Namaste geht immer

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Namaste geht immer
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Gabriele Prattki wurde 1951 in Berlin geboren und lebt seit 1955 in Münster.

Sie veröffentlichte ihr erstes Buch Magische Momente – Marokko mit eigenen Fotos 2011 im Eigenverlag, ebenfalls 2012 Der Tanz geht weiter, Gedichte 2008 – 2012 und Der geheimnisvolle Gang – Märchenhafte und alltägliche Geschichten.

2013 entstand mit Bildern der Malerin Inge Schnoor-Sturm das von D. Rayen kunstvoll gestaltete Buch Der Tanz geht weiter – Gedichte und Bilder, veröffentlicht bei epubli.de, wo 2013 auch das E-Book Ein Teppich aus Andacht veröffentlicht wurde.

2013 wurde ihr Gedicht suche ins Jahrbuch für das neue Gedicht der Frankfurter Bibliothek aufgenommen, 2014 das Gedicht Kein Zugang.

Gabriele Prattki

NAMASTE GEHT IMMER

Impressionen beim Reisen durch Indien

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche

Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Lektorat: Christine Hochberger – www.buchreif.de

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

ich suche neue landschaften

unbekannte räume

fremde verheißungen

ich finde sie

weltenweit entfernt

entdecke sie im nachbarhaus

in der beziehung zu dir

in mir

wie fremd bin ich mir

wohin fliehe ich vor mir

ich suche neue landschaften

FÜR MONI K.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Über den Autor

New Delhi 2012

2012

1983 – Erste Indienreise

2012

1983 – Erste Indienreise

Rückblick

2012

1983 – Erste Indienreise

1983 – Erste Indienreise

Rückblick

2012

Rückblick

2012

Rückblick

2012

1983 – Erste Indienreise

1983 – Erste Indienreise

Rückblick

2012

1983 – Erste Indienreise

Rückblick

2012

Rückblick

2012

Zurück aus Indien

1983 – Erste Indienreise

Rückblick

2012

New Delhi 2012

Durch die geschlossenen Hotelfenster hört Sabina Muezzins, Vogelstimmen, Züge, Hupen, leises Dröhnen, Trillerpfeifen. Nach der kurzen Nacht fröstelt sie und fühlt sich ziemlich aufgedreht. Sie öffnet den Koffer, sucht Söckchen heraus und zieht sie an. Dann kramt sie Stift und Papier aus ihrem Tagesrucksack und beginnt zu schreiben.

Liebe Ella,

ich bin wieder in Indien! Hättest du das je gedacht? Indien, mein Trauma-Land. Nie wieder, habe ich noch letztes Jahr in Marokko gesagt, als Mitreisende von ihren Indienreisen schwärmten. Doch hier bin ich! Ich werde mit einer Gruppe zwölf Tage überwiegend in Rajasthan reisen, dann durch Uttar Pradesh bis nach Varanasi. Du hast schon vor Jahrzehnten so begeistert von Benares, dem heutigen Varanasi erzählt, dass ich diese besondere Stadt unbedingt erleben möchte.

Ich habe in den letzten Monaten oft an dich gedacht. Es ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Weißt du noch, in dem kleinen Café? Du warst gerade aus Namibia zurückgekommen und sagtest: „Dieses Mal habe ich mich mit dem Reisen überfordert.“

In New Delhi ist es gerade acht Uhr, in Deutschland wird es etwa 3.30 Uhr sein. Smog vernebelt mir an diesem November-morgen die Sicht durch das Hotelfenster im achten Stock. Im Häusermeer erkenne ich schemenhaft Dachterrassen mit Stühlen, Tischen, Fässern und Wäsche, die schlaff über Leinen hängt.

Ich habe in meinem prunkvollen Hotelzimmer nicht einmal die vier Stunden geschlafen, die ich nach unserer Ankunft hätte ruhen können. Mein Herz klopfte, die Klimaanlage brummte, Aufzüge fuhren beständig. Es war, als fände ein großer Umzug statt, bei dem Möbel hin- und hergeschoben wurden.

