Über Tremulationen

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Über Tremulationen
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Über Tremulationen

von Emanuel Swedenborg

Aus dem Englischen übersetzt

von Theresa Nivelnkötter

ENGLISCHER ORIGINALTITEL

On Tremulation

von C. T. Odhner Boston, Massachusetts New Church Union, 1899

Reprint, Swedenborg Scientific Association, Pennsylvania, 2005

ISBN 0-915221-60-8

SCHWEDISCHES ORIGINAL

Titel der Photolithographie MS

Bewis at wart lefwande wäsende bestar merendehls af sma Darringar, thet är, Tremulationener.

(Argumente, die zeigen, dass unsere Lebenskraft hauptsächlich aus Tremulationen besteht.)

Titel der Reinschrift, eingereicht vom Autor beim Board of Health/​Gesundheitsrat, Stockholm, 1719

Anatomi af war aldrafinaste natur, wisande at wart rörande och lefwande wäsende bestar af Contremiscentier.

(Anatomie unserer ultrafeinsten Natur, die zeigt, dass die Lebenskräfte und die bewegenden Kräfte aus Kontremiszenzen bestehen.)


EMANUEL SWEDENBORG

(1688 – 1772)

On Tremulation

von C.T. Odhner

Boston, Massachusetts New Church Union, 1899

Reprint, Swedenborg Scientific Association, Pennsylvania, 2005

ISBN 0-915221-60-8

Titel der Photolithographie MS

Bewis at wart lefwande wäsende bestar merendehls af sma

Darringar, thet är, Tremulationener.

Über Tremulationen von Emanuel Swedenborg

© 2013, JOLANDOS

Am Gasteig 6 – 82396 Pähl

978-3-936679-42-7 (Buch)

978-3-941523-16-6 (mobi)

978-3-941523-38-8 (epub)

BESTELLUNG

HEROLD Lositsik Service GmbH

Raiffeiesenallee 10 – 820041 Oberhaching

order@jolandos.de

ÜBERSETZUNG

Theresa Nivelnkötter

LEKTORAT

Martin Ingenfeld

UMSCHLAGGESTALTUNG, SATZ

Christian Hartmann

DRUCK

Buchproduktion Thomas Ebertin

Goethestra.e 9, 78333 Stockach

www.buchproduktion-ebertin.de

EBOOK-GESTALTUNG

Zeilenwert® GmbH

Schwarzburger Chaussee 74 – 07407 Rudolstadt

www.zeilenwert.de

Jede Verwertung von Auszügen dieser deutschen Ausgabe ist ohne Zustimmung von JOLANDOS unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

INHALT

Cover

Titel

Der Autor

Impressum

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

VORWORT ZUR ENGLISCHEN AUSGABE

Zitat

[REGELN DER TREMULATIONEN]

KAPITEL I. [TREMULATIONEN, ALLGEMEIN]

§ 1. [Ursache der Sinne und des Lebens]

§ 2. [Eigenschaften der Tremulationen]

§ 3. [Schlussfolgerung]

KAPITEL II. [TREMULATIONEN, SPEZIFISCH]

§ 2. [Physik der Tremulationen]

§ 3. [Schlussfolgerung]

KAPITEL III. [TREMULATIONEN, SPEZIFISCH]

§ 1. [Das Nervensystem]

§ 2. [Membranen und Matres (Meningen)]

§ 3. [Knochen]

§ 4. [Induktion]

KAPITEL IV. [PHYSIOLOGIE UND PATHOPHYSIOLOGIE]

§ 1. [Membranspannung, Gefäßfüllung und Fließen]

§ 2. [Pathophysiologische Beispiele]

§ 3. [Die Bedeutung der Matres]

§ 4. [Spannung]

§ 5. [Im Kontext der Viersäfte-Lehre]

KAPITEL V. [LEBENSALTER UND ANTHROPOLOGIE]

