Reden wir über Geld

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Reden wir über Geld
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Niki Lauda: Reden wir über Geld

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 edition a, Wien

www.edition-a.at

Lektorat: Anatol Vitouch

Cover: JaeHee Lee

Gestaltung: Hidsch

Gesetzt in der Adobe Caslon Pro

Gedruckt in Europa

1 2 3 4 5 — 18 17 16 15

Print-ISBN: 978-3-99001-143-0

eBook-ISBN 978-3-99001-149-2

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

INHALT

Geld und Leben

Vorwort von Conny Bischofberger

Zahlenspiele

»Wenn ich an Geld denke, dann sehe ich nur Zahlen. Keine Scheine, keine Münzen, keine Emotion.«

Erste Geschäfte

»Seinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände. Das Geld folgt dann schon.«

Zeit ist Geld

»Auf dem schnellsten Weg zum Ziel kommen: Ich musste erst lernen, dass das nicht immer funktioniert.«

Mein erster Kredit

»Der Konflikt mit meinem Großvater hat mich ein Leben lang geprägt. Ohne die Steine, die er mir in den Weg gelegt hat, wäre ich vielleicht nie zu dem Kämpfer geworden, der ich heute bin.«

Geld im Alltag

»Wenn ich Geld brauche, gehe ich auf die Bank. Ich weiß nicht einmal, wie so ein Bankomat funktioniert.«

Millionär mit 25

»Ich habe in der Formel 1 insgesamt 12 Millionen Euro verdient. Der Michael Schumacher hat in einem Jahr 40 Millionen verdient. Na logisch wäre ich gern später auf die Welt gekommen.«

Mein Geizhals-Image

»Dass mich die ganze Welt für den größten Sparmeister hält, stört mich null.«

Auferstehung

»Extreme Erfahrungen bringen dich auch extrem weiter.«

Verhandeln wie ein Weltmeister

»Geschäfte müssen fair sein. Zu hoch pokern ist genauso blöd, wie sich unter seinem Wert zu verkaufen.«

Marktwert

»Je authentischer du bist, desto unverwechselbarer wirst du. Mein rotes Kapperl ist ein Symbol dafür.«

Gegen den Strom schwimmen

»Tu das Gegenteil von dem, was alle anderen für richtig halten. Damit bin ich immer gut gefahren.«

Kaufen und Verkaufen

»Du musst hart arbeiten und im richtigen Moment loslassen können. Wehmut ist sinnlos.«

Freunde

»Mit Attila Dogudan teile ich eine Besessenheit für das scheinbar Unmögliche, und das in allerhöchster Qualität.«

An meinen Grenzen

»99 Prozent aller Dinge hat der Mensch in der Hand. Aber ich habe auch dieses eine Prozent kennen gelernt.«

Teilen

»Ich hab’ ja nichts zu verschenken! Aber ich weiß sehr wohl, was ich zu tun habe, wenn jemand wirklich auf mich zählt.«

Das Gesetz des Handelns

»Post-its sind das Schlimmste. Schreib es nicht auf, sondern tu es einfach!«

Wohnen

»Birgit baut jetzt schon unser drittes Haus in Ibiza um. Wir kaufen, bauen um und verkaufen.«

Misserfolge und Fehler

»Dass die AUA bei der Lauda einsteigt, hätte ich nicht zulassen dürfen. Das war der größte Fehler meines Lebens.«

Berater und Banken

»Ich hab‘ nur zwei Berater. Denen vertraue ich zu hundert Prozent. Ich brauche auch keine Second Opinion.«

Neues Leben

»Bei Mercedes bin ich alles, was mich ausmacht. Rennsport-Experte, Unternehmer, Investor.«

Kinder und Geld

»Normal bleiben, auch wenn Geld da ist. Um nichts Anderes geht es.«

Timeline

GELD UND LEBEN
Vorwort von Conny Bischofberger


Der Frühling 2015 wird mir ewig als Lauda-Frühling in Erinnerung bleiben. Er begann an einem Mittwochmorgen im April. Ich traf Niki Lauda im Wiener Café Imperial, um unser Buchprojekt zu besprechen. Sein rotes Kapperl leuchtete schon von weitem, er ließ sich gerade den letzten Gang seines Frühstücks – gerissener Apfel mit Joghurt – servieren. Es war 7 Uhr 50, ich wusste bereits von vielen Terminen der vergangenen 20 Jahre, dass er Zufrühkommen schätzt.

