Der grüne Bogenschütze

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Der grüne Bogenschütze
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Edgar Wallace

Der grüne Bogenschütze

Inhaltsverzeichnis

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Impressum

1

Spike Holland schrieb das letzte Wort seines Artikels und zog zwei dicke Linien quer über die Seite, um damit den Schluß des Aufsatzes anzudeuten. Dann warf er seine Feder wütend fort. Der Halter blieb zitternd im Fensterrahmen stecken.

»Keine unwürdige Hand soll jemals wieder dies Schreibinstrument berühren, das meine phantasievollen Gedanken zu Papier brachte,« sagte er zornig.

Der andere Reporter schaute auf. Sie waren beide allein in dem Raum.

»Was haben Sie denn für einen schönen Artikel geschrieben, Spike?«

»Einen Bericht über die gestrige Hundeschau,« erwiderte Spike eisig. »Ich verstehe von Hunden nur so viel, daß das eine Ende bellt und das andere wedelt. Aber der verfluchte Syme hat mich auf die Geschichte gehetzt. Obendrein hat er mir noch gesagt, daß sich ein Kriminalist mit Bluthunden anfreunden müsse! Der Mann ist nicht ganz richtig im Kopf. Er sieht nichts so, wie es wirklich ist, er lebt in einer Welt von Vorstellungen, die er sich selbst zurechtgelegt hat. Kommt man ihm mit der funkelnagelneuen Geschichte eines großartigen Bankraubes, dann springt er einem mit der Zumutung ins Gesicht, man solle einen Artikel darüber schreiben, was Bankdirektoren gern zu Mittag essen!«

Der andere schob seinen Stuhl zurück.

»Hierzulande finden Sie fast nur solche Einstellung. Ich möchte beinahe sagen, daß unsere Landsleute im Vergleich zu den Amerikanern verrückte Dickschädel sind.«

»Sie können jede Wette darauf eingehen, daß das nicht stimmt,« unterbrach ihn Spike schnell. »Die Leute am grünen Redaktionstisch sind eine Rasse für sich, sie sind von Natur aus vollständig unfähig, das Leben vom Standpunkt eines Berichterstatters zu sehen. Das heißt, sie haben irgendwie ein minderwertiges Gehirn. Jawohl, mein Herr, das ist ganz gleich, ob sie in den Vereinigten Staaten oder in England leben, das macht gar keinen Unterschied – sie haben alle einen Klaps!«

Er seufzte tief, lehnte sich in den Stuhl zurück und legte seine Füße auf den Tisch. Spike war noch jung. Sein sommersprossiges Gesicht zeigte gesunde Farbe und seine rötlichen Haare hingen etwas wirr durcheinander.

»Hunde-Ausstellungen sind sicher sehr interessant –« begann er gerade wieder, als plötzlich die Tür heftig aufgerissen wurde und ein Mann hereinschaute. Er war in Hemdärmeln und trug eine außergewöhnlich große Hornbrille.

»Spike . . . brauche Sie. Haben Sie was zu tun?«

»Ich bin gerade im Begriff, Wood aufzusuchen, den Mann mit den Kinderhäusern – ich habe eine Verabredung zum Essen mit ihm.«

»Der kann warten.«

Er winkte und Spike folgte ihm in sein kleines Bureau.

»Kennen Sie Abel Bellamy aus Chicago . . . den Millionär?«

»Abel? Ja . . . ist er tot?« fragte Spike hoffnungsfroh. »Aus dem Kerl kann man nur eine gute Geschichte drehen, wenn er das Zeitliche gesegnet hat.«

»Kennen Sie ihn gut?« fragte der Redakteur.

»Ich weiß, daß er aus Chicago stammt, Millionen beim Bauen verdient hat und ein furchtbar grober Kerl ist. Er lebt schon seit acht oder neun Jahren in England, glaube ich . . . er bewohnt eine richtige Burg . . . und hat einen tauben Chinesen als Chauffeur –«

»Das Zeug weiß ich auch schon. Was ich wissen will, ist nur: Gehört Bellamy zu der Sorte Menschen, die gern von sich reden machen? . . . Mit anderen Worten: Ist der Grüne Bogenschütze wirklich ein Gespenst oder eine Erfindung?«

 

»Ein Gespenst?«

Syme nahm einen Briefbogen und reichte ihn dem erstaunten Amerikaner über den Tisch. Die Mitteilung war augenscheinlich von jemand geschrieben, dem die Regeln der englischen Sprache tief verborgene Mysterien waren.

