Magisches Dufträuchern

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SABINE EILMSTEINER · ELISABETH NUSSBAUMER

Magisches

DUFT

RÄUCHERN

111 WOHLFÜHLAROMEN FÜR DAS STÖVCHEN AUS KÜCHE, GARTEN UND WALD



Vom Wiederentdecken des Riechens

Wunderwelt des Riechens

Eine Reise zu den Wurzeln unseres Dufterlebens

Räucherzauber

Vom Wunder Pflanze zum erfüllenden Dufterlebnis

Küche

Von Anis bis Zitronengras

Garten

Von Alant bis Zitronenverbene

Wald

Von Besenheide bis Zunderschwamm

Wiese und Hecke

Von Bibernelle bis Weißdorn

Wegrand und Brachfläche

Von Beifuß bis Wilde Möhre

Feuchtwiese und Ufer

Von Baldrian bis Weide

Räuchermischungen

Von Löwenmut und Glücksmomenten

Wirkungstabelle

Index

Literatur


Vom Wiederentdecken des Riechens

„Wir haben das Riechen nicht verlernt,

sondern nur vergessen,

darum können wir es leicht wiederentdecken.“

ANDREAS KELLER,

GENETIKER UND PHILOSOPH

Die Fähigkeit zu riechen, Aromen wahrzunehmen, ist für uns ein ungemein wichtiger Teil des Lebens. Unzählige Dufterinnerungen schlummern in uns und lassen schon beim Hineinspüren Gefühle aufsteigen: der typische Geruch der Küche der Großeltern, Tannenreisig beim Adventkranzbinden, der Duft der Jahreszeiten, von bestimmten Pflanzen, besonderen Orten, Menschen und Erlebnissen. Sie erinnern uns an prägende Abschnitte unseres Lebens: Riechen ist völlige Präsenz und zugleich Erinnerung, wir sind im Hier und Jetzt und diese Wahrnehmung verankert uns in Raum und Zeit.

In diesem Buch haben wir 111 Aromen versammelt – von Gehölzen und Kräutern bis hin zu Pilzen und Gewürzen. Schon beim Sammeln und Verarbeiten der Pflanzen bekommen wir die Möglichkeit, mit uns selbst und dem immerwährenden rhythmischen Kreislauf der Natur tiefer in Beziehung zu treten. Wir betrachten diese Geschenke aus der Natur als beseelte Kostbarkeiten, die es mit Achtsamkeit zu schützen und zu bewahren gilt.

Das Räuchern auf dem Stövchen – eine geniale und sehr einfache Art des Räucherns ohne Kohle – ist eine wunderbare Möglichkeit, in Düfte einzutauchen. Durch das Verräuchern werden verschiedenste Wirkstoffe der Pflanzen und Pilze freigesetzt. Die sich verströmenden einzigartigen Düfte wirken über viele Mechanismen auf uns ein. Sie bieten uns eine ausgesprochen positive, wirkungsvolle Unterstützung in unterschiedlichen Lebensbelangen.

Nicht alle von uns können einen eigenen Garten als Sammelort nützen, aber vielleicht den von Freundinnen, Freunden oder Bekannten. Auch jeder Waldausflug kann zur Sammeltour werden. Aus Respekt und Dankbarkeit gegenüber den pflegenden Waldbesitzern und im Einklang mit der Natur sollte dies immer mit Hausverstand und in Achtsamkeit geschehen: Umgestürzte Bäume oder „Sturmgeschenke“ sind gute Sammelquellen! Manche der genannten Pflanzen lassen sich auch gut auf dem Balkon oder der Fensterbank ziehen. Wer sich seine Räucherpflanzenvielfalt aus Gärtnereien oder von (heimischen) Saatgutvermehrern in den Garten oder auf den Balkon holt, leistet ganz nebenbei einen ökologischen Beitrag, denn Duftpflanzen sind oftmals große Insektenmagneten. Beim Kauf von Pflanzenmaterial (in Apotheken, Drogerien und online) achten wir immer auf Bio-Qualität. Dasselbe gilt für unser Räuchergut aus Küche und Vorratskammer: Wir verräuchern (und essen) vorzugsweise fair gehandelte Gewürze und Lebensmittel aus biologischem Anbau.