In allen Interviews, nicht nur in meinen, hatte Lauda auf Geldfragen immer geantwortet: »Über Geld spreche ich nicht.« Und jetzt wollte ich mit ihm ein Buch über das große Tabu schreiben. Ich rechnete damit, dass er mir spontan den Vogel zeigen würde. Ich malte mir aus, dass er mich fragen würde: »Bist du verrückt?« Dann würden wir beide lachen und das Thema wäre erledigt.

Aber Lauda gefiel die Idee. »Warum fangen wir nicht gleich an?«, meinte er. Gott sei Dank habe ich immer mein Sony-Aufnahmegerät dabei. Es war das erste von insgesamt acht Gesprächen über Traumdeals und Risikogeschäfte, Spekulationen und Emotionen, Geiz und Gier. Acht mal 55 Minuten.

Als Journalistin suche ich in Biografien immer die Brüche. Nicht die stromlinienförmige Chronologie, sondern die Abweichungen machen den Menschen aus. In keiner anderen Biografie fand ich so viele Brüche wie in der von Niki Lauda. Fast immer haben diese Brüche bei ihm auch mit Geld zu tun. Der Feuerunfall am Nürburgring kickte ihn aus dem Millionengeschäft des Rennsports, der Flugzeugabsturz der Lauda Air brachte ihn an seine persönlichen und finanziellen Grenzen. Mir ist noch immer ein Rätsel, wie sich so viel Geld und Leben in 7 Stunden 20 Minuten ausgegangen ist.

Die Antwort liegt in Laudas Persönlichkeit. Er ist der zeitökonomischste, präziseste und unkomplizierteste Interviewpartner, den ich in mehr als dreißig Jahren meiner Tätigkeit als Journalistin kennengelernt habe – und einer der ganz wenigen, mit dem ich per »Du« bin.

Stichwort Zeitökonomie: Nach unserer ersten Sitzung fragte er mich: »Wie lange wird das noch dauern?« Nach unserer zweiten Sitzung wollte er wissen, ob es denn schon ein geschriebenes Kapitel gebe.

Stichwort präzise: Während vergleichbare Gespräche oft bis zu dreißig DIN-A4-Seiten füllen, passt ein Lauda-Dialog locker auf zehn bis zwölf Blätter. Seine knappe Sprache ist für eine Autorin eine echte Herausforderung. Vor allem, wenn es um Emotionen geht, antwortet er gerne mit »Null!«. Null Kränkung, null Wehmut, null Schmerz.

Sein meistverwendetes Eigenschaftswort ist »logisch«. Darauf folgen immer einleuchtende, meist technische Erklärungen – etwa über die Ursachen eines Flugzeugabsturzes oder einen Sieg in der Formel 1.

Sein liebster Satz ist »Langer Rede kurzer Sinn«. Immer, wenn er etwas erzählen sollte und es dann ins Detail ging, wurde es ihm zu blöd und er sagte: »Langer Rede kurzer Sinn, du kennst die Geschichte eh.« Vorsichtshalber solle ich die Einzelheiten in seiner einzigen autorisierten Biografie noch einmal nachlesen. Danke, Herbert Völker, dass wir in diesem Buch so oft darauf Bezug nehmen durften.

 

Stichwort unkompliziert: Wenn ich Niki Lauda fertige Kapitel mailte, dauerte es keine zwei Stunden, bis seine Antwort aufpoppte. Es gab drei Versionen davon: »Okay, Niki«, »Danke, Niki« und »Super, Niki«. Wenn er Kleinigkeiten ändern wollte, rief er mich an, das ging alles ruckzuck. Er zählt nicht zu jenen Menschen, die sich alles zweimal überlegen.

So gab Niki Lauda das Tempo für dieses Buch vor und es wurde ein ziemlich intensiver Frühling. Ich habe in diesen Monaten das Café Imperial mit seinen rot gepolsterten Bänken, den frischen Rosen auf dem Tisch, den Spiegeln, in denen das Licht der Kristallluster glitzert, lieb gewonnen. An acht Mittwochen durfte ich am ersten Tisch links im hintersten Zimmer frühmorgens den Menschen Lauda aus nächster Nähe studieren. Seine ungeheure Präsenz. Wie er, ohne den Faden zu verlieren, für Fans, die an seinen Tisch kamen, Autogramme schrieb. Wie er während meiner Fragen – sichtlich amüsiert – Ehedramen, die sich am Nebentisch abspielten, registrierte. 55 Minuten Lauda exklusiv. Nur zur Lüftung des Kapperls oder zum Nachdenken hielt er während des Redens manchmal kurz inne und strich sich über den nackten Schädel. Das verbrannte Ohr, das verbeulte Gesicht: Zeichen seines unzerstörbaren Willens zu überleben.