»Liberr Herr,

Der grüne Bogenschütze is wider da in Schlos Garre. Mr. Wilks, der Hausmeister hat ihm geseen. Liber Herr der grüne Bohgenschitze is in Mr. Bellamys Zimmer gekommen und hat die Türe offen gelassen. Alle Dinstleute gehn wech. Mr. Bellamy sacht er schmeist alle raus die davon sprechen aber sie geen alle wech.«

»Und wer zum Donnerwetter ist denn der Grüne Bogenschütze?« fragte Spike erstaunt.

Mr. Syme rückte seine Brille zurecht und lächelte. Spike war ganz verdutzt, daß er etwas so Menschliches tun konnte.

»Der Grüne Bogenschütze von Garre Castle war früher einmal die berühmteste Geistererscheinung Englands. Lachen Sie nicht, Spike, es ist kein Märchen. Der wirkliche grüne Bogenschütze wurde von einem de Curcy – dieser Familie gehörte früher Garre Castle – im Jahre 1487 gehängt.«

»Sehen Sie mal an! Daß Sie sich darauf noch besinnen können!« sagte Spike voll Hochachtung.

»Ziehen Sie die Sache nicht ins Lächerliche! Er wurde gehängt, weil er gewildert hatte. Heute noch können Sie den Eichenbalken sehen, an dem er hing. Seit Jahrhunderten ist er in Garre umgegangen, das letztemal wurde er 1799 gesehen. In Berkshire kennt jedes Kind die Geschichte. Diesen Brief hat offenbar ein Dienstmädchen geschrieben, das hinausgeworfen wurde oder aus Furcht freiwillig den Dienst verließ. Jedenfalls geht daraus hervor, daß unser grüner Freund irgendwie wieder auf der Bildfläche erschienen ist.«

Spike zog die Stirne kraus und schob die Unterlippe vor.

»Jedes Gespenst, das Abel Bellamy zum Besten hat, soll sich nur vor ihm in acht nehmen. Ich vermute aber, daß die ganze Sache halb Märchen und halb hysterische Einbildung ist. Soll ich wirklich zu Abel hingehen?«

»Gehen Sie zu ihm und überreden Sie ihn, daß er Sie eine Woche lang in seiner Burg wohnen läßt.«

Spike schüttelte energisch den Kopf.

»Da kennen Sie ihn schlecht. Wenn ich ihm mit einer solchen Zumutung komme, wirft er mich sofort hinaus. Aber ich werde zu seinem Sekretär, dem Savini, gehen. Der ist ein Mischblut oder so etwas Ähnliches – möglich, daß der mir helfen kann. Aber bisher scheint der Grüne Bogenschütze doch nicht mehr angestellt zu haben, als daß er die Tür in Abels Zimmer offenstehen ließ?«

»Also sehen Sie zu, was Sie bei Bellamy erreichen können – erfinden Sie irgend etwas, um in sein Schloß hineinzukommen. Nebenbei bemerkt hat er eine Unsumme dafür gezahlt. Und dann suchen Sie so unter der Hand die ganze Geschichte herauszubringen. Eine gute sensationelle Geistergeschichte haben wir schon seit Jahren nicht mehr drucken können. Außerdem hindert Sie ja gar nichts daran, mit Wood zu speisen, denn die Geschichte über den brauche ich auch. Wo werden Sie denn zu Mittag essen?«

»Im Carlton. Wood ist nur ein paar Tage in London und fährt heute abend nach Belgien zurück.«

Der Redakteur nickte.

»Das paßt ja gut. Bellamy wohnt auch im Carlton-Hotel. Da können Sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«

Spike trollte sich zur Tür.

