Ethikunterricht an Berufsfachschulen

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Aus der Reihe: Didaktische Hausapotheke #6
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Ethikunterricht an Berufsfachschulen
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Erika Langhans

Didaktische Hausapotheke

Band 6

Ethikunterricht an Berufsfachschulen

Ein Leitfaden

ISBN Print: 978-3-0355-0623-5

ISBN E-Book: 978-3-0355-0624-2

Coverbild: Picture-Alliance/dieKLEINERT.de, Elke Ehninger: «Geschäftsmotto» (Ausschnitt). © 2017 Keystone

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.ch

Inhalt

Vorwort

1Einleitung

2Grundlagen der Ethik

2.1Ethik und Moral

2.2Vier normative Theorien auf einen Blick

2.3Vier Grundbegriffe der Ethik

2.4Angewandte Ethik

3Ethik im Unterricht an berufsbildenden Schulen

3.1Ziele und Lerngegenstände des Ethikunterrichts

3.2Ethik im Rahmenlehrplan allgemeinbildender Unterricht (RLP ABU)

3.3Abgrenzung des Aspekts Ethik zu anderen Aspekten

4Struktur und Inhalte des Ethikunterrichts

4.1Faktenwissen

4.2Vernetztes Zusammenhangswissen

4.3Konsequenzenwissen

4.4Prinzipienwissen

4.5Orientierungswissen

5Vorgehen bei der Unterrichtsplanung

Schritt 1: Die Einbettung des Ethikunterrichts im Schullehrplan (SLP)

Schritt 2: Die moralische Frage formulieren

Schritt 3: Das Prinzipienwissen bestimmen

Schritt 4: Das Fakten-, Zusammenhangs- und Konsequenzenwissen umschreiben

Schritt 5: Die didaktische Reduktion vornehmen

Schritt 6: Den Unterricht gestalten und angemessene Methoden wählen

Beispiel einer Unterrichtseinheit

6Anhang

I Der Rahmenlehrplan für den allgemeinbildenden Unterricht zum Aspekt Ethik

IIVerknüpfung und Einbettung in den Schullehrplan

III Beispiele zu den Unterrichtstipps

IV Literatur

VDie Autorin

Vorwort

Soziale Ungleichheiten weltweit, Industrie 4.0, Zunahme der globalen Migrationsbewegungen, Energie- und Ressourcenverknappung, weitere Flexibilisierung der Arbeitswelt: Mit diesen wenigen Stichworten ist schon angedeutet, was in der nahen und mittelbaren Zukunft an Herausforderungen auf uns zukommt. Wir alle stehen vor grossen moralischen Fragen: globale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Generationenvertrag, veränderte Arbeitswelten, multikulturelle Gesellschaften, trans- und interkulturelle Kommunikation medizinischer Fortschritt, Reproduktionstechnologie usw. usf. Eine solide Werte- und Identitätsbildung, auf der wohlerwogene Urteile und Entscheidungen basieren, ist Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Mitgestaltung der gesellschaftlichen und persönlichen Zukunft, gerade für die heranwachsenden Generationen.

In diesem Heft finden Sie die wichtigsten Grundlagen zum Ethikunterricht an berufsbildenden Schulen und eine praxiserprobte Anleitung, wie Ethikunterricht mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelingen kann.

Zu den «Didaktischen Hausapotheken»

Die Studiengänge für angehende Berufsfachschul-Lehrpersonen an der PH Zürich stützen sich auf ein eigens entwickeltes Modell mit zehn Handlungsfeldern und drei Dutzend Kompetenzen. Die «didaktischen Hausapotheken» liefern zu bestimmten Handlungsfeldern nützliches Hintergrundwissen und praxiserprobte Unterrichtsvorschläge.

Das Übersichtsdokument mit den zehn Handlungsfeldern und den entsprechenden Kompetenzbeschreibungen finden Sie auf der Website der PH Zürich (www.phzh.ch/sek2 > zehn Handlungsfelder). Das Gerüst der zehn Handlungsfelder, je in eine prägnante Formel verpackt, findet sich auch auf dem Heftrücken der «didaktischen Hausapotheken».

Dieses Heft bezieht sich in erster Linie auf die Handlungsfelder 1 und 4:

Handlungsfeld 1: Das Fach und seine Didaktik meistern

Die Lehrperson verfügt über fundiertes Fachwissen und versteht die zentralen Konzepte, Strukturen und Arbeitsweisen ihres Fachs. Sie plant und schafft Lernsituationen, die alle diese Aspekte ihres Fachs für die Berufslernenden bedeutsam machen.