Laudas Schlüsselsätze zum Erfolg markieren den Beginn der Kapitel in diesem Buch. Es sind persönliche Bekenntnisse einer irrwitzigen Konsequenz.

So viel Lust, mit Geld zu arbeiten. So wenig Lust, es auszugeben.

ZAHLENSPIELE
»Wenn ich an Geld denke, dann sehe ich nur Zahlen. Keine Scheine, keine Münzen, keine Emotion.«


Geld macht glücklich, Geld ist Energie. Geld beeinflusst Beziehungen, Geld regiert die Welt.

Ich messe diesen Sprüchen nicht sehr viel Bedeutung bei. Für mich ist Geld ganz einfach Geld, da steht nichts dahinter. Psychologie schon gar nicht. Wenn ich an Geld denke, dann sehe ich nur Zahlen. Keine Scheine, keine Münzen, keine Emotion.

Ich liebe Zahlen. Wenn ich in Gedanken 18 Jahre zurückfahre, dann kann ich heute noch genau sagen, wie viel 1997 die erste Boeing 777 für die Lauda Air gekostet hat: 115,8 Millionen Dollar, wir haben zwanzig Prozent Diskont herausgehandelt! Das war für eine Triple Seven ein richtig guter Preis.

Ich weiß auch noch genau, wie viel ich für den Anzug hingeblättert habe, den ich mir für die Hochzeit von Red-Bull-Teamchef Christian Horner mit Geri Halliwell, dem Ex-Spice-Girl, im englischen Bedfordshire schneidern habe lassen. Dunkelblaues Tuch, Einreiher, angefertigt von Maßschneider Thomas Netousek in der Wiener Gumpendorferstraße. 3.275 Euro.

Und mein Frühstück im Wiener Ringstraßen-Café Imperial, wo ich dreimal in der Woche meinen Tag beginne – Schnittlauchbrot, Ei im Glas, dazu ein Joghurt mit gerissenem Apfel und zwei Melange – kostet 26 Euro geradeaus. Da gebe ich immer dreißig, weil ich ohne Münzen auskommen will. Ich hasse das, wenn ich am Flughafen durch die Security gehe und die Münzen scheppern wieder herum.

Schon allein deshalb ist der Vergleich mit Dagobert Duck, der gerne im Geld schwimmt, ein totaler Blödsinn. Der »Schutzheilige aller Geizigen« wohnt ja in einem Geldspeicher und nimmt Bäder in den Münzen! Das Einzige, das Niki Lauda mit Onkel Dagobert verbindet, ist Sparsamkeit. Das haben mir meine Eltern von Anfang an mitgegeben: Ruhig bleiben, nichts ausgeben! Auch die Ente mit dem Dollarzeichen in den Augen verzichtet auf unnötige Ausgaben, weshalb sich ihr Geld langfristig vermehrt statt weniger zu werden. Ein logisches Prinzip: Reich wirst du nur, wenn du mehr Geld einnimmst als du ausgibst.

Sein Vermögen hat Dagobert Duck durch Intelligenz und harte Arbeit erlangt. Ein Zugang, der mir gefällt. Wer erlebt hat, dass man am besten durch eigene Leistung Geld verdient, überlegt sich zweimal, ob und wie er es ausgeben soll.

Das Dollarzeichen in den Augen steht natürlich für Gier. Das hat der Mensch leider so an sich, er ist nie zufrieden. Das gilt für einen Normalverdiener genauso wie für einen Großverdiener. Geld ist eine ganz starke Motivation. Wer von Geld getrieben ist, will immer mehr, das hört nie auf. Die Gier ist ein Hund. Deshalb überlege ich mir bei Investitionen sehr oft: »Soll ich das noch machen? Steht das noch in einem vernünftigen Verhältnis?« Die Gier verstellt ja den realistischen Blick auf das Risiko. Und ist deshalb sehr gefährlich.