»Gespenstergeschichten und Kleinkinderbewahranstalten!« rief er vorwurfsvoll und bitter. »Und ich bin doch schon so lange scharf auf eine ordentliche Mordgeschichte mit allen Schikanen! Aber ich weiß schon, diese Zeitung braucht keinen Kriminalisten, die braucht nur einen Märchenerzähler.«

»Da sind Sie ja gerade der richtige Mann!« sagte Syme und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

2

Der Klang von Stahl gegen Stahl, das Staccato-Trommelfeuer elektrischer Nietmaschinen und Bohrer, der Höllenlärm von Hämmern und Meißeln waren eine liebliche Musik für Abel Bellamys Ohren.

Er stand am Fenster seines Wohnzimmers, die Hände auf dem Rücken. Unverwandt schaute er auf die andere Seite der Straße, wo sich dem Hotel gegenüber ein ungeheuer großes Gebäude im Bau befand. Das Stahlgerippe erhob sich türmhoch über die kleinen, niedrigen Häuser der Nachbarschaft zu beiden Seiten.

In den Straßen hatte sich eine kleine, neugierige Menschenmenge angesammelt. Ein schwerer, eiserner Träger wurde durch einen Flaschenzug an einem Drahtseil aufgewunden. Höher und höher hob der große Kran die schwere Last, die majestätisch und langsam hin- und herpendelte. Abel Bellamy brummte. Er war nicht zufrieden damit. Er wußte genau auf den Bruchteil eines Zolls, wo der richtige Aufhängungspunkt lag, und der Träger war schlecht ausbalanciert.

Wenn die bösen Werke der Menschen in blutiger Schrift an den Tatorten aufgezeichnet wären, wie die Alten glaubten, so würde der Name Abel Bellamys an vielen Stellen in brennendem Rot erscheinen: Auf einer kleinen Farm in Montgomery County in Pennsylvania und in einer grauen Halle im Pentonville-Gefängnis, um nur diese beiden Orte zu nennen.

Aber Abel Bellamy hatte keine schlaflosen Nächte wegen seiner Vergangenheit. Reue und Furcht kannte er nicht. Er hatte viel Böses getan und war damit sehr zufrieden. Die Erinnerung an das Entsetzen der Menschen, deren Leben er rücksichtslos zerbrochen hatte, an die Qualen, die er ihnen mit Vorbedacht zugefügt hatte, konnte ihm nichts anhaben. Das Bewußtsein, unschuldige Kinder in Not und Elend gestoßen und eine Frau durch seinen Haß zu Tode gehetzt zu haben, nur um dem Moloch seiner Selbstsucht ein Opfer zu bringen, verursachte ihm nicht eine Sekunde lang Gewissensbisse.

Wenn er sich überhaupt jemals an diese Dinge erinnerte, dachte er nur mit Befriedigung daran. Es erschien ihm vollständig richtig, daß alle niedergetreten wurden, die sich ihm in den Weg stellten. Das Glück hatte ihn stets begünstigt. Mit zwanzig Jahren war er noch ein einfacher Arbeiter gewesen, mit fünfunddreißig hatte er schon eine Million Dollars zusammengebracht und mit fünfundfünfzig war dieses Vermögen verzehnfacht. Er verließ die Stadt, in der er sich heraufgearbeitet hatte, siedelte sich auf einem Adelssitz in England an und wurde der Herr einer Besitzung, die die Blüte der englischen Ritterschaft durch das Schwert erobert und mit dem Schweiß und der Furcht der Unterdrückten erbaut hatte.

Seit dreißig Jahren war er mächtig genug, andere zu verfolgen, und warum sollte er sich auch selbst verleugnen? Er bereute nichts und handelte ganz nach seinen Wünschen. Er war von ungewöhnlicher Körpergröße, maß über sechs Fuß und hatte noch im Alter von sechzig Jahren die Kraft eines jungen Stieres. Auf der Straße sahen sich alle Leute nach ihm um, aber nicht wegen seiner außerordentlichen Größe, sondern wegen seiner ins Auge springenden Häßlichkeit. Sein rotes Gesicht war von unzähligen Falten durchzogen, seine Nase war groß und knollenartig. Dicke Lippen umrahmten den großen Mund, dessen eine Seite etwas in die Höhe gezogen war, so daß er ständig höhnisch zu grinsen schien.

