Glasschäden

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Glasschäden
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Ekkehard Wagner

Glasschäden

Oberflächenbeschädigungen

Glasbrüche in Theorie und Praxis

4., überarbeitete und erweiterte Auflage 2012

© 2012 by Holzmann Medien GmbH & Co. KG, 86825 Bad Wörishofen

Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, fotomechanischen Wiedergabe

und Übersetzung nur mit Genehmigung durch Holzmann Medien.

Das Werk darf weder ganz noch teilweise ohne schriftliche Genehmigung des

Verlags in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm, elektronische Medien oder

ähnliches Verfahren) gespeichert, reproduziert oder sonst wie veröffentlicht werden.

Diese Publikation wurde mit äußerster Sorgfalt bearbeitet, Verfasser und Verlag

können für den Inhalt jedoch keine Gewähr übernehmen.

Fotos und Grafiken: Ekkehard Wagner

Lektorat: Achim Sacher, Holzmann Medien | Buchverlag

Herstellung/Satz: Markus Kratofil, Holzmann Medien | Buchverlag

www.holzmann-medien.de

Artikel-Nr. 1606.60

ISBN: 978-3-7783-0843-1

Vorwort

Glas – ein absolut faszinierender Baustoff, der in den letzten Jahrzehnten in immer weiteren Anwendungsbereichen im Hochbau und im Innenausbau eingesetzt wurde. Da bleibt es nicht aus, dass sich dabei die Grenzen mancher Anwendung zeigen oder das Glas in Einzelfällen so beansprucht wird, dass diese Grenzen überschritten werden. Diese Auswirkungen zeigen sich dann nicht allein im Versagen des Materials.

Beschädigungen der Oberfläche bis hin zu Glasbruch sind nicht immer einfach zu beurteilen. Ohne entsprechende Erfahrung ist eine sorgfältige und eindeutige Ursachenzuordnung nicht immer möglich. Um die vorhandenen Erfahrungen auch anderen Glasfachleuten weiterzugeben, wurde dieses umfassende Buch über Glas, Oberflächenschäden und Glasbrüche und deren Ursachen geschrieben, das weit über das bereits Erarbeitete und Veröffentlichte hinausgeht. Neben den bisher durch den Autor veröffentlichten 43 unterschiedlichsten, schematisierten Glasbruchbildern an verschiedenen Glasarten wurden 6 weitere, ergänzende Bruchbilder auf-genommen. Auch das Kapitel Oberflächenbeschädigungen bei Glas mit bisher 20 differierenden Schadensbildern wurde um zusätzliche 3 Bilder erweitert. Alle Kapitel von der Glasherstellung über die Kerbspannungstheorie bis hin zur Bruchmechanik wurden überarbeitet, erweitert und komplettiert. Zusätzliche Themen in dieser 4. Auflage sind die Kondensation auf Glasflächen, raumseitig und außenseitig und optische Erscheinungen wie Anisotropien und Newton’sche Ringe. Das Thema Isolierglas wurde um ausführliche Abhandlungen zum Doppelscheibeneffekt und seine Auswirkungen auf Glasschäden erweitert, was zum Verständnis von Bruchvorgängen an modernen Isoliergläsern beiträgt.

Somit werden nicht nur Bruchvorgänge und Oberflächenschäden umfassend behandelt, sondern auch die meisten physikalischen, mechanischen und optischen Eigenschaften und Eigenarten von Glas detailliert beschrieben, die vielen Anwendern und Nutzern von Glas oft nicht bekannt oder verständlich sind. Bei genauer Kenntnis des Inhalts und einer gewissen, notwendigen Erfahrung lassen sich für nahezu alle Arten der Oberflächenbeschädigung und des Glasbruchs eindeutige Ursachen finden und zuordnen. Untermauert wird diese theoretische Abhandlung nicht nur durch eine Vielzahl von systematisierten, erklärenden Bildern, die die Theorie anschaulich darstellen und mit Praxisbeispielen belegen. Erstmals sind hier auch aus dem umfangreichen Bildarchiv des Autors und einiger Sachverständiger Fotos aufgenommen, die den Praxisbezug optimieren und die theoretischen Grundlagen anschaulich untermauern. Damit ist eine genaue Beurteilung der Schadensursachen in den allermeisten Fällen noch einfacher möglich. Dies führt zu einem besseren Verständnis der Eigenschaften, Eigenarten und Schadensbilder von Glas.