Ich war nie von Geld, sondern immer von Leistung getrieben. Das hat im Rennsport begonnen, wo Leistung und Einkommen direkt verlinkt sind. Wenn ich nicht gewinne, kriege ich kein Geld. Ich bekam die Rechnung für meine Leistung immer sofort präsentiert.

Dieser Leistungsgedanke fehlt mir in unserem Sozialsystem. Da gibt es Konstellationen, wo Menschen mit null Leistung Geld bekommen. Ich will über diese Menschen nicht urteilen. Erstens sind manche vielleicht unverschuldet in Not geraten und auf unser Sozialsystem angewiesen. Andere wiederum haben möglicherweise gar kein Interesse daran, sich anzustrengen und Leistung zu erbringen. Vielleicht wollen sie nur die Vöglein anschauen, das Leben genießen und keine Arbeit dabei haben.

Es heißt ja, wie jemand über Geld denkt, bestimmt auch seinen Umgang damit. Wer sich Scheine vorstellt, möchte reich werden und muss sich vor der Gier in Acht nehmen. Wer Münzen vor sich sieht, ist eben ein Münzen- oder Erbsenzähler. Wer beim Thema Geld emotional wird, lässt sich bei seinen Entscheidungen von Gefühlen statt von Fakten leiten.

Ich sehe, wenn ich an Geld denke, nur Zahlen. Diese Zahlen stehen jeweils für Ziele. 115,8 Millionen Dollar für eine Triple Seven, 3.275 Euro für einen Hochzeits-Maßanzug, 26 Euro für mein Frühstück im Café Imperial. Alles Ziele, die mir das Geld wert sind. Wobei sich mein Lebensstil natürlich auf hohem Niveau abspielt.

Obwohl ich mir in der Schule nur eine einzige Jahreszahl gemerkt habe – 1866: die Schlacht von Königgrätz – und ein schlechter Rechner war, habe ich mit der Zeit ein besonderes Verhältnis zu Zahlen entwickelt. Heute merke ich mir jede Zahl, oft bis auf die letzte Kommastelle. Ich schaue mir die Zahl an und habe sie im Kopf.

Das war gerade bei Verhandlungen oft ein wichtiger Punkt. Da kam ich viel schneller weiter, weil ich nicht dauernd in Unterlagen blättern und suchen musste. Ich konnte mich immer auf mein Zahlengedächtnis verlassen. Ich habe alle relevanten Zahlen, aus all meinen bisherigen Verträgen der letzten vierzig Jahre, da oben im Kopf gespeichert. Ich könnte sie jederzeit abrufen. Ähnlich wie der Tiroler Immobilieninvestor René Benko, der gerne erzählt, dass es in seinem Kopf ständig rechnet.

Für mich persönlich war Geld auch nie ein Machtinstrument, in keiner Weise. Je mehr Geld im Spiel ist, desto wichtiger ist es, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben, selbst das beste Beispiel abzugeben. Als Luftfahrtunternehmer zum Beispiel war für mich immer klar: Der Chef hat das kleinste Büro von allen. Er fliegt die wichtigen Strecken selbst. Er ist »part of the game«, denn nur wer mittendrin steht, ist für seine Mitarbeiter auch glaubwürdig.

Mich wundert manchmal, dass viele Unternehmer eine ganz andere Auffassung von ihrem Job haben. Sie agieren so, als wäre fremdes Geld weniger wert als das eigene. Für mich ist es genau umgekehrt. Für fremdes Geld trage ich noch größere Verantwortung.

Verantwortung ist ein gutes Stichwort. Das Leben, das ich führe, ist ein Ergebnis aus meinen Gedanken, meinen Worten, meinen Handlungen. Dafür trage ich die persönliche Verantwortung. Geld ist immer eine Folge meiner Gedanken, meiner Worte, meiner Handlungen.

Ich habe in diesem Buch – basierend auf vielen Gesprächen mit Conny Bischofberger – die markanten Stationen meines Lebens unter dem Gesichtspunkt des Geldes beleuchtet.

Reden wir über Geld! Es lohnt sich.