KAPITEL VI. [DER HÖRSINN]

§ 1. [Anatomie]

§ 2. [Eigenschaften der Tremulationen]

§ 3. [Äußeres Hören]

§ 4. [Inneres Hören]

§ 5. [Auditive Tremulationen im Vergleich]

KAPITEL XIII. [SINNESEMPFINDUNGEN]

INDEX

Fußnoten

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

ZU SWEDENBORG

Emanuel Swedenborg (1688 – 1772) ist der deutschsprachigen Leserschaft bisher fast ausschließlich aufgrund seiner esoterischen Schriften bekannt. Nur wenige wissen, dass dieser Lebensphase zwei davon vollkommen unterschiedliche, aber nicht minder bedeutungsvolle vorausgingen. Bis Mitte seiner 40er war Swedenborg als wissenschaftlicher Universalgelehrter in Europa weit bekannt und hoch geschätzt. Seine Schriften aus jener Phase sind dabei noch ganz durchdrungen vom kartesianischen, d. h. mechanistisch geprägten, Zeitgeist. Andererseits war es zeitlebens seine große Passion Naturwissenschaft und Geist zu vereinen, so wie dies für Wissenschaftler vor Descartes noch selbstverständlich war. Und so folgte ab ca. der 1730er eine Lebensphase, in der er sich vorrangig der Erforschung des menschlichen Organismus widmete. Die in jener Zeit verfassten Abhandlungen Oeconomia regni animalis in transactiones divisa und Regnum animale anatomice, physice et philosopice perlustratum oder seine posthum zusammengestellten Notizen über das Gehirn1 gehören zu den spannendsten medizinischen Abhandlungen der Neuzeit, deren medizinhistorische Würdigung noch aussteht. Eine spirituelle Krise 1743/​44 begründete dann seine letzte Lebensphase, in der er sich ausschließlich der Erforschung der himmlischen Sphäre und der Neuinterpretation der Bibel widmete. Für eine ausführliche Beschreibung seines Lebens und Werks sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen.

ZUM VORLIEGENDEN WERK

Eine der großen Passionen Swedenborgs bestand in diesem Zusammenhang in der Erforschung jener Grundmechanismen und anatomischer Strukturen, die maßgeblich an der Übertragung und Verarbeitung von Informationen beteiligt sind und die Wahrnehmung letztlich überhaupt erst ermöglichen. Wie das vorliegende Dokument belegt, antizipierte Swedenborg in diesem Zusammenhang bereits 1718, also lange vor Beginn seiner anatomisch-physiologischen Studien, die zentrale Bedeutung der Körperflüssigkeiten, der Membranen und der Knochen, die allesamt dazu innerhalb eines Kontinuums einzig die Aufgabe haben, Tremulationen, d. h. Schwingungen, Vibrationen, Zitterbewegungen etc. aus einer lokalen Quelle in den Körper als Ganzen zu verbreiten. Diese ubiquitär im Körper auftretende Kovibration galt Swedenborg als essenzielle Grundlage jeglicher Sinneswahrnehmung. Eine faszinierende und unglaublich moderne Hypothese, deren Bewertung aus medizinhistorischer Sicht ebenso aussteht wie deren wissenschaftliche Überprüfung.

Die genaue Geschichte der Abhandlung Über Tremulationen entnehmen Sie dem Vorwort zur englischen Ausgabe.

ZUR TERMINOLOGIE

Da im vorliegenden Werk die Terminologie zu Wellenphänomenen gelegentlich verwirrend erscheint, sei hier eine kleine Orientierungshilfe angeboten:

Undulation: Sichtbare Tremulationen, wie etwa das Schwingen eines Pendels oder das Wehen einer Flagge.

 

Tremulation: Hörbare Tremulationen, wie etwa der Klang des Tones einer schwingenden Saite.

Kontremiszenz: Feinste unsichtbare und unhörbare Tremulationen.