Wenn Sie nun neugierig geworden sind und Ihren Räucherhorizont auf dem Stövchen erweitern wollen, liegen Sie mit diesem Buch genau richtig. Wir wünschen Ihnen ein genussvolles (Wieder-)Entdecken des Riechens!


Sabine Eilmsteiner


Elisabeth Nussbaumer




DAS RIECHEN
UND WAS DABEI IM KOPF GESCHIEHT

Der Riechsinn ist einer der ältesten Sinne – unsere „modernen“ Gehirne haben sich aus dem ursprünglichen Riechhirn entwickelt. Die Umwelt mit der Nase wahrnehmen zu können, war in längst vergangenen Zeiten überlebenswichtig und kann uns auch jetzt noch vor verdorbenen Lebensmitteln schützen. Leider verkümmert diese Fähigkeit in unserer modernen Welt mit ihrer Reizüberflutung immer mehr. Trotzdem ist dieser besondere Sinn im Unterbewussten ständig am Arbeiten und beeinflusst, angefangen von der Partnerwahl bis hin zu unserem Wohlbefinden oder Unwohlsein, oftmals in Sekundenbruchteilen unser Leben.

Wir besitzen in unserer Nase 20 bis 30 Millionen Riechzellen – jede von ihnen ist darauf spezialisiert, nur einen von über 350 möglichen Leit-Düften wahrzunehmen. Diese Rezeptoren kann man sich wie ein Schloss vorstellen, welches durch das jeweilige Duftmolekül, den Schlüssel, aktiviert wird. Der Geruchsforscher Hanns Hatt spricht anschaulich von einer Art „Alphabet“ mit 350 bis 400 verschiedenen „Buchstaben“. Jeder Duft kann aus bis zu über 100 verschiedenen „Buchstaben“ bestehen und bildet so, wie zum Beispiel beim Kaffee, ein sehr komplexes „Duftwort“.

Verarbeitet werden die elektrischen Impulse mit ihrer Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten zum Teil im Großhirn, wo sie mit abgespeicherten Erfahrungen abgeglichen werden und neue Verknüpfungen bilden. Auf noch viel schnellere Weise kommt die Information auch ins limbische System, den Sitz der Emotionen, des Lernens und der Instinkte. Riechen ist so viel mehr, als einen Duft wahrzunehmen und zu bewerten. Riechen ist der Schlüssel zu unseren Erinnerungen, die Grundlage für die Produktion zahlreicher Hormone und damit maßgeblich für unsere Stimmung verantwortlich.

Frauen haben, was das Riechen anbelangt, gegenüber Männern einen kleinen biologischen Vorteil – mit fast doppelt so vielen Neuronen in den Riechkolben (eine Gehirnregion) funktioniert die Geruchsverarbeitung bei ihnen grundsätzlich besser. Hinsichtlich der Anzahl der Sinneszellen in der Nase selbst gibt es trotz variierender Größen unserer äußeren „Riechzinken“ zwischen Mann und Frau keine nennenswerten Unterschiede.

„RIECHEN“ MIT DEM TRIGEMINALEN SYSTEM

Abseits des Riechens mit der Nase und des Schmeckens mit der Zunge gibt es eine dritte Möglichkeit, chemische Stoffe wahrzunehmen. Mittels des Trigeminus-Nervs – einem Warn- und Schmerznerv – können wir u. a. scharf, brennend, heiß, kalt, frisch und schmerzend wahrnehmen. Über das Riechen oder auch über Schleimhautkontakt wirken manche ätherischen Öle äußerst eindrücklich auf uns – man denke hier an Menthol, Ammoniak oder Capsaicin aus der Chili. Für ein optimales Riecherlebnis arbeiten unsere Systeme immer zusammen und beeinflussen sich auch gegenseitig.