ERSTE GESCHÄFTE
»Seinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände. Das Geld folgt dann schon.«


Ich, Andreas Nikolaus Lauda, wurde im Nachkriegswien 1949 in eine Industriellenfamilie hineingeboren. Gehobenes Großbürgertum, gediegener Lebensstil. Wir wohnten in einer schönbrunnerfarbenen Villa mit Park und Pool in Pötzleinsdorf, und meine früheste Erinnerung ist, dass ich heimlich die Limousinen unserer Gäste umgeparkt habe, während im Salon der Tee serviert wurde. Kindheitsfotos zeigen mich als zartes Bürscherl mit vorstehenden Zähnen, eingeklemmt zwischen Mama und Bruder im Loden-Janker. Meine Mutter fuhr regelmäßig zu einem Zahnarzt hinter dem Wiener Rathaus mit mir, wo ich jahrelang mit Regulierungen gequält wurde. Vom Typ her war ich eher ein Weichling, oder wie man in Wien sagt: Ein Seicherl.

Meine Eltern Ernst-Peter und Elisabeth lernten einander am Arbeitsplatz meines Vaters kennen, in der Neusiedler Papierfabrik, die 1793 gegründet worden war. Generaldirektor war nach dem Ersten Weltkrieg Dr. Emil von Linhart, Vater dreier Töchter. Die mittlere, Elisabeth, heiratete meinen Vater, den Prokuristen Ernst-Peter Lauda, der später selbst Generaldirektor wurde.

Ich und mein jüngerer Bruder Florian wurden von Kindermädchen erzogen, es gab eine Köchin, und mein Vater hatte einen dunkelblauen Buick Skylight – später dann einen Dienst-Mercedes 300 – mit Chauffeur. Der Fahrer brachte meinen Bruder und mich zur Schule. Ich bat ihn jedes Mal, doch bitte ums Eck stehenzubleiben, ich wollte nicht mit Chauffeur vorfahren. So gescheit war ich damals schon.

Ich bin wohlerzogen aufgewachsen, finanziell fehlte es uns an nichts. Der Reichtum wurde bei den Laudas aber nicht nach außen getragen, er war etwas Hintergründiges, Geheimnisvolles. Als ich ungefähr zehn war, fragte ich meinen Vater: »Wie viel Geld haben wir eigentlich?« Er erhob seinen Zeigefinger und sagte: »Pass auf! Über Geld spricht man nicht. Und wenn du noch einmal fragst, kriegst ein paar Watschen.«

Wir fuhren einmal im Jahr auf Urlaub, nichts Besonderes, bescheiden eigentlich. Ich glaube, wir bekamen nicht einmal Taschengeld. Der sorgsame Umgang mit Geld war in meinem Elternhaus mit seinen gewachsenen Werten und ererbtem Besitz eine Grundregel. Keine unnötigen Ausgaben, lautete die Devise. Und schon gar nicht schmiss man das Geld zum Fenster hinaus.

Mein Großvater bewegte sich schon eher wie ein echter Millionär. Er war der Vorzeige-Industrielle im Land und wohnte in einem Ringstraßenpalais mit livrierten Dienern, die schwarze Uniformen und weiße Handschuhe trugen. Hans Lauda war Generaldirektor der Veitscher Magnesitwerke. 1938 entließen ihn die Nazis, nach dem Krieg kehrte er jedoch wieder auf seinen Posten zurück. Als Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung zählte er zu den Wegbereitern der Sozialpartnerschaft und des Wirtschaftswunders. Er war bis 1974 auch Präsident des Roten Kreuzes und war deshalb persönlich bekannt mit Fürstin Gracia Patricia, die in Monaco Rot-Kreuz-Präsidentin war. 1956 organisierte er die Hilfe für Tausende Ungarnflüchtlinge. Ich war damals erst sieben, aber ich weiß aus Erzählungen meiner Mutter, dass alle in der Lauda-Familie Kleider sammeln und Pakete schleppen mussten.

Wenn Großvater mit seinem wunderschönen dunklen Jaguar Mark X, Kennzeichen »W 313«, bei uns vorfuhr, schlug mein Herz höher. Manchmal kletterte ich heimlich ans Steuer seines Wagens und drehte ein paar Runden im Garten.

Sein Auto war ein Traum, aber als Mensch war mein Großvater ein Tyrann. Der Alte terrorisierte mit seiner Dominanz die gesamte Familie. Als ich in seinem Anwesen in St. Moritz, wo wir als Kinder skifahren lernten, einmal das Stiegengeländer hinuntergerutscht bin, hat er mich wegen eines angeblichen Kratzers niedergebrüllt. Unsere Geburtstage wusste er nur durch seine Sekretärin. Da verteilte er Kuverts, in denen ein paar 100-Schilling-Scheine waren, und eine Karte mit seiner Unterschrift drauf.

