Mann und Frau und Weltreise

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Mann und Frau und Weltreise
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Elke Klinger


MANN UND FRAU UND WELTREISE

WIE ICH ZUR REISE MEINES LEBENS KAM

Mit erlebten Geschichten,

65 Farbbildern,

114 Tipps,

2 Karten &

1 Vorbereitungs-Checkliste …


Ede, die Frau. Sten, der Mann. Planen die beiden nicht allen Ernstes, bei voller Fahrt, mitten im Leben stehend, für ein Jahr auszusteigen, um auf Weltreise zu gehen? Ede und Sten beginnen sieben Jahre vor dem geplanten Start ihre Geschichten zu erzählen – unabhängig voneinander, jeder auf seine Weise.

Wie ist es Ede in dieser Zeit ergangen? Welche Hoffnungen und Zweifel umtrieben sie? Leise schreibt sie darüber. Laut sagt sie: „Ich habe keine Ahnung, was unser Vorhaben mit mir anstellen wird. Die sieben Jahre vorher nicht und danach gleich gar nicht. Ich bin gespannt auf mich selbst, mache mich auf zum Trockentraining, mit Schwimmflügeln an den Oberarmen und einem rot-weiß gestreiften Ring um den Bauch.“


Ede alias Elke Klinger,

Jahrgang 1968, in Weimar/Thüringen geboren. Fünfundzwanzig Jahre arbeitete sie erst als Fotografin – durch die Welt jettend – und später als Managerin. Heute ist sie Coach. Sie liebt das Unterwegssein, die Veränderung, das Ankommen, aber auch das Weiterziehen.


Impressum

ART-KON-TOR Change Prozesse GmbH

STEDE Verlag

Copyright © 2016 by STEDE Verlag, Jena

Fotos & Grafiken: Elke Klinger, Karsten Meyer

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

ISBN 978-3-946769-01-9

www.2015.edeundsten.de

www.weltreise-buch.edeundsten.de

Wenn man den Weg verliert, lernt man ihn kennen.

Sprichwort der Tuareg aus Afrika

Gewidmet unseren Kindern Paula, Elias, Constantin

Inhalt

Cover

Titel

Elke Klinger

Karte: Unsere 7 Jahre bis zur Weltreise

Impressum

Zitat/Widmung

Vorwort

Ich bin ich.

Sieben Jahre vorher.

Hochverehrtes Leben

Redezeit

Glitzertraum

Mein Umbau

Hallo Zukunft, bitte kommen

Messen ermessen

Mit mir oder ohne mich?

Geldberg

Zwei Jahre vorher.

Abenteuerdurstig

Suche suchen

Hilfe! Notfall!

Test, Test, Test

Männersache?

Von Grenzgängern und Bienen

Russland, wer bist du?

Die Kuh, der Friedhofsgärtner

Orthodoxe Träume

Die fixe Idee

Victor und Klava

Mein russisches Gefühl

Art oder artig

Hallo, hallo

Ein Jahr vorher.

Hui jui jui

Generalprobe

Wüstenblume

Coaching dem Coach

Wünschelrute

Großmutter meiner Angst?

Visum Visa Rumtata

Zettelkram

Sommerkleidchen

Hafenwohnung

Sechs Monate vorher.

Gruselkabinett

Ich, Vogel am Arsch der Welt

Ab in den Süden

Übergetreten. Fehlstart

Drei Monate vorher.

Kaspertheater

Heulsuse

Freundin MAN

Truckerbraut

Pässe, Visa, Stempelkasten

Navigator, bitte kommen

Alles nicht meins

Kassensturz

Wunderheilerin

Ein Monat vorher.

Riesenmembran

Päckchen packen

Angekurbelt

Winkekatzentage

Eine Woche vorher.

Letzte Kurve

Durchdrehen

Nah, nah, näher

Einen Tag vorher.

Ententafelrunde

Eine Stunde vorher.

Autopilot

 

Stunde Null.

Motorenheulen

Nachgedanken

Beim jahrelangen Trockentraining waren wir nicht allein!

