Redentraining

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Redentraining –

Aufbau, Botschaft, Rhythmus – so gelingt der Vortrag

von Eckart D. Stratenschulte

Kürschners Politikkontakte

Kürschners Politikkontakte

Redentraining von Eckart D. Stratenschulte

ISBN 978-3-95879-034-6

EPUB 978-3-95879-042-1

MOBI 978-3-95879-043-8

Umschlaggestaltung, Layout: Kim Sen-Gupta, Frankfurt/Main

Satz: Schröder Media GbR, Dernbach

Gesamtherstellung: medienhaus Plump, Rheinbreitbach

Titelfoto: Anton Gvozdikov – Fotolia

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

Anschrift der Redaktion:

Kürschners Politikkontakte

Postfach 1560, 53585 Bad Honnef

E-Mail redaktion@kuerschners.com

Telefon: 02224 3232

Datenbank www.kuerschner.info

© 2017 by Kürschners Politikkontakte, NDV GmbH & Co KG, Rheinbreitbach

Jede Verwertung auch von einzelnen Teilen des Werkes außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die ausdrückliche Zustimmung des Verlages unzulässig; dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art und die Einspeicherung und Weiterverarbeitung in digitalen Systemen.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Redentraining, das Buch, der Autor, das Training

Dieses Buch schreibe ich für alle,

10 Goldene Regeln für eine gute Rede

1. Kapitel Analyse

Worum geht es eigentlich? Der Blick nach außen

Worum geht es eigentlich? Der Blick nach innen

2. Kapitel Botschaft und Argumente

Die Botschaft

Argumente

3. Kapitel Aufbau der Rede

Einleitung!„Einsteigen bitte“

Hauptteil der Rede

Schluss der Rede

Zitate

4. Kapitel Stil und stilistische Mittel

5. Kapitel Am besten selbst versuchen

Anhang: Kurt Tucholskys kurzer Ratgeber

Literatur

Buchempfehlung

Fußnoten

Redentraining, das Buch, der Autor, das Training

Das Buch

Es wurde von Eckart D. Stratenschulte geschrieben, in 5 Hauptkapitel aufgeteilt, einfach und prägnant formuliert, dem Ganzen sind die „10 Goldenen Regeln für eine gute Rede“ vorangestellt. Die Idee war und ist, mit besonderem Blick auf Reden im politischen Umfeld Grundwissen zu vermitteln, Theorie und Praxis zu erläutern, Tipps und Erfahrungen weiterzugeben. Wer es gelesen hat, nimmt manches mit.

Das Buch möchte Sie darüber hinaus sensibilisieren, ja geradezu auffordern, für sich selbst zu überlegen und zu prüfen, ob nicht ein Redentraining ein guter vorausschauender Weg ist, sich entweder für den Fall der Fälle vorzubereiten oder aber eigene Erfahrungen zu vertiefen. Der Autor jedenfalls steht mit all’ seiner Erfahrung für ein professionelles Redentraining sehr gerne zur Verfügung.

Das Training

Im praktischen Training üben Sie unter Live-Bedingungen den gesamten Ablauf einer Rede. Nach einer intensiven Vorbesprechung wird eine Rede erarbeitet und analysiert, während der Rede werden Sie gecoacht und im Anschluss verbessert. Dabei werden ganz besonders die Wirkungsweisen Ihrer Rede auf Veranstalter und Publikum beobachtet und ausgewertet. Viele praktische Tipps und Anleitungen ergänzen das professionelle Redentraining.

Als Leiter der Europäischen Akademie Berlin und Professor für Politische Wissenschaft an der Freien Universität Berlin ist Eckart Stratenschulte erfahrener Vielredner, nutzen Sie dieses Wissen für sich und Ihr Team.

Weitere Informationen und Links zur Kontaktaufnahme finden Sie unter stratenschulte-consulting.eu oder kuerschners.com

Nun wünschen wir Ihnen eine interessante Lektüre!

Kürschners Politikkontakte

Berlin, April 2017

Dieses Buch schreibe ich für alle,

die vor der Aufgabe stehen, eine Rede zu halten oder eine Rede zu schreiben – sei es für sich selbst, sei es für jemand anderen.

