THE END – DIE NEUE WELT

Text
Aus der Reihe: The End #1
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
THE END – DIE NEUE WELT
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Für Tahnee

Impressum

Deutsche Erstausgabe

Originaltitel: THE NEW WORLD

Copyright Gesamtausgabe © 2020 LUZIFER Verlag

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2020) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-943408-67-6

Sie lesen gern spannende Bücher? Dann folgen Sie dem LUZIFER Verlag auf

Facebook | Twitter | Pinterest

Um keine Aktion, News oder Angebote zu verpassen,

empfehlen wir unseren Newsletter.

Für weitere spannende Bücher besuchen Sie bitte

unsere Verlagsseite unter luzifer-verlag.de

Sollte es trotz sorgfältiger Erstellung bei diesem E-Book ein technisches Problem auf Ihrem Lesegerät geben, so freuen wir uns, wenn Sie uns dies per Mail an info@luzifer-verlag.de melden und das Problem kurz schildern. Wir kümmern uns selbstverständlich umgehend um Ihr Anliegen.

Der LUZIFER Verlag verzichtet auf hartes DRM. Wir arbeiten mit einer modernen Wasserzeichen-Markierung in unseren digitalen Produkten, welche dir keine technischen Hürden aufbürdet und ein bestmögliches Leseerlebnis erlaubt. Das illegale Kopieren dieses E-Books ist nicht erlaubt. Zuwiderhandlungen werden mithilfe der digitalen Signatur strafrechtlich verfolgt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

THE END

Impressum

Danksagung

15. Oktober 2066

Olympia, Washington, Republik Kaskadien

16. November 2004

Falludscha, Irak

17. März 2014

San Diego, Kalifornien

4. Dezember 2014

San Diego, Kalifornien

Musa Qala, Provinz Helmand, Afghanistan

Washington, D.C.

5. Dezember 2014

San Diego, Kalifornien

Musa Qala, Provinz Helmand, Afghanistan

Oklahoma City, Oklahoma

Musa Qala Provinz Helmand, Afghanistan

San Diego, Kalifornien

Oklahoma City, Oklahoma

San Diego, Kalifornien

Oklahoma City, Oklahoma

San Diego, Kalifornien

Musa Qala, Provinz Helmand Afghanistan

Luftwaffenstützpunkt Tinker, Oklahoma

San Diego, Kalifornien

Luftwaffenstützpunkt Tinker, Oklahoma

6. Dezember 2014

Musa Qala, Provinz Helmand, Afghanistan

San Diego, Kalifornien

11.000 Meter über Alabama

San Diego, Kalifornien

USS Makin Island, Persischer Golf

Dade County, Florida

San Diego, Kalifornien

USS Makin Island

Dade County, Florida

San Diego, Kalifornien

7. Dezember 2014

Cheyenne Mountain, Colorado

San Diego, Kalifornien

USS Makin Island, Indischer Ozean

San Diego, Kalifornien

11. Dezember 2014

Diego Garcia, britisches Seegebiet im Indischen Ozean

Cheyenne Mountain, Colorado

San Diego, Kalifornien

USS Makin Island, Indischer Ozean

San Diego, Kalifornien

12. Dezember 2014

USS Makin Island, Indischer Ozean

Cheyenne Mountain, Colorado

13. Dezember 2014

San Diego, Kalifornien

16. Dezember 2014

Cheyenne Mountain, Colorado

USS Makin Island vor der Südküste der Philippinen

San Diego, Kalifornien

18. Dezember 2014

San Diego, Kalifornien

Cheyenne Mountain, Colorado

USS Makin Island, Pazifischer Ozean

San Diego, Kalifornien

Cheyenne Mountain, Colorado

San Diego, Kalifornien

25. Dezember 2014

USS Makin Island, Pazifischer Ozean

Cheyenne Mountain, Colorado

3. Januar 2015

USS Makin Island, Pazifischer Ozean

San Diego, Kalifornien

Cheyenne Mountain, Colorado

San Diego, Kalifornien

4. Januar 2015

 

