2020 hatte ich anders geplant

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2020 hatte ich anders geplant
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Esteban Luis Grieb

2020 hatte ich anders geplant

Mein Leben mit der unheilbaren Friedreich-Ataxie von 2016 bis Ende 2020

ENNSTHALER VERLAG STEYR

www.ennsthaler.at

ISBN 978-3-7095-0132-0

Esteban Luis Grieb · 2020 hatte ich anders geplant

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2021 Ennsthaler Verlag, Steyr

Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich

Umschlaggestaltung: Thomas Traxl & Ennsthaler Verlag

Umschlagfotos: © almagami/iStockphoto.com; vectorplusb/ iStockphoto.com

Fotos: Privat/Grieb

Herstellung: www.zeilenwert.de

Inhalt

Widmung

Zu Beginn

Intro

2016

2017

2018

2019

2020

Jänner 2020

Februar 2020

März 2020

April 2020

Mai 2020

Juni 2020

Juli 2020

August 2020

September 2020

Oktober 2020

November 2020

Dezember 2020

Zum Schluss

Über den Autor

Dieses Schriftstück widme ich meiner Familie, die ich sehr liebe,

und allen Kämpfern auf dieser Welt!

Zu Beginn

Also, mir kann jeder erzählen, was er will, eines ist für mich jedenfalls definitiv klar: Wo ein Wille, da ein Weg. Ich sage dies nicht einfach nur so, sondern es beruht auf meiner Erfahrung, die ich euch in diesem Buch gern veranschaulichen möchte.

Na gut, ich fange mal so an: Ich lebe mit der zurzeit unheilbaren Nervenerkrankung Friedreich-Ataxie (FA). Auf den folgenden Seiten erzähle ich euch Genaueres zur Krankheit, die mich vor 17 Jahren zwang, den Rollstuhl zu benutzen. Ehrlich gesagt war es damals absolut kein Problem für mich, nun „eine Ebene tiefer“ zu leben, im Gegenteil, es war die komplette Erleichterung in fast allen Bereichen.

Viele Mitmenschen hören das Wort „Rollstuhl“ und ihre Welt geht unter, sie werfen gleich das Handtuch. Es wäre viel zu schade, das Leben so aufzugeben, denn man kann auch im Rollstuhl so viel tun, an das man vorher nicht gedacht oder das man nie für möglich gehalten hätte.

In diesem Buch erzähle ich euch chronologisch, wie die vergangenen fünf Jahre – 2016 bis 2020 – bei mir verliefen. Mit allen Höhen und Tiefen rund um meine Krankheit. Speziell möchte ich dabei auf das Corona-Jahr 2020 eingehen – das war für die gesamte Menschheit ein außergewöhnliches, völlig unerwartetes Jahr.

Intro

Wow, 2020, wie geil wird dieses Jahr! Wie mag das neue Jahrzehnt starten und was wird es wohl alles bringen? Im Vorfeld hat man ja viel gehört, dass 2020 eine Wucht werden soll. Zumindest versprach ich mir viel von diesem neuen Jahr mit dieser einprägsamen Ziffernkombination. In vielen Bereichen sollte es super werden: die Sommer-Olympiade in Tokio, die Fußball-Europameisterschaften für Männer, erstmals verteilt auf ganz Europa, und viele weitere große Sportveranstaltungen für mich als sportbegeisterten Typ.

Auch was die Forschung zur noch unheilbaren Nervenkrankheit Friedreich-Ataxie betrifft, sollte 2020 ein ganz besonderes Jahr werden. Rund 15.000 Mitmenschen weltweit haben täglich mit dieser Krankheit zu kämpfen.

Doch alles kam anders! Die Corona-Pandemie sorgte für komplett neue Bedingungen, und das auf der ganzen Erde, rund um den Globus. Es geschah etwas noch nie Dagewesenes, zumindest seit ich am Leben bin, vieles stand still, vieles veränderte sich. Aber alles der Reihe nach.

Zuerst einmal möchte ich ganz allgemein einige Fakten über meine noch unheilbare Nervenerkrankung, die Friedreich-Ataxie (FA), beschreiben:

Die Friedreich-Ataxie ist eine vererbte, langsam schlechter werdende, fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems, sie geht vom Kleinhirn und Rückenmark aus. Die FA kann allerdings auch etliche Generationen überspringen.