Besonderer Dank gilt all denjenigen, die für die Neuauflage Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben, insbesondere den Kollegen Manfred Beham, Udo Bethke, Gerhard Kirchhorfer, Karl

Polanc, Markus Renaltner, Wolfgang Sawall, Jürgen Sieber und Franz Zapletal.

Allersberg, im Sommer 2012

Ekkehard Wagner und

Holzmann Medien | Buchverlag

„Wo bist du, Glas?

Ich sehe dich nicht.

Nur den Strahl,

der sich in dir bricht.“

Gerhart Hauptmann

aus „Glas“, 1933

Teil 1 Glas –

Definition und Aufbau

1.1 Definition und Aufbau

Zur Beurteilung von Glasschäden ist die Kenntnis des Glasaufbaus immer hilfreich. Allerdings kann die einfache Frage „Was ist Glas?“ nicht leicht beantwortet werden. Das Wort Glas leitet sich ursprünglich aus dem germanischen Wort glasa ab, was so viel bedeutet, wie „das Glänzende, das Schimmernde“. Die Germanen verwendeten das Wort auch für die Bezeichnung von Bernstein. Bereits 1779 schrieb D. Johann Georg Krünitz in der oeconomischen Encyclopedie:

„Glas (das) ein jeder glänzender Körper. In dieser weiteren Bedeutung war es ehedem gewöhnlich, verschiedene Körper dieser Art zu bezeichnen. Dass die alten Deutschen den Bernstein Glas genannt haben, erhellet aus dem Tacitus und Plinius. Die alten Schweden nannten das Gold Gliis, Gläs, Bargläses, so wie die Phrygier aus eben dieser Ursache Gleros, Gliros. Auch das lateinische Glacies, Eis, gehört hierher. Im Deutschen kommt diese Bedeutung nur noch in den Zusammensetzungen Glaserz, Glaskopf, Spießglas usw. vor, wo es so viel wie Glanz bedeutet.“

Weiterhin steht dort zu lesen:

„Glas in der engsten Bedeutung, ein aus Sand oder Kieseln mit einem Alkali und Salz zusammengeschmelzter durchsichtiger glänzender Körper, welcher im gemeinen Leben zu mancherley Bedürfnissen gebraucht wird.“ [19]

Ein einfacher Definitionsversuch zeigt im Nachfolgenden mehrere Möglichkeiten auf:

Eine Beurteilung der Substanz Glas nach ihrer Zusammensetzung kann relativ einfach dargestellt werden: Glas besteht aus Sand (Netzwerkbildner), aus Soda (Netzwerkwandler/Flussmittel) und aus Kalk (Stabilisator). Das Zusammenwirken dieser drei Substanzen erläutert die nachfolgende Modellbeschreibung, die der Einfachheit halber zweidimensional dargestellt wurde: Die Einschmelzung von reinem Sand, der überwiegend aus Siliziumdioxid (Kieselsäure) besteht, geschieht bei sehr hohen Temperaturen (> 1.800 °C). Siliziumdioxid SiO2 ist in kristalliner Form als Quarz-Kristall bekannt, die Moleküle sind symmetrisch angeordnet, wie dies bei Kristallen üblich ist.


Quarzkristall;

Anmerkung: Die vierten

Valenzen des Si ragen jeweils nach oben oder unten aus der Zeichnungsebene heraus, da eine einfache und übersichtliche Darstellung nur zweidimensional möglich ist.

Bei den hohen Temperaturen der Einschmelzung von Sand entsteht ein unregelmäßiges Schmelzgefüge von vernetzten Siliziumdioxidmolekülen. Das hierbei entstehende Schmelzprodukt bezeichnet man als Quarzglas.


Quarzglas;

Anmerkung: Die vierten

Valenzen des Si ragen jeweils nach oben oder unten aus der Zeichnungsebene heraus, da eine einfache und übersichtliche Darstellung nur zweidimensional möglich ist.

Um einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt zu erreichen und damit den Herstellungsprozess ökonomischer zu gestalten, wird Soda beigemischt und verschmolzen. Soda (Natriumkarbonat Na2CO3) als so genannter Netzwerkwandler spaltet die Netzwerkbindungen zwischen den einzelnen Siliziummolekülen und sorgt so für einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt des Quarzsandes. Als Endprodukt entsteht eine Flüssigkeit namens Wasserglas, die früher zum Beispiel im Brandschutzbereich (Anstrich bei Holzdächern) verwendet wurde.

Spaltung zu Wasserglas



Wasserglas;

Anmerkung: Die vierten

Valenzen des Si ragen jeweils nach oben oder unten aus der Zeichnungsebene heraus, da eine einfache und übersichtliche Darstellung nur zweidimensional möglich ist.