Von Frankfurt bis New Delhi dauerte der Flug etwa acht Stunden. Für Sabina verlief die Zeit recht kurzweilig, da das Bordpersonal häufig Getränke, mehrere Mahlzeiten und vor der Landung feucht-heiße Tücher zum Erfrischen anbot. Manchmal, wenn sie aus dem kleinen Fenster lugte, hatte sie das Gefühl, auf dicken Spinnennetzen zu schweben – Kondensstreifen über Großstädten. Ab halb vier nachmittags gab es ein fantastisches Farbenspiel in Rosa und Purpurrot am Himmel, darunter ein dunkles Blau. Dunstschleier zogen davor.

Dann wurde es Nacht, und die Dunkelheit begleitete sie bis nach Indien.

Jeder Fluggast hatte einen Monitor vor sich. Wer nicht schlafen wollte, konnte dem Reiseverlauf folgen. Landschaften, Bergketten und Schneereste zeigte der Bildschirm, das Schwarze Meer bei Baku aus der Vogelperspektive, den Indus, auch Kabul und Amrit-sar.

Sie erinnerte sich an die Treffen der Globetrotter vor vielen Jahren und Ellas lebhafte Schilderungen zu Fotos vom Goldenen Tempel der Sikhs in Amritsar. Jene Treffen in den achtziger Jahren – endlose Nächte …

Rückblick

Globetrottertreffen fanden seit Jahren alle vier Wochen bei einem der Reisefreunde statt. Interessante Geschichten wurden zu beeindruckenden Dia-Shows erzählt und Rezepte exotischer Gerichte mit fremden Gewürzen ausprobiert. Einmal gab es bei Ella chinesische Suppe, die alle nur mit Stäbchen schlürfen durften, dafür aber laut „wie die Chinesen, doch macht’s bitte nicht genauso wie sie. Sie rülpsen heftig und spucken auf den Boden aus Höflichkeit dem Gastgeber gegenüber.“ Münzen, Stickereien, Figürchen, Seide, Schmuck – vieles, was von den Reisen mitgebracht worden war, bewunderten die Freunde in jenen langen Nächten. Morgens hatte jeder rote Augen. Manchmal sahen sie bis zu tausend Dias an, auch wenn dem einen oder anderen zwischendurch die Augen zufielen. Beim Erwachen war man dann nicht mehr im Jemen, sondern in Indonesien oder Peru. Die Treffen waren spannend und weckten Neugierde auf weitere Erfahrungen in der Fremde.

2012

Sabina bleibt bis zum Frühstück noch ein wenig Zeit.

Schon letzte Nacht war es spannend auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel. In der Dunkelheit fielen vor uns plötzlich Lichtkaskaden aus großer Höhe auf die Straßen.

„Diwali“, erklärte unser indischer Reiseleiter. „Das Lichterfest zu Ehren der Göttin Lakshmi ist gerade vorbei.“ Wir waren zunächst durch die Slums gefahren, vermute ich. Dort schwankte mal eine schwache Glühbirne hin und her, mal flackerte ein Kerzenlicht. Es war zu dunkel, um zu erkennen, was der Tag ans Licht bringen mochte. Für uns überraschend funkelten dann in der Finsternis die Lichterketten in Rot, Blau, Grün und Gelb. Nicht nur die Läden, Hotels und Büros entlang der Hauptstraße waren geschmückt, sondern auch die Gebäude in den Nebenstraßen. Soweit unsere Blicke reichten, glitzerte ein Meer aus unzähligen Sternchen.

 

„Diwali ist der Beginn des hinduistischen Neujahrs“, erklärte Kishan, unser Reiseleiter. „Gestern gab es überall fantastisches Feuerwerk.“

„Wer zahlt denn die Stromkosten für die Lichtspielereien?“, fragte jemand aus der Gruppe mit dem unüberhörbaren Unterton, das könne sich hier doch keiner leisten.