Begriffe wie Schwingung oder Vibration sind im jeweiligen Kontext in die o. a. Bedeutung einzuordnen. Das Schwingen einer Saite ist demnach sowohl Undulation als auch Tremulation; man kann die Schwingung sehen und hören.

Verwirrend ist die Begrifflichkeit v.a. deshalb, weil Swedenborg den zentralen Begriff Tremulation, aber auch den von ihm geprägten Fantasiebegriff der Kontremiszenz in seiner Originalschrift auch verwendet, um damit sämtliche in der Natur vorkommenden wellenartigen Vorgänge zu beschreiben. Diese Begriffe sind somit zugleich terminologische Gesamt- und Teilmenge. Gelegentlich sind alte anatomische Ausdrücke wie etwa matres für die Meningen (Gehirnhäute) anzutreffen, aber der Authentizität zuliebe wurde auf eine minutiöse Angleichung an die aktuelle medizinische Nomenklatur verzichtet.

Bezüglich der Terminologie offenbart sich im Übrigen eine grundsätzliche Schwäche der deutschen Übersetzung, denn diese erfolgte nicht auf Grundlage des schwedischen Originals, was eine korrekte Überprüfung unmöglich macht; sie basiert vielmehr auf der englischen Übersetzung des schwedischen Historikers Clas Teodor Odhner (1836 – 1904) aus dem Jahre 1899. Da JOLANDOS als Kleinstverlag die Mittel fehlen, um den enormen Aufwand einer wissenschaftlich relevanten Übersetzung aus dem Schwedischen jener Zeit zu finanzieren, der Inhalt des Werkes aber nach Ansicht des Herausgebers von überragender medizin- und v.a. osteopathiehistorischer Bedeutung ist, wurde als Kompromiss die Übersetzung aus dem Englischen gewählt. Eine notwendige Nachbesserung muss anderen überlassen werden.

ZUR BEDEUTUNG

Obwohl das Werk Über Tremulationen von allgemeinem Interesse ist, dürfte es aber in Besonderem Osteopathen und allen voran jene, die sich im Kontext der Biodynamischen Osteopathie bewegen, interessieren. Dies umso mehr, wenn man um die historischen Zusammenhänge zwischen Emanuel Swedenborgs anatomisch-physiologischen Schriften bzw. seinem Weltbild im Allgemeinen und dem Begründer der Osteopathie, A. T. Still (1828 – 1917), weiß. Dies trifft ebenso auf den Entdecker der Kranialen bzw. Kraniosakralen Osteopathie zu und so verwundert es kaum, dass einige Aussagen in diesem Werk mit der kraniosakralen Osteopathie verdächtig identisch erscheinen. Hier ist momentan eine intensive historische Aufarbeitung im Gange und allen Interessierten sei David Fullers Osteopathie und Swedenborg (Seite 79) wärmstens empfohlen, der diese Zusammenhänge ausführlichst recherchiert und brillant dargelegt hat.

Geradezu bahnbrechend ist auch Swedenborgs Beschreibung der peripheren Membranen, heute als Faszien bekannt, denn modernste Wissenschaftsarbeiten in diesem Bereich scheinen die Beobachtungen Swedenborgs zu bestätigen, dass es sich bei diesen Strukturen tatsächlich um ein primär nervös-lymphatisches Gewebe handelt, das weit mehr physiologische Bedeutung besitzt als eine rein biomechanische. Mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Faszien scheint man sich sogar mehr und mehr von diesem rein muskuloskelettal geprägten Bild der Faszien zu verabschieden und es immer mehr im tatsächlich ‚ganzheitlichen‘ Kontext, v.a. aber im Kontext der Sinneswahrnehmungen zu begreifen.