 

Später, als ich schon wusste, dass ich einmal Rennfahrer werden wollte, schimpfte er, dass das ein »Trottelsport« sei. Legendär sein Ausspruch, dass ein Lauda nicht auf der Sportseite der Kronen Zeitung stehen müsse, sondern im Wirtschaftsteil der Presse. Noch viel später verwendete ich meine ganze Energie darauf, ein Anti-Lauda zu werden. Mein Großvater diente mir dabei als Reibungsfläche.

Mein erstes eigenes Geld habe ich mit Schneepflügen verdient. Im Schöller-Park in Hirschwang an der Rax, wo sich die Betriebsstätte der Neusiedler AG befand, gab es einen Räumdienst, da hab’ ich mich gemeldet. Für jede Nachtstunde, die man auf dem Traktor mit Riesenschaufel fuhr und Schneeberge wegschaffte, gab es 12 Schilling. Man brauchte dafür auch keinen Führerschein. Mir ging es mehr ums Traktorfahren als ums Geldverdienen. Das Geld war die angenehme Nebenerscheinung einer Tätigkeit, die mich ausfüllte. Diese Regel hat sich in meinem Leben noch sehr oft bestätigt.

Als ich 16 war, erfuhr ich, dass meine Familie adelig ist. Das geht zurück auf meinen Urgroßvater Ernst Ritter von Lauda, der zur Zeit Kaiser Franz Josephs als k. u. k. Sektionschef für die Regulierung der Donau verantwortlich war. Damals wurde Wien alljährlich von katastrophalen Überschwemmungen heimgesucht, und seine gelungene Flussregulierung war der Grund, dass ihn der Kaiser in den erblichen Adelsstand erhob. Also könnte ich mich heute auch »von« und »zu« nennen. Andreas Nikolaus Ritter von Lauda. Auf das Aristokratische hab’ ich immer gepfiffen.

Unbestritten waren die Laudas etwas Besonderes. Auch der Bruder meines Großvaters. Er ging als »letzter Ritter der Medizin« in die Geschichte der Wiener Medizinischen Schule ein. Patienten aus aller Welt flogen ein, um sich vom Chef der Klinik, Professor Ernst Lauda, behandeln zu lassen. Leber, Milz und Darm waren die Spezialgebiete von Wiens führendem Internisten.

In der Lauda-Familie wurden auch besondere Hobbys gepflegt. Meine Eltern legten zum Beispiel großen Wert darauf, dass ihre Söhne, sobald sie zehn waren, reiten lernten. Großvater hatte selbst zwei Pferde und war Präsident der Campagne-Reitergesellschaft. Im Sommer wurden Florian und ich einen Monat lang auf ein Reitercamp in Newforest, England, geschickt, damit wir dort die Sprache lernten. Dabei fürchtete ich mich ungeheuer vor Pferden. Sobald ich das »Trapp trapp« hörte, wurde mir schlecht und ich versteckte mich auf dem Klo.

Ich hatte einfach andere Interessen. Autos, Motoren, Technik! Eines Morgens, noch im Pyjama, heizte ich eine Spielzeug-Dampfmaschine an. Zuvor mischte ich das Wasser im Kessel mit Eisenfeilspänen. Was natürlich keine so gute Idee war. Prompt gab es eine Explosion, und der heiße Dampf verbrannte mich am rechten Oberschenkel. Meine Eltern waren fertig.

Mit meinem Bruder Florian habe ich meistens gestritten. Uns verbinden bis heute keine Interessen, nur die Tatsache, dass wir Brüder sind. Einmal lag ich im Bett, da kletterte Florian auf den Nachttisch und wollte auf mich springen. Ich kippte den Tisch mit meinem Fuß um, und meinen Bruder prackte es auf den Boden. Da kam der Vater und gab mir eine Watschen.

Manchmal spielten wir gemeinsam Feuerwehr. Um das Ganze ein bisschen authentischer und herausfordernder zu machen, schleppte ich eines Tages einen Kanister an, schüttete das Benzin aus, zündete es an und befahl Florian, das Feuer zu löschen. Obwohl die Schläuche bereit lagen, geriet der Brand kurz außer Kontrolle. Die Garage wäre fast abgebrannt und ein paar Obstbäume waren angesengt. Das Autofahren haben mir meine Cousins, die Czepregley-Söhne, beigebracht, in einem roten Puch 500. Damals war ich zwölf Jahre alt.