Wasserglas ist eine flüssige Substanz und hat deshalb nur wenig Ähnlichkeit mit festem Glas. Um wieder eine feste Substanz zu erhalten, aber auch zur Steuerung des Spaltungsprozesses, wird nun zusätzlich zu Sand und Soda die Substanz Kalk (Calciumkarbonat CaCO3) als Stabilisator beigemengt. Dadurch werden die gespaltenen Netzwerkverbindungen zwischen den Siliziummolekülen durch den Kalk wieder teilweise rückgängig gemacht. Nach der Erschmelzung dieser Substanzen in Abhängigkeit der Mengenzugabe des Kalkes entsteht wieder ein fester Stoff. Es handelt sich dabei um Kalk-Natronsilicatglas, das bei wesentlich niedrigeren Temperaturen ökonomischer hergestellt werden kann.

Kalk-Natronsilicatglas-Stabilisierungsprozess:



Kalk-Natronsilicatglas; Anmerkung: Die vierten Valenzen des Si ragen jeweils nach oben oder unten aus der Zeichnungsebene heraus, da eine einfache und übersichtliche Darstellung nur zweidimensional mög-lich ist.

 

Während des Erschmelzungsprozesses von Glas wandelt sich Natriumkarbonat in Natriumoxid und Calciumkarbonat in Calciumoxid um. Dadurch entsteht ein relativ hoher Anteil an Kohlen-dioxid (CO2), das als Gas freigesetzt wird. Im „Läuterungsprozess“ entweicht es aus der flüssigen Glasschmelze.


Zur Herstellung von Borosilicatglas wird anstelle des Sandes teilweise Natriumborat (Na2B2O4) als Netzwerkbildner verwendet. Bei Kalkkaliglas wird anstelle von Soda als Netzwerkwandler Kaliumkarbonat (K2CO3) oder auch das Doppelsalz Dolomit verwendet. Es können aber noch andere Stoffe als Netzwerkbildner fungieren, wie Bortrioxid oder nichtoxidische wie Arsensulfid.

Man kann bei Glas unterscheiden zwischen sogenannten „Hartgläsern“ wie Borosilicaten mit hohen Kühlpunkten, hoher Beständigkeit gegen chemische Angriffe, deutlich höherem Erweichungsverhalten und sehr hoher Temperaturwechselbeständigkeit und zwischen „Weichgläsern“ wie Kalk-Natronsilicatgläsern, Bleigläsern oder Nichtsilicatgläsern mit leichterer Erschmelzbarkeit und Formgebung, geringerer Temperaturwechselbeständigkeit und geringeren Herstellkosten. Diese Bezeichnungen haben allerdings nichts mit der eigentlichen Härte (Oberflächen-, Schleif-, Ritz-, Vickers- oder Mohshärte siehe Kapitel 2.3) von Glas zu tun.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Glas hauptsächlich aus einem Netzwerk von Siliziummolekülen, Natriumoxid und Calciumoxid besteht. Weitere Substanzen des Glasgemenges wie Nitrate, Sulfate oder organische Substrate dienen bei der Glasherstellung als Läuterungsmittel oder als Pigmente. Sie haben keinen entscheidenden Einfluss auf die Struktur des Glases.

1.2 Weitere Definitionen von Glas

Die American Society for Testing and Material (ASTM) definiert Glas gemäß seiner Struktur als ein anorganisches Schmelzprodukt, dessen Abkühlung sich ohne wesentliche Kristallisation vollzieht und das unterhalb des Transformationspunktes einen erstarrten Zustand einnimmt.

Bei normalen Temperaturen ist Glas eine feste Flüssigkeit mit extrem hoher Viskosität und somit ein Körper mit amorpher Struktur (nicht kristallin). Dieser glasig amorphe Zustand unterscheidet sich zum kristallinen Zustand dadurch, dass die Moleküle lediglich in einer Nahordnung gebunden sind. Es fehlt ein symmetrisches und periodisches Kristallgitter.

Für Ingenieurwissenschaftler ist Glas – einfach ausgedrückt – eine eingefrorene, unterkühlte Flüssigkeit.

Strukturmechanisch betrachtet ist Glas nichts anderes als eine thermodynamisch metastabile, eingefrorene Schmelze mit einer eingeprägten, inneren Energie.

