es natürlich wieder etwas zu lachen. Ja, mit dem trinke ich gern mal ein schönes Bierchen und er hat dabei immer mal einen lustigen Streich auf Lager. Seine Frau guckt jedes Mal böse, wenn der nach dem vierten Bier anfängt ulkig zu werden und seine Späßchen mit den Leuten macht. Da er es manchmal übertreibt, hat sie jedes Mal Angst, dass der sich vor der gesamten Verwandtschaft blamiert und sie sich dann später wieder dafür entschuldigen muss.

Die „Gräfin“ hatte es auch mal erwischt und sie guckt jetzt noch böse, weil Manni ihr mal einen Schnaps in den Kaffee kippte. Du hättest das sehen müssen, die „Gräfin“ wäre beinahe gestorben. Die nahm wie immer die Tasse Kaffee, hob sie ganz langsam mit Daumen und Zeigefinger an, führte sie behutsam zum Mund, hob dabei die Nasenspitze, schloss die Augen und schlürfte ganz bedächtig, verschluckte sich, ließ die Tasse fallen und rang nach Luft. Die weiße Bluse wurde braun und das braune Gesicht wurde weiß. Wir konnten uns vor Lachen nicht halten. Ich sagte nur: „Manni, Manni!“

Die Zeit des Kaffeetrinkens will ich mal überspringen und erzähle weiter von der Zeit, als das Bierchen mit dem „Osterwasser“ schon lustig schmeckte und die Gäste schon gut drauf waren, selbst bei der „Alten Gräfin“ huschte immer mal ein kurzes Lächeln über die Lippen.

Nun ja, wie das so ist, braucht der Mensch auch mal frische Luft und ich brauchte sie auch. Vor der Gaststätte trafen sich wie immer die Raucher in ihrer geselligen Runde und eine Wolke schwebte über ihnen. War mir egal, ob sie rauchen oder nicht, ich gesellte mich dazu und erzählte meine Witze:

„Also, ein junger Mann angelte sich eine hübsche Frau und wollte sich mit ihr einen gemütlichen Abend machen. Die Frau, die auch Lust auf ein Abenteuer hatte, weil ihr Mann seit Tagen unterwegs war, nahm ihn mit zu sich nach Hause. Wie es der Teufel will, liegen die beiden im Bett und der Ehemann kommt Heim. Um nicht erwischt zu werden, gab es für den Ehebrecher nur eine Möglichkeit, nämlich die Flucht aus dem Fenster. Splitternackt, wie der Mann nun war, wollte er sich nach Hause schleichen. Aber er wurde, ohne es zu wissen, beobachtet, denn auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand eine Nonne. Sie war zu neugierig, um wegzuschauen oder wegzugehen. Dann erblickte auch der junge Mann die Nonne und erschrak ein zweites Mal. Was tun? Wo soll ich hin? Vor ihm stand eine Nonne und hinter ihm war der wütende Ehemann. Um fliehen zu können, musste der junge Mann genau in die Richtung, wo sich die Nonne aufhielt. Es half alles nichts, er nahm allen Mut zusammen und marschierte los. Die Nonne sah den Mann kommen, fiel um und war tot!“

Alle Blicke waren auf mich gerichtet und warteten auf die Pointe. Manni kam vorbei und hatte ein Tablett mit Osterwasser dabei. „Prost“, wurde gerufen und alle langten zu und Manni wieder: „Auf einem Bein kann man nicht stehen! Prost!“

„Wo der Recht hat, hat der Recht!“, und ich langte noch mal zu.

„Prost, Prost und rein in den dummen Kopf!“

Jetzt schauten alle wieder zu mir!

„Das ist ganz einfach!“

„Die Nonne ist ertrunken!“

Und jetzt glotzten alle ein bissel blöde zu mir rüber und ich erzählte weiter:

„Der Nonne ist bei dem Anblick des nackten Mannes das Wasser im Mund zusammengelaufen!“

Alle haben damals gelacht und Erich schaute zu Leo und siehe da, Leo lachte auch.

Erich erzählte weiter:

Plötzlich und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit kamen eine Katze und ein Hund an mir vorbei gerannt. Die Katze vorweg und der Hund hinterher. So schnell konnte ich gar nicht reagieren. Ich schaute hinterher und stellte fest, dass ich mich geirrt hatte. Unglaublich, denn es war keine Katze, es war ein Hase, nein, der Osterhase. Der hatte einen geflochtenen Korb auf dem Rücken und der war mit bunten Eiern gefüllt. „Das glaub ich jetzt nicht! Hier will mich wohl einer veräppeln! Das ist bestimmt wieder so ein Streich von Manni? Denn es gibt, wie jeder weiß, keine Osterhasen!“

Egal, der Hase war da und daran gab es nichts zu rütteln. Ich konnte ihn ganz deutlich sehen. Er blieb in einiger Entfernung stehen und schaute zu mir rüber. Er hatte Angst. Es sah auch so aus, als wollte der Hase zu mir sagen: „Rette mich vor dem Hund!“ Er winkte mit dem linken Ohr und ich ging hin. Ich war noch nicht richtig bei ihm, als er sich aufrichtete und in Richtung Wald hoppelte.

