Babaji - Pforte zum Licht

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Babaji - Pforte zum Licht
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Das Buch

Durch Traumvisionen geleitet fand 1970 ein junger Mann in einer Himalaya-Höhle einen Sadhu "von vollkommener Schönheit", der wochenlang unbewegt in perfekter Yoga Haltung saß. Schließlich gab er sich als Inkarnation des legendären BABAJI zu erkennen, eines Himalaya-Heiligen aus dem 19. Jahrhundert, der seine Rückkehr angekündigt hatte. In den folgenden Jahren lebte und lehrte Babaji im nordindischen Haidakhan, bis er schließlich auf Ankündigung und - wie er sagte - "nach Erfüllung seiner Aufgabe" freiwillig 1984 seinen Körper verließ. Dieses Buch ist ein bunter Querschnitt durch den Alltag in Haidakhan, den Reflexionen der Besucher, das Wirken Babajis sowohl im Ashram als auch auf Reisen. Es gibt die ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse der Autorin wieder, die, durch einen Traum gerufen, Babaji mehrmals in den Jahren 1979 bis 1984 besuchte und ihn auf einigen Reisen durch Indien begleitete. Ein Buch, das das Herz anspricht.

Die Autorin

Gertraud Reichel, lebte zusammen mit Ihrem Mann einige Jahre in Kairo, Ägypten, und in Daressalam, Tansania, wo sie Ihren Master in Sprachwissenschaften machte. Nach der Begegnung mit dem bekannten Meister Babaji 1979 in Indien gründete sie den G. Reichel Verlag, der als erstes Bücher über diesen Meister herausbrachte. Seitdem ist der Verlag stetig angewachsen mit dem Ziel, Wissen zu vermitteln. Zur Zeit lebt sie in Bayern und hat zwei Kinder.

Gertraud Reichel

Babaji - Pforte zum Licht

Ein Erlebnisbericht


Inhaltsverzeichnis

Umschlag

Das Buch / Die Autorin

Titel

Einleitung

Kapitel 1 - Kalkutta

Kapitel 2 - Rückerinnerungen - Puri

Kapitel 3 - Haidakhan

Kapitel 4 - Die Entscheidung und die Verpflichtung

Kapitel 5 - Auf Reisen

Kapitel 6 - Zurück in Haidakhan

Kapitel 7 - Letzte Wochen bei Babaji

Impressum


Babaji

Einleitung

"Ich bin gekommen, um zu geben.

Seid ihr bereit, zu empfangen?"

Babaji


Wann immer der Erde große Umwälzungen bevorstehen, greifen Unsterbliche und erleuchtete Meister helfend in das Schicksal der Menschheit ein, um sie vor den kom­menden Veränderungen zu warnen, zu schützen und sie zu einem erhöhten Bewusstsein zu führen. In diesem Auftrage wirkte Shri Babaji von 1970 bis 1984. Er lehrte und schulte in dieser Zeit diejenigen, die seinem Rufe folgten und zu ihm kamen.

Babaji lehrte nicht nur einen Schüler, sondern viele gleichzeitig auf allen Ebenen. So machten diejenigen, die um ihn versammelt waren, bei ein und derselben Situa­tion gleichzeitig verschiedene Erfahrungen. In diesem Kontext sind die beschriebenen Erlebnisse zu verstehen. Babaji "tanzte" mit mir, doch gleichzeitig mit vielen ande­ren, so wie Krish­na mit 16.000 Gopis, von denen jede meinte, er tanze nur mit ihr.

Dieses Buch ist geschrieben worden für alle, die Shri Ba­baji nicht persönlich erlebten, sich aber zu ihm als dem universellen Meister hingezogen fühlen, ebenso für jene, die ihm nahestanden, um sich ihrer eigenen Erlebnisse zu erinnern.

Mögen alle Leser seine allgegenwärtige Liebe und seinen immerwährenden Schutz erfahren: OM NAMAH SHIVAY.


Babaji

Kapitel 1
Kalkutta

"Bist du glücklich?", fragte Babaji.

Ich saß im Flugzeug, an dem Fensterplatz, den Babaji mir zugewiesen hatte, eine Reihe hinter ihm. Sprachlos von dem, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte, konnte ich nur nicken.

"Bist du glücklich?", wiederholte er. Seine schwarzen Augen schauten mich lächelnd an, während die Welt um mich versank. Wie im Traum nahm ich wahr, dass Babaji meine linke Hand ergriff, sie zwischen dem Sitz am Fenster und der Flugzeugwand durchzog und auf seine Schulter legte. Sanft streichelte ich seinen Oberarm. Die Zeit verstrich. Es war still in mir und um mich herum.