 

ÄTHERISCHE ÖLE ALS SCHLÜSSEL ZUM RIECHEN

Alle Duftpflanzen enthalten ätherische Öle, aber nur in geringen Mengen – höchstens 1 bis 2 Prozent, meist sogar weniger. Ausnahmen bilden die klassischen Gewürze. Ätherische Öle setzen sich aus einer Vielzahl an leicht flüchtigen Molekülverbindungen zusammen und werden unter anderem beim Zerkleinern und Erhitzen von pflanzlichen Bestandteilen frei. Dazu zählen die Gruppe der sogenannten Terpene und die der aromatischen Verbindungen. Ihre Wirkungen auf den Körper sind ebenso vielschichtig wie ihre Arten. Von belebend, stimmungsaufhellend bis keimtötend sind hier viele Effekte bekannt und wissenschaftlich belegt.

In der Natur dienen die ätherischen Öle den Pflanzen dazu, Insekten zur Bestäubung anzulocken, aber auch als Kommunikationsmittel, um andere Pflanzen zu warnen und bei Schädlingsbefall Gegenspieler zu rufen. Die keimtötende Eigenschaft vieler ätherischer Öle schützt Pflanzen darüber hinaus vor Krankheiten und Fressfeinden: Die Pflanze hat hier sozusagen ihre eigene Apotheke. Auch der eigene Lebensraum wird mit Aromen verteidigt, sodass sich andere Pflanzen nicht so leicht ansiedeln. Vor übermäßiger UV-Strahlung und Wasserverdunstung schützen sie sich ebenfalls mit ätherischen Ölen, die sich als gasförmiger Schutzmantel um die Pflanze legen.

DUFTREZEPTOREN IM KÖRPER

Duftrezeptoren sind nicht nur in der Nase zu finden, sie wurden in unterschiedlicher Dichte auch in anderen Körperzellen entdeckt. Viele Studien zeigen, dass Duft eben nicht nur eine Sache des Riechens ist – Aromen können über die Atmung, über Hautkontakt, aber auch über die Ernährung auf unsere Körperfunktionen wirken. Über das Blut gelangen Duftstoffe auch zum Herzen und in andere Organe – die Wissenschaft steht hier noch auf recht unbekanntem Terrain und macht laufend neue Entdeckungen. Beispielsweise nutzt man synthetischen Sandelholzduft mit einer positiven Wirkung auf die Wundheilung und das Haarwachstum.

Erst kürzlich wurde herausgefunden, dass selbst Tumorzellen Duftrezeptoren besitzen – erstaunlicherweise sogar mehr als gesunde Zellen. Auf welche Duftstoffe die Tumorzellen reagieren, ist Gegenstand zahlreicher Forschungen – bisher hat man ca. 20 Prozent davon entschlüsseln können. Im Falle von Leberkrebszellen wirkt zum Beispiel Zitrusduft auf das Wachstum hemmend. Mit der Herausforderung, entsprechende Duftstoffe in ausreichender Dosierung zu im Körperinneren liegenden Zellen zu bringen, eröffnen sich für die Zukunft ganz neue, schonende Wege der Krebstherapie.

DUFT UND GEDÄCHTNIS

Eine im Jänner 2020 veröffentlichte Studie der Uni Freiburg legt den Schluss nahe, dass Düfte auch beim Lernen unterstützen. Eine Gruppe von Schülern wurde beim Vokabellernen mit Rosenräucherstäbchen beduftet (ohne sie anzuzünden). Derselbe Duftreiz wurde dann auch in der Nacht gesetzt. Neben der großen Wichtigkeit von ausreichendem Schlaf zeigte die „Räucherstäbchengruppe“ deutlich bessere Testergebnisse als eine Vergleichsgruppe. Das Aroma selbst ist aber austauschbar und muss nicht unbedingt Rose und auch kein Räucherstäbchen sein.