Vorwort

Ich war eine ganze Weile mit mir selbst unterwegs und habe dabei durchlebt, was nun hier geschrieben steht. Pack mich selbst am Kragen, hör mir zu in stillen Momenten. Was ist mit mir? Wo will ich hin? Diese ganze Sinnfragerei – macht die Sinn?

Mein geheimer Spruch aus Kindertagen sagt: „Mich hat niemand gefragt, ob ich eigentlich auf diese Welt wollte. Nun bin ich einmal da und mache das Beste für mich daraus. Alles andere wäre echt doof.“ Hm, ja, ganz schön egoistisch vielleicht. Doch es macht mir unglaublich viel Spaß zu tun, wozu alles in mir ein klares, lautes, über die Bergkuppen hinweg flirrendes JA ruft. „Hätte ich mal“ ist nicht mein Ding. Vielmehr gibt es da so einen kleinen Stichelheini, der immer wieder fragt: „Wars das schon?“ Nee wars noch nicht, da geht noch ein Haufen. Ich habe mir eine kleine, feine Wanderausrüstung zugelegt und begonnen, den Haufen zu besteigen. Nicht leicht. Manchmal sogar alles andere als lustig. Doch ich bin gegangen. Einen Fuß vor den nächsten gesetzt. Den ersten Schritt zu gehen ist leicht. Den Zweiten vielleicht auch. Doch dann kommen Durststrecken, Kraterklippen, Abgründe und so ein Kram. Ich weiß das leider sehr genau. Es tut mitunter verdammt weh. Doch wenn du einmal über diese imaginäre Schwelle hinweg gestiegen bist, gibt es irgendwie kein Halten mehr.

Ich fasse mir ein Herz und schreibe hier über das, was sich in mir und um mich herum mit der Reise und für sie im Vorfeld bewegt hat. Ich tue das, weil ich es selbst in Vorbereitung meiner eigenen Reise vermisste, die ruhigen Töne über das trommelwirbelnde „Großartig“, „Chancenreich“, „Einmalig“ hinaus auch nur irgendwo im Ansatz zu finden. Ich hätte gern darüber gelesen, mich mitgeteilt und ausgetauscht. Ich fühlte mich allein in dem, was mich bewegte. Jedem geht es anders und doch glaube ich, dass sich manches gleicht.

Vielleicht warst du schon für eine lange Zeit unterwegs, vielleicht bist du es gerade, vielleicht überlegst du, es eines Tages zu tun. Oder vielleicht ist das alles nichts für dich und du möchtest trotzdem erfahren, wie es mir bei all dem erging. In Vorbereitung, als es ums Abtrainieren ging, genauso wie ums Antrainieren.

Setz dich mit dem Buch auf einen schönen Stein. Einen mit Aussicht. Oder hau dich auf dein Kuschelsofa. Hüll dich in deine Lieblingsdecke und komm mit mir. Dahin, wo sieben Jahre vorher für mich eine Reise begann. Ich hatte keine Ahnung, ob ich sie tatsächlich eines Tages antreten würde. Oder ob meine Reise die der Vorbereitung, des inneren Umbaus, des Freuens und Hoffens und Schiss-Habens bleiben würde. Alles ist genauso gut. Da gibt es kein Richtig oder Falsch. Da geht es für mich einfach ums Machen und Erleben. Ich habe keinen blassen Schimmer, was kommen wird. Doch eins weiß ich. Die sieben Jahre waren eine hammerharte, wundervolle, vom Chaos getriebene und von der Neugier getragene Zeit. Ich mache keinen Hehl daraus. Ich plaudere aus meinem eigenen Nähkästchen. Also, schnapp dir deinen Strumpf-Stopf-Pilz aus meinem Nähkasten und los geht es.

Ede

Im Dezember 2014, wenige Tage vor der Abfahrt


Ich bin ich.

Hupsala, ich bin da. Und du auch.