Dann, einem Impulse folgend, formten sich auf meinen Lippen die Worte: "Baba, bitte lass mich innerlich deine Stimme vernehmen!"

Kaum war diese Bitte ausgesprochen, als sich Babaji mir mit einem klaren und deutlichen: "Ja" zuwandte. Er nahm seinen Turban vom Kopf und reichte ihn mir. Ich sollte ihn während des Fluges auf dem Schoß halten. Draußen flogen die Wolken vorbei.

Babaji befand sich in Begleitung von fünf Indern, zwei hatten ihre Ehefrauen dabei, einem Amerikaner und mir auf dem Weg nach Kalkutta. Ein Geschäftsmann hatte Babaji zu einem zwölftägigen Yagna, einer Feuerzeremonie, und einer Pilgerfahrt nach Puri eingeladen. Alle, die ihn begleiteten, waren willkommen.

Hinter Babaji sitzend, dachte ich noch einmal an den vergangenen Tag.

Gestern war ich in Delhi eingetroffen. Die Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt oder eine Woche später nach Indien zu fliegen, war mir nicht leicht gefallen. Konnte ich es verantworten, einem jungen Mann, der vorübergehend bei uns wohnte, den Haushalt anzuvertrauen, meine zwei schulpflichtigen Kinder im Alter von fünf und acht Jahren und letztlich meinen berufstätigen Mann? Anderseits gab ich die Verantwortung gern ab, die Aussicht, einige Tage länger bei Babaji zu bleiben, war verlockend. Zudem würde meine Familie einschließlich des jungen Mannes vierzehn Tage später folgen.

Kurz nach meiner Ankunft in der Millionenstadt hatten mich Freunde im Hotel angerufen und mir mitgeteilt, dass Babaji in Dehli sei und morgen nach Kalkutta fliegen wolle. Sie erwähnten gleichzeitig die Aussichtslosigkeit auf einen Platz im Flugzeug, die Asiatischen Festspiele, ähnlich den Olympischen Spielen, gingen morgen zu Ende und Tausende von Menschen würden auf allen verfügbaren Verkehrsmitteln zurück in ihre Heimatstädte strömen.

Wenig später holten mich meine Bekannten auf ihrer Fahrt zu Babaji ab. Es war acht Uhr in der Früh. Delhi wimmelte vor Geschäftigkeit und der Weg nach Janakpuri, dem Stadtviertel, in dem Babaji vorübergehend wohnte, schien kein Ende zu nehmen. Endlich erreichten wir das Festzelt, das für ihn und alle Besucher errichtet worden war. Als ich vor dem mit bunten Blumengirlanden geschmückten Einlass meine Schuhe abstreifte, schlug mir ein betäubender Blütenduft entgegen. Ich reihte mich in die Schlange der Wartenden ein, um Babaji zu begrüßen.

Er saß etwas erhöht und überblickte die anwesende Menge. Sein Gewand war weiß, die schwarzen lockigen Haare umrahmten sein rundes Gesicht, das unendliche Güte und Liebe ausstrahlte. Mit pochendem Herzen und weichen Knien näherte ich mich ihm. Als ich schließlich meinen Kopf in seinen Schoß legte, fiel alles äußere von mir ab, ein mächtiger Sog erfasste mich. Einem gewaltigen Strome gleich floss er von den Füßen, die Wirbelsäule hinauf, und strömte durch meinen Scheitel in Babajis Hände hinein, die er mir segnend auf den Kopf gelegt hatte. Befreit von Gedanken, Gefühlen, gegenstandslos, stand ich Angesicht zu Angesicht mit der Unendlichkeit, ... entrückt. Wie lange ich so verharrte, weiß ich nicht, jegliches Zeitgefühl war mir verloren gegangen. Ein pochender Finger auf meinem Rücken hatte mich in die Wirklichkeit zurückgebracht. Der nächste in der Schlange hinter mir wollte Babaji seine Ehrerbietung erweisen.

"Wo ist dein Sohn?"

"In Deutschland".

"Warum ist er nicht mitgekommen?"

"Er muss zur Schule und kommt Mitte Dezember."

Babaji erkundigte sich, welche Klasse er jetzt besuche und wie es meinem Mann gehe. Dabei überreichte er mir eine Handvoll Früchte.

