Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III

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Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III
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Erhard Heckmann

KREATION VOLL-

BLUT –

DAS RENNPFERD

EROBERTE DIE WELT

Teil III

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2018

Coverbild:

Enable, hier bei ihrem Triumph in den Irish Oaks 2017, gewann auch den Prix de

l’Arc de Triomphe 2017(Foto: HEALYRACING LTD, Irland)

Bild Buchrückseite:

Japans wichtigstes internationales Hindernisrennen, der „Nakayama Grand Jump“

(Foto Japan Racing Association)

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALTSVERZEICHNIS

Cover

Titel

Impressum

Vorwort zm dritten Teil

Deutschland im Überblick

Graditz startete als Königlich-Preußisches Hauptgestüt

Das neue Graditz und die Zeit der DDR

Schlenderhan, Deutschlands ältestes Privatgestüt

Römerhof, ein Gestüt mit wechselvoller Geschichte und eine

tragende Säule der deutschen Vollblutzucht

Es war einmal

Mehl-Mülhens Stiftung Gestüt Röttgen

Stiftung Gestüt Fährhof

Jüngere deutschen Zuchten, die für Aufsehen sorgten

Wechselseitige Beziehungen zwischen Europa und USA

Andere trugen zum internationalen Genpool ebenfalls bei

Die großen Visionäre & globalen Player, Sheikh Mohammed, Dubai und Coolmore, Irland

Der schlafende Riese Australien ist längst erwacht, wie auch sein kleiner Bruder Neuseeland

Japan hat zur Weltspitze aufgeschlossen

Ein kurzer Blick nach Südamerika

Quellenverzeichnis

VORWORT ZM DRITTEN TEIL

Dieses dreiteilige Buch war eine Art Zeitreise und versuchte, das Wesentliche aus mehr als 300 Jahren Vollblutzucht und Galopprennsport auf internationaler Ebene in großen Schritten zusammenzufassen, ohne Vollständigkeit zu beanspruchen. Es wurde auch in der Hoffnung geschrieben, den Vollblüter in seiner Popularität zu unterstützen, denn die deutschen Medien und die Politik behandeln den Galopprennsport seit Jahrzehnten als praktisch nicht mehr existent. Der Ausverkauf der deutschen Spitzenpferde geht ebenfalls weiter, denn bei der heutigen Situation auf den deutschen Galopprennbahnen sind die ausländischen Angebote viel zu gut, um sie abzulehnen zu können.

Die Entscheidung, was bei der Berichterstattung ausführlicher festgehalten werden musste, oder nur gestreift wurde, bestimmten die gegebenen Platzmöglichkeiten, als auch der Gedanke, dass auch dem „Nichtinsider“ die Thematik um das edle Rennpferd etwas nähergebracht werden sollte, sodass generell auf die Darstellung von Pedigrees verzichtet wurde. Wo jedoch dieser Hintergrund unabdinglich war, wurde er vor Ort diskutiert.

Die Vergangenheit zu bewahren, als auch jene Pionierzüchter zu beleuchten, die die ersten Meilensteine setzten, auf denen ihre Nachfolger aufbauen und die Rasse durch stetige Auslese ihrem Ideal näherbringen konnten, war ein weiteres Anliegen. Diese Zuchten standen im Teil zwei im Mittelpunkt, nachdem das erste Buch – neben weiteren Themen wie veränderte Zuchtansprüche, internationalen Auktionen, Zuchttheorien oder dem Spiel der Gene – vor allem den Siegeszug skizzierte, den das Vollblut auf seinem Weg von England in die Welt vollzog,

Dass die deutschen Gestüte Graditz und Schlenderhan, die zu den ganz frühen und großen Pionier-Zuchten zählen, erst diesen Teil eröffnen war dem Wunsch geschuldet, die deutsche Zucht als Ganzes darzustellen, obwohl andere weltberühmte Züchter erst nach ihnen starteten. Letztendlich ist jedoch alles auch eine Platzfrage, und dieses Buch weder Ratgeber noch Bildband. Dem Fachmann bekannte, den Laien jedoch nicht interessierende Themen, wurden auch im Teil III nur „angekratzt“, um sie der Vollständigkeit halber zu erwähnen, oder ihre Theorien zu bewahren.

Als wichtigstes Nachschlagwerk für die deutschen Gestüte erwiesen sich die „Alben des deutschen Rennsports“, die der DSV Deutscher Sportverlag, Köln jährlich herausgibt, und die ich, mit Genehmigung, für diesen Bereich als Grundlage verwendet habe.