USS Makin Island, Pazifischer Ozean

Cheyenne Mountain, Colorado

San Diego, Kalifornien

Cheyenne Mountain, Colorado

5. Januar 2015

San Diego, Kalifornien

USS Makin Island, vor der Küste Südkaliforniens

Anza, Kalifornien, 89 Meilen außerhalb von San Diego

15. Oktober 2066

Olympia, Washington, Republik Kaskadien

Über den Autor

Danksagung

Alles im Leben beginnt mit einer Idee, doch nur unter Aufwendung von unheimlich viel Energie wird sie zur Wirklichkeit. Dass man dabei einen längeren Weg beschreitet, gehört dazu und bedarf für gewöhnlich der Hilfe und Unterstützung anderer Menschen. Dieses Buch ist auf ähnliche Weise entstanden; am Anfang spukte eine Idee in meinem Kopf herum, dann nahm ich mir eines Tages Zeit und fing an, das niederzuschreiben, was ihr nun lesen werdet. Ich hätte es ohne die Zuneigung und den Beistand der folgenden Personen nicht fertigstellen können:

Mom: Tahnee, du hast mir vom ersten Tag an Liebe, Rückhalt sowie Orientierung gegeben und tust es bis heute. Stets hast du ein aufmunterndes Wort und einen nützlichen Ratschlag für mich parat. Ich liebe dich. Seit dem Tag, an dem ich dich kennengelernt habe, darf ich mich als gesegnet ansehen und führe ein reicheres Leben. Ich danke dir.

Judy, in deiner Hilfsbereitschaft bist du unbeirrbar; immerzu stehst du mir zur Seite, egal was ich gerade tue. Mit deinem Großmut und deiner Warmherzigkeit hast du meinem Leben die Krone aufgesetzt. Vielen Dank dafür.

Mike Smith, du hast diesem Roman den letzten Schliff verliehen und das gewisse Etwas gegeben, das jedes Buch braucht. Danke für deine kostbare Zeit und Mühe – du bist der Beste!

Mom, Dad, John, Becky, Billy, Neal, Onkel Rod, Tante Jeri, Travis, Steve Nicole, Nick & Wags: Danke, für eure Hinwendung und euren Beistand auf dieser Reise.

15. Oktober 2066
Olympia, Washington, Republik Kaskadien

Haley war aufgestanden und sah durch die dünne Fensterscheibe nach draußen, welche die kühle Luft am Pudget Sound aus ihrem Wohnzimmer hielt. Sie betrachtete das Kapitol in der Ferne. Dessen Sandsteinkuppel überragte die anderen Gebäude der Stadt, wie es schon seit 138 Jahren der Fall war. Früher fungierte die Stadt als Hauptstadt eines einzelnen Bundesstaats, jetzt war sie der Sitz der Regierung dieses Landes, einer auf Chaos und Zerstörung geborenen Nation.

Sie zwang sich, ihren Blick aus der Distanz loszureißen, um auf das Foto in ihrer Hand zu sehen, und strich über die Köpfe der darauf abgebildeten Personen. Es waren vier strahlende Gesichter, das Porträt einer glücklichen Familie – ihrer eigenen. Tränen kamen ihr, als sie an den Tag zurückdachte, an dem das Foto entstanden war. Sie erinnerte sich lebhaft daran, als sei es erst heute Morgen gewesen. Haley schloss die Augen und drückte das Bild an ihre Brust; die Tränen rannen an ihren Wangen hinab und blieben am Kinn hängen. Sie spürte wieder, wie ihr Vater sie festhielt, während sie auf seinem Knie hockte; wie er sie viele Male auf den Kopf küsste und betonte, wie stolz er auf sie sei, da sie ihre Schuhe an jenem Tag ganz allein geschnürt hatte.

Sie sehnte sich nach dieser unschuldigen Zeit ohne Sorgen und Verantwortungen zurück, wünschte sich die Tage herbei, in denen ihre Familie miteinander vereint und glücklich gewesen war.

Nicht lange, nachdem dieses Foto geschossen wurde, hielt die brutale Realität von Massenmord und Weltuntergangsstimmung Einzug in ihre heile Welt. Diese neuen Umstände sollten ihre Familie gewaltsam trennen, und was übrig blieb, konnte nie mehr so werden wie zuvor.