Handlungsfeld 4: Vielfältige Methoden zur Kompetenzförderung einsetzen

Die Lehrperson versteht und nutzt gezielt verschiedene Unterrichtskonzepte und eine Vielfalt von Methoden, um bei den Berufslernenden die Entwicklung von Kompetenzen zu fördern.

1Einleitung

Ethik an berufsbildenden Schulen? Braucht es dazu eine eigene «didaktische Hausapotheke»? Die Frage ist durchaus berechtigt, da weder an gewerblich-industriellen, kaufmännischen und gesundheitlich-sozialen Berufsfachschulen noch in der Berufsmaturität (BM) Ethik oder Philosophie als eigenständige Fächer unterrichtet werden. Allerdings treffen wir in den Lehrplänen durchaus auf ethische Lerninhalte.

Der vorliegende Band zeigt am Beispiel des allgemeinbildenden Unterrichts (ABU), wie sich Ethik strukturiert in den Unterricht integrieren lässt.

Damit Ethikunterricht nicht zur reinen Verhaltenslehre verkommt, muss sich die Lehrperson an der Leitdisziplin der Praktischen Philosophie orientieren, was ein Minimum an Fachwissen voraussetzt. Nur eine Minderheit der Lehrpersonen in der Berufsbildung hat wohl einen philosophischen oder ethischen Hintergrund; deshalb wird hier einleitend zunächst eine «eiserne Ration» an Grundwissen vermittelt, an dem sich ethisch weniger Kundige orientieren können. Wer darin schon versiert ist, überspringt den ersten Teil ganz einfach. Die Literaturempfehlungen im Anhang dienen jenen, die sich weiter in die Ethik und ihre Didaktik einarbeiten möchten.

Kapitel 3 zeigt am Beispiel des ABU, wie ethisch-moralische Fragestellungen mit anderen Lerninhalten verbunden werden. Im ABU ist Ethik einer von acht Aspekten des Lernbereichs «Gesellschaft». In kaufmännischen Schulen werden zahlreiche Inhalte von höchster ethischer Brisanz berührt: Unternehmensverantwortung, soziale Gerechtigkeit, globale Armut und Welthandel, ethische Geldanlagen und Investitionen, Zielkonflikte der Unternehmensführung usw. Der Berufskundeunterricht (BKU) an gesundheitlich-sozialen Schulen befasst sich mit grundlegenden Fragen des Menschseins und reicht damit weit in die Ethik hinein.1 Und auch die berufskundlichen Fächer der gewerblich-industriellen Schulen tangieren in den Bereichen Arbeitssicherheit, Berufsethos, Ökologie und Umweltschutz, Nachhaltigkeit usw. ethische Fragestellungen. Dass Ethik in Recht und Wirtschaft, Literatur und Geschichte in BM-Bildungsgängen eine Rolle spielt, versteht sich von selbst. Allen Fächern ist gemeinsam, dass die Ethik mit den fachspezifischen Lerninhalten verknüpft werden muss.

In den Kapiteln 4 und 5 geht es um die Didaktik eines integrierten Ethikunterrichts im ABU, BKU, in Wirtschaft und Gesellschaft (W&G) und ausgewählten BM-Fächern. Kapitel 4 zeigt am ABU exemplarisch, was zu einer Inhaltsstruktur des Ethikunterrichts gehört und wie eine solche Struktur erstellt wird. Kapitel 5 widmet sich dann der Unterrichtsplanung und zeigt an einem ABU-Beispiel, wie die Lehrperson von der Inhaltsstruktur zum Unterricht gelangt.

 

Im Anhang findet sich der einschlägige Teil aus dem Rahmenlehrplan für den allgemeinbildenden Unterricht (RLP ABU) zur Ethik. An gängigen Schullehrplanthemen werden ethische Fragestellungen vorgeschlagen, die sich gut mit dem ABU verknüpfen lassen. Ausgewählte Beispiele illustrieren, wie ethische Inhalte aus diesem Band im Unterricht umgesetzt werden können. Eine Literaturliste im Anhang enthält empfohlene Publikationen, mit denen sich Interessierte weiter in die Ethik vertiefen können. Ausserdem ist eine Auswahl an Grundlagenwerken zu Methoden aufgelistet, die sich für den Ethikunterricht besonders eignen.