Welche Harmonie im Festzelt! Die Frauen hatten auf der linken Seite Platz genommen, die Männer auf der rechten. Alle Gedanken, alle Augen waren auf Babaji gerichtet. Die Klänge der indischen Instrumente, des Harmoniums, der Trommeln, Zimbeln, Chimtas vermischten sich mit dem Gesang der Menschenmenge. Babajis Sitz glich einem gelben Blumenmeer. Nach indischer Sitte überreichten ihm viele, die seinen Segen erbaten, Girlanden, geflochten aus Tagetes- oder Rosenblüten. Einige Besucher legten sie ihm um den Hals, andere auf die Hände. Manchen bekränzte Babaji mit den Blumen, anderen reichte er Süßigkeiten oder Früchte. Ab und zu spielte er mit einem Kind, holte es zu sich herauf und herzte es oder warf Früchte in die Menge.

Babaji war aufgestanden. Eine Feuerzeremonie, Havan oder Yagna genannt, sollte zu Ehren Gottes im Garten des Gastgebers stattfinden. Diese uralte Sitte des Austausches, des Gebens und Nehmens, ist auf vorvedische Zeiten zurückzuführen, in eine Zeit, in der alle Menschen zu dem Göttlichen noch engen Kontakt hatten. Gottes Gnade lässt das Korn auf den Feldern wachsen. Wir sollten ihm dafür danken und ihm einen Teil unserer Ernte durch das Opferfeuer zurückgeben. Der geschlossene Kreislauf des Gebens und Nehmens gewährt ständiges Wachstum und Gedeihen.

 

Die Flammen loderten hell auf, als Babaji an der Feuergrube Platz nahm. Mir bedeutete er mit einer Handbewegung, hinter ihn zu treten. Eine andächtige Stille herrschte, die Lautsprecher im Festzelt waren verstummt. Nur das Prasseln des trockenen Holzes in der Feuersglut war zu hören, unterbrochen von dem Ruf "swaha" aller Teilnehmenden. Bei jedem "swaha" warfen sie ein Gemisch von Reis, Weihrauch, schwarzem Sesam, Blumen und Nüssen in die Glut, während Babaji das Feuer mit Gaben von flüssigem Butterfett speiste. Gedankenverloren schaute ich in die Glut und horchte in mich hinein. In mir war tiefer Frieden. Ich war glücklich, da zu sein.

Nach dem Havan sagte Babaji: "Komm", ergriff kurz die Hand einer älteren Inderin und meine und führte uns zu einem Auto, das uns zu einigen verschiedenen Familien brachte, denen Babaji einen Besuch zugesagt hatte. Die Gastgeber empfingen ihn ehrerbietig. Abseits vom Menschengedränge konnten sie ihm unter vier Augen ihre Anliegen mitteilen. Eine Hochzeit sollte arrangiert werden, ein Kranker genesen. So oft sie konnten, holten viele seinen Rat für geistige und weltliche Angelegenheiten ein. Babaji hörte aufmerksam zu, nie schien er zu ermüden, unendlich war seine Geduld, seine Güte.

Wir durchquerten Delhi.

"Hast du einen Flugschein und eine Platzreservierung für Kalkutta?", fragte er, indem er sich im Auto auf der Fahrt zu mir umdrehte.

"Nein". Ich hatte nicht gewusst, dass Babaji nach Kalkutta fliegen wollte.

"Ja, dann ist nichts zu machen, du musst hierbleiben", übersetzte die Inderin.

"Oh, nein, nimm mich bitte mit!"

"Warum denn?", fragte er lächelnd.

Er wusste also, dass ich ihn gerne begleiten würde. Sollte es sein Wunsch sein, so würde er in Erfüllung gehen, gleich wie die äußeren Umstände aussahen. Im Vertrauen auf Babajis Allmacht verschwendete ich keine Zeit mit einer Platzreservierung oder einem Billetkauf.

Im Hause des Gastgebers angekommen, nahm Babaji nach dem Empfang auf einem prächtig hergerichteten Sessel Platz. Da aber der Farbfernseher in einer Ecke des Zimmers lief, ließen sich bald alle Anwesenden von den Sportfestspielen fesseln. Babaji existierte für sie nur noch im Hintergrund. Wie symbolisch war das für die meisten Menschen unserer Zeit! Das Göttliche wird am Rande wahrgenommen, wenn überhaupt. Ich saß auf dem Boden neben ihm, meine Hand ruhte auf seinem Fuß. Babaji schien mir alles Gegenwärtige einzuhüllen; trotz des Lärms aus dem Fernseher spürte ich einen inneren Frieden, eine Harmonie sondergleichen. Ab und zu trafen sich unsere Blicke; und ich wunderte mich, dass die Anwesenden sich so leicht von der Illusion des Lebens - hier die im Vergleich zum Weltenlauf unbedeutenden Sportfestspiele - ablenken ließen.

