Geeinte Menschheit

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Leben

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Yoga

“All life is Yoga.” – Sri Aurobindo

Geeinte Menschheit

Sri Aurobindo | Die Mutter


SRI AUROBINDO

DIGITAL EDITION


Copyright 2020

AURO MEDIA

Verlag und Fachbuchhandel

Wilfried Schuh

www.auro.media

www.savitri.yoga

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eBook Design


SRI AUROBINDO DIGITAL EDITION

Deutschland, Berchtesgaden

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ALLES LEBEN IST YOGA

Geeinte Menschheit Auszüge aus den Werken von Sri Aurobindo und der Mutter 2. Aufl. 2020 ISBN 978-3-937701-81-3


© Fotos und Textauszüge Sri Aurobindos und der Mutter:

Sri Aurobindo Ashram Trust

Puducherry, Indien


Blume auf dem Cover:

Dahlia. Weiß. Die von der Mutter gegebene spirituelle Bedeutung: Übermenschheit Das Ziel unseres sehnsuchtsvollen Strebens.

Anmerkung des Herausgebers

Einfache Auszüge aus den Werken Sri Aurobindos und der Mutter sollen für die Sadhana eine praktische Orientierung zu bestimmten Themen geben. Die Themen behandeln das gesamte Feld menschlicher Aktivitäten, denn wahre Spiritualität ist nicht eine Abkehr vom Leben, sondern die Kunst, das Leben zu vervollkommnen.

Die Übersetzung der Textstellen von Sri Aurobindo erfolgte aus dem ursprünglichen Englisch, während die meisten Passagen der Mutter bereits Übersetzungen aus dem Französischen waren. Fast alle Texte der Mutter wurden ihren Gesprächen, die sie mit Kindern und Erwachsenen führte, entnommen, einige ihren Schriften. Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass die Auszüge ihrem ursprünglichen Zusammenhang entnommen wurden und dass jede Zusammenstellung ihrer Natur nach möglicherweise einen persönlichen und subjektiven Charakter hat. Es wurde jedoch der aufrichtige Versuch unternommen, der Vision Sri Aurobindos und der Mutter treu zu bleiben.

Die Textauszüge sind vom Verlag zum Teil mit Kapiteln und Überschriften versehen worden, um ihre Themen hervorzuheben. Sofern es möglich war, wurden sie in Anlehnung eines Satzes aus dem Text selbst gewählt.

Sri Aurobindo und die Mutter machen von der in der englischen Sprache gegebenen Möglichkeit, Wörter groß zu schreiben, um ihre Bedeutung hervorzuheben, häufig Gebrauch. Mit dieser Großschreibung bezeichnen sie meist Begriffe aus übergeordneten Daseinsbereichen, doch auch allgemeine wie Licht, Friede, Kraft usw., wenn sie ihnen einen vom üblichen Gebrauch abweichenden Sinn zuordnen. Diese Begriffe wurden in diesem Buch kursiv hervorgehoben, um dem Leser zu einer leichteren Einfühlung in diese subtilen Unterscheidungen zu verhelfen.

Einige wenige Sanskritwörter wie Sadhana, Sadhaka, Yoga usw. wurden eingedeutscht, da sie durch ihren häufigen Gebrauch bereits als Bestandteil der deutschen Sprache angesehen werden können. Alle anderen Sanskritwörter sind kursiv hervorgehoben, wobei auf diakritische Transkriptionszeichen verzichtet wurde.

Die kursiv geschriebenen Textpassagen vor den Worten Sri Aurobindos und der Mutter sind Fragen bzw. Antworten von Schülern oder sonstige erläuternde Texte.

„Wahre Spiritualität bedeutet nicht, dem Leben zu entsagen, sondern das Leben mit einer Göttlichen Vollkommenheit zu vervollkommnen.“ – Die Mutter

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InhaltTitelseiteCopyrightAnmerkung des HerausgebersZitateGEEINTE MENSCHHEIT1. Die Unausweichlichkeit menschlicher Einheit2. Die möglichen Formen und Schwierigkeiten3. Einheit in der Vielfalt4. Die ideale Lösung5. Die wahre Einheit6. Worte der Mutter7. Botschaften der MutterANHANGQuellenangabenGuideCoverInhaltStart