ZUR ÜBERSETZUNG

Der Begriff Tremulationen wurde weitestgehend beibehalten.2 Wo es sich eindeutig um himmlische Tremulationen handelt, wurde in der deutschen Übersetzung der Begriff ‚Schwingungen‘, für ihre physikalische Entsprechung ‚Vibrationen‘ gewählt. An dieser Stelle sei auch ausdrücklich betont, dass die vorliegende Übersetzung zudem auf der 1899 erstellten englischen Version des schwedischen Historikers Clas Teodor Odhner (1836 – 1904) beruht und somit quasi „um zwei Ecken“ übersetzt wurde. Zwar wurde darauf geachtet, den Kerngedanken im Einklang mit seinen späteren anatomisch-physiologischen Schriften zu erfassen und zu vermitteln, ausgewiesene Kenner dieser Schriften Swedenborgs sind hier aber zur kritischen Durchsicht eingeladen.

Ich habe mir weiterhin zur Verbesserung der Übersichtlichkeit erlaubt, den Kapiteln einzelne Überschriften zuzuweisen. Da diese in den Originalschriften nicht vorhanden sind, wurden sie in eckige Klammern gesetzt. Der Index wurde vom englischsprachigen Original übernommen.

Lassen Sie sich aber nun vom Inhalt dieses bedeutenden Werkes inspirieren und genießen sie den Einblick in Swedenborgs grandiose Beobachtungen zu den spannendsten Fragen rund um den Menschen. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen jene Freude beim Lesen, die mich dazu bewogen haben, Swedenborgs kleines Meisterwerk in deutscher Sprache zu veröffentlichen.

Christian Hartmann

Pähl, Mai 2013

VORWORT ZUR ENGLISCHEN AUSGABE

Emanuel Swedenborgs Abhandlung, die nun zum ersten Mal in englischer Sprache erscheint, wurde ursprünglich zum Ende des Jahres 1719 geschrieben. Dies geht aus einer Äußerung hervor, die der Autor in einem Brief vom 3. November 1719 an seinen Schwager, Dr. Eric Benzelius, Bibliothekar der Universität von Upsala, machte.

Ich habe auch eine kleine Anatomie über unsere Lebenskräfte geschrieben, welche, wie ich behaupte, aus Tremulationen bestehen. Zu diesem Zweck habe ich mich sorgfältig mit der Anatomie der Nerven und Membranen vertraut gemacht. Somit konnte ich beweisen, welch eine Harmonie zwischen ihnen und der interessanten Geometrie der Tremulationen besteht.

Diese und viele andere Ideen stimmen überein mit denen von Baglivius. (Giorgio Baglivi, ein Schüler Malphigis, Professor in Rom). Vorgestern reichte ich sie am Royal Medical College ein. 3

Aus den damaligen Sitzungsprotokollen des Sundhets Collegium in Stockholm geht hervor, dass diese Arbeit Swedenborgs ordnungsgemäß empfangen und angemeldet wurde. Man beschloss, dass alle Mitglieder der Reihe nach die Abhandlung lesen und diesbezüglich Stellung nehmen sollten. Im Laufe dieses Prozesses scheint das Manuskript verschwunden zu sein. Es gibt weder einen weiteren Eintrag in den Sitzungsprotokollen der Behörde, noch ist eine Abschrift in der Bibliothek des Royal Medical College, Stockholm, erhalten geblieben. Swedenborg selbst behielt nur den ersten Grobentwurf, welcher ebenfalls verschwand. Allerdings fertigte er davon eine Kopie der Kapitel I-VI und XIII an, die glücklicherweise erhalten ist. Die Kopie umfasst alles, was vom Originalwerk noch vorhanden ist und nach dessen Vorlage die vorliegende Übersetzung angefertigt wurde.

Einige Zitate aus Swedenborgs Korrespondenz mit Benzelius geben uns einen Einblick in die Geschichte dieser zweiten Kopie sowie in den Inhalt seiner Arbeit.