„Zu Ehren der Göttin Lakshmi, die als Spenderin von Gold und Glück gilt, werden keine Kosten gescheut.“

Gleich gibt es das erste indische Frühstück. Ich habe zwar noch keinen Appetit, bin aber neugierig. Danach werden wir einige Sehenswürdigkeiten in New Delhi besuchen.

Diese Reise wird völlig anders verlaufen als die drei Wochen im Jahr 1983 mit dir, Ella, die für mich unvergesslich bleiben werden.

1983 – Erste Indienreise

Sabina strich mit beiden Händen über ihren Bauch. Vor einigen Wochen war sie aus Indien zurückgekommen und hatte sich im Krankenhaus behandeln und im Hamburger Tropeninstitut untersuchen lassen müssen. Eine somatische Ursache für ihre anhaltenden Durchfälle war nicht gefunden worden.

Der Hausarzt fragte, ob sie Stress oder Angst während der Reise gehabt hätte.

Schon vor der Reise hatte sie Angst gehabt, das aber verdrängt. Die Globetrotter, die bereits in Indien gewesen waren, hatten fasziniert von allem berichtet, was sie dort erlebt hatten: die Schönheit der Berge Kaschmirs, Rituale der Hindus, Leichenverbrennungen am Ganges, traumhafte Strände. Ashrams schienen beliebte Aufenthaltsorte für Menschen auf spiritueller, manchmal auch sexueller Suche zu sein. Von Toten auf den Straßen, um die sich niemand zu kümmern schien, hatte Sabina gehört. Unvorstellbar musste die Armut in Städten wie Kalkutta oder Benares sein. Für die Rucksackreisenden war alles interessant, exotisch und für einige wie ein Rausch gewesen.

Etwas in der Art hatte sich auch Sabina versprochen. Doch während ihrer sechsmonatigen Vorbereitung auf das Land hatten sich auch Zweifel eingestellt. So viel bittere Armut! Wollte sie sich das antun? Zusehen – wie Menschen in Deutschland Unfälle begafften – ohne helfen zu können? Doch ihre Freude an Menschen und exotischen Landschaften, die Neugier auf das Fremde und die Ahnung, dass die Klöster im Himalaja eine starke Anziehung auf sie ausüben könnten, überwogen ihre Bedenken. Wahrscheinlich, so hatte sie sich beruhigt, würde sie im Nordosten Indiens gar kein Elend sehen. Denn mit Ella, ihrer Freundin und auf fünf Kontinenten erfahrenen Globetrotterin, wollte sie nach Ladakh reisen und buddhistische Klöster besuchen.

Rückblick

Sabina und Ella hatten sich als Kolleginnen kennengelernt. Als Ella erfuhr, dass Sabina eine Wohnung suchte, vertraute sie ihr an, dass sie Probleme mit ihrem Mann hatte und eine neue Bleibe suchte. Ohne ein einziges Möbelstück zog Ella bei Sabina ein. Über sie lernte Sabina die anderen Globetrotter kennen und erfuhr von deren Art zu reisen, die sie nicht kannte. Da sie zu der Zeit selbst gesundheitliche und ebenfalls Beziehungsprobleme hatte, schien jede Veränderung ein Lichtblick zu sein.

So hatte sie 1982 Ellas Vorschlag zu einer Reise nach Westafrika gern angenommen und sich bei den Vorbereitungen um nichts gekümmert, weil sie Ella und ihrer Erfahrung vertraute.

In Côte d`Ivoire hatten sie Kontakt zu sogenannten Entwicklungshelfern, bei denen sie ein paar Tage bleiben durften. Der Techniker in Abidjan arbeitete nur deshalb noch dort, weil er sein Gehalt und den Luxus liebte, den er sich zu Hause nicht hätte leisten können. Er sammelte und exportierte heimlich wertvolle Kunstgegenstände. In den acht Jahren seiner Tätigkeit sei er zum Rassisten geworden, erklärte er, weil die Einheimischen eine andere Arbeitsmentalität hätten und nervtötend langsam wären. Oft würden sie so tun, als ob sie ihn nicht verstehen könnten. Das machte ihn rasend. Entsprechend menschunwürdig behandelte er seine Hausangestellten, was Sabina und Ella betreten zur Kenntnis nahmen.