Ein Klopfen an der Haustür holte sie in die Gegenwart zurück. Rasch wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schob das Foto in die Tasche ihres Pullovers. Dann trat sie zur Tür, doch bevor sie öffnete, drehte sie sich zum Wandspiegel um und betrachtete sich selbst. Als sie sicher war, dass sie alle Tränen abgetupft hatte, richtete sie ihr grau werdendes Haar.

»Du schaffst das, Haley«, sprach sie sich zu, in einem Versuch, Selbstsicherheit für die schwierige Aufgabe zu finden, die vor ihr lag.

Sie wandte sich wieder ab und öffnete die Tür. Unter dem Vordach standen drei Männer: John, der Mitte dreißig war und als leitender Reporter für die Cascadian Times arbeitete, sowie zwei Fotografen, die jeweils nicht älter als fünfundzwanzig sein mochten. In jedem Fall handelte es sich um Nachkriegskinder, die den Schrecken und die Grausamkeit der großen Bürgerunruhen nicht erlebt hatten.

»Mrs. Rutledge?«, begann John mit ausgestreckter Hand.

»Richtig, aber bitte nennen Sie mich Haley.« Sie packte fest zu und schüttelte die Hand.

Nachdem sie die beiden anderen begrüßt hatte, gewährte sie ihnen Einlass. Man plauderte zwanglos, während die Fotografen ihre Gerätschaften für die Bilderreihe aufbauten, die sich dem Interview anschließen sollte.

»Mrs. Rutledge, lassen Sie mich wissen, wann Sie bereit sind, damit wir anfangen können«, sagte der Journalist.

»John, bitte nennen Sie mich Haley.«

»Gut Ma'am«, antwortete er mit einem betretenen Lächeln.

Haley war nervös, als sie so dasaß und die Hände auf ihrem Schoß fest ineinander verschränkte. In Erwartung der ersten Frage rieb sie sich die Finger.

»Haley, zunächst einmal danke dafür, dass wir zu Ihnen nach Hause kommen durften. Es ist uns eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen, um Ihre persönliche Geschichte und Sichtweise zu erfahren.«

»Keine Ursache, John. Zugegeben: Ich bin ein wenig nervös. Wie Sie wissen, stand ich noch nie gerne im Rampenlicht und führe nur ungern Interviews. Ohne Ihre Verwandtschaftsbeziehungen wären Sie nicht hier; ich kannte Ihren Vater, der ein Freund und Kollege meines Vaters war. Erst als ich hörte, dass Sie derjenige sind, der mich befragt, rang ich mich dazu durch.« Sie hielt sich beim Sprechen sehr gerade und schaute John rundheraus an.

»Ich weiß durchaus, dass in der Vergangenheit Verbindungen zwischen unseren Familien bestanden, also noch einmal danke. Darf ich gleich beginnen?«

Haley nickte zustimmend.

»Nächste Woche markiert den 50. Jahrestag für den Abschluss des Vertrags von Salt Lake. Dieses Abkommen bedeutete den formellen Sieg unserer jungen Republik über den Feind und die Geburt unseres Landes. Ihr Vater wohnte der Unterzeichnung in Salt Lake bei; was können Sie uns über ihn erzählen?«

Haley kicherte kurz, bevor sie antwortete. »Wow, das ist keine leichte Frage. Was ich über meinen Vater erzählen kann … wo soll ich da bloß anfangen?« Sie hielt einen Moment inne. »Möchten Sie wissen, wie er damals war?«

»Ich merke schon, ich habe die Frage zu ungenau gestellt, Verzeihung. Lassen Sie es mich anders formulieren: Ihr Vater spielte eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung dieser Nation; er ist einer unserer Gründungsväter, wie manche Stimmen behaupten. Während er von vielen für seine Opferbereitschaft gelobt wird, halten einige sein Handeln während des Großen Bürgerkrieges für fragwürdig. Wie würden Sie ihn beschreiben?«