Stockholm, Mitte Januar, 1720

Mit der letzten Post schicke ich Ihnen meine neuesten literarischen Bemühungen. Sollten diese sowie die folgenden Ihre Zustimmung finden, würde mich das sehr freuen. Es ist gewiss richtig, das Baglivius als erster diese Theorie entwickelte, Descartes sich ihrer annahm und später auch Borellus. Allerdings hat noch niemand bisher Beweise hierzu erbracht, geschweige denn den Sachverhalt voll und ganz behandelt. Auch wenn ich das Thema bzw. die Theorie an sich gerne anderen überlasse, so erhebe ich doch den Anspruch, meine Beweise als neu und als meine eigenen zu bezeichnen. Ich muss allerdings gestehen, im Nachhinein festgestellt zu haben, dass ein erheblicher Teil dessen was ich entdeckte, zeitgleich mit Baglivius geschah; welch ein anregender Gedanke. Beispielsweise was ich über die Funktion der Meningen zu sagen habe.

Das Ganze wird einen großen Raum einnehmen und sieben bis acht Wochen brauchen, selbst wenn ich Ihnen zweimal wöchentlich Teile davon schicke. Die hiesigen Ärzte wollen das Thema erörtern und äußerten sich bisher positiv. 4

Stockholm, 24. Februar 1720

Ich beende nun meinen Artikel und sende Ihnen Kapitel XIII, damit es nicht in Bezug auf die exakte Bedeutung zu Streitigkeiten (unter den Professoren in Upsala) kommt. Es wäre sehr wünschenswert, in Hinblick auf die möglicherweise aufkommenden Einwände, den Dingen besondere Beachtung entgegenzubringen, die dazu beitragen die Themen in ein richtiges Licht für mich zu setzen. Meiner Meinung nach sollten solche Einwände vorgebracht werden, die mir in einem gewissen Maße behilflich sind zu erkennen, ob ich auf dem richtigen oder falschen Weg bin. Sich lediglich vieles über den ‚animal spirit‘ vorzustellen und nur die Dinge in Bezug auf ihre Chemie und Funktion, jedoch nichts, was ihre Geometrie betrifft, anzuerkennen, scheint mir eine schwache Kritik.

So lege ich es als Grundprinzip fest, dass Tremulationen in der membraneigenen Flüssigkeit beginnen. Um sich ausbreiten zu können, bedarf es einer gewissen Spannung zwischen den Membranen und den harten Strukturen, aber auch mit den Blutgefäßen, so dass sich letztlich alle lymphatischen Gefäße oder jene der Nervenflüssigkeit in schlüssiger Verbindung befinden. Wie jede andere Flüssigkeit übertragen sie augenblicklich einen Druck auf die Umgebung, und folglich kommunizieren sie eine vibrierende Bewegung an die Membranen und die Knochen, so dass nahezu der gesamte Körper in einen Zustand subtiler Kovibration gebracht wird, welche eine Wahrnehmung verursacht.

Ich gehe davon aus, dass die Herren Akademiker so vernünftig sind, ihre kindlichen Vorurteile beiseite zu schieben und die Argumente gegeneinander abzuwägen, um zu sehen, welches am ehesten zutrifft. 5

29. Februar 1720

Ich schicke Ihnen hier die Fortsetzung des vorangehenden Teils und wünsche mir sehr, dass es die Zustimmung der sich mit diesem Thema befassenden Gelehrten findet. Da ich jedoch diesbezüglich meine Zweifel habe, werde ich einige Zeit vergehen lassen, um zu hören, welche Bedenken möglicherweise erhoben werden.