In Ferkessedougou, einer Stadt im Norden des Landes, war die Frau eines anderen Technikers an einer lebensgefährlichen Form von Malaria erkrankt und wurde in Deutschland behandelt. Der Mann nahm Ella und Sabina eines Nachts mit zu einer Dorfzeremonie. Ella war erfreut und neugierig, Sabina erst ängstlich, dann fasziniert und wie betäubt von den fremden Gerüchen, Trommelgeräuschen und tanzenden Gestalten, die sie und Ella bald mit in ihren Kreis aufnahmen. Jene Nacht blieb eine Erinnerung voller Magie.

In einem einfachen Restaurant im damaligen Obervolta kamen Kinder an ihren Tisch und starrten hungrig auf das Essen für Sabina und Ella. Sabina konnte kaum einen Bissen zu sich nehmen, schob den Teller beiseite und blickte die Kinder an. Die stritten sich um die Reste.

Ella hatte herausgefunden, dass es östlich von Ouagadougou, der Hauptstadt des Landes, ein Dorf mit einem Häuptling geben musste, der Französisch sprach. Nachdem sie und Sabina aus einem Buschtaxi mitten in der weiten, trostlosen Wüstenlandschaft der Sahara ausgestiegen waren, suchte Ella danach. Der Himmel war rot vom Wüstenwind. Einige Kinder kamen ihnen entgegen, die sie nach gestenreicher Verständigung zu jenem Dorf führten. Ella war begeistert, als sie dem Häuptling, einem jungen Mann, vorgestellt wurden und sie ihn zum Dorfleben befragen durfte. Bei der Führung durch den Kral wurden sie, die fremden Frauen, freundlich und oft zahnlos lächelnd begrüßt.

Für das Jahr 1983 plante Ella, die schon einige Male in Indien gewesen war, eine Reise nach Ladakh und fragte Sabina, ob sie mitkommen wolle. Sie war unsicher, sagte aber schließlich zu.

2012

Während der Besichtigungstour durch New Delhi informiert der Reiseleiter die Gruppe über den Fortschritt in Indien und New Delhi seit der Jahrhundertwende.

Sabina notiert Stichworte. Zahlreiche indische Bauern sind durch Landverkauf reich geworden. Die Städte haben sich wegen der ständig zunehmenden Anzahl an Menschen immer weiter ausgedehnt. Dort, wo früher Bauern ihr Land bestellten, stehen heute kilometerweit Hochhäuser und kleinere Häuser mit Apartments.

Reiche indische und ausländische Investoren kaufen Boden und Immobilien. Slums werden an vielen Stellen abgerissen, doch an den Rändern der Neubaugebiete entstehen sie wieder. Die dort lebenden Menschen zahlen Miete für die wenigen Quadratmeter, auf denen sie hausen, nutzen aber Strom und Wasser kostenlos. Das soll vermieden werden. Megastädte wie New Delhi bieten den Slumbewohnern Wohnraum gegen Bezahlung an. Die Umsiedlungspläne scheitern jedoch am geringen Einkommen dieser Menschen.

Riesige Drahtgeflechte hängen über den Straßen, ein Wirrwarr aus Leitungskabeln an Holzpfählen und Straßenlaternen. Sabina staunt, dass das Gewimmel aus Menschenmassen und Verkehrsmitteln zu fließen scheint. Bettler tauchen aus der Menge auf, sobald die Touristengruppe aus dem Bus steigt. Menschen liegen unter Decken auf kleinen, mit Bäumen begrünten Arealen an Kreuzungen. Kinder turnen, verbiegen ihre Körper wie Akrobaten, um Geld von den Autofahrern zu bekommen, die im Stau oder an einer Ampel halten. Heute leben die Slumbewohner wohl nicht mehr in Müllbergen wie damals, oder wird das nicht gezeigt?

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