2Grundlagen der Ethik

Die Lehrpläne für berufsbildende Schulen und auch der RLP ABU sehen keinen systematischen, fachspezifischen Philosophie- oder Ethikunterricht vor. Unter diesen Umständen muss sich integrierter Ethikunterricht an der Leitdisziplin der philosophischen Ethik orientieren, damit er nicht zur blossen Verhaltenslehre verkommt. Ebenso verliert namentlich die angewandte Ethik ohne Bezugswissenschaften (Recht, Politik, Wirtschaft, Biologie, Genetik usw.) ihren Wirklichkeitsbezug und damit ihre Bedeutung für den Unterricht an berufsbildenden Schulen.

Um integrierten Ethikunterricht strukturiert zu planen und angemessen umzusetzen, sind ein paar ethische Grundkenntnisse unerlässlich. Je mehr die Lehrperson weiss, desto besser kann sie gute ethische Fragen für den Unterricht formulieren, die Sachstruktur erstellen und eine angemessene Reduktion vornehmen. Wie viel den Lernenden hiervon vermittelt wird, liegt im Ermessen der Lehrperson und ist natürlich abhängig von den Lernvoraussetzungen und -bedingungen der Lernenden (Leistungsniveau, Beruf, Dauer der Lehre usw.) und nicht zuletzt auch von den Vorgaben der Schullehrpläne.

2.1Ethik und Moral

Die klassische Philosophie befasst sich mit drei Fragen, die Immanuel Kant in seiner «Kritik der reinen Vernunft» erstmals so formuliert hat. Davon umfasst die Ethik als Teilgebiet der Philosophie die Frage «Was soll ich tun?».2


Ethikunterricht an berufsbildenden Schulen ist in der Regel im Bereich der angewandten Ethik angesiedelt, da hier ein integrierter Ansatz am besten umgesetzt werden kann.

→Die Ethik befasst sich mit der Frage: «Was soll ich tun?». Sie beschäftigt sich also damit, welches die wohlerwogenen, moralisch gebotenen Handlungen im Leben eines Menschen sind. Sie stellt letztlich die Frage nach dem guten Leben. Die Ethik kann auch als Kunst, die richtigen Fragen zu stellen, beschrieben werden. Als Theorie der Moral folgt sie facheigenen wissenschaftlichen Kriterien und bietet kohärente und plausible Begründungen zu oder Kritik an moralischen Aussagen.

→Die Metaethik untersucht grundlegende abstrakte und theoretische Fragen wie zum Beispiel: Wie funktionieren moralische Urteile, und was sind moralische Aussagen? Gibt es moralische Tatsachen? Und wenn ja, kann moralisches Wissen erkannt werden? Mit solchen Fragen beschäftigen wir uns im Unterricht an Berufsfachschulen in der Regel nicht. Für die Lehrperson ist es aber wichtig zu wissen, dass es verschiedene Ansichten zu diesen Fragen gibt. Dies wirkt sich insbesondere auf die Beurteilung der Universalität der Menschenrechte und der Frage nach absoluten Werten aus.

→Die normative Ethik ist die Theorie der Moral. Moralische Aussagen wie zum Beispiel «Töten ist verwerflich» werden beschrieben und theoretisch begründet.

Die normativen Theorien geben keine abschliessenden Antworten zu konkreten Fragen im menschlichen Zusammenleben. Sie beschreiben und begründen moralische Prinzipien, anhand deren Handlungen bewertet und moralische Aussagen über das gute und gerechte (Zusammen-)Leben geprüft werden können. Die Gewichtung und Bewertung von moralischen Prinzipien können in verschiedenen Denkschulen durchaus voneinander abweichen. Eine normative Theorie überzeugt durch ihre Kohärenz und Plausibilität.

→Die angewandte Ethik befasst sich mit konkreten moralischen Fragen, die sich aus dem Zusammenleben der Menschen ergeben. Sie kann auch als Anwendung aller relevanten normativen Theorien, Prinzipien oder Beurteilungskriterien auf spezifische Handlungsbereiche beschrieben werden.

→Die Moral ist die Summe der in einer Gesellschaft gewachsenen und verbreiteten moralischen Normen, Prinzipien, Maximen, Werte und Haltungen. Sie entspricht dem alltäglichen Verständnis darüber, wie man sich verhalten soll. Manche Ethiker zählen Sitten, Bräuche, Knigge, Umgangsformen und dergleichen dazu, andere ziehen eine Grenze zwischen Moral als Folge aus der Einsicht, dass die Normen dem bestmöglichen Zusammenleben dienen, und Anstandsregeln, die bloss beliebige Übereinkünfte darstellen.

Gemeinsam ist allen das Verständnis der Moral als das, was in der Gesellschaft für das gelingende Zusammenleben verhandelt wird und was allen Mitgliedern einer Gemeinschaft sowohl zugemutet wird als auch zugemutet werden muss.