Bedanken möchte ich mich bei allen, die mich durch Fotos unterstützten, wobei das irische Coolmore Stud, die Hancock-Familie der Claiborne- und Stone Farms, Mac McBride (Del Mare Thoroughbred Club), Sinead Hyhland (Irish National Stud), Betsy Baxter (Keeneland Library), die Fotografen Siegfried Müller, Leipzig, Frank Sorge, Berlin, das Deutsche Pferdemuseum Verden und der Englische Jockey Club hervorzuheben sind. Ein ganz besonderer Dank gilt auch Herrn Hemmann, Eigner des Engelsdorfer Verlages, und seinem Team, das immer wieder Wege fand, bestimmte Wünsche meinerseits zu realisieren. Fest steht auch, dass ohne diesen Verlag das Buch nicht existieren würde. Und „last, but not least“ muss ich auch meiner Frau Sabine dafür danken, dass sie mein Hobby einige Jahre als Acht-Stunden-Tag ertrug.

Gewiss, man hätte auch noch einen vierten Teil schreiben können – diese Überlegung hat mich auch lange beschäftigt –, doch das Wesentliche zum Thema ist erledigt. Vielleicht nimmt aber ein anderer Rennsportliebhaber diese Gedanken auf und holt Jene, die bisher noch nicht zu Worte kamen, seinerseits in die Gegenwart zurück. Die zwei- und vierbeinigen Legenden und großen Champions, Amateure und Amazonen, und die ganz großen Geschichten, die der Galopprennsport in mehr als 300 Jahren schrieb. Für den Autor ist es aber an der Zeit, nun einen Schlusspunkt zu setzten.

Für mich war „Kreation Vollblut“ eine Herzensangelegenheit, und was bleibt, ist die Hoffnung, dass auch die Politik und die Medien endlich begreifen, dass das „Kulturgut Vollblut“ in unserer hektischen Welt unbedingt erhalten werden muss.

In Klammern hinter einem Pferdenamen können stehen: Geburtsjahr; der Vater des Pferdes; die Anzahl der Siege; die gerundete Gewinnsumme; einige der wichtigsten Siege oder andere Hinweise, die der Text jedoch erklärt. Fotos ohne Namensangabe stammen vom Autor.

Folgeseite:

Die königliche Wagenkolonne erreicht „Royal Ascot 2017“, wo die deutschen Pferde Danedream (Lomitas) und Novellist (Monsun) 2012 und 2013 das Hauptrennen, die „King George VI and Queen Elizabeth Stakes“ gewannen. (Foto: Racing Post, UK; E. Whitaker)


DEUTSCHLAND IM ÜBERBLICK

Deutschland, das seine ersten Vollblutrennen auf der ältester Rennbahn des europäischen Festlandes 1822 zu Bad Doberan startete, profitierte ebenfalls von dem englischen Blut, doch sollte das noch dauern. Zunächst begann die Zucht mit importierten Vollblütern, und der vom Preußischen Hauptgestüt Neustadt/Dosse 1788 von der Insel importierte Hengst Alfred soll der erste gewesen sein, der nach Deutschland kam. Vorher wurden auch schon „Rennen“ gelaufen, doch geschah das 1804 zu Doberan noch auf freiem Feld.

Als die treibende Kraft der deutschen Vollblutzucht gelten die Barone Gottlieb und Wilhelm von Biel, die Anfang des 19. Jahrhunderts bei Tattersalls Pferde erwarben und eine systematische Zucht auf Gut Zierow begannen, das 1989 zu DDR-Zeiten enteignet wurde. Unterstützung erhielten sie damals auch vom Grafen Hahn (Schloss Basedow), der allein in Mecklenburg 44 Güter besaß und zu den Akteuren zählte, als es um den Bau von Deutschlands ältester Rennbahn zwischen Bad Doberan und Heiligendamm ging. Gegen Ende jenes Jahrzehntes entstanden auch weitere Rennbahnen wie Breslau, Königsberg, Hoppegarten oder Berlin-Lichterfelde 1829, wo auf dem Rittergut Lichterfelde gestartet wurde, nachdem ein Jahr früher ein Vereins für Pferdezucht und Pferdedressur gegründet worden war.