Der Mensch ist Dialog. Die Digitalisierung hat in alle Bereiche unserer Gesellschaft Einzug gehalten, aber dennoch kommt der Rede, der direkten Ansprache von Menschen durch Menschen, dem Austausch in Foren, Seminaren und anderen Veranstaltungen weiterhin eine überragende Bedeutung zu.

Viele Menschen müssen regelmäßig oder gelegentlich vor einem Auditorium sprechen, und nicht jedem fällt das leicht. Man exponiert sich vor anderen, gegebenenfalls sogar sehr vielen Menschen, die man mit einer Botschaft erreichen will, die einen anschauen, die einen vielleicht auch nicht anschauen, sondern mit ihrem Mobiltelefon spielen, und denen man sich nun mit seinem Auftritt ausliefert.

Für die eigene Präsentation, von der Körpersprache bis zur Modulation der Stimme, gibt es viele Ratgeber und Trainings. Diese Rhetorik ist jedoch nicht der Gegenstand des vorliegenden Buches. Hier geht es vielmehr darum, wie man eine Rede richtig schreibt. Mit einer gut konzipierten Rede haben auch unsichere Sprecher ein Sicherheitsnetz, das ihnen garantiert, selbst bei einem Aussetzer nicht ins Leere zu fallen.

Viele Menschen in Verwaltungen und Verbänden werden im Laufe ihres beruflichen Alltags gebeten, „mal schnell“ für ihren Chef eine Rede zu verfassen. Sie verfügen in ihrem Bereich zweifellos über Fachwissen – aber etwas wissen und es in eine Rede gießen können, sind zwei Paar Stiefel.

„Die perfekte Rede“, „So wird jede Rede ein Erfolg“, „Überzeugen Sie alle und jeden“ – so oder ähnlich lauten die Titel von Ratgeberbüchern, die sich auch mit dem Redenschreiben befassen.

Bei Übertreibungen rate ich zur Vorsicht. Nicht jede Rede kann „perfekt“ sein. Man müsste sich auch erst einmal darüber verständigen, was Perfektion in diesem Zusammenhang bedeutet. Und ob eine Rede gelingt, das heißt, ihr Ziel erreicht, hängt natürlich nicht nur vom Sprecher und vom Text ab, sondern auch von weiteren Faktoren, auf die der Redner keinen Einfluss hat. Wenn der Versammlungsraum zu heiß oder zu kalt ist, wenn von draußen Lärm eindringt, wenn der Geruch eines leckeren Büffets schon durch die Reihen zieht, wenn die Mikrofonanlage nicht richtig funktioniert, wenn …, wenn …, wenn … Es kann viel geschehen und nicht auf alles kann man sich vorbereiten. Umso wichtiger ist es aber, das zu tun, was man tun kann.

Des Redners größter Feind ist er selbst. Er, der Feind, flüstert ihm, dem Redner, vorher ins Ohr: „Alle gucken dich an, du kannst das nicht, das geht schief, du verhaspelst dich, das wird peinlich, zwischendurch weißt du nicht mehr weiter, die Leute lachen dich aus, dein Platz ist hinter dem Schreibtisch, nicht hinter dem Rednerpult“ und so weiter. Das Ergebnis dieser gemeinen Einflüsterungen ist die Angst aufzutreten oder zumindest Lampenfieber. Ein gut ausgearbeitetes Manuskript, das man zudem vorher einmal ausprobiert, löst nicht alle Probleme, die man mit sich selbst hat – aber es verringert sie. Ansonsten ist es wie mit Fahrradfahren oder Sprachenlernen: Übung macht den Meister. Nach jeder Rede wird das Lampenfieber geringer. Bei manchen verschwindet es ganz, bei anderen bleibt ein Rest davon zurück, der aber beherrschbar ist und zudem vor Übermut warnt.

Man liest gelegentlich in Ratgebern, man müsse auf jede Minute Redezeit einen Tag Vorbereitung verwenden. Wenn man diese unrealistische Forderung durchdenkt, würde es bedeuten, dass man bei 220 Arbeitstagen im Jahr nichts anderes machen könnte, als 220 Minuten lang Reden zu halten, also zwischen sieben und zehn Reden im Jahr vorbereiten und von sich zu geben. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, deren Lebensrealität das widerspiegelt. Der gutgemeinte Rat zielt tatsächlich auf Entmutigung. Er bedeutet nämlich: Wenn Sie nicht einen ganzen Monat lang Zeit haben, eine Rede vorzubereiten, dann geht das sowieso schief, lassen Sie es also lieber. Glücklicherweise ist der Rat falsch. Richtig ist, dass eine gute Rede in der Vorbereitung Zeit und Mühe kostet. Aber wie viel, das hängt von vielen Faktoren ab – auch vom Zeitbudget desjenigen, der die Rede schreibt.