Auf die Verletzung moralischer Normen reagieren Menschen mit (sozialen) Sanktionen oder Empörung, Tadel sowie Vorwürfen.

Moralische Fragen fordern eine Entscheidung in Bezug auf die


→ richtigen oder falschen→ guten oder schlechten→ gebotenen oder verbotenenHandlungen in moralischer Hinsicht.

Daraus ergibt sich eine Auswahl an möglichen Handlungsalternativen. Die Ethik liefert die Theorien und Begründungen, die als Referenzgrundlage bei der Abwägung moralischer Aussagen dienen und so erst zu wohlerwogenen Entscheidungen führen.

Achtung Stolperstein

In der Ethik ist die genaue Unterscheidung zwischen moralischen und nicht moralischen Fragen und Argumenten zentral. Zur Prüfung, ob wir eine moralische Frage diskutieren oder nicht, eignet sich das obige Kästchen. Trifft keine der drei Formulierungen zu, so handelt es sich nicht um eine moralische Fragestellung.

Die Schweizer Gesetzgebung zur Fristenlösung beantwortet zum Beispiel ausschliesslich die Frage nach der gesetzlichen Regelung in der Schweiz. Ob es moralisch legitim ist, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, ist durch die Gesetzgebung nicht beantwortet.

2.2Vier normative Theorien auf einen Blick

Die normative Ethik liefert Theorien zu moralischen Aussagen und Forderungen. Im Folgenden werden als «eiserne Ration» vier dieser Theorien in Kürze vorgestellt.


TugendethikSei tugendhaft: Handle so, wie eine moralisch gute Person in ihrer Funktion in der entsprechenden Situation handeln würde.
Utilitarismus/KonsequentialismusVerwirkliche das grösstmögliche Glück für die grösstmögliche Zahl auf der Welt.
Deontologie/PflichtethikErfülle deine Pflicht: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.»
Vertragslehre KontraktualismusHandle so, dass alle vernünftigen Personen deiner Handlung zustimmen können.

Eine Auswahl an Literaturempfehlungen für eine vertiefte Auseinandersetzung mit ethischen Fragen findet sich im Anhang.

Tugendethik

Sei tugendhaft: Handle so, wie eine moralisch gute Person in ihrer Funktion in der entsprechenden Situation handeln würde.

Die Tugendethik geht auf die griechische Antike zurück. In der «Nikomachischen Ethik» beschreibt Aristoteles das Streben der Menschen nach Gütern. Unter diesen Gütern sah er als höchstes Gut «ergon» (griechisch für «Werk», «Handeln», «Tat»), was dafür steht, dass der Mensch seine Funktion als Mensch erfüllen will. Wie ein Messer gut schneiden, so soll der Mensch die Funktion erfüllen, zu der er als Mensch geboren ist: Er soll ein vernünftiges Wesen sein und ein vernünftiges Leben führen.

Um dieses Ziel zu erlangen, benötigt der Mensch die Tugenden. Sie sind das Mittel, mit dem er dieses höchste Gut erreichen kann.


Zwei Arten von Tugenden nach AristotelesVerstandestugendenDiese kann der Mensch durch eigene Anstrengung nur beschränkt verändern.KlugheitWeisheitVernunft
CharaktertugendenDaran muss der Mensch ein Leben lang arbeiten, um ihnen möglichst nahe zu kommen.MutBesonnenheitSanftmutGerechtigkeitFreundlichkeitGrosszügigkeitusw.

An den Charaktertugenden muss der Mensch ein Leben lang arbeiten, er muss sie entwickeln und verbessern. Die besondere Aufgabe besteht darin, die Mitte zwischen den Extremen zu finden: In der Mitte zwischen Feigheit und tollkühnem Draufgängertum liegt der Mut. Der Mensch ist gefordert, beständig nach dieser Mitte zu suchen und sie zu leben.

Die moderne Tugendethik geht davon aus, dass es für alle Lebewesen eine speziesspezifische Form des Guten gibt, natural goodness. Die für den Menschen vorgesehene Lebensform bestimmt, was wir tun sollen. Das Ziel jedes Menschen soll es sein, ein «artgerechtes», gutes Leben zu führen.

Nach der britischen Philosophin Philippa Foot ist der Mensch in seiner Art ein soziales Wesen und lebt in Gemeinschaften. Er bildet Familien, geht Verbindungen ein, pflegt Freundschaften und unterhält spezielle Beziehungen zu Nachbarn und in Arbeitsgemeinschaften. Damit ihm das gelingt, braucht es Tugenden, zum Beispiel Loyalität, Fairness, Freundlichkeit. Diese Tugenden sind, salopp gesagt, das Schmiermittel für das menschliche Zusammenleben.