Anders als zum Beispiel beim Bergkristall besitzt Glas unterhalb des Transformationspunktes keine Möglichkeit mehr, einen geordneten kristallinen Zustand einzunehmen. Aus den vorgenannten Definitionen erkennt man, dass die Substanzen des flüssigen Glases beim Abkühlprozess bereits ab 600 °C einen erstarrten, d. h. unbeweglicheren Zustand einnehmen. Somit verharrt Glas also unter 600 °C im Aggregatzustand einer Flüssigkeit, die in diesem Ausnahmefall fest ist.

Die DIN EN 572-1 definiert Floatglas, das heute allgemein im Hochbau, Innenausbau und Automobilbau eingesetzt wird, folgendermaßen: Planes, durchsichtiges, klares oder gefärbtes Kalk-Natronsilicatglas mit parallelen und feuerpolierten Oberflächen, hergestellt durch kontinuier-liches Aufgießen und Fließen über ein Metallbad.

Einige Gemengesätze für Floatglas und für Spiegelglas zeigt die nachfolgende Tabelle 1. Daran sind die Veränderungen von der Spiegelglasproduktion aus Ziehwannen zur Floatglasproduktion erkennbar. Dieser angegebene Float-Gemengesatz variiert von Unternehmen zu Unternehmen (wie auch früher beim Spiegelglas) nach Art der verwendeten Rohstoffe. Zusätzlich werden je nach Anfall 25 % bis 60 % Scherben, vorwiegend aus der eigenen Produktion, zugesetzt. Das daraus erschmolzene Floatglas bzw. das seit den 80er Jahren bis heute verwendete Standardfloatglas hat die in Tabelle 2 angegebene Zusammensetzung (Gläser [4], Petzold [15], EN 571-1), die verfahrens- und rohstoffbedingt nur geringfügig schwankt.

Bei der Herstellung von eisenoxidarmen, „extraweißen“ Gläsern beträgt der Anteil von Eisenoxid nur noch ca. 0,005 % gegenüber ca. 0,05 bis 0,09 % bei Float- oder Spiegelglas.

Es ist auch möglich, Glas ohne Schmelzen im Sol-Gel-Prozess herzustellen, wie beispielsweise Silikat-Aerogele.

1.3 Zusammensetzung von Glas

Die verschiedenen Glasarten von reinem Quarzglas über Kalk-Natronsilicatglas, Borosilicatglas bis hin zu Bleikristallglas enthalten unterschiedlichste Zusammensetzungen wie die nachfolgenden Tabellen zeigen.

Tabelle 1: Typische Gemengesätze für Floatglas und Spiegelglas


Der Quarzsand dient als reiner SiO2-Träger zur Netzwerkbildung. Sein Anteil an Eisenoxid entscheidet über die Eigenfarbe des Glases, die leichte Grünfärbung. Die Korngröße des Sandes sollte möglichst zwischen 0,1 und 0,4 mm liegen. Flussmittel dienen dazu, den sehr hohen Schmelzpunkt des Quarzsandes von ≥1.700 °C zu reduzieren.

Soda oder Natriumkarbonat (Na2CO3) als Mineral Natrit dient als Netzwerkwandler und Natriumoxidträger und es sorgt als Flussmittel auch für einen niedrigeren Schmelzpunkt des SiO2. Dabei wird während des Schmelzvorganges CO2 als Gas frei, das aus der Schmelze entweichen muss, das Natrium geht während des Schmelzvorganges in das Glas ein.

Dolomit ist der Träger von CaO und MgO, dabei wirkt MgO ähnlich wie CaO, das bei mäßiger Zugabe von ca. 10 – 15 % die Härte und chemische Beständigkeit des Glases erhöht. Dolomit wird in Flachglas meist anstelle von Kalk eingesetzt, da in ihm CaCO3 und MgCO3 enthalten sind.

Kalk oder Calciumcarbonat (CaCO3) dient als Netzwerkwandler, in der Schmelze entsteht dadurch bei ca. 1000°C das Gas CO2, das aus der Schmelze entweicht und CaO, das in das Glas eingeht. Kalk kommt in der Natur als Kalkstein, Kalkspat, Kreide oder Marmor vor. Durch die Beimengung von Kalk wird die Härte und chemische Resistenz des Glases erhöht.

Feldspat (NaAlSi3O2) dient als Zuträger von Al2O3 (Tonerde) in das Gemenge, neben SiO2 und NaO2. Dadurch erhöht sich die chemische Beständigkeit gegenüber Wasser, Umwelteinflüssen und Nahrungsmitteln.

Sulfat in Form von Na2SO4 dient in geringen Mengen zur Erzielung verbesserter Schmelzeigenschaften.