 

Dazu soll dieses Buch eine Anleitung geben. Es basiert auf jahrzehntelanger Erfahrung mit dem Halten und Anhören von Reden. Andere Ratgeberbücher, die es natürlich gibt, raten Ihnen an manchen Punkten dasselbe, an anderen aber Abweichendes. Ist das eine richtig und das andere falsch? Wohl nicht. Die Erfahrungen sind unterschiedlich, die Herangehensweisen verschieden. „Alle Wege führen nach Rom“, sagt eine gebräuchliches Sprichwort. Nun, nicht alle Wege führen zu einer guten Rede, aber sicherlich verschiedene. Einen Weg, meinen Weg, möchte ich Ihnen durch dieses Buch vorstellen. Es geht dabei, ich wiederhole mich, um das Schreiben von Reden, nur ganz am Rande auch um deren Aufführung. Vor Ihnen liegt also in gewisser Weise ein Kuchenrezept. Aber backen und servieren müssen Sie selbst. Wenn das Rezept jedoch stimmig ist, ist eine wichtige Voraussetzung schon geschaffen.

Eine Rede beginnt nicht, wenn die Rednerin den Mund öffnet und auch nicht, wenn der Redenschreiber die erste Zeile schreibt. Es sind nämlich einige Vorarbeiten nötig. Damit beginnt dieses Buch, anschließend behandelt es den Aufbau einer Rede, den Stil und den Umgang mit Zitaten. Vorangestellt finden Sie „10 Goldene Regeln zum Abfassen einer Rede“, die in den Kapiteln näher erläutert werden.

Dieses Buch richtet sich an Frauen und Männer und handelt gleichermaßen von ihnen. Eine grammatische Form denkt also die andere mit und schließt sie ein. Die „Zuhörer“ können männlich oder weiblich sein, die „Rednerinnen“ auch. Der besseren Lesbarkeit wegen habe ich darauf verzichtet, jeweils beide Geschlechtsformen zu benennen. Sätze wie „Die Rednerinnen und Redner sollten beim Abfassen der Rede immer an ihre Zuhörerinnen und Zuhörer denken und gegebenenfalls ihre Redenschreiberinnen und Redenschreiber entsprechend instruieren.“ sind grammatisch und politisch korrekt, leserinnen- und leserfreundlich sind sie nicht.

Wer damit hadert, kann in einer engagierten Rede dieser Praxis widersprechen. Wie man die Rede aufbaut, findet er oder sie auf den nächsten Seiten.

Ihr


10 Goldene Regeln für eine gute Rede

1. Eine Rede beginnt nicht mit dem ersten Wort, sondern mit einer Analyse.

→ 1. KAPITEL

2. Eine gute Rede erfüllt die Erwartungen des Auditoriums, und geht über sie hinaus.

→ 1. KAPITEL

3. Man sollte immer mehr wissen, als man sagt.

→ 1. KAPITEL

4. Die gesamte Rede zielt darauf ab, zwei Botschaften zu vermitteln, eine inhaltliche und eine persönliche.

→ 2. KAPITEL

5. Wer nicht überzeugt ist, ist nicht überzeugend. Die Authentizität des Sprechenden ist eine wesentliche Grundlage des Erfolgs.

→ 2. KAPITEL

6. Für die Argumentation liegt die Kunst in der Beschränkung.

→ 2. KAPITEL

7. Die Zuhörenden messen das Gewicht eines Arguments auch an der Länge innerhalb der Rede.

→ 2. KAPITEL

8. Eine gute Rede argumentiert nicht nur, sie liefert den Zuhörern auch etwas Neues.

→ 2. KAPITEL

9. Originalität ist ein wichtiges Element der Glaubwürdigkeit eines Redners.

→ 3. KAPITEL

10. Eine gute Rede ist immer maßgeschneidert.

→ 3. KAPITEL

1. KAPITEL

Analyse

Worum geht es eigentlich? Der Blick nach außen

– Wie lauten Thema und Titel der Rede?

– In welchem Rahmen soll die Rede gehalten werden?