Um die Wirkung auf die Arbeit mit dem Stövchen zu übertragen, empfehlen wir vor allem anhaltende, raumfüllende Düfte, die in weiterer Folge auch die Konzentration steigern. Hier scheinen uns vor allem Lavendel, Zimt, Lorbeer oder Johannisbeerholz gut geeignet zu sein. Während des Lernens und nochmals kurz vor dem Einschlafen kann eine solche Räucherung helfen, „Gepauktes“ in den Langzeitspeicher zu bringen. Tagsüber kann der Duft von Kalmus, Ingwer und Rosmarin die Konzentration fördern und das Gedächtnis unterstützen. Wegen ihrer anregenden Wirkung sind diese jedoch für eine Abendräucherung nur bedingt geeignet.

DUFTTRAINING – MIT RIECHEN ZU MEHR GENUSS UND LEBENSFREUDE

Die Empfindlichkeit von Riechrezeptoren wird zum Teil vererbt, aber das Riechen selbst ist ein Sinn, den man trainieren kann. Da wir mit unserem Geschmackssinn auf der Zunge nur süß, salzig, sauer, umami und bitter unterscheiden können, ist bereits beim Essen der Geruchssinn dafür ausschlaggebend, ob uns Speisen schmecken oder nicht. Eine zu starke Aromatisierung lässt den Sinn eher verkümmern – wie einen Muskel, dem man keine Herausforderung bietet. Statistisch gesehen nimmt das Geruchsvermögen ab einem Alter von etwa 60 Jahren immer stärker ab (bei Männern früher als bei Frauen). Spätestens zu diesem Zeitpunkt – aber natürlich schon viel früher, auch bei Kindern und Jugendlichen – kann ein bewusstes Riechtraining die Duftwelt und damit auch den Genuss beim Essen um einiges bunter machen.

WISSENSWERTES

Um den Mehrwert unseres Riechens praktisch auszuprobieren, empfehlen wir, sich beim Kauen einer Speise einmal kurz die Nase zuzuhalten. Erst wenn man sie wieder öffnet, kommt tatsächlich Fülle ins Spiel.


DUFTTRAINING IN DER PRAXIS

Nehmen Sie sich zweimal täglich ein paar Minuten Zeit und üben Sie sich im aktiven Riechen.

Wählen Sie hierfür 4 bis 6 verschiedene Düfte – auf dem Stövchen bieten sich Kräuter, Gewürze & Co mit ihren natürlichen Dufterlebnissen besonders an. Auch in der Natur oder im Haus finden sich aromatische Quellen – eine Blume, Parfüm, verschiedenste Lebensmittel oder Gegenstände.

Probieren Sie möglichst verschiedene Duftrichtungen – blumig, fruchtig, harzig, würzig …

Setzen Sie sich regelmäßig, aber nur kurzfristig besonderen Duftreizen aus. Eine „Dauerbeduftung“ führt zur Gewöhnung und erzielt im Körper keine Effekte mehr.

Nehmen Sie den Duft mit geschlossenen Augen und in Ruhe wahr. Beobachten Sie, was der Duft auslöst, mit welchen Erinnerungen er verknüpft ist. Ein geistiges Visualisieren und Benennen kann die Wirkung noch verstärken.

Auch wenn Sie den Eindruck haben, den Duft nicht „richtig“ wahrzunehmen, oder kaum etwas davon riechen, sollten Sie nicht aufgeben und weiterhin trainieren. Damit wird das Gehirn angeregt, sich wieder neu zu vernetzen.

Erweitern Sie Ihr Training: Erinnern Sie sich auch ohne Duftquelle immer wieder einmal an Situationen und ihre spezielle Duftnote. Wie riecht es nach einem Sommerregen oder welches Aroma verströmen frisch gebackene Kekse? Können Sie sich den Geruch von frisch gemähtem Gras oder von Lagerfeuer in den Moment holen?

WISSENSWERTES

Regelmäßiges Riechtraining erhöht die Lebensfreude und den Genuss, kann Krankheiten vorbeugen, in manchen Fällen sogar die Heilung unterstützen (Depressionen, Angststörungen …) und verbessert als „Gehirnjogging“ die Denkleistung.