 

Die allerersten Anfänge sollen jedoch, nach einem Beitrag der Berliner Zeitung von 1990 (Markus Lotter), bis ins 15. Jahrhundert reichen, als Kurfürst Johann Cicero, der sich für Pferde begeisterte, erste Regeln aufstellte, und die Sieger statt Geldpreise Mastochsen, Bullen, Ferkel oder Armbrüste und ähnliche Sachpreise erhielten. Rennen im eigentlichen Sinne waren das natürlich nicht, sondern Volksfeste mit „Pferderennen“ auf märkischem Boden. Und sie blieben es über Jahrhunderte. Es war also noch ein sehr langer Weg, ehe Hoppegarten zum deutschen Newmarket wurde.

In den Dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts gründeten sich neue Rennvereine, der Sport erfuhr Unterstützung von verschiedenen Fürstenhäusern, und 1834 wurde das erste Union-Rennen in Berlin-Tempelhof entschieden. Der Sieger, den Baron Biel (Zierow) gezogen hatte, hieß Alba (Nigel), während sein, von dem Schlenderhaner gezogener Namensvetter, der Wallenstein zum Vater hatte, knappe 100 Jahre später dieses Rennen ebenfalls gewann.

1835 wurde das Wettbuch eingeführt, ein Jahr später liefen die ersten Rennen auf den Rheinwiesen, und 1844 war der von Sir Hercules (Whalebone) stammende Hengst Arnim das erste Pferd in deutschem Besitz (Baron Maltzahn-Cumerow), das in England siegte und zu Newmarket die Willesden-Paddock-Stakes gewann. 1842 hatte bereits die Gothaer Rennbahn erstmals ihre Tore auf einem ehemaligen Exerzierplatz geöffnet, während der 1878 gegründete „Mitteldeutsche Rennverein“ für die Ausstattung des „Boxbergs“ mit einer Flach- und Hindernisbahn verantwortlich war. Im Ersten Weltkrieg, als die Veranstaltungen wie auch beim Zweiten ruhten, wurden die Hindernisse abgebrochen und das Terrain landwirtschaftlich genutzt. 1928 entstand eine neue Jagdbahn, und der zwölf Monate später errichtete „Rennbahn-Bahnhof“ der Thüringer Waldbahn machte den sehr schönen Kurs zu einem populären Treff. Von 1946 bis zu ihrer Enteignung 1953 führte die „Genossenschaft für Vollblutzucht und Rennen Thüringen“ die Geschäfte weiter, und das sich unter „volkseigener Regie“ jährlich anschließende Fünf-Tage-Meeting war ein sehr beliebtes. Nach der Wende gab es Rennen unterschiedlicher Art, doch mussten die Tore, vornehmlich aus finanziellen Gründen, 2011 wieder geschlossen werden.

1846 wurden weitere Wettreglements veröffentlicht, und 1850 war der vierjährige deutsche Hengst Turnus, nachdem sein Stallgefährte Meridian (Glaucus) kurz vorher den „Innkeepers Preis“ auf der Insel gewissermaßen als Test gewonnen hatte, gut genug, um ebenfalls nach England zu reisen und zu Goodwood im Stewards Cup 14 erstklassige Gegner zu schlagen, und zwei Tage später auch den Chesterfield Cup an seine Farben zu heften. Graf Hahn-Basedow hatte den Hengst, der auch seine Farben trug und in der Heimat als Dreijähriger in vier Rennen ungeschlagen war, von dem Muley-Enkel Taurus aus der Whalebone-Enkelin Clarissa gezogen und verkaufte ihn am Ende seiner Rennlaufbahn als Deckhengst nach England. Die Hoffnungen erfüllte er nicht, hinterließ jedoch die Oakssiegerin Butterfly, die, drei Jahre nach Blink Bonny, gewann.


Die Tribüne auf dem Gothaer Boxberg. Die Anregung zum Kauf der 63 Hektar und dem Bau der Rennbahn gab bereits Herzog Ernst der II. von Sachsen-Coburg-Gotha, der dieses Vorhaben auch erheblich bezuschusste (Foto: CTHOE, eigenes Werk, CC-BY-SA.4.0, Commons Wickimedia.org)

Vier Jahre später, 1854, war es der dreijährige Whalebone-Urur-Enkel Scherz, der die deutschen Pferde auf der Insel in den Farben seines Züchters und Besitzers, Baron Wilamowitz-Möllendorf, würdevoll vertrat. Der als Zwei- und Dreijähriger in der Heimat in sechs Rennen ungeschlagene The Provost-Sohn, der sich allerdings auf der Seereise leicht verletzte, musste sechs Tage mit dem Training aussetzten und kam in den Cesarewich Stakes nur als Dritter ins Ziel. Bei seinem nächsten Start, im „Cambridgeshire“ gewann er Start-Ziel mit einem Kopf gegen 18 Gegner, obwohl er von den Dreijährigen mit 47 ¾ kg das höchste Gewicht trug. Scherz lief auch ein Jahr später noch in England und gewann drei von sechs Starts, in der Zucht war er jedoch eine Enttäuschung und wirkte in seinen letzten Jahren in Celle/Hannover in der Halbblutzucht.