Am nächsten Morgen, früh um sieben Uhr stand ich mit meiner eilig zusammengepackten Reisetasche am Flughafen. Als ich mein Ticket kaufte und einen Platz auf dem Flugzeug haben wollte, sagte mir der Flughafenangestellte, es sei aussichtslos, 280 Passiere stünden auf der Warteliste. Ähnlich sei es auf den nächsten Flügen. Ich könnte frühestens in zwei bis drei Tagen fliegen. Diese Auskunft erschütterte mich nicht. Gleichmütig nahm ich sie hin, ich hatte etwas Ähnliches erwartet. Babaji würde mich schon mitnehmen. Das erschien mir ganz selbstverständlich.

Unterdessen war Babaji am Flughafen angekommen. Eine große Menschenmenge begleitete ihn, als er, wie ein einfacher Tourist, in der Wartehalle Platz nahm. Mehr und mehr Menschen strömten herbei. Irgendwie gelang es mir, durch das Gedränge in seine Nähe zu kommen. Mein Flugbillet hielt ich in der Hand. Kaum hatte Babaji mich erblickt, als er schon einen der anwesenden prominenten Inder anwies, mir einen Platz in dem Flugzeug zu besorgen. Nach einer Weile kam dieser unverrichteter Dinge wieder. Dieses Hin und Her wiederholte sich zweimal, erschütterte mein Vertrauen aber nicht.

Schließlich wurde der Flug aufgerufen. Babaji erhob sich, um in die Abflughalle zu gehen. Er nahm mein Ticket jetzt selbst in die Hand, lächelte dabei und übergab es einem vierten Inder. Mir bedeutete er, diesem zu folgen. Mit meinem Fluggepäck gingen wir auf den Schalter der Indian Airlines zu. Er war bereits geschlossen. Hinter dem Schalter herrschte großes Durcheinander, ein Gestikulieren und Geschrei. Mein Begleiter mischte sich kurzerhand darunter und ergatterte, ich weiß nicht wie, nicht nur eine Boardingkarte, sondern gleich fünf!

Babaji wartete mit Sri Muniraji, seinem engsten Schüler, und Shastriji, dem alten ehrwürdigen Sanskritgelehrten und Priester in der Abflughalle. Wie ein Fürst aus Tausendundeiner Nacht sah er aus mit seinem gelben Seidengewand, über dem er eine ärmellose, in allen Farben schillernde, Brokatweste trug. Ein roter Turban schmückte sein Haupt. Frei von jeglicher Beschränkung, unbekümmert wie ein Kind, zog er alles an, was ihm aus tiefstem Herzen geschenkt wurde. Und wirklich, ein Herrscher stand vor mir! Eine gewaltige Kraft ging von ihm aus. Groß, majestätisch, allgewaltig war er der Mittelpunkt der Welt. Einige Reisende in der Abflughalle, die seine Ausstrahlung wahrnahmen, fragten, wer er sei.

"Ein Mahavatar", war die Antwort.

Viele kamen und beugten die Knie vor ihm oder berührten seine Füße nach indischer Sitte. Segnend hob Babaji jedes Mal die Hand.

Mir gab er die Anweisung, am Zeitungsstand "Toffees", Karamellbonbons, zum Verteilen zu kaufen, um etwas von dem, was ich erhalten hatte, - die Ermöglichung des Fluges - zurückzugeben. Das göttliche Gesetz des Ausgleichs wurde auf diese Weise befolgt. Wie es kein Einatmen ohne Ausatmen gibt, so auch kein Nehmen ohne Geben.

Nun saß ich hinter Babaji im Flugzeug. Eigenartig, dass die Plätze, die wir in letzter Sekunde erhalten hatten, alle um Babaji's Sitz herum gruppiert waren. Nur der mitfliegende Amerikaner musste seinen Platz mit einem Mitreisenden tauschen.