Falls jemand eine gegenteilige Meinung unterhält, nützen auch die besten Argumente nichts. Jemand mit vorgefassten Meinungen ist meist total blind. Dennoch, zu Ihrem Wohle und im Dienste des Volkes, werde ich aus ganzem Herzen hinterlassen, was verlangt wird. Vorsicht muss geboten sein, um nicht aufgrund neuer Entdeckungen oder bisher unbekannter Argumentationen den Bannfluch der Gelehrten auf sich zu ziehen. Das nächste Kapitel enthält meines Erachtens bessere und einleuchtende Beweise bezüglich unserer Sinne und Sinneswahrnehmungen. Weitere Notizen, die jedoch noch nicht ausgearbeitet sind, betreffen den Mechanismus unserer Leidenschaft und die Bewegung unserer Sinne, insofern sie sich von den Strukturen der Nerven und der Membranen ableiten lassen.

Hinzu kommen einige unbekannte Eigenschaften kleinster Verzweigungen der Arterien und Venen, die der fortlaufenden Bewegung dienen. Insofern dies jedoch zur Begründung weiteres Nachdenken und anatomische Untersuchung erfordert, hebe ich es mir für eine spätere Gelegenheit auf … Alles, was ich Ihnen bisher geschickt habe, ist eine Abschrift des ersten Entwurfes. Sollten sich in Bezug auf die Orthographie einige Fehler eingeschlichen haben, bitte ich es den Umständen zuzuschreiben, da eine exakte Kopie nicht existiert. 6

Brunsbo, 2. April 1720

Seit meiner Abreise aus Stockholm, hatte ich weder die Zeit, Ihnen die Fortsetzung der anatomischen Schriften zu schicken, noch kann ich es von hier aus, da ich den ersten Entwurf nicht mit mir führe und ich nicht alles gut genug erinnern kann. Bei nächster Gelegenheit werde ich dir Weiteres übermitteln. 7

Brunsbo, 2. Mai 1720

Es wäre meine höchste Freude, meine anatomischen Studien hier fortsetzen zu können. Den ersten Entwurf ließ ich in Starbo. Es bereitet mir Kopfschmerzen, die unterschiedlichen Fäden die bereits tief obducta alius generis cogitationibus (was heißt, behandelt von Gedanken unterschiedlichster Art) nachzujagen. Dennoch, es soll getan werden, sobald sich die Gelegenheit bietet. 8

 

Dies ist der letzte Hinweis Swedenborgs auf die kleine Arbeit Über Tremulationen. Die gewünschte Gelegenheit bot sich nicht mehr und folglich erhielt Benzelius keine weitere Fortsetzung. Die Kopie der Kapitel I-VI und XIII gelangte anschließend nach Linköping, als Benzelius 1731 in der dortigen Diözese zum Bischof ernannt wurde. Hier verblieb sie bis zum heutigen Tag zusammen mit all seinen anderen Papieren konserviert in der Bibliothek der Kathedrale.

1869 beschaffte sich Dr. R.L. Tafel eine photolithographische Kopie des Manuskriptes, welche die Seiten 132 - 180 der ersten Ausgabe von Swedenborgs Manuskript beinhaltet.

Wie schon vom Autor erwähnt, entstammte die Kopie dem ersten Grobentwurf, was gewisse ungehobelte Sätze und andere rohe Ausdrucksweisen erklärt, die selbst dem englischen Leser auffallen. Die Originalsprache ist sehr eigentümlich, sowohl in der Orthographie und der Syntax als auch im Vokabular. Schwedisch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war anders als das moderne Schwedisch, etwa wie Tyndales oder Coverdales im Vergleich zum heutigen Englisch. Swedenborg war einer der ersten, der es wagte, seine wissenschaftlichen Thesen in Schwedisch zu verfassen. Und so prägte er gezwungenermaßen viele neue und fremde Ausdrücke, genauso wie er viele aus anderen Sprachen wie dem Lateinischen, Französischen, Deutschen und sogar dem Englischen entlieh. Das Original dieser Arbeit ist reichlich damit bestückt. Der Autor selbst erkannte sehr bald die Ineffizienz der damaligen schwedischen Sprache als Mittel zum Ausdruck wissenschaftlichen Gedankengutes. Folglich griff er in all seinen späteren Schriften wieder auf das alles dominierende Latein zurück.