»Mir sind ein paar jener Revisionisten ein Begriff, die nun im Schutze unserer hart erkämpften Freiheit die Wege anzweifeln, auf denen ebendiese gewonnen wurde. Ihnen sage ich: Ihr habt es nicht erlebt, ihr wart nicht dabei. Man kann sich leicht ins gemachte Nest setzen, behaglich unter dem blutbesudelten Banner unserer Revolution«, erklärte Haley in entschiedenem Ton. »Falls Sie hier sind, um die Taten meines Vaters infrage zu stellen, sollten wir meiner Meinung nach dort ansetzen, wer er genau war und woher er kam. Ich kannte ihn als liebevollen, behütenden Mann. Er sorgte für mich und den Rest seiner Familie, wobei er sich zu allem bereit zeigte, was unser Überleben sicherte. Viele bewerten die Historie, ohne sich der Umstände bewusst zu sein. Man muss es erlebt haben, um wirklich zu begreifen, was die Menschen zu ihrem Handeln motiviert hat. Mein Vater war ein Mann der Taten und reagierte sofort, wenn es jenen zugutekam, die er zu schützen geschworen hatte. So pragmatisch ist er allerdings nicht immer gewesen.« Haley hielt inne, verlagerte ihr Gewicht im Sessel auf die andere Seite und fuhr mit sanfterer Stimme fort. »Daddy machte keinen Hehl aus seiner Vergangenheit. Oft hörte ich Geschichten darüber. Er erzählte mir davon, wie das Schicksal zuschlagen und unsere Sichtweise auf das Leben verändern kann, dass uns bestimmte Erlebnisse in unseren Grundfesten erschüttern mögen und uns zum Umdenken anregen. Das ist meinem Daddy mehrere Male passiert. Zum ersten Mal, soweit ich mich erinnern kann, als Marinesoldat im Irak, wie er mir anvertraute. Was dort geschah, machte ihn zu einem anderen Menschen und ließ ihn den Weg einschlagen, an dessen Ende wir nun in diesem Wohnzimmer sitzen. Hoffentlich haben Sie etwas Zeit mitgebracht, denn ich werde diese Sache jetzt ein für alle Mal klarstellen.«

16. November 2004

Seid höflich und professionell, aber macht euch darauf gefasst, jeden töten zu müssen, dem ihr begegnet. – Marine-General James Mattis zu seinen Soldaten im Irak

Falludscha, Irak

»Ziel in Reichweite!«, rief Sergeant Gordon Van Zandt, während er konzentriert durch das Tagessichtvisier des TOW-Panzerabwehrgeschützes blickte.

Rings um Gordon knatterten Gewehre. Er fasste das Ziel ins Auge, das er gewählt hatte: ein kleines Fenster. Von dort aus hielt ein irakischer Scharfschütze eine Truppe Marines weiter oben auf der Straße in Schach. Die Reflexion seines Fernrohrs und wiederholtes Mündungsfeuer gaben seine Position preis.

Nachdem man den in Not geratenen Trupp darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass ihm keine Luftunterstützung zur Verfügung stand, wurde Gordons Panzerabwehreinheit herbestellt, um das Nest der Scharfschützen auszuheben. Ursprünglich waren ihre Waffen entwickelt worden, um gepanzerte Fahrzeuge zu zerstören; im ersten Golfkrieg hatten sie sich jedoch auch auf weitläufigen Schlachtfeldern als nützlich erwiesen, etwa um Bunker zu sprengen.

Gordon zwang sich ruhig zu atmen und hielt das Fadenkreuz auf das Ziel gerichtet, während sein Fahrer Lance Corporal Bivens mit seinem Halbautomatikgewehr im Anschlag an der hinteren Fahrerseite des Wagens kauerte.

Er brüllte: »Rückstoßbereich sauber!« Bivens' Statur entsprach nicht dem Musterbild eines Marine: Er war klein, vielleicht 1,70 Meter, und hager, doch sein Spitzname Pitbull sagte mehr über ihn aus als alles andere. Er war ein standhafter Fighter und hatte sich als würdiger Gegner im Nahkampf erwiesen.

Gordon langte sofort mit dem rechten Arm über seinen Kopf, um den Hebel zur Entsicherung zu betätigen, und rief zurück: »Kanone bereit!«

Dann zog er beide Hände behutsam zurück auf die Armatur des Geschützschlittens und legte den Abzugsbügel mit dem rechten Daumen um.