Die Merkmale und Symptome können über Jahre hinweg gleichbleibend stabil sein. Sie umfassen viele neurologische Auffälligkeiten, das heißt, alles, was mit den Nerven zu tu hat, aber auch orthopädische – Funktionsfehler des Stütz- und Bewegungsapparats, also der Knochen, Gelenke, Muskeln und Sehnen – und schließlich auch kardiologische (das Herz betreffend).

Die FA stellt sich bei jedem Erkrankten anders dar, egal ob Frau oder Mann. Das heißt, die Symptome sind prinzipiell dieselben, doch bei dem einen tritt ein Gebrechen stärker, beim anderen schwächer oder gar nicht in Erscheinung. Bei manchen Betroffenen bricht die FA früher aus, das heißt im Kindesalter, bei anderen später, hauptsächlich im spätpubertären Alter oder zumindest vor dem 25. Lebensjahr.

Im Durchschnitt befällt die Krankheit eines von 30.000 Neugeborenen. Es gibt also an die 2000 Friedreich-Ataxie-Erkrankte im deutschsprachigen Raum. Interessant ist auch zu wissen, dass Mitmenschen aus dem Fernen Osten aufgrund ihrer Genetik kaum bis gar nicht betroffen sind. Die genetischen Ursachen sind relativ kompliziert und schwer zu erklären, ich will daher nicht näher darauf eingehen.

Kurz und bündig gesagt, sieht der Verlauf bei der FA etwa so aus: Zu Beginn ist es noch möglich, sich auf den eigenen Beinen fortzubewegen. Später, ungefähr fünf bis zehn Jahre nach Ausbruch der Krankheit, ist man unweigerlich auf den Rollstuhl angewiesen. Anfangs funktioniert es noch gut, sich als aktiver, selbstständiger Rolli-Fahrer durchzuschlagen, mit der Zeit wird man als Fahrer aber immer schwächer, bis man als Pflegefall endet und ständige Hilfe im Alltag benötigt.

Ich selbst lebe seit 7. Mai 2012 mit der sozialen Unterstützungsform der „Persönlichen Assistenz“, einer GmbH in Linz. Ihre Dienste sind für mich unentbehrlich und unersetzbar geworden. Ich kann mir als beeinträchtigter Mensch keine bessere Unterstützungsform vorstellen und wünschen. Die Persönlichen Assistenten sind „meine gesunden Hände und Füße“ – und daher bin ich so gut wie selbstständig. Dieser Tag damals im Mai hat sich mir eingeprägt, da mein neues Leben damit begonnen hat.

2016

Für mich als Sportfan fing dieses Jahr ganz toll an, und zwar mit einem österreichweiten Basketballturnier in Wels. Es war ein Nachwuchsturnier der unter 14-Jährigen im 3x3-Format, mit dem ich seit 2012 bei dem von mir selbst organisierten Turnier in Steyr, dem Resthofer Basketball-Event, spielte. Ich habe mir zwar nicht gemerkt, wer bei den Mädels bzw. Burschen gewann, doch war es eine sehr gelungene Veranstaltung, die vom Österreichischen Basketballverband in Zusammenarbeit mit unseren Freunden vom FCN Baskets Wels organisiert wurde. Zum Event war ich mit meinem Schwager Jörg gefahren, ebenfalls ein Basketball-Verrückter, der als Schiedsrichter aushalf.

Gesundheitlich war bei mir alles stabil, denn seit einiger Zeit stagnierte mein Zustand. Ich hatte es schon einige Male erlebt, dass der sonst schlechter werdende Verlauf der FA gebremst wurde und sich körperlich nichts gravierend verschlechterte. Immerhin war ich sehr aktiv und trainierte meinen Körper so gut es ging. Ich hatte bzw. habe eine Weltklasse-Physiotherapeutin – Andrea, die so gut wie niemand anderer weiß, was für mich die besten Übungen sind, um so gut wie möglich gegen die FA anzukämpfen. Darüber hinaus trainierte ich fast täglich mit meinen grünen Schwungringen, ein Gesundheits- und Trainingsgerät aus meiner Heimatstadt Steyr. Die Schwungringe tun mir sehr gut und unterstützen mich dabei, beweglich zu bleiben. Schließlich war bzw. bin ich zweimal wöchentlich in der Kraftkammer der Physikalischen Medizin im Krankenhaus Steyr aktiv, um einige Muskelpartien zu stärken. Zwei meiner Lebensmottos sind: „Wer rastet, der rostet“ und „Bewegung ist Leben“. Das Wichtigste ist, etwas zu tun, und es geht definitiv etwas weiter, auch wenn man eingeschränkt ist. Immer aktiv sein, nie den Mut verlieren.