Derartige Siege waren jedoch absolute Ausnahmen, denn die deutschen Pferde waren in der Regel ihren ausländischen Konkurrenten unterlegen, und der Große Preis von Baden wurde größtenteils von Franzosen oder anderen Ausländern moderater Qualität gewonnen. Als sich jedoch der Züchterverband formierte, gutklassige Vollblüter importierte und diese anschließend über Auktionen an deutsche Züchter verkaufte, begann sich das Blatt zu wenden.

1858 fanden unter dem Patronat des Französischen Jockey Clubs die ersten drei Renntag zu Iffezheim statt, die durch die Initiative des Spielbankpächters Edouard Bènazet entstanden. In den Rennen, zu denen auch der Große Preis von Baden zählte, starteten, bis auf drei Ausnahmen, nur französische Pferde, und den „Grand Prx“ gewann die dreijährige Fuchsstute La Maladetta, die den Iren The Baron zum Vater hatte und die Farben ihres Besitzerzüchters Auguste Lupin trug.


Knappe 160 Jahre später ist die Werbung für die „Große Woche“ modern geworden (Foto: Mit freundlicher Genehmigung der C. M. E. GmbH City Marketing & Event Baden Baden)

In den 1860er Jahren veranstaltete auch der Landwirtschaftliche Verein Castrop Pferdeprüfungen auf den Schlingermannschen Wiesen in Castrop-Rauxel. Richtig Schwung kam in die Angelegenheit aber erst, als William Thomas Mulvany 1872 das in der Nähe liegende Haus Goldschmieding erwarb, ein Rennkomitee gründete, und zwei Jahre später auf der Naturhindernisbahn, die als „Goldschmieding Rennbahn“ bekannt war, das erste Hindernisrennen auf den Weg brachte. Die weitere Gestaltung wurde nach englischem Vorbild erledigt, und am 31.7.1875 der erste Renntag abgehalten. 1905 übernahm die Gelsenkirchener Bergwerks AG Haus und Bahn und stellt sie ein Jahr später dem neu gegründeten Rennverein zur Verfügung. 1937/38 wurde umgebaut, eine Flachbahn erstellt, und die Natursprünge der Hindernisbahn wurden durch künstliche ergänzt. Die nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 wieder aufgenommenen Rennen, zu denen bis zu 30.000 Zuschauer kamen, mussten jedoch 1970, als auch finanzielle Probleme eine Rolle spielten, endgültig eingestellt werden. Das von der Stadt 1971 übernommene Gelände, wurde zu einem Naherholungspark umgewandelt und 2003 unter Denkmalschutz gestellt. Anschließend wurde ein Teil der Rennbahn wieder hergestellt, als am historischen Platz auch ein neuer Zielrichterturm errichtet.

1863 erschien in Berlin die erste Ausgabe des „Sporn“, der als Organ der Landes-Vollblutzucht fungierte, und in Frankfurt zeigten sich die beim „Fürstentag“ versammelten deutschen Fürsten nicht kleinlich, als es am Rande ihrer Tagung auch um die Unterstützung des Rennbahn-Baues in Niederrad (1864/65) ging. Vom zweitägigen Eröffnungsmeeting mit Flach- und Hindernisrennen wird berichtet, dass es ein prachtvolles gesellschaftliches Ereignis gewesen sei, das am zweiten Tag noch ein Extra-Bonbon bot: Vor den Augen der vielen Zuschauer und dem über 5.500 Meter führenden Jagdrennen, das „Herrenreitern“ vorbehalten war, inspizierten der Kaiser und der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin auf ihren Pferden die Hindernisse höchstpersönlich. Als Sieger wurde der Graf von Westphalen gefeiert, der mit dem damaligen Steepler-Star Effenberg gewann. Zugegen war außerdem der eingeladene Admiral Rous, Steward des Englischen Jockey Clubs, der als „Ehren-Steward“ bei dieser Veranstaltung dafür sorgte, dass die Rennen nach englischen Regeln abliefen.