Im selben Augenblick sah er den Gewehrlauf des Scharfschützen aus dem Dunkel des kleinen Verschlags ragen, den er besetzte. Indem er keine weitere Sekunde verschwendete, brüllte Gordon: »Volle Deckung!«

Dann drückte er ab.

TOWs gehen mit einem lauten Knall los, gefolgt von einem Zischen. Binnen weniger Sekunden ließ das laute Brausen der Rakete, die das Rohr auf dem Weg zu ihrem Ziel verließ, Gordons Ohren klingeln. Er verfolgte sie durchs Visier. Nicht lange, und er sah einen Blitz; sie war eingeschlagen. Alles, was Gordon nun erkannte, war dichter Rauch, der aus dem Fenster quoll.

»Treffer, Ziel zerstört!«, bestätigte er. Nachdem er sich wieder nach oben ausgestreckt hatte, um die Arretierung aufzuheben, ließ er das leere Rohr auf die Erde fallen.

 

Bivens schulterte sein Gewehr und öffnete schnell die hintere Luke des Geländewagens. Gordon, dem er flugs eine neue Rakete daraus reichte, lud das Rohr des Werfers ebenso rasch wie gewissenhaft und drückte den Verschluss nieder. Dann sprang er hinter das Visier, besah den Schaden und blickte sich nach weiteren Zielen um.

Sobald er sich sicher fühlte, wandte er den Blick von der Waffe ab und rief Lance Corporal Bivens zu: »Wir haben den Mudschahid-Wichser erledigt. Steig wieder ein, wir fahren los und helfen den Landratten.«

Der Fahrer kehrte hinter das Steuer zurück und sie machten sich auf den Weg zur Marinetruppe.

»Bivens, ruf die Kommandobasis an und bestelle einen Rettungshubschrauber.«

»Roger«, antwortete der Gefreite und griff zum Funkgerät.

Bivens und Gordon erreichten die Marines. Der Sergeant nahm sein M-4, sprang vom Geländewagen und drehte sich nach Bivens um. »Pass auf, während ich mich um die Jungs kümmere.«

»Roger«, sagte Bivens erneut, während er zurück in die Luke kroch.

Vor sich sah Gordon einzelne Mauern von Gebäuden, verstreute Kampfausrüstung und fallengelassene Waffen. Zwischen den Trümmern fand er elf Soldaten, einige verletzt und blutend, andere saßen an die Wand eines Hauses gelehnt in einer Gasse oder lagen reglos am Boden. Er konnte nicht ausmachen, ob sie tot waren. An seinen ersten Einsatz unter Feindbeschuss erinnerte er sich noch; damals waren ihm Zerstörung und Tod unwirklich vorgekommen, jetzt waren sie etwas Alltägliches.

Gordon näherte sich dem ersten Marine, ging vor ihm auf die Knie und fragte: »Wie ist dein Zustand?«

»Eingeweideschuss, verdammte Scheiße!«, brachte der Lance Corporal hervor.

»Hör zu, wir schaffen dich bald von hier weg«, versicherte Gordon, als er den Bauchverband des Verletzten anhob.

»Sanitäter, wie ist die Lage hier?«, rief Gordon dem Navy-Arzt zu, der sich gerade um einen anderen Verwundeten kümmerte.

»Wäre besser, wenn der Drecks-Hadschi seine Kugeln für sich behalten hätte«, entgegnete der Sanitäter beim Bandagieren des Mannes.

»Danke, dass ihr den Mudschahid hochgenommen habt. Euch muss der Himmel geschickt haben«, meinte ein Marine, der an Gordon vorbeiging. Als der Sergeant zu ihm aufsah, bemerkte er, dass dessen Bein und linker Arm bluteten, letzterer besonders stark.

»Wie geht es dir?«, wollte Gordon wissen.

»Beschissen, Sergeant. Hab schon bessere Tage gesehen, aber ich werd's überleben!«

»Gut, Mann. Wer hat hier das Kommando?«

»Na ja, eigentlich Corporal Davies, aber den erwischte der Scharfschütze zuerst. Kopfschuss«, erklärte der Marine und zeigte auf den leblosen Körper seines Vorgesetzten, der ebenfalls in der Gasse lag.