 

Unglaublich, in diesem Jahr wurde ich 40. Mit diesem Alter wäre man offiziell alt, dachte ich noch als Jugendlicher. Nun sehe ich das natürlich anders. Man ist so alt, wie man sich fühlt, und die Zeit vergeht sowieso viel zu schnell. Ich wollte meinen Geburtstag gebührend feiern und sprach mich dazu mit meinem Persönlichen Assistenten (PA) ab, der auch Autobusfahrer war. Dank ihm konnte ich eine Ausflugsfahrt in die Stadt Salzburg organisieren, bei der meine Familie, außer den Kids, und Freunde dabei waren. Zuerst ging es in die Stiegl-Brauerei, um gut zu essen, einige Bierchen zu genießen und das Biermuseum zu besuchen. Im Anschluss besuchten wir noch den Hangar-7, eine Ausstellungshalle mit historischen Flugzeugen und Formel-1-Autos von Red Bull. Es war ein cooler runder Geburtstag, der wie alles, was schön ist, viel zu schnell verging.

Nochmals zu den vorhin erwähnten Schwungringen: Mit zwei Freunden arbeitete ich in diesem Jahr ein Trainingsprogramm mit diesen Ringen für Menschen mit Beeinträchtigungen aus. Wir stellten unser Projekt vielen Menschen vor, unter anderem bei einer großen Feier im Stadtsaal Steyr, in der Regionalzeitung, bei einigen Auftritten sowie direkt in einer Einrichtung für beeinträchtigte Menschen in Linz. Ich engagierte mich sehr, das Fitnessgerät so vielen Menschen wie nur möglich zu präsentieren. Die Ringe sind eine tolle Möglichkeit, auf einfache Weise etwas für seine Gesundheit zu tun. Auch zu Hause und allein kann man damit super trainieren. Wir machten unser Trainingsprojekt mit den Schwungringen auch im Internet publik und erhielten ein gutes Echo darauf.

Wie jedes Jahr fuhr ich in die Uniklinik nach Innsbruck, die die einzige Ataxie-Ambulanz in Österreich betreibt, um mich wiederum durchchecken zu lassen und vielleicht Neuigkeiten über die Erforschung der Krankheit aufzuschnappen. Seit zehn Jahren bin ich dort in Behandlung. Ich nahm bereits an einigen freiwilligen Studien teil, denn ich sage immer, dass ich damit auch einen Beitrag zur Forschung bzw. möglichen Heilung der Krankheit leiste. Solange ich in die Studienkriterien hineinpasse und mir keine Arme und Beine abgenommen werden (das sage ich immer mit einem Schmunzeln dazu), nehme ich gerne daran teil.

In Innsbruck gab es leider keine Neuigkeiten zur Forschung, nichts anderes, als man bereits im Internet finden konnte, und auch neue Studien waren nicht geplant. Also ging es für mich nach vier Tagen wieder zurück nach Hause.

In Sachen Job tat sich einiges: Ich arbeitete zehn Stunden pro Woche für die Persönliche Assistenz GmbH in Linz! Also bezog ich nicht nur deren Leistung, sondern war auch aktiver Teil des Sozialunternehmens, das wunderbare Hilfsangebote für Menschen mit Beeinträchtigung anbietet, wie ich finde. Vorrangig ging es darum, die Leistungen unseres Unternehmens bekannt zu machen. Viele Leute, darunter auch Menschen mit Beeinträchtigung, wissen leider bis heute nicht, dass es diese tolle Unterstützungsform der Persönlichen Assistenz überhaupt gibt. Wie alle zwei Jahre, hatten wir auch dieses Jahr einen Stand bei Österreichs größter Fachmesse für Pflege, Reha und Therapie, der integra in Wels. Es ging in erster Linie darum, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Viele Menschen kamen vorbei und informierten sich über unser Angebot. Es war ein ereignisreicher Tag.

Es ist bekannt, dass ich sehr gerne reise. Kurz nach der Fachmesse ging es mit meinem Persönlichen Assistenten (PA) nach Nordrhein-Westfalen. Da nahm ich also wieder die Leistung des Unternehmens als sogenannter Auftraggeber in Anspruch. Ich wollte dort unbedingt eine nette Familie besuchen, die ich im Vorjahr auf einer großen Veranstaltung kennengelernt hatte, nämlich auf der Convention der grünen Schwungringe, die sie in Norddeutschland vertrieben. Wir hatten also auch ein gemeinsames Interesse. Ich verbrachte extrem schöne Tage bei der Familie, sie wohnte in Moers, in unmittelbarer Nähe zu Duisburg, auf der anderen Seite des Rheins, im westlichen Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet ist riesig, viele Großstädte sind dort zu finden, es zählt zu den größten Ballungszentren Europas.