Tonerde oder Aluminiumoxid (Al2O3) dient in der Schmelze als Netzwerkbildner und beseitigt Trennstellen im SiO2-Tetraeder. Es wird dem Gemenge meist als alkalihaltiger Feldspat (z. B. NaAlSi3O8) beigemischt. Dadurch erreicht man eine verbesserte chemische Resistenz und eine erhöhte Zähigkeit in tieferen Temperaturbereichen.

Pottasche oder Kaliumcarbonat (K2CO3) dient als Lieferant von Kaliumoxid für die Schmelze als Netzwerkwandler und als Flussmittel. Es wurde früher durch Auslaugen von Holzasche in großen Gefäßen gewonnen, inzwischen wird es industriell aus Kaliumsulfat hergestellt. Auch hierbei wird während des Schmelzvorganges CO2 als Gas frei, das aus der Schmelze entweichen muss.

Neben diesen Hauptbestandteilen des Gemenges werden diesem noch verschiedenste Oxide beigemischt zur Beeinflussung von Beständigkeit, Härte, Schmelztemperatur, Lichtbrechung und Brillanz.

Scherben aus der eigenen Produktion oder aus dem Altglasrecycling werden dem Gemenge ebenfalls beigegeben, Altglas vor allem in der Behälter- und Glaswollindustrie. Sie dienen in gewisser Weise ebenfalls als Flussmittel, um den hohen Schmelzpunkt zu senken.

Die Zusammensetzung des daraus erschmolzenen Glases zeigt die nachfolgende Tabelle.

Tabelle 2: Zusammensetzung von Floatglas

(Kalk-Natronsilicatglas)


Durch die Zugabe von Aluminiumoxid wird die mechanische, thermische und chemische Widerstandsfähigkeit von Glas erhöht.

Borosilicatgläser enthalten einen niedrigeren Anteil an Alkalien (Na2O) und Erdalkalien (CaO, MgO) und dafür ca. 7 bis 15 Gewichts-% Boroxid (B2O3). Dadurch erhalten sie eine geringere thermische Ausdehnung und somit eine höhere Temperaturwechselbeständigkeit gegenüber Kalk-Natronsilicatgläsern.

Tabelle 3: Zusammensetzung verschiedenster Glasarten in

Gewichtsprozent [49]


1) Die Zusammensetzung von Floatglas kann von Hersteller zu Hersteller geringfügig schwanken in Abhängigkeit des verwendeten Sandes, der Scherbenzugabe und sonstiger Gemengeeinstellungen.

1.4 Färben von Glas

Die häufigste Möglichkeit, Glas mit Farbe herzustellen, ist die Einfärbung der Glasschmelze mit verschiedensten organischen Zusätzen. Dazu werden meist Metalloxide verwendet, die schon in der Antike zur Glasfärbung herangezogen wurden. Die natürliche Eigenfarbe von Floatglas ist ein leichter Grünton, der vom Eisenoxidanteil im Quarzsand herrührt. Die in folgender Tabelle aufgeführten Zusätze werden verwendet, um die Farbe des Glases entsprechend zu verändern. Neben der Durchfärbung von Glas gibt es noch die Anlauffärbung, die jedoch bei Flachglas keine Rolle spielt, sondern nur bei Hohlgläsern zum Einsatz kommt.

Tabelle 4: Färbemittel für Glas [14], [49]



1) Uranoxid wird nicht mehr zur Glaseinfärbung verwendet, da radioaktiv strahlend.

1.5 Glas in der Natur

Der Moldavit ist ein in der Natur vorkommendes Glas, somit ein natürliches Glas aus geschmolzenem Quarzsand, dessen grünliche Farbe vom Eisenoxid herrührt. Gläser aus vulkanischem Ursprung sind Bimsstein und Obsidian. Bei Blitzeinschlägen kann aufgrund der hohen Temperatur Fulgurit entstehen, durch Meteoriteneinschläge entstandene natürliche Gläser sind sogenannte Impaktgläser und Tektite. Bei Bergstürzen entstandene Gläser werden Köfelsit genannt. Selbst bei Atombombenexplosionen kann Glas entstehen, der Trinitit, allerdings kann man dabei nicht mehr von natürlichem Glas sprechen. Alle diese „natürlichen“ Gläser entstehen beim Schmelzen von Sand unter den verschiedensten Einflüssen der Natur.

Teil 2 Glas und die

Glasoberfläche

2.1 Technische Eigenschaften

Für Konstruktionen mit dem Werkstoff Glas und für die Weiterverarbeitung sind die mechanischen und thermischen Eigenschaften wichtig. Tabelle 5 gibt einen Überblick über die technischen Eigenschaften von Standardfloatglas und thermisch vorgespannten Gläsern (TVG und ESG).