1865 lud Köln zu einem dreitägigem Meeting ein, dessen Teilnehmer, die jeweils 100 Thaler spendeten, zu Mitbegründern des „Rheinischen Rennvereins wurden, der schnell auf 400 Mitglieder anwuchs und seine Königliche Hoheit, den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen als Schirmherr gewinnen konnte. Am 13.8.1865 war es dann soweit: Auf einem Infanterie-Exerzierplatz der Mülheimer-Heide wurden, mit Billigung des Militärs, die ersten drei Rennen veranstaltet, in deren Mittelpunkt der „Preis der Stadt Cöln“ und die Steeplechase standen. Der Zuschauerandrang wurde als hoch vermerkt, und anschließend sollen Feuerwerk und Tanz die Gäste noch lange unterhalten haben.

Als sich Berlin zur Hauptstadt des „Norddeutschen Bundes“, entwickelte, waren auch gleichzeitig die Weichen für den deutschen Rennsport gestellt. Der „Sporn“ forderte 1866 allerdings auch energisch dazu auf, dass System, Ordnung und Gemeinsamkeit in das „Jeder-Verein-Für-Sich“ gebracht werden und eine ähnliche richtungweisende Rennsportbehörde gründet werden muss, wie es der Englische Jockey Club war. Diese Idee griff Johann Renard – Züchter, Besitzer und Präsident des Breslauer Rennvereins – auf, und seine Aktivitäten führten zur Gründung des Union- Klubs, der 22 norddeutsche Staaten zusammenschloss. Vorausgegangen war, das der „Berliner Verein für Pferderennen“ 1866 ein neues Gelände suchte, weil der Tempelhofer Exerzierplatz den Ansprüchen nicht mehr genügte, und Heinrich von Treskow sein Vorwerk Hoppegarten an das Norddeutsche Union-Gestüt verpachtet hatte, auf dem ein Jahr später eim Proberenntag über Hindernisse stattfand. Das Ergebnis war positiv, und am 15. Dezember gründeten 36 Mitglieder aus ganz Deutschland den von 1867 bis 1945 in Berlin ansässigen Club, den Fürst zu Hohenlohe-Oettingen anführte, und dessen Generalsekretär zunächst der Chefredakteur des „Sporn“, Fedor Andre, wurde.

Im gleichen Jahr entstand auch die Rennbahn im Leipziger Scheibenholz, während zwölf Monate früher die 1732 gegründete „Preußische Staatsgestütsverwaltung“ beschlossen hatte, die auf die Hauptgestüte Trakhenen und Neustadt/Dosse verteilte Vollblutzucht in Graditz (bei Torgau) zu konzentrieren und den jungen Grafen Georg von Lehndorf zum Landstallmeister zu berufen.

Nachdem im Frühjahr mit den Erdarbeiten begonnen worden war, konnten am 17. Mai 1868 der Preußische König Wilhelm I. und Otto von Bismarck als Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes die neue Rennbahn Hoppegarten mit Hindernisrennen offiziell eröffnen. Die hohen Herren wurden zwar mit einem Viererzug Trakhener abgeholt, doch ein königlicher Empfang war das nicht, denn Hoppegarten hatte noch keinen eigenen Bahnsteig, und der Weg für die Fußgänger zur Rennbahn war eher beschwerlich. Den „Preis von Hoppegarten“ gewann Leutnant von Bülow auf Missunde, und vier Wochen später war auch die Schonzeit für die Grasnarbe der Flachrennbahn vorbei. 1946/47 wurde der Union Club, der während seiner Existenz unglaublich viel geschaffen hatte, im Zuge der Bodenreform enteignet, und danach begann die „volkseigene Zeit der DDR“. Ab 1952 mussten Westberliner zum Besuch der Hoppegartener Rennen eine Sondergenehmigung vorlegen, und der Ausschluss von Privatställen wurde auch erst später wieder gelockert.


1990 organisierte auch der Autor einige deutsch-deutsche Amateur-Rennen in Hoppegarten, Leipzig, und Dresden, und brachte, neben einigen jungen „bundesdeutschen“ Amateuren auch die Ehrenpreise für Trainer, Reiter und Pfleger für die meisten Rennen des Tages mit.

Bei der Saisoneröffnung im März 1990 war das beim deutsch- deutschen Renntag alles wieder vorbei. Gewettet wurde in zwei Währungen, und mit 45.000 Zuschauern kamen wieder so viele Menschen nach Hoppegarten, wie das etwa 1936 beim Großen Preis der Reichshauptstadt der Fall war.