»Zu welcher Einheit gehörst du?«, fragte Gordon weiter.

»Erste und Drittes Platoon, Kompanie India, 3/1, Sergeant. Ich bin Lance Corporal Smith, aber nennen Sie mich einfach Smitty.«

»Mein Name lautet Sergeant Gordon Van Zandt, Waffentrupp, 3/1. Freut mich, dich kennenzulernen, Teufelskerl«, erwiderte Gordon und klopfte Smitty auf seine heile Schulter.

Daraufhin sah er nach und nach bei jedem verletzten Marine nach dem Rechten. Die Soldaten des Ersten Platoon von Bataillon 3 schlugen sich nun schon seit zehn Tagen auf dem Weg zu ihrem Einsatzziel durch. Es war ein harter Kampf, doch bei diesen Männern handelte es sich um Marines. Obwohl sie Verluste erlitten, blieben sie zielstrebig. Die Thundering Third, wie man sie nannte, würde ihr Soll erfüllen oder dabei draufgehen, wobei Letzteres für diese Männer allerdings außer Frage stand. Es gehörte zu ihrem Job, dafür zu sorgen, dass der Feind für seine Sache ins Gras biss.

Als Gordon auf einen außerordentlich schwer verletzten Infanteristen stieß, kniete er sich hin und besah sich die Wunden des Mannes. Anhand der Abzeichen an der blutgetränkten Uniform erkannte er, dass er es mit einem Private First Class zu tun hatte. Er mochte kaum älter als zwanzig sein, und Gordon kam nicht umhin, die finstere Voraussage zu treffen, dass dieser junge Kerl seinen einundzwanzigsten Geburtstag vermutlich nicht erleben würde. So nahm er dessen Hand und fragte: »Wie steht's, Soldat?«

Ohne die Augen zu öffnen, wisperte der PFC: »Mir ist kalt … bitterkalt.«

Gordon sah, dass sich die Blutlache unter dem Verwundeten weiter ausbreitete. Er neigte sich ihm zu und flüsterte in sein Ohr: »Wir haben den Fucker kaltgestellt, der das getan hat, und schaffen dich schnell von hier weg, versprochen.«

Ein Humvee rumpelte heran und bremste vor der Truppe. Aus den Hintertüren sprangen zwei Marines mit einer Tragbahre und liefen zu ihren in Mitleidenschaft gezogenen Kameraden. Einer nach dem anderen wurden diejenigen ins Fahrzeug geladen, deren Zustand am kritischsten war.

Gerade als man den Schauplatz räumen wollte, raste von Süden her etwas Schwarzes auf den Transporter zu und schlug in die Fahrerkabine. Die Explosion warf Gordon nieder.

Als er die Augen öffnete, wusste er nicht genau, wie lange er bewusstlos gewesen war. Die Rufe und Schreie … das Schießen … klang eigentümlich leise, wie aus der Ferne. Seine Augen brannten. Er sah einzig eine dicke, schwarze Rauchwolke, die über ihm waberte. Als er aufstehen wollte, fuhr ihm ein stechender Schmerz den Rücken hinauf.

»Gott verdammt!«, fluchte er. Indem er tief Luft holte, zwang er sich dazu, eine aufrechte Sitzhaltung anzunehmen. Seine Bewegungen waren mühevoll, doch er wusste, dass er sich aufraffen und etwas unternehmen musste. Als er sich umsah, entdeckte er Bivens, der hinter dem TOW stand und die Umgebung absuchte. Von der Ambulanz war wenig mehr übrig als die brennende Karosserie und vier qualmende Reifen. Die Insassen hatte es definitiv ausnahmslos zerrissen; auf den Vordersitzen erkannte er zwei brennende Leichname. Die verkohlenden Leiber waren vornübergebeugt und Flammen züngelten aus ihren offenen Mündern.

Gordon sah, dass die verbliebenen Marines Deckung suchten und zum Angriff gegen irgendetwas weiter unten auf der Straße übergingen. Er erhob sich, versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und machte sich zu seinem Geländewagen auf.

»Bivens, falls du zum Schuss kommst, drück ab!«, befahl er.