Tabelle 5: Eigenschaften von Glas


2.2 Viskosität von Glas

Die Viskosität, eine für jeden Stoff charakteristische Konstante, ist bei Glas wie bei vielen anderen Stoffen auch von der chemischen Zusammensetzung und insbesondere von der Temperatur abhängig. Mit zunehmender Erwärmung werden zähflüssige Stoffe meist dünnflüssiger und erhalten eine niedrigere Viskosität. Die Viskosität wird mit dem griechischen Buchstaben h bezeichnet und in Pa⋅s (Pascal-Sekunden) angegeben. Die nachfolgende Tabelle 6 zeigt die Viskosität von Glas bei verschiedenen Temperaturen und im Vergleich mit einigen anderen Stoffen.

Tabelle 6: Viskosität h verschiedener Stoffe


2.3 Oberflächenhärte

Die Härte ist der Widerstand eines Körpers gegen das Eindringen eines anderen, härteren Körpers. Man unterscheidet die Eindruckhärte z. B. nach VICKERS oder KNOOP, die Abrieb- oder Schleifhärte, die Ritzhärte und die Vergleichshärte nach MOHS.

Die Härte des Glases ist für seine Verwendung nicht nur im Hochbau, Innenausbau und in der Automobilbranche sehr wichtig. Dabei ist unter Härte die Oberflächenhärte zu verstehen, also der Widerstand, der einem eindringenden Gegenstand (statischer Eindruck oder dynamischer Ritzversuch) oder dem Abrieb durch gleich harte oder härtere Materialien entgegengesetzt wird. Die Oberflächenhärte und damit die Abriebfestigkeit von Glas ist eine der positiven Eigenschaften, die sich beim Handling, aber vor allem bei der Säuberung der Gebrauchsgläser und -scheiben günstig bemerkbar macht. Da Glas in seiner Oberflächenhärte nach Mohs nur noch von sehr wenigen Materialien übertroffen wird, ist das Entstehen von Kratzern auf der Ober-fläche bei richtigem Gebrauch absolut selten zu beobachten.

 

Die Oberflächenhärte von Glas liegt nach Mohs bei 5 bis 6, die Härte nach Knoop liegt nach EN 572-1 bei HK0,1/20 = 6 GPa. In Tabelle 5 sind die möglichen Mohs-Härtegrade von 1 bis 10 aufgeführt im Vergleich mit der Eindruckhärte nach Vickers. Die Mohs’sche Skala ist dabei so zu verstehen, dass die Materialien mit dem jeweils höheren Härtegrad alle Materialien mit einem niedrigeren Härtegrad ritzen können. Demnach kann Glas mit den Materialien Quarz, Topas, Korund und Diamant geritzt werden.

Zu den Glasarten mit großer Oberflächenhärte zählen reines Kieselglas, Borosilicatgläser und bariumoxidhaltige Gläser. Die Oxide CaO, ZnO, Al2O3 und Ba2O3 erhöhen die Härte des Glases.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielen inzwischen Beschichtungen der Glasoberfläche zu physikalischen und optischen Zwecken. Die meisten im Hochbau eingesetzten Gläser weisen heute einseitige oder beidseitige Beschichtungen für den Schutz vor Sonneneinstrahlung, zur Wärmedämmung oder zur Schmutzabweisung auf. Diese Beschichtungen werden nach hardcoatings und softcoatings unterschieden. Softcoatings haben eine wesentlich weichere, empfindlichere Beschichtung und eignen sich deshalb nur zum Einsatz im SZR des Isolierglases. Hardcoatings können auch als Einfachverglasungen oder im Isolierglas mit Schicht auf Position 1 eingesetzt werden. Ihre Oberflächenhärte entspricht in etwa der von Glas, kann sogar geringfügig härter sein. Während bei Beschädigungen der normalen, unbeschichteten Glasoberfläche durch Kratzer diese nicht besonders stark sichtbar sind, werden Kratzer in stark reflektierenden Beschichtungen, wie es bei Sonnenschutzbeschichtungen der Fall ist, aber auch bei entspiegelten Oberflächen wesentlich deutlicher sichtbar, da sich an dieser Stelle das Reflektionsverhalten verändert. Deshalb werden auch kleinste Kratzer auf Sonnenschutz- oder Antireflexbeschichtungen wesentlich besser erkannt als auf normalen Glasoberflächen. Dies führt oft zu der falschen Meinung, dass hardcoating-Sonnenschutzbeschichtungen mit Schicht auf Position 1 anfälliger gegen mechanische Beschädigungen sind.