Wir unternahmen einiges zusammen, ich war aber auch allein mit meinem PA unterwegs. Unvergesslich war der Tag, als ich als Fußballfan total auf meine Kosten kam. Zuerst besuchten wir den Fanshop des FC Schalke 04 in Gelsenkirchen und anschließend jenen von Borussia Dortmund. Bei der zweiten Station war es sogar ein Spieltag, sehr viele Leute waren auf den Beinen. Ich wollte bereits im Vorfeld Eintrittskarten für dieses Spiel besorgen, hatte aber keine Chance. Im Shop gab es auch eine Ticket-Verkaufsstelle, und ich dachte mir, ich frage einfach nach, denn fragen kostet ja nichts. Was für ein Glück! Es gab noch Karten für mich als Rollstuhlfahrer samt Begleiter. Was für eine Freude! Ich konnte ein super Fußballspiel im größten und lautesten Fußballstadion Deutschlands genießen. Gemeinsam mit über 80.000 Zusehern feierten wir einen Sieg der Heimmannschaft und schlossen den Tag mit einem guten Bier ab.

Auch der nächste Tag war sehr cool, denn wir entschieden spontan, einen Tagesausflug zu zweit nach Amsterdam zu machen. Ich war als Kind schon einmal in der Hauptstadt der Niederlande und habe kaum noch eine Erinnerung daran. Dort angekommen, gingen wir zuerst einmal gut essen, waren im Anschluss am riesigen Museumsplatz und besuchten das Van-Gogh-Museum mit Werken des weltbekannten Malers. Für mich waren dieser Stadtteil und das Museum komplett rollstuhlgerecht, alles war eben, also konnte ich in jeder Hinsicht alles hundertprozentig genießen.

Nach den vielen herrlichen Eindrücken, die ich während der gesamten Reise sammeln konnte, ging es wieder zurück in die Heimat. Nach nur wenigen Wochen der „Normalität“ mit Training, Therapie und natürlich Arbeit ging es wieder auf Achse, und zwar nach Berlin, in die Hauptstadt Deutschlands. Mit meinen Eltern hatte ich schon seit Längerem beredet, wieder einmal einen gemeinsamen Kurzurlaub zu machen. Wir fuhren schließlich alle mit dem Auto nach Berlin. Auf der Hinfahrt legten wir einen Zwischenstopp in Prag ein, der wunderschönen Hauptstadt Tschechiens. Wir stärkten uns in einem argentinischen Restaurant und besichtigten einen Teil der historischen Altstadt in unmittelbarer Nähe des Restaurants. Mit dabei war auch mein PA, denn ich wollte und konnte eine derartige Reise nicht mehr ohne Unterstützung bewältigen. Abends kamen wir schließlich in Berlin an, wo wir uns auf die kommenden beiden Tagen in der Großstadt vorbereiteten.

Da auch meine Eltern Rollstuhlfahrer sind, organisierte ich die Reise bereits im Vorhinein, damit wir vor Ort keine unüberwindbaren Probleme hätten. Am ersten Tag in Berlin absolvierten wir eine klassische Sightseeingtour mit Start vor dem berühmten Hotel Adlon beim Brandenburger Tor. Mein Vater war mit dem Auto direkt dorthin gefahren und wir bekamen tatsächlich einen Parkplatz. Dort einen zu ergattern, ist normalerweise ein Ding der Unmöglichkeit. Wir aber hatten Glück und auch einen Behinderten-Parkausweis.

Die Tour führte zum Denkmal für die ermordeten Juden, zum Potsdamer Platz mit dem Sony Center, zur „Topographie des Terrors“ mit Teilen der alten Berliner Mauer, zum Checkpoint Charlie und wieder zurück zum Ausgangspunkt. Sehr einprägsam, diese Tour, und so sammelte ich auch viele Eindrücke über die grausame Kriegs- und Nazi-Zeit vor ungefähr 80 Jahren. Am nächsten Tag besuchten wir den Zoologischen Garten Berlin, direkt neben dem berühmten Bahnhof Zoo. Am darauffolgenden Tag traten wir wieder die Heimreise an. Ich muss sagen, dass die deutsche Hauptstadt auf jeden Fall einen Besuch wert ist und dass diese Metropole für Menschen mit Beeinträchtigung top-rollstuhlgerecht ist.