In einem tieferen Sinn sind es der Ruf und die Anziehung der Zukunft, die die Vergangenheit und die Gegenwart hervorbringen. Und es wird immer deutlicher werden, dass diese Zukunft im Wachstum der Gottheit im Menschen besteht. Das ist die höchste Bestimmung dieser denkenden und wollenden und um ihre eigene Vollkommenheit bemühten Art. Dies ist eine Weise, die wir immer häufiger vernehmen werden, das Lied von der wachsenden Gottheit des Geschlechts, von menschlicher Einheit, von spiritueller Freiheit, vom kommenden Übermenschtum des Menschen, vom göttlichen Ideal, das sich im Leben auf der Erde zu verwirklichen sucht, vom Aufruf an den Einzelnen, seinen gottgleichen Möglichkeiten gerecht zu werden. — Sri Aurobindo

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Hört auf zu denken, ihr kommt aus dem Westen, die anderen aus dem Osten. Alle Menschen sind von gleicher göttlicher Herkunft, und es ist ihnen bestimmt, das Einssein dieser Herkunft auf Erden zu manifestieren. — Die Mutter

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GEEINTE MENSCHHEIT

Kapitel 1
Die Unausweichlichkeit menschlicher Einheit

Worte Sri Aurobindos

Heute dringt das Ideal einer geeinten Menschheit, mehr oder weniger verschwommen, immer stärker in den Vordergrund unseres Bewusstseins. Wenn im menschlichen Denken ein Ideal auftaucht, ist das stets ein Zeichen dafür, dass die Natur eine bestimmte Absicht verfolgt. Sie braucht dabei gar nicht immer die Absicht zu haben, das Ideal zu verwirklichen. Manchmal zeigt es nur einen Versuch an, dem vorläufig noch ein Fehlschlag bestimmt ist. Denn die Natur ist in ihren Methoden langsam und geduldig. Sie greift Ideen auf und verwirklicht sie zur Hälfte. Dann lässt sie sie am Wegrand liegen, um sie in einer späteren Epoche in einem besseren Zusammenhang wieder aufzugreifen. Sie erprobt die Menschheit, ihr denkendes Instrument, sie testet, inwieweit jene schon zur Harmonie fähig ist, die sie erträumt. Sie erlaubt dem Menschen, seine Ideen auszuprobieren, selbst wenn er dabei versagt, damit er daraus lernt und ein anderes Mal besser zum Ziel kommt. Ist das Ideal in den Vordergrund des Denkens gedrungen, muss gewiss der Versuch zu seiner Verwirklichung gemacht werden. Das Ideal einer geeinten Menschheit wird wahrscheinlich eine entscheidende Rolle unter den die Zukunft bestimmenden Kräften spielen. Denn die intellektuellen und die materiellen Umstände unseres Zeitalters haben diese Einung vorbereitet, zwingen sie uns geradezu auf. Hier sind es besonders die naturwissenschaftlichen Entdeckungen, die unsere Erde so klein gemacht haben, dass ihre gewaltigsten Reiche nur noch als Provinzen eines einzigen Landes erscheinen.

Aber die Gunst der materiellen Umstände könnte dem Ideal auch einen Fehlschlag bereiten. Wenn nämlich die materiellen Verhältnisse eine weitreichende Umwandlung begünstigen, aber Herz und Mental der menschlichen Rasse, besonders das Herz, nicht wirklich darauf vorbereitet sind, kann man einen Misserfolg voraussagen. Es sei denn, die Menschen sind rechtzeitig weise und nehmen die innere Umwandlung zusammen mit der äußeren Umgestaltung auf sich. Der menschliche Intellekt ist jedoch gegenwärtig durch die Naturwissenschaft so stark mechanisiert worden, dass er die Umwälzung, auf die er sich selbst immer mehr einstellt, vermutlich in der Hauptsache oder allein mit mechanischen Mitteln durch soziale und politische Anpassungen durchzuführen versucht. Nun kann aber nicht die Einheit der Menschheit, weder überwiegend noch ausschließlich, durch soziale und politische Maßnahmen so zustande gebracht werden, dass sie von Dauer ist und Segen bringt.

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Worte Sri Aurobindos

 

Die äußere Vereinigung mag, möglicherweise in relativ kurzer Zeit – was aber noch gar nicht sicher ist –, zustande kommen, weil die unentrinnbare Zielstrebigkeit des Wirkens der Natur in der menschlichen Gesellschaft dorthin geht. Sie arbeitet auf immer umfassendere Verbände hin und muss darum unfehlbar zu einer totalen Zusammenfassung der Menschheit in einem geschlosseneren internationalen System gelangen.