– Wer ist der Veranstalter und was erhofft er sich von der Rede?

– Was erwarten die Teilnehmer und warum ist das Thema für sie wichtig?

– Wo soll die Rede gehalten werden, wie ist der Veranstaltungsraum ausgestattet?

– Welcher Ablauf der Veranstaltung ist vorgesehen und wie hoch sind die Risiken, dass er nicht eingehalten wird?

– Was ist das politische Umfeld der Rede?

– Was ist das geografische Umfeld?

– Vor welchen Herausforderungen steht die Zielgruppe?

Eine Rede beginnt nicht mit dem ersten Wort, sondern mit einer Analyse. Es reicht bei weitem nicht aus zu wissen, worüber geredet werden soll – auch wenn diese Information schon einmal hilfreich ist. Aber darüber hinaus sind verschiedene Punkte zu eruieren. Die erste Frage gilt dem Thema, das klingt erst einmal recht banal, weil offensichtlich. Manchmal kann ein Redner das Thema selbst wählen, oftmals wird er auch mit einem genauen Thema angefragt. Aber man muss das Thema nicht nur genannt bekommen oder festlegen, sondern auch erfassen.

Das Thema ist in einen Titel gegossen. Gut ist es, wenn man – was häufig der Fall ist – die Möglichkeit hat, auf die Formulierung des Titels Einfluss zu nehmen. Man kann dann gleich die Akzente unterbringen, die man gerne betont sehen möchte. Sollte das nicht möglich sein, muss man mit dem Titel leben, wie er gestellt wurde. Das ist manchmal leicht machbar, manchmal auch eher frustrierend. Auf keinen Fall sollte man den Titel zu Beginn seiner Rede jedoch kritisieren.

So nicht:

„Leider geht der Titel von einem Irrtum aus.“

„Ich bin mit dem Titel nicht sehr glücklich, weil …“

oder gar:

„Der Titel zeigt genau die Ignoranz, mit der wir bei diesem Thema immer zu kämpfen haben.“

Der Veranstalter hat Sie eingeladen, zu diesem Titel zu sprechen. Entweder Sie tun es oder Sie nehmen das Redeangebot nicht an. Auch die Zuhörer sind ja mit diesem Titel angesprochen worden und erwarten, dass der Redner dazu etwas sagt. In dem Fall, in dem man mit dem Titel unzufrieden ist, sollte man ausweichen.

Besser:

„Im Titel schwingen ja schon viele interessante Aspekte mit, auf die ich im Weiteren eingehen möchte.“

oder:

„Der Titel stellt mir eine interessante Aufgabe, die ich gerne annehme.“

Ob Sie dann wirklich den Titel „abarbeiten“ oder eine Rede halten, die in eine andere Richtung geht, ist oftmals nicht so erheblich. Am Ende der Rede werden Sie danach beurteilt, ob Sie das Auditorium erreicht haben, nicht ob in Ihrem Beitrag exakt der Titel der Rede abgefilmt wurde. Aber auf diese elegante Umgehungsart vermeiden Sie die Konfrontation und den Gesichtsverlust beim Veranstalter, dem Sie ja mit der Titelkritik sagen würden: „Leider sind Sie zu dumm, einen vernünftigen Titel zu formulieren.“

Wenn Sie Einfluss auf den Titel der Rede haben, versuchen Sie ihn möglichst spritzig zu formulieren. Der Titel ist ja die Werbung für die Rede, und Werbung sollte ansprechen. Gut ist ein Titel mit einem eher reißerischen und einem nüchternen Teil – so werden alle Bedürfnisse befriedigt.

So nicht:

„Die Weiterentwicklung der Europäischen Union unter Berücksichtigung des Ausscheidens Großbritanniens“

Besser:

„Brexit sei Dank: Die EU startet durch.“

„Brexit sei Dank“ bürstet die landläufige Auffassung, dass das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU für diese eine Katastrophe sei, gegen den Strich. Das generiert Aufmerksamkeit, wie ja immer das Ungewöhnliche dafür sorgt, dass wir aufmerken. Und „Die EU startet durch“ heißt: Wir sprechen über die Zukunft der Europäischen Union und in dieser Zukunft liegen Chancen.

Die erste Frage lautet:

Um welches Thema geht es und wie ist der Titel formuliert?