Bald war Kalkutta erreicht. Der Flug näherte sich seinem Ende. Nach der Landung würde Babaji keine Zeit für meine Fragen haben. Deshalb musste ich jetzt die Gelegenheit beim Schopf greifen. Eine Freundin hatte mir aufgetragen, ihm einen Brief zu überreichen und zu fragen, ob sie auf dem richtigen spirituellen Weg sei. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich solche kleinen Freundschaftsdienste und auch meine wenigen persönlichen Fragen immer nur sofort nach Ankunft bei Babaji ausrichten und stellen konnte, später würden sie mir nebensächlich und unwichtig erscheinen; ich würde erst gar nicht mit diesen Ansinnen an ihn herantreten. Welchen Zweck hatte es, die Aufmerksamkeit dem Veränderlichen anstatt dem Beständigen zuzuwenden?

Meine Bekannte war "Gouverneurin" bei Maharishis Transzendentaler Meditation gewesen, kam zu Babaji und fühlte sich zwischen ihm und dem Christentum hin- und hergerissen. Sie folgte nun dem Weg ihres Herzens, wie Babaji ihr riet, und hatte aus diesen drei Lehren das ihr wesentlich Erscheinende herauszogen.

Und so fragte ich Babaji, während ich ihm den Brief aushändigte: "Ist der Weg, den sie geht, der richtige für sie?"

Babaji nahm das Kuvert in die Hand, schaute hinein und blickte sekundenlang still und unbeweglich vor sich hin. Dann drehte er sich um und wiederholte mehrere Male: "Ist richtig, ... ist richtig!"

In dem kurzen Schweigen war mir, als besuche Babaji meine Freundin im Geiste und lese in ihr, wie in einem offenen Buch.

Dieses Gebaren hatte ich schon einmal deutlich an ihm in Haidakhan, dem Ort seines Ashrams in den Himalaya-Bergen, wahrgenommen. Meine Mutter hatte ihm ein kleines Geschenk mitgegeben. Dankend hatte er es entgegengenommen, aber kein Wort dazu gesagt. Viel sprach er nie, nur das Nötigste. Bittend hatte ich gefragt: "Hast du meiner Mutter etwas zu sagen?" Und so erlebte ich zum ersten Mal, wie Babaji, umringt von vielen Menschen, sein Bewusstsein von der Außenwelt zurückzog, kurz reglos dasaß und sich konzentrierte. Als er wieder zum Leben erwachte, schauten mich seine Augen strahlend an, und er sagte: "Schicke ihr meinen Segen!"

Da wusste ich, dass Babaji in die Seele meiner Mutter geschaut und sie für wert befunden hatte.

***

Kalkutta. Mein Gepäck fand ich im Hause des Gastgebers wieder. Die riesige Wohnung, für europäische Verhältnisse überdimensional groß, lag im zehnten Stock eines Hochhauses. Sie bestand aus zwei Etagen, einer offenen Dachterrasse, einer unübersehbaren Zimmerflucht und einem Empfangssaal mit Empore, in dem gut fünfhundert Leute Platz hatten. Die Koffer und Taschen derer, die Babaji auf dem Flug begleitet hatten, lagen in einem Zimmer, das mit einer raumausfüllenden Matratze ausgelegt war. Hier waren wir also untergebracht. Noch während ich meinen Schlafsack ausrollte, mich häuslich niederließ, trafen nach und nach meine Zimmergenossen ein. Es waren sieben Männer, darunter Sri Muniraji, von dem Babaji sagte, er sei nicht mehr dem Geburtenkreislauf unterworfen, und Shastriji. Die beiden Ehefrauen hatten sich in Luft aufgelöst. Bei dem Gedanken an mögliches Geschnarche fielen mir meine Oropax ein, die ich vorsorglich eingepackt hatte, und so wurde die Sorge über eine mögliche schlaflose Nacht schnell verdrängt. Ich war ohnehin übermüdet. Der schlaflosen Nacht im Flugzeug von Deutschland nach Delhi war ein Tag ohne Rast mit Babaji gefolgt, und darauf vier Stunden Nachtruhe bei meinen Bekannten. Zudem machte sich die Zeitverschiebung bemerkbar!

Die Fahrt hierher zu unserer Unterkunft war merkwürdig verlaufen. Sie bestand aus einer Hetzjagd. Niemand hatte mir gesagt, wo Babaji sich aufhalten würde, wo ich unterkommen könnte. Flüchtig hatte mir jemand am Flughafen zugeraunt, ich solle mich nicht um mein Gepäck sorgen und war im Getümmel der Menschenmenge verschwunden, bevor ich meinen Mund öffnen konnte. Babaji selbst war ehrfurchtsvoll mit Blumengirlanden empfangen worden und im Nu mit seinen Gastgebern im Auto aus dem Gedränge und Geschubse der Menschen entschwunden. Ebenso seine Begleiter. Ich selbst sprang in das Auto eines europäischen Schülers - es war ihm und den westlichen Anhängern zur Verfügung gestellt worden - und bat ihn, Babaji zu folgen. Wo er war, würde mein Gepäck auftauchen und ich eine Bleibe finden.