Tägliches Riechtraining zeigt nach etwa drei Monaten, spätestens einem halben Jahr, die ersten spürbaren Erfolge, was wir mit unseren intensiven Stövchen-Experimenten durchaus bestätigen können. Es kommt zu einer gesteigerten Wahrnehmung, zu einer deutlich „bunteren“ Umwelt. In vielen Fällen kann man mit etwas Durchhaltevermögen eine Verbesserung des Geruchssinns erreichen. Zusätzlich wird die Abnahme des Riechvermögens im Alter meist um einige Jahre hinausgezögert.

Riechen ist, anders als Sehen und Hören, vor allem eine aktive Wahrnehmung, um die man sich etwas bemühen muss. Viele Gerüche entfalten sich erst, wenn wir unsere Nasen unmittelbar der Quelle aussetzen. Riechen kann also, mit Begeisterung und etwas Geduld, zu einer zunehmend abenteuerlichen Reise werden. Es führt zu mehr Genuss im Leben und darüber hinaus zu einer gesteigerten Gedächtnisleistung. Aktives Riechen regt die Bildung von Synapsen an und führt damit zu einer besseren Vernetzung im Gehirn.

DUFT-ADVENTSKALENDER: In der Vorweihnachtszeit jeden Abend eine andere Pflanze, ein anderes Gewürz auf das Stövchen legen. Den Duft bewusst wahrnehmen, nach Assoziationen suchen. Beobachten, ob und welche Emotionen ausgelöst werden. Besinnlich zusammensitzen und dabei das Riechen trainieren – ein genussvolles Erlebnis für die ganze Familie.

DUFT-RATESPIEL:Vorrätiges Räuchergut wählen und, ohne dass es andere sehen können, auf dem Stövchen platzieren. Die Mitspieler raten, um was es sich dabei handeln könnte – von ganz leicht wie Zimt bis herausfordernd wie Rosa Pfeffer. Vertiefend kann man sich auch über die aufkommenden Bilder und Erinnerungen zu dem Duft austauschen und versuchen, das Riecherlebnis mit eigenen Worten kreativ zu beschreiben.

DUFT-SPAZIERGANG: Beim Spazierengehen immer wieder innehalten und schnuppern. Sind die Düfte vertraut? Wo liegt ihre Quelle? Sind sie jahreszeittypisch? Welche Blüten, Pflanzen etc. duften ansprechend und könnten auf dem Stövchen verräuchert werden? Die tägliche Runde mit der Nase sehen!

RIECHEN UND REGENERATIONSFÄHIGKEIT

Einige Erkrankungen, bestimmte Medikamente, Verletzungen oder fortgeschrittenes Alter können kurz- wie auch langfristig die Fähigkeit des Riechens und damit auch des genussvollen Schmeckens beeinträchtigen (Hyposmie) oder sogar den völligen Verlust des Riechvermögens mit sich bringen (Anosmie).

Bei Parkinson-Krankheit und Alzheimer-Demenz wurde beobachtet, dass eines der ersten Symptome fast immer der Verlust der Riechschärfe ist. Auch Patienten mit Angststörungen und Depressionen haben in diesem Bereich oft Defizite. Bei chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen, nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder bei und nach manchen viralen Infekten ist dies ebenso bekannt. Im Fall von Covid-19 regenerieren sich die Riechzellen glücklicherweise zu einem hohen Prozentsatz nach spätestens einem Monat vollständig – sofern es überhaupt zu derartigen Symptomen gekommen ist.

Faszinierenderweise können sich Riechrezeptorzellen, als große Ausnahme innerhalb des Nervensystems, immer wieder vollständig erholen. Sie erneuern sich ungefähr alle sechs Wochen bis sechs Monate. Bewusstes Dufttraining kann diese Selbstheilung positiv unterstützen und schneller zu einer besseren Riechfähigkeit führen – vorausgesetzt die Ursache liegt nicht bei den Stammzellen, beim Riechnerv oder im Gehirn selbst. Im Falle von Depressionen und Angststörungen ist unter Umständen mit dem beschriebenen täglichen Riechtraining eine Besserung der Grunderkrankung möglich. Es wird auch angenommen, dass bei Demenzerkrankungen mit Riechtraining ein Hinauszögern der Symptome möglich sein könnte. Zumindest kann ein Riechtest bereits bei der Früherkennung und Diagnosebestätigung von Demenz und Parkinson hilfreich sein.