Ich finde es toll, dass du das Buch zur Hand genommen hast, es vielleicht gedreht und gewendet, durchgeblättert und nicht gleich wieder weggelegt hast. Was ja in unserer übersatten reizvollen Zeit nichts Abwegiges wäre. Nun, wie dem auch sei. Ich heiße dich willkommen und wünsche dir vergnügliche Stunden gemeinsam mit mir. Dich selbst kennst du mehr oder weniger. Mich nicht. Okay, ich will fair sein und erzähl kurz über mich. Elke ist mein Name – in meinem Leben zu Hause. Auf Reisen bin ich Ede. Ist für manche Zunge auf dieser Welt einfacher und spricht sich kurz. Das wusste schon unsere Nichte, als sie mit dem Reden begann. Ihr „Elke“ war ein „Ede“ und dabei blieb es. Also für dich: Ich bin Ede.

Eine Frau bin ich. Und die super gerne. War nicht immer so in meinem Leben, doch im Laufe der Zeit wurde aus Nörgelei Akzeptanz und später reine Liebe mir selbst gegenüber. Den kleinen Jungen meiner Kindheit habe ich auch heute noch bei mir. Er ist mein inneres Stehaufmännchen, der gern „Juchhu“ und „Ja klar, los gehts“ ruft. Auch sonst ist vieles in mir spontan, fröhlich, beweglich, wissensdurstig und vor allem neugierig. Was da hinter den Ecken meines Lebens schlummert, das will ich gern kennenlernen und auskosten. Kann auch mal nicht so lecker schmecken oder im Schlamm enden. Hauptsache ausprobiert und nicht „Hätte, hätte, Fahrradkette“ gesagt, dann, wenn es irgendwann mal zu spät sein sollte.

Fotografin bin ich, jetzt auch Coach, Leiterin einer Firma, bin Mutter, Freundin, Tochter, Partnerin, Schwester, Tante, Cousine und was weiß ich noch alles. Das volle Programm. Ich halte mich für verhalten-mutig, ja. Will was machen aus meinem Leben und in ihm. Und bin auch kräftig dabei. Genau so entstand die Idee vor vielen, vielen Jahren, irgendwann in ferner Zukunft einmal die Seidenstraße von Italien bis nach China zu bereisen.

Das Herrliche an solchen Supernova-Träumen ist, dass sie unendlich weit weg sind, ich mich darin verlieren kann und immer wieder vorfreuen. Doch was ist, wenn sie näher rücken und so nah kommen, dass sich Traum und Alltag fast schon die Hand reichen? Dann wird es mitunter kribbelig. Dann ploppt schon mal der Satz in mir auf: „Achte auf deine Träume, sie könnten Wirklichkeit werden“.

Wer A sagt, muss auch B tun. So bin ich, konsequent. Manchmal auch ein wenig hart, mir selbst gegenüber. Wie dem auch sei. Im Jahr 2008 hatten wir, Sten und ich, die dann schon konkretere Idee, in ein paar Jahren diese windige Vorstellung vom Reisen entlang der Seidenstraße in die Realität unserer Leben zu holen. Ja, ich wollte. Sehr sogar. Nichts von wegen mitreisende Partnerin, Klotz am Bein, die ewige Nein-Sagerin. Manchmal kommt es eben einfach nur anders, als man denkt. Was gut ist. In meinem Fall hat der Prozess der Reisevorbereitung Zeug in mir von ganz unten aufgewirbelt, von dem ich weder wusste, dass es da schlummert, noch großartige Lust verspürte, mich dem zu stellen. Heute sage ich: Ist auch ’ne Form, sich selbst zu begegnen. Quasi, meine Reise vor der Reise. Also, auch wenn du dich auf den folgenden Seiten mitunter fragen solltest, ob ich zum Reisen gezwungen wurde, dann gebe ich dir hier, mit meiner Hand auf dem Herzen und meinem Lachen im Gesicht, ein glockenklares NEIN. Es war meine freie Entscheidung, mein Wunsch, mein Traum, mein Alptraum – ups, das letzte Wort habe nicht ich geschrieben. Das war mein Unterbewusstsein, was sich da reingemogelt hat.

Nun, ich erzähle einfach mal, wie alles kam, wurde und ist.

SIEBEN JAHRE VORHER.