Die Tugendethik kommt heute in allen Lebensbereichen des Menschen zur Anwendung. Besondere Bedeutung hat sie in der Wirtschaftsethik in den Bereichen der Managements- und Führungsethik, Mitarbeiter- oder Berufsethik und Konsumentenethik erlangt.

Bekannte Vertreter und Vertreterinnen: Aristoteles, Philippa Foot, Alasdair MacIntyre

→ Unterrichtstipp

Neben den genannten wirtschaftsethischen Feldern eignen sich im Unterricht auch alle moralischen Entscheidungsfragen des Alltags für eine tugendethische Betrachtung.

Berufslernende setzen sich zum Beispiel mit ihrem Berufsethos auseinander und beschreiben dazu Merkmale.

Auch Fragen im Bereich Freundschaft, Partnerschaft und Familie können tugendethisch betrachtet werden: Was bedeuten Loyalität, Treue, Beistand, Ehrlichkeit usw. in diesen Beziehungen? Was ist zu tun, wenn Pflichten gegenüber verschiedenen Personen (auch gegenüber sich selbst) miteinander in Konflikt geraten?

Vielleicht finden wir für die Fragen keine abschliessenden, «korrekten» Antworten. Wir erfahren in der Auseinandersetzung mit anderen jedoch viel über unsere Werte und Grundhaltungen und können miteinander darüber in den Dialog treten, das heisst, «das gute (gemeinschaftliche) Leben» verhandeln.

Utilitarismus

Verwirkliche das grösstmögliche Glück für die grösstmögliche Zahl auf der Welt.

Der Utilitarismus, auch Konsequentialismus genannt, wertet die Folgen einer Handlung höher als die Handlung selbst. Gut ist grundsätzlich, was das Glück von leidensfähigen Wesen vermehrt bzw. was deren Leid verringert.

Glück ist ein menschliches Gefühl, das wir mit Freude oder Wohlergehen umschreiben könnten. Dieses Gefühl zu vermehren, ist moralisch geboten. Glück kann auf verschiedene Weisen erreicht werden, zum Beispiel durch Gewinn, Vorteile, Freude, Gutes, Schönes. Utilitaristen folgen dem Nützlichkeitsprinzip mit Blick auf die Folgen einer Handlung: Es ist das zu tun, was für die von einer Handlung betroffenen leidensfähigen Wesen die erwartbar besten Folgen hat. Das Nutzenkalkül bestimmt die optimale Lösung, die dem Prinzip der Nutzenmaximierung folgt.

Im Akt-Utilitarismus wird im Einzelfall entschieden, während im Regel-Utilitarismus allgemeine Regeln formuliert werden, nach denen in Einzelsituationen gehandelt wird.

Achtung Stolperstein

 

«Nutzen» bedeutet im Utilitarismus in erster Linie die Vermehrung des Glücks. Selbstverständlich kann Glück auch über materielle Güter geschaffen werden, «Nutzenmaximierung» darf aber keinesfalls auf ökonomische Gewinnmaximierung reduziert oder gar mit der Legitimation von Egoismus verwechselt werden.

Gewinnmaximierung ist zwar in der Wirtschaftsethik ein gewichtiges utilitaristisches Argument, die Reduktion darauf würde der Theorie aber nicht gerecht. Peter Singers Grundsatz lautet zum Beispiel: Wenn wir helfen können, ohne etwas opfern zu müssen, das eine vergleichbare moralische Bedeutung hat wie das Gut, das ohne unsere Hilfe verloren wäre, so sollten wir dies tun.

Wichtig im Utilitarismus ist, wie gezeigt, das Gefühl des Glücks. Dieses lässt sich nach Singer nicht auf die menschliche Spezies beschränken. Glück und Leid gelten absolut für alle Lebewesen, soweit sie leidensfähig sind und über ein Bewusstsein für ihre eigenen Interessen verfügen. Aus diesem Grund ist Peter Singer gegen das Töten von Tieren und folgerichtig Vegetarier.

Begründer und bekannte Vertreter: Jeremy Bentham, John Stuart Mill, Peter Singer

→ Unterrichtstipp

Am Gedankenexperiment «Kind im Teich» von Peter Singer3 lässt sich der utilitaristische Ansatz gut erarbeiten.

Singer versetzt uns in die Situation, dass wir an einem Teich vorbeikommen, in dem ein Kind ertrinkt. Es ist niemand anderes da, der helfen könnte. Durch die Rettungsaktion würde man allerdings seine feine Kleidung ruinieren.

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