WAHRNEHMUNG VON WOHLGERUCH

Ob ein Duft als angenehm oder unangenehm wahrgenommen wird, hat verschiedenste Gründe. Zum einen ist es natürlich die chemische Zusammensetzung. So werden Substanzen, die Schwefelverbindungen beinhalten, oft als „stinkend“ empfunden, wohingegen Benzolringverbindungen für unsere Nasen eher blumig und fruchtig duften. Wohlgeruch hat aber auch immer etwas mit der richtigen Dosierung zu tun, ebenso mit unseren unterbewussten Erwartungen und Konditionierungen. Die Wahrnehmung von verschiedensten Düften kann sich daher im Leben immer wieder verändern – aber nicht nur durch gute oder schlechte Erfahrungen, sondern auch durch die aktive Einstellung zu Gerüchen.


SABINE

Mit etwa 8 Jahren zog ich mir eine Lebensmittelvergiftung zu. Ich war mit meinen Eltern in Linz unterwegs gewesen und hatte dort mit kindlichem Appetit eine Bosna und später einen Faschingskrapfen verschlungen. Ich habe keine Ahnung, welches der beiden Lebensmittel in den darauffolgenden Tagen für meinen recht erbärmlichen Zustand verantwortlich war, doch auch jetzt, nach über 30 Jahren, empfinde ich den Duft einer Curry-Zwiebel-Ketchup-Mischung sowie den eines gekauften Krapfens immer noch hochgradig unangenehm. Ein Paradebeispiel negativer Konditionierung.

 

MANIPULATION MIT DÜFTEN

Über dieses Thema wird nicht unbedingt gerne gesprochen. Modernes Marketing macht es sich aber zunutze: Mit dem Ziel, ein Produkt gut zu verkaufen, bedient man sich gern des Umstandes, dass Düfte direkt auf das Unterbewusstsein und unsere Emotionen wirken. Knapp unterhalb der Wahrnehmungsgrenze soll dies am besten funktionieren. So wurde beobachtet, dass an Spielautomaten, die „beduftet“ werden, um bis zu 45 Prozent mehr Umsatz gemacht wird. Daraus entwickelte sich eine ganz neue Berufsgruppe, die sogenannten „Air Designer“. Vom Duft eines Hotelfoyers bis hin zum Innenraum eines neuen Autos wird nichts dem Zufall überlassen. Faszinierend und doch auch im höchsten Maße bedenklich, wenn Illusion und „Täuschung“ zu einem gängigen Instrument werden, Kaufinteressen zu verfolgen.

Weniger manipulativ können wir diesen Umstand aber auch bei der Arbeit mit dem Stövchen nutzen. Wissen wir um ein anstehendes unangenehmes Gespräch, können wir mit „Eisbrechern“ wie Waldmeister, Tannenreisig oder Gewürznelken eine offene, sanftmütige Stimmung herbeiführen.

Es ist auch möglich, uns selbst auszutricksen. Wenn wir in Lebensmomenten, in denen wir uns sehr glücklich fühlen, mehrfach an einem bestimmten Duft riechen bzw. eine bestimmte Pflanze verräuchern, wird dieses Riecherlebnis positiv besetzt und kann uns auch in herausfordernden Zeiten positiv stimmen.

WISSENSWERTES

Seit 2013 ist der 27. Juni der „Weltdufttag“ und somit einer wichtigen Sinneswahrnehmung gewidmet. Düfte können einiges: Sie sind Schlüssel zur Erinnerung, Stimmungstrigger, Grund für Lebensfreude und Genuss, Gedächtnistrainer, Warnsystem, Heilungsimpulsgeber und noch viel mehr.