Obwohl die ostdeutschen Pferde in den fünf Rennen 14 Kilo Gewichtsnachlass erhielten, hatten am Ende der Kölner Trainer Trainer Heinz Jentzsch und sein Stalljockey Peter Schiergen vier davon gewonnen. In der Folgezeit zeigte sich, dass der DDR-Generalausgleich aufgrund jahrelang fehlender wirklicher internationaler Vergleiche viel zu hoch geraten war, sodass auch auf diesem Gebiet „Nachbesserung“ nötig war.

1868 wurden auch „Rennkalender“ und Wettreglements publiziert, eine Jährlingsauktion abgehalten und der Trainingsbetrieb zu Hoppegarten gestartet, womit der Union Club ein sehr erfolgreiches erstes Jahr hinter sich gebracht hatte. 1869 gründete Eduard Salomon (von) Oppenheim das Gestüt Schlenderhan, und im ersten Deutschen Derby (Norddeutsches Derby) setzte sich auf dem Horner Moor Ulrich von Oertzens Investment (King of Diamonds) durch. Der Hengst, den Graf Hahn auf seinem Gut Basedow gezogen hatte, und den Reuben Bateman trainierte, musste jedoch unter dem Engländer W. Little erheblichen Startverlust aufholen, ehe sein 29-jähriger Besitzer die 1.400 „Thaler“ Rennpreis beanspruchen konnte.

 

Während Köln wegen seiner schlechten Bahn und Ställe wieder von der Landkarte verschwand, wurde am 18.1.1873 der „Internationale Club“ in Baden Baden gegründet, den Carl Egon zu Fürstenberg als Präsident anführte, und der seinen Rennsport mit einem Frühjahrsmeeting vom Start brachte. Etwa zur gleichen Zeit standen mehr als 600 Stuten und ca. 170 Hengste in deutschen Zuchtstätten; aus Leipzig kam die Kunde von einem Tribünenumbau, und auch in Hoppegarten standen die Zeichen auf Expansion. Der Weg zum „deutschen Newmarket“, als Rennen wie die Union (2.4000 m), Preis der Diana (2.000 m), Henckel-Rennen (1.600 m) oder der Große Preis von Berlin im Programm standen, war somit beschritten. Wie damals üblich, mussten fast alle großen Rennen mehrfach den Austragungsort wechseln, erlebten mehrfache Distanz- oder auch Namensänderungen, zu denen ganz besonders auch der Bau des Flughafens Tempelhof oder des Olympiastadions im Grunewald und die beiden Weltkriege beitrugen. So wechselte beispielsweise die „Diana“ von Tempelhof über Grunewald nach Hoppegarten, nach einem Gastspiel 1947 zu Düsseldorf weiter nach Mülheim / Ruhr, um nach zwei Jahren Hamburg auf den Grafenberg zurückzukehren. Die Union hatte ähnliche Stationen, kehrte nach Grunewald ein zweites mal nach Hoppegarten zurück und wechselte dreimal die Distanzen wie die Diana, während der Große Preis von Berlin, mehrere Distanz- Orts- und Namenswechsel hinzunehmen hatte, ehe er wieder dort etabliert wurde, wo er 1888 begann, in Berlin-Hoppegarten.

Der Union Club, der im deutschen Rennsport Regie führte, begann das ehemalige Rittergut Dahlwitz zu erwerben und handelte ab 1874 auch als juristische Person. Als solche erließ er u. a. Regeln für Flach-, Hindernisrennen und das Wettgeschäft, führte das Gestütsbuch und gab den Wochenrennkalender heraus. Im folgenden Jahr begann Neuss mit dem Rennsport, und 1876 waren beim ersten siebentägigen Derbymeeting 46 Rennen ausgeschrieben, in denen 232 Pferde um 135.710 Reichsmark antraten.