Nehmen wir ein Beispiel, das sich durch das vorliegende Buch ziehen wird. Die Festrede zum Thema „75 Jahre Freiwillige Feuerwehr Bommelbach“. Dieses Thema wird unserem fiktiven Redner Max Mustermann gestellt. Er weiß also, worüber er reden soll – aber eigentlich weiß er noch nichts. Immerhin hat er durch die Anfrage erfahren, dass es in Bommelbach eine Freiwillige Feuerwehr gibt, die offensichtlich seit 75 Jahren besteht. Bevor er festlegen kann, wie er sich dem Thema nähert, muss er weitere Fragen klären.

Die zweite Frage lautet:

„Vor wem soll ich reden?“

Jede Rede muss auf die Zielgruppe zugeschnitten sein. Sie ist nur gut und wirkungsvoll, wenn sie die Adressaten erreicht und das heißt, wenn sie sie anspricht. Das geht aber nur, wenn man weiß, um wen es sich handelt. Es ist ein Unterschied, ob man vor einer Kinder- oder vor einer Seniorengruppe steht, ob man zu Menschen mit einer berufspraktischen Ausbildung oder Akademikern spricht, ob die Zuhörenden von dem Thema etwas verstehen oder sich eine Einführung in einen Bereich erhoffen. Wer denkt, er müsse das nicht wissen, er sei immer gut, hat schon verloren. Man sollte sich bemühen, über die Zuhörenden so viel wie möglich herauszufinden. Bei Politikern erlebt man das öfter als einem lieb sein kann, dass sie eine für sie vorbereitete Rede halten, die völlig am Publikum vorbeigeht. Da spricht der Minister vor Fachleuten, die in täglicher Arbeit die Kooperation im Donauraum organisieren, und erzählt ihnen, dass die Donau ein langer Fluss sei – keine Neuigkeit für die Experten, tatsächlich ist die Donau mit rund 2.850 km der zweitlängste Fluss in Europa. Bei den Zuhörern bleibt als Eindruck hängen: Da weiß einer nicht, vor wem er spricht und speist uns mit Lexikonwissen ab.

Zurück zu unserem Beispiel aus Bommelbach: Falls es sich bei dem Auditorium um Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr und deren Familienmitglieder handelt, ist eine ganz andere Rede gefragt als wenn man junge Menschen adressiert, die dafür gewonnen werden sollen, sich freiwillig bei einer Feuerwehr zu engagieren. Tatsächlich haben die Freiwilligen Feuerwehren große Nachwuchsprobleme, eine solche Rede wäre also nicht verkehrt. Oder will man politische Entscheider ansprechen, die Landrätin, Kreistagsabgeordnete, Menschen deren politische Unterstützung man benötigt? Es könnten auch Unternehmer sein, die man um Sponsoring für die Arbeit der Feuerwehr oder für ein bestimmtes Ereignis „Tag der offenen Tür“ oder Projekt „Integration von jungen Flüchtlingen in die Feuerwehr“ gewinnen will.

Die dritte Frage lautet:

In welchem Rahmen soll die Rede gehalten werden?

Als nächstes muss man untersuchen, was der Rahmen der Veranstaltung ist, während der geredet werden soll. Handelt es sich um eine Festveranstaltung, um eine Fachtagung oder um ein Event, bei dem verschiedene Aktivitäten und Projekte vorstellt werden sollen? Aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen lassen sich also schon Rahmenbedingungen bestimmen, die wichtig aber noch nicht hinreichend sind. Je nach Charakter der Veranstaltung haben die Zuhörenden auch unterschiedliche Erwartungen: Sie wollen geehrt werden und sich gewürdigt sehen – etwa Festveranstaltung der Feuerwehr –, sie wollen informiert werden – etwa wie hat die Freiwillige Feuerwehr Bommelbach ihre Arbeit im Vergleich zu anderen Freiwilligen und Berufswehren organisiert und was hat sie aus ihrer 75-jährigen Geschichte gelernt? – oder sie wollen überhaupt interessiert werden, weil sie sich mit dem Thema nie beschäftigt haben – etwa Veranstaltungsreigen, in dem die Stadt Bommelbach am Tag der offenen Tür ihre Vereine und Projekte vorstellt.

Die vierte Frage lautet:

Was sind die Erwartungen der anderen an die Rede?