Er kümmerte sich nicht im mindesten um sein Aussehen und nahm es als eine Tatsache hin, wie ihm auch seine Leidenschaften etwas Selbstverständliches waren.

Das war Abel Bellamy aus Chicago, der jetzt in Garre Castle in Berkshire wohnte. Ein Mann, der weder Liebe noch Mitleid kannte.

Noch immer stand er an dem großen Fenster seines Hotels und beobachtete die Bauarbeiten. Wer der Erbauer oder was das für ein Bauwerk war, wußte er nicht und kümmerte sich auch nicht darum. Aber einen Augenblick schien es ihm, als ob die Männer, die sich drüben auf schmalen, gefährlichen Stegen bewegten, seine eigenen Arbeitsleute seien. Er stieß einen halbunterdrückten Fluch aus, als sein wachsames Auge eine Gruppe von drei Schmieden entdeckte, die von dem Polier nicht gesehen werden konnten und müßig umherstanden.

Plötzlich schaute er wieder auf den großen hängenden Träger und witterte sofort die Gefahr. Er hatte den Unfall, der sich jetzt ereignete, vorausgesehen. Das freie Ende des Doppel-T-Trägers schwang nach innen und schlug gegen ein Gerüst, auf dem zwei Leute arbeiteten. Er konnte das Krachen trotz des lärmenden Straßenverkehrs deutlich hören, er sah einen Augenblick einen Mann, der sich verzweifelt am Gerüst festhielt, dann in die Tiefe stürzte und in dem großen Wirrwarr von Ziegelhaufen und Mörtelmaschinen hinter dem großen hohen Arbeitszaun verschwand.

»Hm!« sagte Abel Bellamy.

Er war gespannt, was der Bauunternehmer wohl jetzt tun würde. Wie mochten die Gesetze dieses Landes sein, in dem er sich seit sieben Jahren niedergelassen hatte? Wenn es sein Bau gewesen wäre, würde er seinen Rechtsanwalt losgeschickt haben, um die Witwe aufzusuchen, bevor sie die Nachricht erreichen konnte, und sie zu veranlassen, alle ihre Anforderungen aufzugeben, ehe sie den Betrug wirklich gemerkt hätte. Aber diese Engländer waren dazu viel zu langsam.

Die Tür des Wohnzimmers öffnete sich, und er wandte sich um. Julius Savini war schon daran gewöhnt, nur durch ein Brummen gegrüßt zu werden, aber er merkte, daß er heute etwas mehr abbekommen würde als den gewöhnlichen Rüffel, der sein regelmäßiger Morgengruß war.

»Savini, ich habe seit sieben Uhr auf Sie gewartet. Wenn Sie Ihre Stellung behalten wollen, will ich Sie wenigstens vor Mittag sehen. Haben Sie mich verstanden?«

»Es tut mir sehr leid, Mr. Bellamy, aber ich sagte Ihnen bereits gestern abend, daß ich heute später kommen würde. Ich bin erst vor ein paar Minuten von außerhalb zurück.«

Die Haltung und die Stimme Savinis waren sehr unterwürfig. Er war schon ein ganzes Jahr Bellamys Privatsekretär und hatte gelernt, daß es zwecklos war, seinem Herrn zu widersprechen.

»Würden Sie einen Vertreter vom ›Globe‹ empfangen?« fragte er.

»Einen Zeitungsmenschen?« sagte Abel Bellamy verächtlich. »Sie wissen doch, daß ich niemals solche Leute empfange. Was will er? Wie heißt er denn?«

»Es ist Spike Holland, ein Amerikaner,« antwortete Julius, als ob er um Entschuldigung bitten wollte.