In Hoppegarten wurde damals fast nur Englisch gesprochen, und die Österreich-Ungarischen Pferde waren fast immer überlegene Ware. Das galt ganz besonders für die in 54 Rennen ungeschlagene Kincsem (1874; Cambuscan), die als Zweijährige zwei Wochen vor dem Derby im Criterium Berlin allen Gegnern überlegen die Eisen zeigte, um nach einem weiteren Erfolg in Hannover auch das Hamburger Criterium zu beherrschen. Nach Siegen zu Doberan und Frankfurt gewann sie auch Badens Zukunftsrennen und schloss ihre erste Saison mit vier weiteren Siegen in Ungarn, Wien und Prag ab. Zu den 17 Erfolgen der Dreijährigen zählten das Wiener Derby, der Große Preis von Hannover, das Renard-Rennen in Hamburg und der Große Preis von Baden-Baden, den sie auch in den zwei folgenden Jahren beherrschte. Vierjährig begann die Ausnahmestute mit zwei Triumphen in Wien, ließ drei in der Heimat folgen, und ein weiteres „Triple“ in der Freudenau, ehe sie im Goodwood Cup und im Grand Prix Deauville auch den Engländern und Franzosen zeigte, welche Klasse sie vertrat. Nach dem Großen Preis von Baden-Baden und vier weiteren Siegen war die Saison mit 15 Treffern abgeschlossen. Als Fünfjährige kamen weitere 12 Erfolge hinzu, zu denen auch das „Silberne Schild“ zu Berlin gehörte, wo sie Start-Ziel spazieren ging wie anschließend in Frankfurt und zu Iffezheim.

Die etwa zwanzig Jahre nach 1880 brachten dem deutschen Rennsport allerhand Probleme. Vom Staat gab es keine Unterstützung, eine antisemitische Debatte begann, und nach dem Derby 1881, das wieder nach Österreich-Ungarn ging, schrieb der Sporn „unser Stern ist tief gesunken“. Dennoch entstand unter dem Dach des Union Clubs der Verein für Hindernisrennen, und ein Jahr später errichtete der Club, der seit drei Jahren unter dem Protektorat des Kaisers stand, auf eigenem Grundstück ein repräsentatives Gebäude, in dem sich auch das Generalsekretariat befand, dass nun zusätzliche Aufgaben erhielt.

Die ersten Hindernisrennen wurden zu Hoppegarten gelaufen, zogen danach auf die neue Bahn in Charlottenburg um, bis sie rund zehn Jahre später Karlshorst zur Hochburg machten. 1882 wurde ein staatliches Wettverbot erlassen, das auch die Schließung der Totalisatoren aller preußischen Rennvereine anordnete. Erst vier Jahre später wurde, unter strengen Auflagen, limitiertes Wetten wieder erlaubt, was auch zur Gründung der Rennvereine Mülheim und Dortmund führte. 1883 feierte Baden-Baden, mit Roulette, Monarchen, Regenten und Diplomaten, sein 25-jähriges Bestehen, zu dem fast 200 Pferde anreisten, die bei der „Großen Woche“ rund 238.000 Mark an Rennpreisen gewinnen konnten. Der „Große Preis“ war mit 40.000 Mark und einem Gold Pokal noch immer Deutschlands wertvollstes Rennen, und über Hindernisse wurde erstmals die Badener Handicap-Chase abgelassen.

In jenem Jahrzehnt baute der Union-Club in Hoppegarten eine massive Tribüne, und der „Sporn“ erhielt Konkurrenz von der in Berlin erscheinenden „Sport-Welt“; 1891 verbot der inzwischen an die Spitze getretene Wilhelm II. den Sonntags-Rennsport. Dieser hatte als 29-jähriger nach dem Tod von Wilhelm I. das Amt des letzten Kaisers und Königs von Preußen am 15.6.1888 übernommen, war grundsätzlich sehr sozial eingestellt, unterstützte den Bergarbeiterstreik von 1899 und erzwang höhere Löhne. Er entließ auch Reichspräsident Otto von Bismarck 1890, weil dieser seine Politik als viel zu sentimental bezeichnete.


Wilhelm II, der letzte König und Kaiser von Preußen 1902, der den Pferde-Rennsport ablehnte (Foto: Hoffotograf T.H.Voigt; gemeinfrei;media.iwm.org.uk/iwmLib; F-Nr.HU 68367 Imperial War Museum Collections)

Den Rennsport lehnte Wilhelm II., der 1918 ins holländische Asyl floh, wo er auch 1941 verstarb, jedoch ab, und neben dem Sonntagsverbot wurden auf die Wetteinnahmen auch 5% Steuern fällig, die schon drei Jahre später auf das Doppelte erhöht wurden. Im folgenden Jahr, als der Union-Club sein 25-jähriges Bestehen feierte, war auch ein Jubiläumsrenntag ausgeschrieben, zu dem am 13. Juni acht Sonderzüge vom Potsdamer Bahnhof Richtung Osten dampften. Im Mittelpunkt stand das „Große Armee-Jagdrennen“ mit dem Kaiserpreis über 5.000 Meter, in dem 14 aktive Offiziere – zehn davon zählten zum Adel – antraten. Der Sieger hieß Leutnant J. Graf von Westphalen, der auf Lt. von Waldows sechsjährigem Eventail im Sattel war, und den Sieg zwölf Monate später auf Red Rose wiederholte.