Die Oberflächenreflexion von normalem, unbeschichtetem Floatglas für Lichtstrahlung liegt bei 3,5 bis 4,0 % je Oberfläche. Damit ergibt sich eine Reflexion von 7 bis 8 % bei Floatglas, die bei entspiegelten Scheiben auf 0,5 bis 1 % je Oberfläche und somit auf ca. 1 bis 2 % reduziert wird. Demgegenüber reflektieren Sonnenschutzbeschichtungen ca. 15 bis 60 % und Spionspiegel liegen bei einer Lichtreflexion von ca. 75 bis 95 %. Bei verletzter Beschichtung (z.B. durch Kratzer oder Scheuerstellen) werden die Werte an dieser Stelle gravierend verändert und damit sind die Verletzungen sehr deutlich erkennbar.

Mit steigender Temperatur nimmt die Härte von Glas allerdings ab, da durch den Temperaturanstieg die Bindefestigkeit und die Viskosität abnehmen. Solche Messungen wurden für Kieselglas und für Kalknatronglas von Westbrook [50] durchgeführt. Die Abnahme der Härte von -200°C bis +800°C ist allerdings keine lineare Abnahme. Unter den normalen Temperaturen von ca. -20 bis +50 °C findet allerdings keine deutlich messbare Abnahme der Härte statt. Dem gegenüber kann die Härte von Glas durch deutlich höheren SiO2-Gehalt gesteigert werden. Kieselglas weist hier den höchsten Wert auf. Auch Al2O3, CaO, MgO, ZnO und geringe Mengen B2O3 erhöhen die Härte, während Alkalioxide, PbO und größere Mengen B2O3 zu einer Verringerung führen.

Tabelle 7: Härtegrade nach Mohs


Angaben aus Petzold [15], Ergänzungen des Autors und *-Berechnung

In den letzten Jahren ist der Einsatz von ESG (Einscheiben-Sicherheits-Glas) und TVG (Teilvorgespanntes Glas) stark gestiegen. Dabei wird normales Glas in ESG-Öfen auf den Transformationspunkt erwärmt und anschließend sehr schnell und stark abgekühlt, um die für ESG typische Verteilung von Zug- und Druckspannung zu erreichen. Bei TVG erfolgt die Abkühlung langsamer, die Spannungen im Glas sind demzufolge niedriger. Bei diesem Herstellungsprozess wird die Glaszusammensetzung nicht verändert. Deshalb kann durch dieses Verfahren der thermischen Vorspannung auch keine Veränderung der Oberflächenhärte erfolgen. Man kann davon ausgehen, dass alle heute im Hoch- und Innenausbau eingesetzten Gläser die gleiche Oberflächenhärte haben und keine signifikanten Unterschiede aufweisen, sofern die Zusammensetzung des Floatglases nicht verändert wurde.

Die vermeintlich geringere Oberflächenhärte von ESG und die dadurch vermeintlich erhöhte Anfälligkeit gegenüber Kratzern basiert auf der Tatsache, dass die Oberfläche von ESG eine Druckspannungszone aufweist. Bei Beschädigungen dieser Spannungszone durch harte Partikel entstehen die gleichen Kratzer wie bei Floatglas. Die Druckspannung führt allerdings dazu, dass diese Kratzer stärker aufgeweitet werden, dass evtl. auch mehr Material abgetragen wird und sie dadurch deutlicher sichtbar werden. Untersuchungen von Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider der TU Darmstadt [44] haben bestätigt, das Kratzer auf ESG-Oberflächen vor allem auch beim Kontakt mit Wasser (wie bei Reinigung üblich) meist sehr viel stärkere, deutlich sichtbarere Ausmuschelungen zeigen als dies bei nicht vorgespannten Gläsern der Fall ist. Ein signifikanter Unterschied in der Oberflächenhärte von nicht vorgespannten und vorgespannten Gläsern konnte in dieser Untersuchung nicht festgestellt werden. Allerdings war für die Größe der Ausmuschelungen die Einwirkungsgeometrie entscheidend, flacher Winkel (wie. z. B. bei Sandkorn) erbrachte deutlich größere Ausmuschelungen als sehr spitze Anritzung.