Babaji fuhr nicht sogleich zu seiner Unterkunft, sondern besuchte auf dem Wege dorthin verschiedene indische Familien. Irgendwie gelang es uns, trotz des unübersichtlichen Verkehrs, an seinen Fersen zu bleiben. Endlich gelangten wir zu einem Hochhaus, in dem ich unsere Unterkunft vermutete. Hier war nichts von der üblichen Geschäftigkeit zu bemerken. Eine bleierne Stille lag über dem Haus, in der Babaji mit seinen Begleitern verschwunden war. Ich zögerte einzutreten und wartete in der Eingangshalle der Wohnung. Mir fielen die Bilder eines mir unbekannten Yogis auf und die einer Frau, die in diesem Hause verehrt wurden. Später erfuhr ich, dass hier der bekannte Yogi Sita Ram Dass, der Millionen von Anhängern in Kalkutta und der ganzen Welt hat, im Sterben lag. Als er die Zeit seines Ablebens kommen fühlte, hatte er Babaji wochenlang zuvor gebeten, ihm ein letztes Darshan zu gewähren. Da Babaji wusste, dass der letzte Moment noch nicht gekommen war, hatte er ihn vertröstet. Nun saß er an seinem Bett und hatte dem Sterbenden Wasser vom Gautama Ganga, dem heiligen Fluss Haidakhans, mitgebracht und drei Tulsiblätter.

Kurz nach Babajis Besuch verschied Sita Ram Dass. Wenige Tage später beim öffentlichen Darshan ließ Babaji verkünden, dass der Geist dieses großen Yogis in seinen engsten Schüler, Sri Muniraji, eingegangen sei. Jeder musste sich vor Sri Muniraji verneigen und alle wurden aufgefordert, "Sita Ram Dass Omkar" auszurufen.

***

Die erste Nacht in Kalkutta überstieg meine Befürchtungen. An Schlaf war nicht zu denken. Bis um Mitternacht wurde im Zimmer gesprochen, das Licht brannte, und um ein Uhr, als vorübergehend eine erholsame Stille eingetreten war, hub ein Schnarchkonzert an, das mich - trotz der Oropax - fluchtartig das Zimmer verlassen ließ. Auf der Freiluftterrasse hoffte ich, den langersehnten Schlaf zu finden, doch vergebens. Myriaden hungriger Moskitos überfielen mich... da zog ich doch das Schnarchkonzert vor!

Während der nächsten zwölf Tage, so schien mir, war ganz Kalkutta auf den Beinen, um Babaji zu sehen. Die Gastgeber hatten eine Ankündigung über seinen Besuch samt einem Foto in die Zeitung gesetzt. Zu Tausenden drängten sich die Menschen vom frühen Nachmittag bis spät abends in den Saal hinein, überreichten ihm Blumen, Süßigkeiten, empfingen Babajis Segen und strömten wieder hinaus. Eng aneinander gepresst standen sie auf der Straße, kilometerlang, die Menschenschlange schien kein Ende zu nehmen.

 

Mit anderen hatte ich im Saal einen Platz gefunden. Meine Aufmerksamkeit war ganz auf Babaji gerichtet, niemand und nichts konnte mich ablenken. Durch meine Augen nahm ich ihn in mir auf, zog seinen Anblick in meine Seele. Dieses Bild des gütigen Vaters, liebevoll und aufmerksam, wollte ich ewig in mir tragen. Leise stimmte ich in den Gesang mit ein und fragte mich im Stillen, was denn die Leute veranlasste, zu Babaji zu kommen. Sicherlich hatten nicht alle spirituelle Ambitionen, sondern waren aus Neugier erschienen.

Diesem Gedanken hing ich eine Zeitlang nach. Dann kam die Erklärung in der typischen Art, wie Babaji oftmals Fragen beantwortete. Ich wusste intuitiv, dass, sobald ein Samenkorn benetzt wird, es sich zu regen beginnt. Der Wachstumsdrang in ihm veranlasst es, sich nach mehr Wasser zu sehnen. Erhält und nimmt es weitere Nahrung auf, gedeiht es und trägt Früchte. Fehlt sie, verkümmert und verdorrt es. Ähnlich ist es mit den Menschen.