Hochverehrtes Leben

Wie genial ist es, sich seinen eigenen Wünschen hinzugeben. Wir haben keine Ahnung, wie es gehen soll. Doch eine Idee – eines fernen Tages aus dem Karton unseres gewohnten Lebens herauszusteigen, um die Welt zu erkunden. Der Gedanke ist nicht neu. Da gab es schon einige, die ihre Koffer packten, um zu sehen, was sie sehen, wenn sie sehen. Auf abenteuerlichste Weise sind sie losgezogen, die Marco Polos dieser Welt. Nun also auch wir. Irgendwann werden unsere Kinder groß genug sein, dass sie ihrer eigenen Wege gehen wollen. Irgendwann wird in uns beiden, die wir seit Jahren zusammenleben und gemeinsam an unserer Firma bauen, das Gefühl wach, es sei Zeit für einen neuen Sprung. Die Absprungrampe kann ich mir gerade noch vorstellen. Wie das Springen ist, da wird es in mir schon vage. Und von der Landung ganz zu schweigen. Sich selber noch mal neu erfinden. Was für ein verlockender Gedanke. Ich liebe ihn, vom ersten Bruchteil der Sekunde, als das Denken dahingehend reift. Das ist das, wofür ich brenne. Vorhersehbarkeiten, die klingen nach „Das muss so sein“, „So macht man das“, „So war es immer“, eine Auszeit geben. Dem Fremden und Unbekannten mein Herz schenken. Nicht wissend, wohin es mich führt. Mich nicht auskennen. Ein Kleid aus Fragezeichen am nackten Körper. Das wäre was. Das schmeckt nach Lebendigkeit. Wie wunderbar, dass wir zu zweit sind, uns unsere Träume zuwerfen, als seien es Gummibälle. Solche mit Geschmack und Geruch und mit kleinen Zetteln darin. 2008 ist die Jahreszahl, die ich gerade routiniert an jedem einzelnen Tag vermerke. Jede Gesprächsmitschrift trägt das Datum, jedes Angebot und jeder Brief an einen Kunden. Und immer schreibe ich mit diesen vier Ziffern den Beginn unseres Vorhabens mit – 2 - 0-0 - 8. Eines schönen Tages wird es so weit sein. Wir werden ablegen, auf große Reise gehen. Leben, ich verehre dich. Meine kurzen blonden Strubbelhaare streifen den staubigen Boden, so tief ist mein Verbeugen.


Redezeit

Beim Frühstück, zum Mittag, am Abendbrottisch, beim Gang durch die Straßen, überall ist er dabei. Unser Gedanke an die Reise. Er lässt uns nicht mehr los. Sitzt hinten im Auto, wenn wir mit dem Geländewagen ein Wochenende in matschigem Gelände verbringen. Ein Feuer machen, irgendwo auf einem entlegenen Feld. Auf die runden großen Strohballen wälzt er sich mit hoch, auf denen wir so gern die Sommernächte verbringen. Drei Ballen mit dem Auto zusammen geschoben – unser Platz, dem Himmel so nah. Die Flöhe jucken erst am nächsten Tag. Sie stören uns nicht auf unserem Flug in die Zukunft. Draußen sein ist unsere Sache. Da, wo die Dinge so greifbar scheinen. Ganz einfach und klar. Ein Jahr lang so leben, das wärs.

Städte würden Beiwerk sein, das wissen wir schon heute. Uns zieht es zu den Leuten auf dem Land. Das Miteinanderreden macht Spaß, befruchtet, bekommt Flügel und lässt zarte Wurzeln in unseren Köpfen keimen. Wir fühlen uns einander nah. Sten und ich. Wir zwei. Selbst Schweigezeit ist Redezeit. Das merken wir in diesen Tagen. Aalen uns in dem wohligen Gefühl, gemeinsam einen neuen Weg zu betreten. Eine Machete brauchen wir nicht, obwohl das Dickicht vor uns nur so wuchert. Lieber schauen wir erst einmal nach, was da so wächst, wie es riecht und wie es aussieht. Auf diesem für uns so vollkommen anderen Pfad.


Glitzertraum

Wer kennt ihn nicht, den Wunsch, einmal für eine Zeit lang zu gehen. Alles hinter sich lassen und einfach losziehen.