Daraus kann man die Erwartungen der Zuhörenden destillieren. Eine gute Rede erfüllt die Erwartungen des Auditoriums, und geht über sie hinaus. Dazu später mehr. Die Zuhörer sind nicht unbedingt identisch mit den Veranstaltern, also mit denjenigen, die den Redner einladen oder buchen. Daher ist es elementar wichtig, auch die Interessen und Erwartungen der Veranstalter kennenzulernen. Diese Erwartungen können sehr unterschiedlich sein. Da gibt es Unternehmen, die ihre Jahresversammlung für treue Kunden mit einer Rede eines Gastreferenten aufwerten wollen. Der eigentliche Zweck der Veranstaltung ist es, die Kunden an das Unternehmen zu binden und ihnen den Geschäftsbericht vorzustellen. Da das alleine wenig Interesse erzeugt, wird es von einer Rede eines externen Sprechers sowie einem schönen Buffet eingerahmt. Die Erwartung der Veranstalter ist also, dass der Redner die Teilnehmer intellektuell unterhält, sie dürfen nicht gelangweilt, aber auch nicht unter Niveau angesprochen werden. Was der Redner inhaltlich sagt, ob er sich beispielweise für oder gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU ausspricht, für oder gegen Erziehungsgeld, ist den Veranstaltern gleichgültig, solange es nicht ihre geschäftlichen Interessen berührt.

 

Eine andere Erwartung hat der Veranstalter einer Bildungseinrichtung wie beispielsweise der Urania oder einer Volkshochschule. Auch ihm ist im Zweifelsfall egal, ob der Redner sich für oder gegen die Europäische Währungsunion ausspricht, aber er erwartet eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema, die den Zuhörenden ermöglicht, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Eine Parteitagsrede ist wieder etwas ganz anderes. Hier soll nicht differenziert werden, hier geht es nicht darum, Zweifel zu säen, sondern im Gegenteil, solche zu zerstreuen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Zuhörenden, in der Regel Parteimitglieder, sollen auf eine gemeinsame Sache oder einen Wahlkampf eingeschworen werden, die anwesende Presse soll merken, dass die Partei vor Selbstvertrauen strotzt.

Zurück zur Freiwilligen Feuerwehr Bommelbach. Hier fragt der Vorstand den Redner für einen Festvortrag an. Das Thema, das ihm eingefallen ist, lautet etwas phantasielos: „75 Jahre Freiwillige Feuerwehr Bommelbach“. Nun kann der Redner versuchen, für den Titel eine attraktivere Formulierung vorzuschlagen, beispielsweise: „Feuer, Sturm und Hochwasser: Bommelbach ist gut geschützt – 75 Jahre Freiwillige Feuerwehr.“

Die Zielgruppe – Frage 2 – sind Feuerwehrfrauen und -männer und ihre Familienangehörigen. Die kennen das Geschäft der Brandwehr besser als der Redner und möchten bei einer Festveranstaltung – Frage 3 – für ihr ehrenamtliches Engagement gewürdigt werden. Das ist auch die Erwartung – Frage 4 – des Vorstandes, der weiß, dass eine solche Ehrung die Mitglieder motiviert und dass diese Motivation wiederum die Voraussetzung für das Engagement ist, auf das die Gemeinde, die sich keine Berufsfeuerwehr leisten kann, angewiesen ist.

Die fünfte Frage lautet:

In welchem Kontext steht die Rede und wie lang ist meine Redezeit?

Wichtig ist es auch, den organisatorischen Kontext, in dem die Rede gehalten wird, zu kennen. Ist sie Teil eines Redenreigens, zu dem auch mehrere andere Redner – etwa die Landrätin, der Bürgermeister, der Brandmeister, die Landtagsabgeordnete, der Chef der örtlichen Sparkasse – beitragen, oder steht die Rede im Mittelpunkt der Veranstaltung? Solche Programme folgen in der Regel einer genauen Dramaturgie, in die man sich als Redner einfügen muss. Wenn, um ein extremes Beispiel zu nennen, der Bundespräsident einer der Redner ist, ist völlig klar, dass er der „Star“ der Veranstaltung ist, alle anderen Redner sind gewissermaßen die „Vorgruppe“. Entsprechend muss man seine Rede zeitlich und inhaltlich gestalten.