Da ich nur Augen für Babaji hatte, bemerkte ich nicht, wie außergewöhnlich es den sittenstrengen Indern erscheinen musste, dass ich, als einzige Frau, mit so vielen Männern in einem Zimmer schlief. Sie störten mich nicht, ich nahm sie kaum zur Kenntnis. Ich brauchte mit niemandem zu reden, sondern konnte mit mir und meinen Gedanken an Babaji alleine sein. Shastriji, der ehrwürdige sechsundsiebzigjährige Sanskrit-Priester, erschien immer nur tagsüber im Zimmer, las in seinen heiligen Büchern und war ganz in sich gekehrt. Die Nächte verbrachte er in Babajis Zimmer. Sri Muniraji hatte es sich an der mir gegenüberliegenden Zimmerwand bequem gemacht. Auch er vertiefte sich, wenn er nicht bei Babaji weilte, in die heiligen Schriften, vornehmlich der Haidiyakhandi Sapta Sati, einem Gebetshymnus zu Ehren der göttlichen Mutter. Ab und zu warf er mir ein aufmunterndes Lächeln zu und erkundigte sich liebevoll nach meinem Befinden. Die ersten schlaflosen Nächte waren nach wie vor unangenehm. Dieser Zustand änderte sich jedoch schlagartig, als Babaji einmal in das Zimmer kam und sich schweigend für einige kurze Sekunden auf mein Lager stellte. Prompt schlief ich in den folgenden Nächten tief, fest und traumlos.

***

Wie in Haidakhan, dem kleinen Ashram Babajis, in der Kumaon Region des nördlichen Himalaya, begann der Morgen auch hier mit einer Zeremonie, die mich stets tief berührte. Zwischen 4 und 5 Uhr in der Früh trug Babaji jedem, der um Erlaubnis gebeten hatte, Chandan auf die Stirn. Chandan besteht aus einem Gemisch aus Sandelholzpulver und Kampfer. Die Paste wird entweder in drei waagerechten oder drei senkrechten Strichen aufgetragen. Ein roter Punkt aus dem Puder der Kum-Kum Blume kennzeichnet das Stirn-Chakra, das geistige, dritte Auge. Das gelbe Chandan hat eine kühlende und reinigende Eigenschaft. Gelb symbolisiert die Weisheit, rot die Liebe.

Die kurzen Augenblicke des Gegenübers mit Babaji, während er Chandan auftrug, bedeuteten mir viel, oftmals waren sie die einzigen am Tage, an denen man ihm so nah war. Nie glichen sie einander. Mal lächelte er oder war geistig abwesend, ein andermal malte er schelmisch zusätzliche Punkte an die Ohren, an die Augenwinkel oder zwickte einem scherzhaft in den Arm oder ins Ohr, wobei jede Geste eine Bedeutung hatte.

Nach dem Chandan gab es Gelegenheit, in den frühen Morgenstunden zu meditieren, oder einen heißen Tee, gewürzt mit scharfem Pfeffer oder Ingwer, Milch und Zucker, auf der Dachterrasse einzunehmen. Von dort bot sich ein selten schöner Anblick im Morgengrauen. Kalkutta erwachte. In den Hinterhöfen begannen sich die Menschen zu regen, Kühe erhoben sich schlaftrunken auf dem Straßenpflaster, Palmen wiegten sich im Wind, und eine frische Brise wehte herüber vom Meer.

Beeindruckend war die Lichtzeremonie, Arti genannt, die morgens im Anschluss an die Teepause und abends vor Babaji ausgeführt wurde. Während religiöse Hymnen gesungen wurden, versammelte sich der Hausherr mit seiner Familie vor Babaji. Unter feinem Glockengeläute wurden ihm die Füße gewaschen und gesalbt. Der Duft von Rosenwasser oder Hinnaöl erfüllte den Raum. Es wurden ihm eine Holzperlenkette, eine Blumengirlande um den Hals oder die Hände gelegt und ihm eigens zubereitete süße Köstlichkeiten, barfi genannt, Früchte oder Nüsse offeriert. Babaji nahm etwas von dem Angebotenen und ließ den Rest in der Menge verteilen. Die Ketten, die er durch seine Berührung gesegnet hatte, verschenkte er. Immer waren sie und andere Dinge durch den anhaftenden Segen begehrt und werden stets in Ehren gehalten. Manche überhäufte Babaji mit Geschenken, anderen wiederum gab er nichts, was bei den Schülern die unterschiedlichsten Reaktion auslöste.