Wie oft in unserem Alltag denken wir: Das kann es doch nicht gewesen sein. Verlieren uns in Tagträumen und schwelgen in Phantasien, was alles sein könnte und schön wäre oder anders sein müsste. Doch wir belassen es meist beim Konjunktiv, schieben den Gedanken dann wieder zur Seite und wenden uns dem Alltagsgeschehen mit all seinen Verpflichtungen und Regeln und Abläufen zu. Das ist nicht schlecht und nicht verkehrt.

Geben diese Strukturen, in denen wir leben, Halt, lassen uns Teil unseres Umfeldes sein und helfen uns dabei, im Alltag zu bestehen. Wir beklagen uns über die Enge, die wir mitunter spüren, doch gleichfalls gibt es gute Gründe, warum wir darin verankert bleiben. Es geht um Sicherheit, um das Gefühl der Zugehörigkeit, um Gewohnheit. Wir schenken uns ein paar Tage Urlaub im Jahr, schwelgen in den herrlichen Momenten. Denn das Glück, das Schöne und Besondere lassen sich am stärksten in der Begrenztheit spüren. Wir wissen, es geht bald wieder zurück in den Alltag. Also genießen wir und frönen der Herrlichkeit der Reise, der Freiheit, der Gelassenheit. Automatisch kommt da der Gedanke in uns auf: Mensch, irgendwann einmal, da mach ich das für länger. Erholt aus dem Urlaub zurück klinken wir uns wieder ein in unser Leben mit Arbeit, Freunden, Familie, ein wenig Sport, einem Ausflug am Wochenende. Alles ist gut.

 

Glücklich zu sein mit dem, was ist, auf der einen Seite, und dann doch diese Stimme in uns, die da immer wieder anfragt, klopft, nachhakt, nicht lockerlässt.

Ich selbst betrachte mein Leben von hinten. Ich möchte am Ende nicht sagen: „Ach, hätte ich nur …“ Ich will sagen: „Ich habe es getan, ich habe es versucht, ich habe es erlebt, gelebt, durchlebt. Ich war mittendrin. Ich habe mir ein eigenes Bild geschaffen.“ Das ist meine Art zu leben. Ja, es begleiten einen Ängste dabei. Zweifel kommen auf. Ist man mutig genug? Überschätzt man sich? Wird man einsam sein? Wie kommt man mit all dem klar, was da auf einen einstürmt?

Doch so weit kommt es meist gar nicht. Zu diesem Punkt gelangt man erst, wenn man tatsächlich in Erwägung zieht, einmal für eine Weile die Leinen loszulassen, an Bord seines Lebens zu gehen und sich bei sich selbst willkommen heißt.

Das Lesen meiner Erlebnisse kann ein Anstoß sein – oder zumindest die Überprüfung für dich selbst, was sich für dich stimmig anfühlt. Ist es für dich das Leben im Alltag mit all seinen wunderbaren Momenten und Details, die grandios sind. Dann genieße sie und kümmere dich nicht um die Gedanken der Unzufriedenheit. Oder rüttelt und zerrt und rumort es beim Lesen immer stärker in dir, so beschließe an dem Tag: Ja, ich tue es. Für eine Zeit gehe ich einen anderen Weg. Es gibt kein Richtig oder Falsch in dieser Frage. Es geht nur um eine Entscheidung, die dir hilft, in dem was ist, glücklich zu sein.

Mein Traum ist es, mich in das Abenteuer mit mir zu stürzen, denn ich glaube, dass das, was mit mir selbst auf dieser Reise geschehen wird, das Aufregendste von allem sein wird.

Am Ende werden wir es wissen. Also aufgemacht, um zu erleben.


Mein Umbau

Wir leiten seit vielen Jahren eine Firma, haben diese gegründet und aufgebaut. Der Gedanke, nach 25 Jahren Selbstständigkeit einmal etwas ganz anderes zu tun und zu erfahren, war für uns beide, Sten und mich, sehr reizvoll. Ganz der Frage folgend: Wann hast du das letzten Mal etwas zum ersten Mal getan? Nicht, dass es in unserer Firma nicht immer wieder neue Herausforderungen gibt. Doch einmal vollkommen neue Perspektiven einzunehmen, komplett unwissend zu sein, den Sichtabstand zu vergrößern, um anders sehen zu können, das ist es, was uns das Leuchten in die Augen treibt.