»Deswegen ist er mir nicht angenehmer,« brummte Bellamy. »Sagen Sie ihm, daß ich ihn nicht empfangen kann. Ich kümmere mich überhaupt nicht darum, was in den Zeitungen steht. Weshalb kommt er denn? Sie sind doch mein Sekretär!«

Julius machte eine Verlegenheitspause, bevor er antwortete.

»Er kommt wegen des Grünen Bogenschützen.«

Abel Bellamy fuhr wild herum.

»Wer hat denn etwas über den Grünen Bogenschützen ausgeplaudert? Das können doch nur Sie Esel gewesen sein!«

»Ich habe mit keinem Zeitungsmann gesprochen,« sagte Julius mürrisch. »Was soll ich ihm denn sagen?«

»Sagen Sie ihm, er soll sich zum – na, lassen Sie ihn meinetwegen heraufkommen.«

Bellamy hatte sich schnell überlegt, daß der Journalist wahrscheinlich irgendeine Geschichte erfinden würde, wenn er ihn nicht empfing, und er hatte gerade genug von den Zeitungen. Hatte nicht neulich solch ein Blatt den ganzen Lärm in Falmouth inszeniert?

In diesem Augenblick führte Julius den Besucher herein.

»Ihre Anwesenheit ist nicht notwendig,« fuhr Bellamy seinen Sekretär an. Als Savini gegangen war, brummte er: »Nehmen Sie sich eine Zigarre.«

Er stieß die Zigarrenkiste mit einem heftigen Ruck über den Tisch, wie wenn er einem Hund einen Knochen hinwürfe.

»Danke,« sagte Mr. Spike Holland, »ich rauche niemals Millionärzigarren. Ich bin nachher nur mit meinen unzufrieden.«

»Nun, was wollen Sie?« fragte Bellamy rauh und betrachtete Spike mit zusammengekniffenen Augen.

»Man erzählt sich da eine Geschichte, daß ein Geist in Garre Castle umgeht – ein Grüner Bogenschütze –«

»Das ist eine gemeine Lüge!« erwiderte Bellamy viel zu schnell und viel zu prompt. Hätte er sich dieser Äußerung gegenüber gleichgültig gezeigt, so hätte er Spike wahrscheinlich täuschen können. Aber die Schnelligkeit, mit der er alles ableugnete, machte dem Zeitungsmann die Geschichte sofort interessant.

»Wer hat Ihnen denn das erzählt?« fragte Bellamy.

»Wir haben es aus einer ganz sicheren Quelle.« Spike war vorsichtig. »Man hat uns mitgeteilt, daß der Grüne Bogenschütze von Garre in dem Schloß gesehen wurde und offensichtlich in Ihrem Zimmer aus- und eingegangen ist.«

»Ich sagte Ihnen doch, daß das gelogen ist!« Abel Bellamys Stimme hatte einen verletzenden und beleidigenden Ton. »Diese verrückten englischen Dienstboten haben nichts anderes zu tun, als sich nach Geistern umzusehen! Es stimmt, daß ich die Tür meines Schlafzimmers eines Nachts offen fand, aber ich habe vermutlich vergessen, sie zu schließen. Wer hat Ihnen denn diese Auskunft gegeben?«

 

»Wir haben die Nachricht von drei verschiedenen Seiten,« log Spike frech darauf los. »Und alle drei Berichte ergänzen sich, Mr. Bellamy,« meinte er lächelnd, »es wird schon was daran sein. Außerdem erhöht doch so eine Geistererscheinung den Wert einer Burg oder eines Schlosses!«

»Da sind Sie aber sehr im Irrtum,« erwiderte Abel Bellamy, der die günstige Gelegenheit wahrnahm, das Thema zu ändern. »Es bringt eine solche Besitzung nur in schlechtes Gerede. Wenn Sie auch nur eine Zeile von Geistern und Gespenstern in Ihre Zeitung setzen, dann werde ich gerichtlich gegen Sie vorgehen – denken Sie daran, junger Mann!«

»Es ist möglich, daß auch der Geist noch irgend etwas unternimmt,« sagte Spike äußerst liebenswürdig.

Er ging die Treppe hinunter und war sich noch nicht klar, was er tun sollte.