Die Hindernis-Hochburg Karlshorst 1935 mit dem Kaiser-Pavillon im Vordergrund (Foto: Günter Toepfer-Sammling, Karlshorst)

Die „Armee“ startete 1862 offiziell als „Offiziers-Steeplechase“ auf dem Territorium des Rittergutes Lichterfelde, genauer gesagt, auf der Feldmark dessen Vorwerks „Carlshorst“, das Herr von Treskow-Friedrichsfelde zur Verfügung stellte, weil das Tempelhofer Feld keine Hindernisrennen erlaubte. Dieses Vorwerk war damals noch eine Einöde, lag versteckt und weit ab von den Wohnsitzen der Menschen, ehe es der Verein für Hindernisrennen 1894 erschloss. Und diese neue Hochburg des Hindernissports Karlshorst löste die Charlottenburger Bahn in dieser Rolle ab.

Auf dem Vorwerk ging es aber vorerst „Quer Beet“, über Sturzacker, gepflügtes Ackerland, festen Wiesenboden, und die rund 25 Hindernisse bestanden aus Hürden, Koppelricks, trockenen und Wassergräben, und was sich sonst noch in den Weg stellte. Der erste Sieger über die knapp 6.000 Meter hieß Cocktail (Colling Wood) und wurde von seinem Besitzer, von Alvesleben, geritten. Auch die nächsten drei Rennen -1864 und 1866 fand es nicht statt – wurden auf dieser Feldmark entschieden, und die Sieger hießen 1863 Longrange (Cotherstone), der seinem Reiter Lt. von Rosenberg gehörte; 1865 siegte der Halbblüter Nightcap aus dem Besitz von Lt. Graf Donah unter Lt. Prinz Ph. Croy und, die Halbblüterin Gipsy Queen setzte auf diesem Vorwerk 1867 unter ihrem Besitzer Lt. Krell (12. Dragoner) den Schlusspunkt.

Die Premiere dieses Rennens zu Hoppegarten am 21. Juni 1868 holte sich Miß Menken unter ihrem Besitzer, Lt. von Meyerink, während der letzte Sieger auf dieser Bahn 1909 Lt. von Sydows Forefather (1904; Forfarshire) war, der den fünfjährigen Hengst auch selbst ritt. Die letzten fünf Sieger wurden anschließend im Grunewald ermittelt: 1910, als Handicap über 5.000 Meter entschieden, gewann Lt. v. Lütcken von den 17. Ulanen mit Lt. von Röders sechsjährigem Hengst Melton Pet (Petros); im Folgejahr war Lt. Gf. W. Hohenau mit seiner seechsjährigen Stute Castle Brillant (Saint Leonards) der erfolgreiche Reiter; 1912 setzte sich Halcyon Days (Collar) unter seinem Besitzer Lt. Frhr. von Lotzbeck von den 1. Bayrischen Ulanen durch, und zwölf Monate später ließ sich der fünfjährige Wallach South (Diakka) unter 69 Kilo und Lt. Graf Strachwitz für Major Graf Stachwitz mit lockeren fünf Längen Vorsprung über die 5.000 Meter in 6:29, 5 die Butter nicht vom Brot nehmen. Am Freitag, 5. Juni 1914, wurde das letzte Große Armee-Jagdrennen mit 18 Startern abgelassen, das mit drei Ehrenpreisen und 13.400 Mark ausgestattet war. Der letzte Sieger gehörte Hauptm. Schönberg, trug 76 Kilo (das Höchstgewicht mit 79 kg lief auf Platz sieben, auf dem es kein Geld mehr gab) wurde von Lt. von Herder geritten, von K. Schmidt trainiert und gewann in 6:25,3 leicht mit ¾ Längen. Damit waren Ehrenpreis und 8.000 Mark gewonnen und der letzte Triumphator der „Armee“ hochgezogen. Wie üblich erhielten auch der Zweite und Dritte, Flying Hawk, der seinen Besitzer Lt. Hellm. Prieger im Sattel hatte, und A. von Hobergs Seribo unter Lt. v. Egan-Krieger zu ihren 2.400 bzw. 1.160 Mark noch Ehrenpreise.