Ich bin wohl so ein Planungsmensch. Ob ich mir das nun eingestehen will oder nicht. Ob das gut ist oder was auch immer. Klar ändert sich im Innen ständig etwas, doch die Grundzüge stehen. So scheint mir. Da haben wir nun in ach so weiter Ferne vor, für ein Jahr sämtliche Ufer hinter uns zu lassen. Wie das gehen soll, davon habe ich momentan nicht den blassesten Schimmer. Ich bin komplett eingepackt in unserer Firma. Vieles läuft über meinen Tisch. Die Kundenprojekte haben mich im Visier und ich sie. Wenn wir das wirklich durchziehen wollen, bedeutet das, einen kompletten Umbau meiner Selbst. Alles muss weg. Ist das dann mein eigener Ausverkauf? Ist ja nun nicht so, dass ich nahe der Sechzig wäre und ans Aufhören denken würde. Hm, nee, alles andere ist der Fall. Ich stehe mittendrin – in meinem Leben, im Geschäft, in meinem Tun. Irgendwas ist reizvoll an dem Gedanken, diese geplante Reise als Anlass zu nehmen, mich selbst umzubauen. Und irgendetwas daran ist bedrohlich. Reißt mir geradezu die Füße weg, wenn ich nur daran denke. Es ist, als ruckele ich selbst an der alleruntersten Karte meines eigenen Kartenhauses. Dumm nur, dass ich nicht daneben stehe, um zuzuschauen, sondern obenauf, da, wo sich die beiden höchsten Karten an der Kante nur zart berühren. Um nicht zu viel Kraft auszuüben, um ja nicht zu stürzen. Ja, da oben balanciere ich umher. Immer gewahr, abstürzen zu können. Und dann das. Da nehme ich mir doch allen Ernstes vor, mein Kartenhaus mit allem, was drin steht, angebaut, ausgebessert und geflickt wurde, abzutragen. Die große Frage nur: Was wird aus mir?

Toll ist, ich habe noch Zeit. Ich muss nichts überstürzen, nicht hetzen. Torschlusspanik kann gern vor dem Tor Halt machen. Reden nicht immer alle von Chancen, wenn es darum geht, in eine neue Phase seines Lebens einzutreten? Ich frage mich nur gerade, ob ich so etwas überhaupt will. Eine neue Chance. Das, was ich tue, macht mir eine Menge Spaß. Ich weiß, wo ich hingehöre. Sehe Sinn in dem, was ich tue. Habe Erfolg.

Klar, es ist ’ne Menge zu tun. Immer. Ja, wir schreiben gerade das Jahr 2008 und haben eine Wirtschaftskrise, die mir persönlich voll zu schaffen macht. Nicht, weil ich für die ganze Welt zuständig wäre, doch irgendwas kratzt mich innerlich ganz gewaltig, wenn ich an unsere Mitarbeiter denke, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob wir alle halten können. Vor allem, wenn ich auf die Projekte sehe, die definitiv weniger werden. Ich mache mich fertig. Es macht mich fertig. Ich weiß, das tut mir nicht gut, doch ich komme nicht umhin. Die Firma mit den Leuten ist einfach mein Ding. Ich habe sie mit aufgebaut, fühle mich verantwortlich für das, was da passiert oder eben auch nicht. Gern möchte ich in diesen Tagen den Satz aus mir herausschreien: „Ich geh dann mal die Welt retten!“

Wenn es denn so einfach wäre. Ja, es lähmt mich zu sehen, wie alles um uns herum und in uns selbst stagniert. Wo soll ich den Optimismus hernehmen, den ich so gern verstreuen möchte, wenn ich ihn gerade selbst nicht in mir finden kann? Ist das mit dem Umbau meiner Selbst vielleicht doch keine so schlechte Idee? Ziehe ich mich doch einfach mal zurück und spinne herum, was ich denn gern täte, wenn ich denn könnte und wöllte und dürfte. Ich merke, wie ich beginne, an dem Gedanken Freude zu haben. Mich selbst wieder einmal neu erfinden. Da spüre ich doch tatsächlich einen Hauch an Vorfreude. Wollen wir mal sehen, wo das noch hinführt.