Abel Bellamy war nicht der gewöhnliche Millionär, der sich in England ansiedelt und dann von selbst in der englischen Gesellschaft Zutritt findet. Er war von niederer Herkunft, nur halb gebildet und ohne irgendwelchen gesellschaftlichen Ehrgeiz.

Als Spike in die Hotelhalle eintrat, fand er Julius, der mit einem großen Herrn mit grauem Bart sprach, der dem besseren Handwerkerstand anzugehören schien. Julius gab Holland ein Zeichen, zu warten.

»Sie wissen, in welchem Zimmer er ist, Mr. Creager? Mr. Bellamy erwartet Sie.«

Als der Mann gegangen war, wandte sich Julius an den Reporter.

»Nun, was hat er gesagt, Holland?«

»Er hat die ganze Geschichte abgestritten. Aber in allem Ernst, Savini, ist etwas daran?«

Julius zuckte die schmalen Schultern.

»Ich weiß nicht, woher Sie die ganze Geschichte haben und Sie können sich darauf verlassen, daß ich Ihnen unter keinen Umstanden etwas erzähle. Der Alte hat mir sowieso die Hölle heiß gemacht, weil er dachte, ich hätte Ihnen den Tip gegeben!«

»Dann stimmt die Geschichte also. Irgendein grauenerregendes Gespenst hat in Ihren Mauern herumgespukt. Hat es auch irgendwie mit Ketten gerasselt?«

Julius schüttelte den Kopf.

»Von mir werden Sie nichts herausbekommen, Holland. Ich kann höchstens meine Stellung dadurch verlieren.«

»Wer war denn der Mensch, den Sie eben hinaufgeschickt haben? Er sah aus wie ein Polizist.«

Julius grinste.

»Er hat genau dieselbe Frage über Sie an mich gestellt, als Sie herunterkamen. Er heißt Creager und ist ein –« Er zögerte. »Nun ja, ich will nicht gerade sagen, Freund, er ist so eine Bekanntschaft von dem Alten. Wahrscheinlich bezieht er eine Art Pension von ihm. Er kommt in regelmäßigen Zwischenräumen, und ich bilde mir ein, daß er nicht umsonst erscheint. Bis der andere herunterkommt, ruft mich Bellamy sicher nicht. Kommen Sie und trinken Sie einen Cocktail mit mir.«

Spike schüttelte den Kopf.

Während sie noch sprachen, kam Creager zur sichtlichen Überraschung von Julius die Treppe wieder herunter. Er sah böse und verbissen aus.

»Er will mich nicht vor zwei Uhr sehen,« sagte er mit unterdrückter Wut. »Glaubt er denn, daß ich auf ihn warte? Wenn er sich das einbildet, irrt er sich gewaltig! Sagen Sie ihm das nur, Mr. Savini.«

»Was ist denn los?« fragte Julius.

»Er sagte zwei Uhr. Gebe ich zu. Aber ich bin doch nun in die Stadt gekommen, – warum sollte ich denn bis zum Nachmittag warten? Warum kann er mich nicht vormittags empfangen?« fragte Creager wütend. »Er behandelt mich wie einen Hund, er glaubt, er hat mich so –« Er machte eine bezeichnende Geste mit dem abwärts gerichteten Daumen. »Außerdem tobt er über einen Zeitungsreporter – das sind Sie wohl, wenn ich nicht irre.«

»Das stimmt genau,« entgegnete Spike.

»Also Sie können ihm sagen,« wandte sich Creager wieder an Julius und tippte dem jungen Mann mit dem Finger auf die Brust, um seinen Worten mehr Nachdruck zu geben, »daß ich um zwei Uhr komme. Und ich werde eine lange Unterredung mit ihm haben oder ich werde mich selbst mit einem Zeitungsreporter ein wenig unterhalten.«

Mit dieser Drohung ging er fort.

»Savini,« sagte Spike sanft, »ich wittere eine gute Geschichte!«

Aber Savini sprang die Treppe hinauf und nahm immer zwei Stufen zu gleicher Zeit, um schnell zu seinem aufgebrachten Herrn zu kommen.