Bei diesem Wirken verlässt sich die Natur auf zwei Kräfte als ihre Vollzugsmittel, die sich kombinieren, um den umfassenderen Zusammenschluss unvermeidlich zu machen. Die erste Kraft ist die fortschreitende Annäherung gemeinsamer Interessen, zumindest gegenseitige Verflechtung und Wechselbeziehung der Interessen in immer weiterem Umkreis. Dieser Vorgang verwandelt die alten Trennungen in Hindernisse und in eine Ursache von Schwäche, Hemmung und Reibung. Zusammenstoß und Konflikt, die aus dieser Reibung entstehen, werden verheerend für alle, selbst für den Sieger, der für seine Gewinne einen zu hohen Preis bezahlen muss. Da aber der Krieg immer komplexer und unheilvoller wird, sind selbst die erwarteten Gewinne nur mit immer größeren Schwierigkeiten zu erzielen, und der Erfolg wird immer problematischer. Weil aber die Einsicht in die Gemeinschaft oder Verflochtenheit der Interessen zunimmt und die Menschen immer unwilliger werden, die Konsequenzen von Zusammenstoß und verheerendem Krieg auf sich zu nehmen, werden sie geradezu gedrängt, jedes Mittel zur Milderung der Spaltungen zu begrüßen, die zu so großem Unheil führen. Wenn man aber dem Zug zur Milderung der Trennungen einmal definitive Form gegeben hat, ist damit eine Bewegung in Schwung gebracht, die zu einer immer enger werdenden Union treibt. Wenn die Natur mit diesen Mitteln nicht zu ihrem Ziel gelangen kann und die Gegensätzlichkeit zu groß ist, als dass der Zug zur Vereinigung siegen kann, wird die Natur andere Mittel verwenden wie Krieg, Eroberung und zeitweilige Vorherrschaft eines machtvollen Staates oder Imperiums oder die Bedrohung durch eine solche Herrschaft, die die Bedrohten zwingt, ein engeres System der Einung anzunehmen. Diese Mittel und Kraft äußeren Zwanges benutzte die Natur schon, um die Nation-Einheiten und die nationalen Imperien zu schaffen. Im Grunde sind es – wenn auch durch die Umstände und in ihrer Arbeitsmethode abgewandelt – dieselben Mittel und dieselbe Kraft, die die Natur anwendet, um die Menschheit zur internationalen Vereinigung zu führen.

Zweitens wirkt hier aber auch die Kraft eines gemeinsamen einigenden Empfindens. Dieses kann auf zwei Arten arbeiten: Es kann vorausgehen als Ursache oder mitwirkender Grund, oder es kann später eintreten als festigendes Ergebnis. Im ersten Fall entsteht das Empfinden für eine umfassendere Einheit bei bisher getrennten Vereinigungen. Es veranlasst sie, nach einer Form der Vereinigung zu suchen, die primär durch die Kraft dieses Gefühls und die zugrundeliegende Idee zustande kommt, sekundär durch diese Kraft der Empfindung als innere Hilfe zu anderen, mehr äußeren Ereignissen und Ursachen. Es ist zu bedenken, dass diese Empfindung in früheren Zeiten nur ungenügend wirksam wurde, unter den kleinen Sippen- oder Gebiets-Nationen. Die Vereinigung musste gewöhnlich durch äußere Umstände bewirkt werden, im Allgemeinen durch die gröbsten von ihnen, nämlich durch Krieg und Eroberung, durch die Vorherrschaft des mächtigsten Volkes unter vielen kriegerischen oder benachbarten Völkern. Später hat aber die Kraft des Gefühls zur Einheit, zumal wenn es von einer klaren politischen Idee unterstützt wurde, zu immer größerem Erfolg geführt. Die umfassenderen nationalen Zusammenschlüsse sind durch einfachen Akt der Föderation oder Union erwachsen, wenn ihm auch manchmal ein gemeinsamer Kampf um die Freiheit oder Vereinigung im Krieg gegen einen gemeinsamen Feind vorausgegangen ist. So sind die Vereinigten Staaten, Italien und Deutschland zu ihrer Einheit zusammengewachsen. Auf friedlicherem Wege einten sich die Föderationen von Australien und Südafrika. In anderen Fällen, besonders bei den früheren nationalen Zusammenschlüssen, ist jedoch das Gefühl zur Einung hauptsächlich oder völlig als Ergebnis vorausgegangener formaler äußerer oder mechanischer Vereinigung entstanden. Um dieses Gefühl heranzubilden und um es wachsen zu lassen, ist der seelische Faktor unentbehrlich. Ohne ihn kann es keine gesicherte und dauernde Union geben. Wenn ein solches Gefühl fehlte, wenn man versäumte, es heranzubilden, und wenn man es nicht lebendig, natürlich und zwingend genug machen konnte, war das die Ursache der Gefährdung von Zusammenschlüssen, wie in Österreich-Ungarn, und der Kurzlebigkeit der alten Imperien. Es wird, wenn sich die Umstände nicht ändern, auch den Zusammenbruch oder die Auflösung der heutigen großen Imperien herbeiführen.