Die Kriterien, nach denen er seine Gaben verteilte, variierten. Es kam auf die Geisteshaltung der einzelnen an. Erwartete jemand nichts, erhielt er im Überfluss, forderte er im Glauben, benachteiligt zu sein, ging er leer aus. Andererseits überhäufte Babaji manchen so lange mit Geschenken oder Aufmerksamkeiten, bis dieser glaubte, bevorzugt zu sein. Steigerte sich dieses Gefühl zur Überheblichkeit, ließ Babaji ihn von einem Tag zum anderen fallen. Er kümmerte sich scheinbar nicht mehr um ihn, bis er seine Einstellung korrigiert hatte. Durch diese Handlungsweise holte Babaji minderwertige Gefühle an die Oberfläche, um sie umzuwandeln. Oftmals war die latente Existenz dieser Gefühle einem selbst nicht bekannt.

Vor Jahren, bei meinem zweiten Aufenthalt - insgesamt war ich zehn Mal bei Babaji - musste auch ich eine für mich sehr schmerzhafte Erfahrung machen. Schmerzhaft insofern, weil ich mit einem unterschwelligen Gefühl der Eifersucht konfrontiert wurde. Nie zuvor hatte ich damit zu kämpfen gehabt, es war mir fremd gewesen. Doch eines Tages trat es mit einer solchen Vehemenz auf, dass ich meinte, zerspringen zu müssen. Wie die Eruption eines Vulkans, so ergoss und erschöpfte es sich schließlich, um nie wieder aufzutauchen.

Mein Mann, mein kleiner Sohn und ich waren nach Chilianaula gefahren, um an den jährlichen Navratri-Festlichkeiten in einem Ashram hoch im Himalaya-Gebirge teilzunehmen. Der Tempel sollte eingeweiht werden. Viele Menschen aus nah und fern waren erschienen, sie wollten gemeinsam mit dem verehrten Meister die zehntägigen Festlichkeiten zu Ehren der göttlichen Mutter begehen. Ein Festzelt schützte die Menge vor der brennenden Mittagssonne. Die schneebedeckten Gipfel des Himalaya leuchteten in der klaren Luft, und das strahlende Blau des Himmels bildete einen wunderschönen Kontrast. Babaji segnete jeden, der zu ihm kam, widmete allen seine Aufmerksamkeit, verwöhnte meinen fünfjährigen Sohn und ganz besonders meinen Mann. Dieser musste dicht bei Babaji stehen und als Ordnungshüter seinen Dienst versehen.

Jedes Mal nach dem Darshan zeigte er mir, was er von Babaji erhalten hatte: ein silbernes Döschen, ein langes Seidentuch, einen runden, glattpolierten Onyx-Stein, ein beigefarbenes Seidenhemd mit passendem Lungi, eine Rudraksh-mala und ich weiß nicht, was noch alles. Zuerst freute ich mich mit ihm und seiner Gelassenheit, die Gaben anzunehmen. Dann allerdings begann es in mir zu rumoren. Außer dem üblichen Prasad, gesegnete Speisen, wie Nüsse, Bonbons etc. hatte ich nichts erhalten. Es war offensichtlich, dass Babaji meinen Mann mir vorzog. Erschreckt erkannte ich, dass ich eifersüchtig wurde.

Wie war das möglich? Ich war meinem Mann zugetan, und wie kann man auf einen Menschen, dem man verbunden ist, eifersüchtig sein? Ich verstand mich nicht mehr, waren mir doch bisher derartige Gefühle fremd gewesen. Als dann auch noch mein Mann wie ein indischer Fürst im langen Seidengewand daherkam und einen Turban auf dem Kopf trug, war bei mir das Maß voll. Ich war kaum fähig, mein Weinen zu unterdrücken, als er mir erzählte, wie er zum Turban auf dem Kopfe gekommen war.

Babaji war von seinem Sitz aufgesprungen, hatte meinem Mann "komm" zugeraunt und war um das Zelt herum, den langen Gartenweg hinunter, in das Haus gegangen, in dem er ein Zimmer bewohnte. Unter all den erhaltenen Geschenken, die dort abgelegt worden waren, befand sich ein Stapel Tücher. Babaji hatte seine Hand seitlich darüber gleiten lassen und schließlich ein fünf Meter langes, kleingemustertes Stück Stoff herausgezogen.

"Turban, aus Rajasthan", hatte er dazu gesagt.

Anschließend war Babaji auf seinen Sitz im Festzelt zurückgekehrt, nicht ohne meinen Mann angewiesen zu haben, sich von Shastriji den Turban um den Kopf wickeln zu lassen.