Aus physikalischer Sicht ist auch nicht erklärbar, warum eine Vorspannung bzw. das Erwärmen und Abschrecken des Glases im ESG-Ofen eine weichere Oberfläche erzeugen soll. Auch die Bezeichnung „gehärtetes“ Glas für ESG ist eigentlich falsch, da das Glas keine größere Härte, sondern eine starke Vorspannung erhält, was ihm die Verbesserung der technisch-physikalischen Eigenschaften wie höhere Temperaturwechselbeständigkeit, höhere Belastbarkeit, höhere ertragbare Oberflächenspannung im Besonderen verleiht. Somit gilt nach wie vor: Floatglas, TVG und ESG aus Kalk-Natronsilicatglas haben die gleiche Oberflächenhärte.

2.4 Druckfestigkeit

Glas hat allgemein eine sehr hohe Druckfestigkeit von ca. 700 - 900 N/mm². Im Vergleich mit anderen Materialien zeigt sich dies; so hat Granit nur eine Druckfestigkeit von ca. 250 N/mm² und Gusseisen von ca. 700 – 850 N/mm². Eine einfache Definition ist im Glaserfachbuch von Seitz [21] enthalten und hier wiedergegeben: „Die Druckfestigkeit von Floatglas liegt bei ca. 900 N/mm², das entspricht in etwa einer Gewichtskraft von 9 t Masse“ (pro cm² – Anmerkung des Autors).

2.5 Zugfestigkeit

Die Zugfestigkeit von Floatglas liegt wesentlich niedriger als die Druckfestigkeit. Der theoretische Wert liegt bei ca. 90 N/mm². Allerdings sind diese theoretischen Werte für die Praxis nicht von Bedeutung. Je nach Lastfall werden heute unterschiedliche Werte für die einzelnen Belastungen und Glasarten angegeben. Diese werden in der Regel von der Bauaufsicht vorgeschrieben. Nachfolgende Tabelle 8 zeigt die rechnerisch zulässigen Biegezugspannungswerte verschiedener Glaserzeugnisse. In den vergangenen Jahren haben sich diese Werte durch neue Technische Regeln gegenüber den jahrzehntelang gültigen Werten verändert. In der deutschen Literatur finden sich für ein Glaserzeugnis oft mehrere Werte, die teilweise auch noch abhängig vom Anwendungsfall sind. Es empfiehlt sich hier für statische Anforderungen immer die Verwendung der Werte nach DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin).

Das Besondere bei Glas gegenüber anderen Materialien wie z. B. Metallen ist, dass Glas keinen plastischen Bereich kennt; bis zur Bruchgrenze ist es elastisch.

Tabelle 8: Biegezugspannungswerte für Glasarten


1) aus TRLV Technische Regeln für Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen, Fassung September 1998

2) 15 N/mm² im Regelfall, 25 N/mm² gilt nur für Überkopfverglasungen mit Isolierglas und den Lastfall „Versagen der oberen Scheibe“

3) keine Angaben dazu vorhanden

4) sofern bauaufsichtlich keine anderen Werte gefordert werden

5) Die DIN 18008 beinhaltet von der bisherigen Glasdickenbemessung deutlich abweichende, komplizierte Verfahren, weshalb ein direkter Vergleich schwer möglich ist.

2.6 Dichte

Die Dichte r eines Stoffes ist definiert mit Masse je Volumeneinheit. Die offizielle SI-Einheit ist kg⋅m-3, also kg/m³ oder g/cm³. Der genaue Wert für Floatglas liegt hier bei 2,5 x 10³ kg/m³ oder 2,5 g/cm³, ist aber je nach Zusammensetzung des Glases geringfügig schwankend. Für die schnelle Ermittlung des Gewichts von Glastafeln kann man sich einfach merken, dass eine 1 m² große Glastafel der Dicke 1 mm ein Gewicht von 2,5 kg hat. Tabelle 9 zeigt die Werte für verschiedene Glasarten nach Renno und Hübscher [16] mit einigen Ergänzungen des Autors.

Tabelle 9: Dichte unterschiedlicher Materialien und Glasarten


2.7 Ausdehnungskoeffizient

Bei Erwärmung dehnt sich Glas wie jeder andere feste oder flüssige Körper aus. Dieser Wert wird als Ausdehnungskoeffizient bezeichnet und mit dem griechischen Buchstaben a gekennzeichnet. Die Maßeinheit ist K-1, also pro Kelvin (bzw. pro °C). Während der Wert z. B. für Metalle linear ist, ist dies bei Glas nicht exakt der Fall. Deshalb wird bei Glas der Wert für den normalen, im Hochbau vorkommenden Temperaturbereich (-20 °C bis +200 °C) angegeben. Bei wesentlich höheren Temperaturen ändert sich dieser Wert. Die nachfolgende Tabelle 10 zeigt einen Vergleich verschiedener Materialien.