Ich hinterher.

Am Waldrand drehte er sich noch mal um, sah mich kommen und hoppelte weiter bis in den Wald hinein. Ich rief: „Hab doch keine Angst! Nun bleib doch endlich stehen! Ich will doch nur helfen!“

Im Wald ging es weiter. Hier sah ich einen Jäger, der den Hasen fangen wollte. Das konnte ich doch nicht zulassen! „He, hau ab! Verschwinde aus meinem Dunstkreis und lass den Hasen in Ruhe!“ Keine Reaktion. Ich sprang den Jäger an und schubste ihn beiseite. Der Hase war mir dankbar und hoppelte weiter.

Ich hinterher.

Nach einiger Zeit hatte ich echte Mühe dem Hasen zu folgen und rang vor Erschöpfung nach Luft. Es kam noch schlimmer, denn das Unterholz wurde immer dichter. Ich musste immer häufiger die Äste beiseite schieben. Manchmal kam es mir so vor, als würden sich die Bäume über mich unterhalten, was natürlich Quatsch ist.

Und plötzlich stand eine alte knorrige Eiche im Wege. Der Hase hatte es gut, der hüpfte flink vorbei und mich wollte der Baum nicht vorbeilassen. Seine Äste schnappten nach mir. Ein ungleicher Kampf entbrannte. Nach dem mich der Baum mehrmals angegriffen hatte, versuchte ich seine Äste abzubrechen. Bei meiner Aktion schnippte ein Ast zurück und traf mich so unglücklich, dass ich in die Knie ging. Das war natürlich auch meine Chance. Ich machte mich auf allen Vieren am Baum vorbei und stand vor dem Eingang einer Höhle. Der Hase sprang hinein. Ich drehte mich noch mal um, nur um zu sehen, ob mir auch keiner der Gäste gefolgt war. Da ich keinen sah, bückte ich mich wieder und kroch in die Höhle. Die Kneipe mit der Geburtstagsfeier war für mich jetzt weit weg.

Hier sah es ulkig aus, links und rechts lauter Baumstämme. Das war wohl die ungewöhnlichste Höhle, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Bei genauerem Hinsehen bemerke ich auch, dass sich die Bäume ehrfürchtig von mir weg bewegten. Die wollten bestimmt Platz machen, damit ich besser durchkriechen kann.

Das Erstaunlichste in der Höhle war, dass ich verschiedene Düfte wahrnahm. Es duftete ganz toll, unbeschreiblich toll. Am Schönsten waren die Düfte bei den Bäumen mit rosa Rinde. Da ich bis jetzt noch keine Bäume mit rosa Rinde gesehen hatte, wollte ich der Sache auf den Grund gehen, denn ich bin ja bei der Bundespolizei und das Ermitteln liegt mir im Blut! Ich nahm die Witterung auf und kroch auf zwei dieser Bäume zu. Als ich näher kam, rückten die Bäume zusammen und versperrten mir den Weg. Ich kroch zu den nächsten Bäumen. Hier duftete es ebenso herrlich. Aber wie sollte es wohl sein bei meinem „Glück“, auch diese Bäume rückten zusammen! Ich wollte mir das nicht gefallen lassen und versuchte die Bäume auseinanderzudrücken, als plötzlich hinter mir ein mächtiger Bär auftauchte. Der Bär packte mein Bein und wollte mich aus der Höhle zerren! Da half nur eine Drehung auf den Rücken. Dann nahm ich mein anderes Bein zu Hilfe und trat zu. Der Bär fiel um. „Das ging aber leicht. Wusste gar nicht, dass Bären so schnell umfallen! Schade, dass die Gäste meine mutige Aktion nicht gesehen haben. Meine Heidi wäre bestimmt stolz auf mich gewesen!“

Ich kroch weiter.

Da ich noch mehr betörend herrliche Düfte wahrnahm, war ich wieder voller Tatendrang und wollte weiter ermitteln. Plötzlich sah ich ein Rinnsal, nein es war ein kleines Bächlein. Das Wasser floss ganz langsam. Ich hatte Durst und nahm eine Probe und stellte fest, dass es so ähnlich wie das Osterwasser in der Kneipe schmeckte. Während ich vom Wasser trank, fragte ich mich: „Wie kommt wohl das Osterwasser hier in den Wald?“ Ich hatte keine Ahnung. Egal, ich trank weiter und dabei drohte das Rinnsal auszutrocknen. Ich beugte mich noch tiefer und versuchte den Rest des Wassers mit der Zunge aufzunehmen. Bei dem Geschmack konnte keiner widerstehen. Ich schlürfte weiter, bis nichts mehr da war.