Man liest manchmal Empfehlungen, sich als Redner über vorgegebene Redezeiten hinwegzusetzen. „Wenn Sie etwas zu sagen haben, sagen Sie es. Achten Sie nicht auf die Zeit, ziehen Sie die Zuhörer in Ihren Bann!“ In dieser Art wird man gelegentlich beraten – und zwar schlecht. Tatsächlich sollte man die vorgegebene Redezeit unbedingt einhalten, sie sogar eher etwas unterschreiten. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Rede ist in eine Veranstaltung eingebaut, bei der viele Faktoren zusammenspielen. Da gibt es Grußworte, weitere Reden, eine Musikaufführung und schließlich noch ein Buffet oder einen kleinen Empfang. Für die gesamte Organisation besteht ein Ablaufplan, auf den die anderen Redner, die Musiker und die Catering-Firma mit ihren Beiträgen aufbauen. Vor allem aber: Die Fähigkeit des Auditoriums, ruhig zu sitzen und zuzuhören, ist beschränkt. Zuhören ist anstrengender als Lesen. Beim Lesen kann man einen Augenblick Pause machen oder auch noch einmal zurückblättern. Beim Zuhören geht das nicht. Das ist wie der Unterschied zwischen einem Fußballspiel live und im Fernsehen. Im Fernsehen wird die Torszene noch drei oder vier Mal gezeigt, von vorne und von hinten, in Zeitlupe und kommentiert. Wenn man da gerade in der Sekunde, in der der Ball im Netz versenkt wurde, unachtsam war, ist es nicht tragisch. Man kann die Szene noch einmal sehen. Verfolgt man das Spiel im Stadion und guckt gerade nicht hin, wenn der Stürmer schießt, hat man Pech gehabt. Eine Rede mutet dem Rezipienten daher mehr zu als ein Artikel es tut. Darauf muss man als Redner Rücksicht nehmen.

Auf keinen Fall darf man die Erwartung der Zuhörenden, dass die Rede nach X Minuten endet, wie es im Programm steht, unterlaufen. Weitere Argumente, die dem Redner natürlich immer einfallen, um seine Sache zu vertreten, führen dann nicht zu mehr Zustimmung, sondern eher zu dem Gedanken „Ja, doch, es ja gut jetzt, hör auf!“

Man sollte die Rede unbedingt selbst ausprobieren. Wenn man sie nämlich auf dem Papier oder am Computerbildschirm überfliegt, kostet das sehr viel weniger Zeit. Eine normale DIN A 4-Seite, in Schriftgröße 11 oder 12 und mit Zeilenabstand 1½ ergibt einen Redetext von 2½ bis 3 Minuten. Eine 30-minütige Rede hat also einen Textumfang von 10 bis 12 Seiten. Mehr nicht.

Die sechste Frage lautet:

Welche Risiken schlummern im geplanten Programmablauf?

So perfekt die Abläufe von Veranstaltungen geplant sind, so häufig geschieht es doch, dass sich etwas verzögert und Sie plötzlich als dritter Redner zu dem Zeitpunkt überhaupt erst beginnen können, für den eigentlich schon das Buffet vorgesehen war. Nun könnte man sich als Redner sagen: „Das ist mir doch egal, ich bin für die Organisation nicht verantwortlich und mir wurde eine Redezeit von 30 Minuten zugestanden.“ Allerdings ruiniert man damit den Effekt, den man mit der Rede eigentlich erzielen möchte. Die Zuhörer können nämlich auch nichts für die Verzögerung, sie haben Hunger, wollen noch mit Bekannten reden oder müssen zum Bus. Positiv kommt dann ein Redner an, der seine Rede verkürzt. Allerdings muss er das wirklich tun und nicht – wie es leider oft geschieht – lediglich ankündigen, er wolle sich kurz fassen, um dann gnadenlos vorzulesen, was er sich aufgeschrieben hat. Auf die Floskel „Ich will mich kurz fassen.“ sollten Sie generell verzichten. Fassen Sie sich lieber kurz!

Je besser Sie das Thema beherrschen, desto leichter fällt es Ihnen, Ihre Rede einzudampfen und dennoch die wichtigsten Punkte angemessen zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich, solche Verkürzungen schon einzuplanen. Sie können Sie im Text beispielsweise farblich unterlegen. Bereiten Sie in dieser Hinsicht Ihre Unterlagen sorgfältig vor. Die Teile, die notfalls ausgelassen werden können, sollten jeweils auf eigenen Seiten stehen, so dass Sie das Manuskript leicht weiterblättern können und nicht auf jeder Seite schauen müssen, ob da noch etwas drauf steht, was unbedingt erwähnt werden muss. Achten Sie darauf, dass die Bezüge auch noch stimmen, wenn die markierten Teile nicht vorgetragen werden können.