»Ist nicht drin, Sergeant. Bei all dem Rauch lässt die Sicht zu wünschen übrig. Moment … da ist das Schwein … Ziel erfasst!«

Gordon blickte hinter das Geschütz, sah, dass sich niemand dort aufhielt, und rief zur Antwort: »Rückstoßbereich sicher!«

»Geschütz bereit«, brüllte Bivens – und kaum eine Sekunde später: »Volle Deckung!«

Nach dem vertrauten Knall und darauffolgendem Zischen schnellte die Rakete aus dem Rohr. Im Nu erreichte sie ihr Ziel, das Minarett einer Moschee, traf genau und ließ es in sich zusammenstürzen.

Die Marines jubelten, doch ihr Gefecht war noch nicht zu Ende: Mochten sie auch einen Aufständischen im Turm ausgeschaltet haben, so wurden sie weiterhin aus dem Gotteshaus mit Handwaffen angegriffen.

Während Gordon und Bivens das Geschütz nachluden, fuhr der zweite Humvee seiner Mannschaft vor. Gordon warf Corporal Nellis einen Blick zu, der die Ma Deuce bediente, das auf dem Dach montierte Maschinengewehr vom Kaliber .50.

»In dem Tempel, ungefähr anderthalb Blocks die Straße hinunter, hocken ein paar Alis. Gib den Landratten Feuerschutz mit der Browning«, wies er Nellis an, bevor er zu seinem Fahrzeug zurücklief und das Funkgerät bediente.

Er setzte sich mit der vorgeschobenen Kommandobasis in Verbindung, um weitere Unterstützung sowie erneut eine medizinische Rettungseinheit anzufordern.

Allmählich spürte Gordon die Nachwirkungen der Explosion. Als er die Funkverbindung beendete, bemerkte er Blut am Sprechteil. Beim Untersuchen seiner Finger stellte er fest, dass auch sie rot waren, also wischte er sie an seiner Hose ab. Als er an sich hinuntersah, tropfte es von seinem Kinn auf die Stiefel. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht und betrachtete sie: Dickflüssiges Blut klebte an der Innenfläche. Im Seitenspiegel des Humvee schließlich offenbarten sich zahllose rote Tupfer wie Pockennarben in seinem Gesicht. Bei der Detonation war er von Schrapnellen getroffen worden. Um weiteres Blut zu entfernen, gebrauchte er seine Ärmel, doch da klar war, dass ihm keine Zeit blieb, sich um sein Gesicht zu kümmern, schloss er sich wieder den Kämpfenden an.

Die Kanone leistete mithilfe einiger weniger M203-Granaten ganze Arbeit an der Moschee, woraufhin die Umgebung, abgesehen von einzelnen Schüssen in der Ferne, verstummte.

»Was siehst du, Bivens?«, fragte Gordon.

»Nichts regt sich, aber Sie kennen diese Motherfucker ja.«

Die Moschee stand auf unheimliche Weise still da, ohne dass etwas daraus feuerte, geschweige denn sich bewegte. Als Gordon die Straße hinaufblickte, ahnte er, dass sich rechterhand einmal ein florierender Marktplatz erstreckt haben musste, links hingegen ein Fußballfeld. Jetzt lagen Trümmer auf der Straße; alle Gebäude waren zerschossen, und auf dem leeren Gehweg schwelten ein paar kleine Feuer. Der Sergeant wollte sich vergewissern, dass die Moschee sicher war, doch die einzige Möglichkeit dazu bestand darin, sie zu besetzen.

»Bleib am Geschütz und gib uns Deckung, falls wir sie brauchen. Ich werde diese Marines die Straße entlangführen und die Moschee absichern«, erklärte er Bivens. Im Wagen lagen weitere Sprenggranaten, nach denen er sich ausstreckte, um neben ein paar zusätzlichen Magazinen so viele an sich zu nehmen, wie er tragen konnte.

»Roger«, bestätigte sein Gefreiter.

»Ach nein, vergiss das gleich wieder. Dreh das Geschütz auf sechs Uhr und halt die Augen offen«, korrigierte Gordon und kehrte sich dem anderen Corporal zu. »Nellis, überwache unseren Vorstoß auf der Straße.«

»Roger«, entgegnete auch er.