Das Drängen der Kräfte auf eine Art internationaler Weltorganisation, das zu einer möglichen fernen Vereinigung führt, wird durch den Druck von Bedürfnis und Umwelt, durch äußere Umstände durchgesetzt. Heute tritt es zunehmend deutlich als Idee oder inneres Verlangen hervor, obwohl die Ursachen, die es unvermeidlich machen, schon seit geraumer Zeit am Werk sind. Gleichzeitig wird durch die äußeren Umstände ein Empfinden gefördert und angeregt, ein kosmopolitisches, internationales Gefühl, das zwar noch nebelhaft und idealistisch vage ist, aber das Wachsen der formalen Union beschleunigen mag. Für sich allein wäre dieses Gefühl nur ein unzureichendes Mittel, um eine mechanische Union, die man schafft, zu festigen und zu erhalten. Denn es kann kaum so unmittelbar und zwingend sein wie das Nationalgefühl. Es müsste Kraft und Halt hauptsächlich aus der Zweckmäßigkeit der Union beziehen. Die Erfahrung in der Vergangenheit beweist aber, dass das bloße Bedürfnis nach Zweckmäßigkeit letzten Endes nicht stark genug ist, um dem Druck ungünstiger Umstände, wiedererstarkenden alten oder wachsenden neuen zentrifugalen Kräften zu widerstehen. Es ist jedoch noch eine stärkere Kraft am Werk, eine Art intellektueller Religion der Humanität. Sie ist klare Erkenntnis im Bewusstsein nur Weniger, doch wird sie von Vielen vage in ihren Auswirkungen und Verhüllungen empfunden. Sie hat weithin dazu beigetragen, die Richtung der modernen Mentalität und die treibenden Kräfte in den aus ihr entstandenen Institutionen zu bestimmen. Das ist eine seelische Kraft, die über die Formel der Nation hinaus vorzustoßen strebt und danach trachtet, die Religion der Verehrung des Landes zu ersetzen, ja, das nationale Empfinden in seinen extremeren Formen ganz zu zerstören und die aus ihm herrührenden Trennungen zu beseitigen, um die einzige Nation der Menschheit zu schaffen.

Wir können also sagen, dieser Zug der Entwicklung muss sich letzten Endes selbst verwirklichen, wie groß auch die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten noch sein mögen. Und sie sind wahrscheinlich enorm, viel größer als jene, die der Bildung der Nation entgegenstanden. Sollte die gegenwärtige unbefriedigende Lage der internationalen Beziehungen zu einer Reihe von katastrophalen Zusammenbrüchen führen – entweder weit und weltumfassend wie der jetzige Krieg oder, einzeln in der Reichweite zwar begrenzt, doch in der Summe die ganze Welt durchdringend und zwangsläufig, durch die wachsenden Wechselbeziehungen der Interessen, auch jene schädigend, die nicht unter ihre direkte Auswirkung fallen –, wird die Menschheit schließlich um ihrer Selbsterhaltung willen zu einer neuen, engeren und strafferen Ordnung der Dinge gezwungen sein. Ihr bleibt dann nur die Wahl zwischen dieser Neuen Ordnung und schleichendem Selbstmord. Wenn die menschliche Vernunft keinen Ausweg aus diesem Dilemma finden kann, greift die Natur gewiss ein und gestaltet die Umbrüche so, dass sie ihr Ziel erreicht. Darum können wir uns darauf verlassen, dass letzten Endes eine Vereinigung, zumindest eine formale Organisation des Lebens der Menschen auf der Erde, praktisch unausbleiblich ist, wobei man das Unberechenbare immer in Anschlag bringen muss. Die Einung wird gewiss kommen, ob bald oder erst im Verlauf einer längeren Zeit, ob durch ihr eigenes, immer stärker werdendes Gefühl für Einheit, angeregt durch gemeinsames Interesse und Zweckdienlichkeit, oder durch den evolutionären Druck der Umstände.

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