Läuft alles nach Plan, können Sie die Rede wie konzipiert halten. Zwingen äußere Umstände Sie zu kürzen, lassen Sie die vorher markierten Teile weg. So gelingt es Ihnen, auch bei knapperer Redezeit die Botschaft zu übermitteln. Die Alternative dazu ist eher unerfreulich: Sie beginnen Ihre Rede normal und werden dann vom Moderator oder der Unruhe im Saal zur Verkürzung gezwungen, die schließlich darin besteht, dass Sie den letzten Teil weglassen beziehungsweise paraphrasieren. Damit wird die Rede ungleichgewichtig, Sie nehmen viel Anlauf und springen kurz. Da ist es schon besser, den Eventualfall einzuplanen. Wenn er nicht eintritt: umso besser.

Die siebte Frage lautet:

In welchem (verbands)politischen Kontext steht die Rede?

Zur vorbereitenden Analyse gehört auch die Erfassung des Umfeldes, in dem die Rede steht. Zuerst muss man sich fragen, was das politische oder verbandspolitische Umfeld der Rede ist, die da gehalten werden soll. Greift man mit dem Thema in eine laufende und gegebenenfalls kontroverse öffentliche und verbandsinterne Debatte ein, stärkt man damit eine bestimmte politische oder verbandspolitische Position? Das kann man ja durchaus machen, man sollte es aber vorher wissen und nicht ahnungslos in ein Minenfeld der Auseinandersetzungen stolpern, die mit dem Redner unter Umständen gar nichts zu tun haben. Oft geschieht dies, wenn eine Partei oder ein Verband externe Expertise anfordert und deshalb jemanden von außerhalb um einen Vortrag bittet. Man kann davon ausgehen, dass die Rede dann weniger auf die inhaltlichen Punkte abgeklopft wird als darauf, welche Seite nun durch die Ausführungen gestärkt worden ist.

Die achte Frage lautet:

Was muss ich über den Ort wissen, an dem ich spreche?

Wichtig ist auch eine geografische Umfeld-Analyse, wenn die Rede nicht im Heimatort gehalten wird, mit dem Redner und Zuhörer gleichermaßen vertraut sind. Der Landtagsabgeordnete, der in Bommelbach spricht, sollte etwas über Bommelbach wissen und daraus auch mögliche Problemlagen für seine Rede identifizieren. Nehmen wir an, Bommelbach sei ein Ort in Mittelhessen mit 3.000 Einwohnern, der aber über Stadtrechte verfügt, die ihm Großherzog Bogomil der Großzügige 1319 gewährt hat. Die Gemeinde ist also nicht sehr groß, aber die Bürgerinnen und Bürger sind stolz darauf, als einzige Stadt im Bommeltal der Mittelpunkt desselben zu sein. Der Strukturwandel hat vor dem Städtchen nicht halt gemacht, die ortsnahe Industrie ist geschrumpft, die Eisenbahnlinie in die Kreisstadt eingestellt. Mehr und mehr junge Leute verlassen daher den Ort. Für die Freiwillige Feuerwehr ist dies ein Problem, da damit das Reservoir an Menschen, die bereit sind mitzumachen, kleiner wird. Dass generell junge Menschen weniger Neigung zeigen, sich in solchen Verbänden zu engagieren, kommt erschwerend hinzu. In Bommelbach hat es in den letzten fünf Jahren immerhin acht Mal gebrannt. Ein Brand war richtig groß, da er das örtliche Sägewerk betraf, zweimal mussten Menschen aus brennenden und verrauchten Häusern gerettet werden. Das alles muss man nicht wissen – wenn man aber eine Rede vor der örtlichen Feuerwehr hält, schon. Wer sich diese Umfeldanalyse spart, kann als Redner nicht reüssieren. Sätze wie „Ich weiß ja nicht, ob es bei Ihnen in den letzten Jahren überhaupt mal gebrannt hat, aber …“) kommen schlecht an, wenn der Ort noch unter dem Eindruck des Sägewerkbrandes steht.

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