Dem Leser sei es überlassen den eigentlichen Wert der vorliegenden Arbeit zu beurteilen. Wir wollen lediglich einen Beitrag leisten: um der geschichtliche Bedeutung willen, zum richtigen Verständnis Swedenborgs wachsenden Geistes, sowie zu den Anfängen dieser großartigen Thesen über die natürliche Wahrheit, die später in seinen wissenschaftlichen und philosophischen Werken immer weiter perfektioniert wurden. Der Autor verfasste diese Abhandlung im Alter von 31 Jahren. Sie bezeichnet die erste seiner anatomischen bzw. physiologischen Schriften und zugleich den eindeutigen Abschluss der ersten Periode seiner Schaffenszeit als Autor und Wissenschaftler. Während jener Periode, beginnend im Jahre 1709, schrieb Swedenborg nicht weniger als 20 unterschiedliche Abhandlungen, mehr oder weniger alle in schwedischer Sprache, von denen er einige selbst veröffentlichte. Und obwohl alle in der ein oder anderen Form noch erhalten sind, erschien bisher nichts davon in englischer Sprache.9

Für sich allein betrachtet haben nicht alle diese herausragende Bedeutung. Dennoch sind sie unverzichtbar für ein genaues Verständnis von Swedenborgs Vorbereitung in Bezug auf die ihn erwartende einzigartige und gewaltige Mission.

Er begann seine literarische Karriere als Kommentator der Klassiker, um anschließend als begabter lateinischer Poet in Erscheinung zu treten. Polyhymnia für ernstere Gedankenspiele aufgebend, vertiefte er sich nun in Mineralogie, Geologie, Astronomie, Mathematik und Physik. In all diesen Gebieten verfasste er viele kleine interessante und anregende Arbeiten. Zur gleichen Zeit veröffentlichte er sein Daedalus Hyperboreus, ein Fachjournal für Mathematik, Mechanik und andere technische Wissenschaften. In der sechsten und letzten Ausgabe dieses Journals, geschrieben Anfang 1717, jedoch nicht vor Oktober 1718 erschienen, finden wir einen Artikel über Tremulationen. Diesen haben wir als Einleitung der vorliegenden Arbeit hinzugefügt, stellt es doch den Entwurf und Vorläufer des erweiterten Werkes dar. Man möge es als das letzte Werk Swedenborgs Jugend betrachten.

Es scheint, als habe er nun erneut seine Studien und Arbeiten aufgenommen, jedoch in sorgfältigerer und systematischerer Art und Weise und mit ausgereifteren Ergebnissen. Die Physiologie erst einmal ruhen lassend, wandte er sich wieder metallurgischen, geologischen und astronomischen Fragen zu. 1720 schreibt er Lesser Principia, 1721 Chemia, 1722 Opera philosophica et mineralia, ferro etc. und 1734 Principia, Regnum Subterraneum sowie Prodromus philosophiae ratiocinantis de infinito.

Nachdem Swedenborg sich auf diese Weise ein zweites Mal durch all die Grundlagenwissenschaften gearbeitet hatte, setzte er 1735 seine Studien des menschlichen Körpers fort, den er treffenderweise als den ‚Tempel aller Wissenschaften‘ bezeichnete. Die großen Arbeiten De cerebro, Oeconomia regnum animalis, Psychologia rationalis, Organes generationis, Regnum animalis und andere folgen nun Schlag auf Schlag. Durch all diese großartigen Werke philosophischer Wissenschaft zieht sich ein grundlegender roter Faden, der bereits in der vorliegenden Arbeit gelegt wurde. Selbst in seinen letzten theologischen Schriften findet man Spuren der Prinzipien und Argumente, die erstmals in der vorliegenden kleinen Abhandlung präsentiert wurden.

C. Th. Odhner

Huntington Valley, PA

15. Februar, 1899

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