Auf der Heimfahrt machten wir noch in Dresden halt und besichtigten die beeindruckende Altstadt. In Budweis aßen wir zu Abend, bevor wir schließlich wohlbehalten zu Hause ankamen.

Es ging in diesem Jahr Schlag auf Schlag in puncto Reisen. Wie geil war das, ich konnte – natürlich nur mit meinem PA – auch nach Paris fahren! Da sich unser österreichisches Herren-Fußballteam endlich, nach unzähligen Versuchen, für eine Endrunde der Europameisterschaft qualifiziert hatte, ergatterte ich für mich und einen Begleiter ein Ticket für das Spiel Österreich gegen Island. Aber natürlich sind wir nicht nur deswegen nach Paris gefahren, um das Spiel zu sehen. Wenn man schon mal dort ist, gehört das Sightseeing bei den vielen bekannten Attraktionen selbstverständlich auch dazu.

Wir besuchten, ich sag mal so, die „Hauptwahrzeichen“. Paris ist riesig, und allzu viel Zeit hatten wir nicht, um alles zu besuchen. Ich sah den Eiffelturm und war sogar auf dessen erster Ebene mit Rundblick über Paris. Auch der Arc de Triomphe und die Champs-Élysées standen auf dem Programm. Das alles konnte man schön zu Fuß erreichen bzw. ich mit dem Rollstuhl mit meinem PA als „Antrieb“. Natürlich mit einigen Pausen, bei denen wir uns stärkten, dann schlenderten wir weiter durch die Straßen von Paris. Etwas entfernter vom Zentrum erreichten wir, vorbei am Kunstmuseum Louvre, die Kathedrale Notre-Dame, die ich unbedingt sehen wollte. Sie ist weltweit auch wegen der Verfilmung des Romans „Der Glöckner von Notre-Dame“ bekannt.

Das Fußball-Länderspiel, eigentlich der Hauptgrund der Reise, war sehr spannend, und das große Stade de France, nördlich von Paris, wo das Spiel stattfand, war eindrucksvoll. Zehntausende österreichische Fans feuerten unser Team an. Leider verloren wir das entscheidende Spiel der Vorrunde in der Nachspielzeit gegen das Sensationsteam aus Island 1:2. Dennoch war es ein Riesenerlebnis.

Nur schade, dass die Metro in Paris ein altes U-Bahn-System ist. Für beeinträchtigte Menschen ist dieses öffentliche Verkehrsmittel daher nicht benutzbar, und so waren wir zu Fuß oder mit dem Bus unterwegs. Insgesamt war es sehr schön, für einige Tage das geschichtsträchtige Paris zu erleben. Auf der Rückfahrt machten wir einen kurzen Halt in Ulm. Ich wollte schon immer mal das Ulmer Münster sehen. Es war sehr eindrucksvoll, die Kirche mit dem höchsten Kirchturm der Welt (161,53 m) aus unmittelbarer Nähe zu betrachten.

Nach so viel Umherreisen innerhalb kurzer Zeit war wieder etwas Pause angesagt. Die Reisen sind auch körperlich anstrengend für mich. Zu dieser Zeit nahm ich diese Anstrengungen aber sehr gerne in Kauf, da ich sehr viele tolle Eindrücke sammeln konnte und viele neue Menschen kennenlernte. Ich dachte mir, solange ich noch genügend Power und Lust zu solchen weiten Reisen habe, mache ich sie! Andere Länder zu besuchen und dabei viele Menschen und Kulturen kennenzulernen, ist eine große Leidenschaft von mir und gibt mir ungeheuerlich viel Kraft.

Jetzt kam dann mal der Sommer und es war Zeit zu entspannen, die unzähligen Eindrücke meiner Trips durch halb Europa zu verarbeiten und viel Vitamin D zu tanken. Natürlich kamen mein Sport und meine Therapien auch nicht zu kurz. Ich musste und wollte mich so gut es ging körperlich betätigen, um für die kommenden Aufgaben und Ziele gerüstet zu sein.