Daraufhin lief der Sergeant zu Smitty. »Seid ihr in der Lage, loszuziehen und den Hadschi-Tempel einzunehmen?«

»Jawohl, sind wir«, erwiderte Smitty mit einem Lächeln.

Gordon führte die Soldaten durch die Geschäfte an der rechten Straßenseite, um eines nach dem anderen zu sichern. Dabei durchsuchten sie diese vom Erdgeschoss bis zum Dach, stiegen aufs benachbarte Dach und drangen wiederum nach unten vor. Das Schaufenster des letzten Hauses war zersprungen, der gesamte Bau mit Löchern durchsiebt. Der Sergeant nahm eine Sprenggranate zur Hand und warf sie durch die Öffnung. Der Explosion folgte ein Schrei aus dem Inneren.

Während die Marines gestaffelt entlang der Front darauf warteten, zur Tat schreiten zu dürfen, trat Gordon mit Anlauf gegen die Tür und stürzte hinein. Sie folgten und schwärmten jeweils in einen der Räume aus.

Er selbst hatte sich gleich links gehalten, wo früher einmal ein Café gewesen war. Leere Patronenhülsen lagen zwischen umgestoßenen Tischen und Stühlen.

»Sergeant Van Zandt, Sergeant Van Zandt!«, rieft Smitty aus einem weiter innen gelegenen Zimmer.

Gordon hörte die Marines laut durcheinanderreden, während irgendjemand auf Arabisch stotterte. Beim Betreten des Raums traf er auf Smitty, einen seiner Kameraden sowie zwei irakische Rebellen. Der eine trug einen weißen, allerdings über und über blutbefleckten Thawb, der andere lag reglos am Boden. Kugeln und Granatsplitter hatten die Wände durchlöchert, Trümmer und Unrat lagen verstreut herum. An einer Mauer standen drei AK47-Maschinengewehre. Smitty und der andere Marine schnauzten den verwundeten Einheimischen an, er solle die Hände hochheben und den Mund halten.

Der Aufrührer schrillte indes in seiner Muttersprache zurück. Richtig sattelfest war Gordon zwar nicht darin, doch nachdem er schon einmal im Ausland gedient und ein paar Brocken Arabisch aufgeschnappt hatte, meinte er, der Mann flehe: »Nicht schießen!«

Das Wortgemenge wirkte auf Dauer ablenkend, also musste Gordon die Kontrolle übernehmen und ihren Gefangenen so schnell wie möglich abfertigen.

»Klappe halten, und zwar alle! Smitty, durchsuche den Kerl und sieh zu, ob er uns irgendwelche Informationen geben kann. Wir anderen werden nach oben gehen.« Der Iraker schnatterte weiter, weshalb Gordon herumfuhr und brüllte: »Fresse jetzt, das reicht! Niemand wird dich erschießen!«

Da schwieg der Mann, als hätte er die Worte des Sergeant genau verstanden. Während er seinen Oberkörper wiegte und vor Angst zitterte, schluchzte er in sich hinein.

Nachdem Gordon das Zimmer verlassen hatte, schickte er sich an, die Treppe nach oben zu nehmen, wurde aber von Smittys aufgeregter Stimme unterbrochen. »Der andere Mistkerl …«

Eine laute Explosion erschütterte den Raum.

Gordon machte umgehend kehrt. Im Erdgeschoss war die Situation aus den Fugen geraten. Nun schrien die beiden Marines, die ihm nach oben folgen sollten, bloß verstand er ihre Worte nicht.

Als der Sergeant zurück nach unten kam, war von dem Zimmer nicht mehr viel übrig und der verletzte Iraker in Stücke gerissen. Auch einen der Soldaten hatte die Explosion zerfetzt, doch er erkannte nicht, um welchen es sich handelte.

Da rief jemand vom Flur aus: »Sergeant!«

Er drehte sich um und sah Smitty daliegen – im Blut von vier Menschen, einschließlich seinem eigenen.

»Was ist passiert?«, fragte Gordon und kniete neben ihm nieder.

»Der Mistkerl am Boden war gar nicht tot. Ist zur Seite gerollt und hatte auf einmal 'ne Handgranate. Grebbs hat's erwischt.«