Außer den von mir organisierten Resthofer Basketball-Event, den ich seit 1999 veranstalte, wollte ich das einzige große Sportereignis im Sommer in Österreich nicht versäumen, den Beachvolleyball-Grand-Slam in Klagenfurt, den ich seit seinem Bestehen fast jedes Jahr besuchte. Außerdem fand die Veranstaltung zum letzten Mal in Kärnten statt, dann übersiedelte sie nach Wien auf die Donauinsel. Natürlich genoss ich diesen aus meiner Sicht besten und coolsten Sommerevent, bei dem auch unser Steyrer Weltklassespieler Clemens Doppler vertreten war. Mit seinem Partner Alex Horst spielte er dort in diesem Jahr leider kein erfolgreiches Turnier. Doch im Sport geht es immer weiter und weiter, und es würde ja im Jahr darauf die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft nach Wien kommen.

Und wie schon vor einigen Monaten geplant, stand dieses Jahr noch eine große Reise bevor: London, meine Lieblingsstadt, war mein nächstes Ziel, natürlich mit meinem Persönlichen Assistenten. London deshalb, weil ich unbedingt wieder, wie im Vorjahr, eine der größten Organisationen der Welt in Sachen Friedreich-Ataxie besuchen wollte, Ataxia UK. Dort erhielt ich die neuesten Informationen zur Forschung und zu Projekten beziehungsweise geplanten Studien, die weltweit bezüglich unserer Krankheit anstanden. Damit war ich wieder up to date. Mir war und ist es sehr wichtig, immer auf dem aktuellen Stand zu sein.

Eine große Freude hatten wir bei der Ankunft im Hotel in London-Wembley, als wir erfuhren, dass am selben Abend im Wembley-Fußballstadion das Länderspiel England gegen Spanien stattfinden sollte. Ich dachte: Wäre das geil, dieses Match live im geschichtsträchtigen Stadion zu sehen! So checkten wir gleich den Ticketcounter ab und konnten glücklicherweise noch ein Ticket für mich samt einem Begleiter ergattern. Wow! Wir genossen das Spiel mit der außergewöhnlichen Stimmung in diesem Fußballstadion, dem zweitgrößten in Europa.

 

Geplant war, dass wir eine weitere große Sportveranstaltung in London besuchen. Und zwar fanden genau in der Zeit, als wir dort waren, in der riesigen O2-Arena in Greenwich die ATP World Tour Finals im Tennis statt. Bereits 2009 war ich mit meinem Amigo Jakob in dieser riesigen Halle, und 2012 waren meine Eltern, mein Schwager Jörg und ich ebenfalls einmal dort, um einige Rollstuhl-Basketballspiele der Paralympics (Olympiade für Athleten mit körperlicher Beeinträchtigung) mitzuerleben. 2016 war es ebenfalls ein besonderer Abend in der O2-Arena, denn wir konnten unser österreichisches Tennis-Aushängeschild Dominic Thiem anfeuern, der sich zum ersten Mal für das Turnier der besten acht Tennisspieler der Welt qualifizieren konnte.

In London kann man extrem viel unternehmen und alles ist super barrierefrei. Man fühlt sich sehr wohl in dieser Metropole, weil einem nur sehr wenige Hindernisse als Rollstuhlfahrer in den Weg gelegt werden. Eines, was ich schon immer machen wollte, war es, eines der unzähligen Theater zu besuchen. Der Stadtteil West End gilt neben dem Broadway in New York sozusagen als die bekannteste Theatermeile der Welt. Also recherchierte ich im Vorfeld und besorgte Tickets für das Musical „Thriller“ über die Geschichte des King of Pop, Michael Jackson. Die Vorstellung war großartig, und ich kann sie nur jedem empfehlen, der sich nach London begibt.

Ein Highlight gab es dieses Jahr noch, und zwar machte ich bekannt, dass ich meine Autobiografie „Aufgeben, was ist das? Mein Leben mit der unheilbaren Friedreich-Ataxie“ im Ennsthaler Verlag in Steyr veröffentlichen werde. Was für eine Freude, diesen tollen Verlag gefunden zu haben, der meine Lebensgeschichte in Buchform herausbringt, und wie toll die Reaktionen meiner Familie, Freunde und Bekannten darauf waren. Wie schön!


Ausflug zu meinem 40. Geburtstag nach Salzburg.


Mit meinen Eltern vor dem Brandenburger Tor in Berlin.


Bei der Paris-Reise vor der Kathedrale Notre-Dame.


Unser Steyrer Sportaushängeschild – mein Jugendfreund Clemens Doppler (rechts) – mit seinem Beachvolleyballpartner Alex Horst.