Mit 15 wurde ich gezwungen, in die Oper zu gehen. Meistersinger von Nürnberg, ich saß mit meinen Eltern und Michel, einem Klassenkameraden, in einer Loge. Es war so fad, dass mein Freund sein Klappmesser auspackte und begann, in der Loge am Sitzpolster zu ritzen. Ich ärgerte mich, dass man kein Wort verstand. Die sangen die ganze Zeit, aber ich hatte keine Ahnung, worum es da ging. Es war mein erster und letzter Opernbesuch.

Als Nachkomme der Dynastie hätte ich eigentlich Papier-Industrieller oder Generaldirektor bei den Magnesitwerken oder zumindest Arzt werden sollen. Was aber aufgrund meines mangelnden Schulerfolges sowieso nicht infrage kam. Im Gymnasium in der Krottenbachstraße blieb ich schon in der dritten Klasse sitzen, ich glaube, es war in Religion, und in der fünften noch einmal – diesmal in Latein. Rückblickend kann ich sagen, dass die Schule den Fokus auf meine Schwächen gelegt hat. Statt das Beste aus mir herauszuholen, haben mir die Lehrer vor Augen geführt, was ich nicht konnte. Still dasitzen und zuhören. Dinge auswendig lernen, die sinnlos sind. Mich anstrengen, um irgendwelche Prüfungen zu bestehen oder um gute Noten zu bekommen. Das interessierte mich einfach nicht.

Mit 18 flog ich aus der Schule und begann eine Mechaniker-Lehre. Das war für einen Lauda zwar eine ziemliche Schande, aber für mich war es okay. Ich liebte ja Autos.

Ich kam in eine Volvo- und BMW-Werkstatt und lernte alles über Motoren. Meine Karriere bekam aber relativ rasch einen Knick. Denn eines Morgens um 7 Uhr kam ein aufgeregter Geschäftsmann und wollte rasch einen Ölwechsel, weil er um 8 einen wichtigen Termin hatte. Ich fuhr das Auto über eine Grube, stieg darunter und versuchte, die Mutter der Ölwanne aufzukriegen. Leider drehte ich die Schraube in die falsche Richtung. Die Ölwanne war kaputt, und es gab einen riesigen Wirbel, weil der ganze Motor ausgebaut werden musste. Das dauerte zwei Tage, der Kunde tobte wie ein Irrer.

Fortan wurde ich wie der größte Trottel behandelt, die Mechaniker schickten mich nur noch zum Wurstsemmelholen. Da ich die Bestellungen – Extrawurst, Wiener, Krakauer, Braunschweiger, Dürre, mit und ohne Gurkerl – dauernd verwechselte, schmissen sie mir reihenweise die Schraubenschlüssel und andere Dinge nach.

Ich war endgültig das schwarze Schaf in der Familie. Mein Vater steckte mich daraufhin in die Maturaschule, die hatte den Ruf, dass sie auch die hoffnungslosesten Söhnchen noch irgendwie durchbrachte. Eine Zwischenprüfung in Englisch – es war die einzige, die ich ablegte – brachte mir so viel »Erfolgshonorar« von der begeisterten Verwandtschaft ein, dass ich mit dem Geld einen gebrauchten VW Cabrio kaufen konnte, der genauso alt wie ich war – Baujahr 1949! Er hatte einen Vergaser, einen halboffenen Motordeckel und breite Räder, war also für die normalen Straßen nicht zugelassen. Ich ließ ihn auf das Gut meiner Großeltern in Niederösterreich schleppen, lackierte ihn, nahm ihn auseinander, baute ihn wieder zusammen. Ich düste dort herum wie ein Wahnsinniger. Ich baute sogar eine Sprungschanze und sprang mit dem Käfer Rekord – 22 Meter weit!

Meine Passion für Autos und Technik teilte im ganzen Lauda-Clan nur einer mit mir, und das war mein Onkel Heinz. Er war Staatsmeister im Gocart-Fahren. Immer wenn er ein neues Gocart bekam, durfte ich damit 2.000 Touren im Kreis fahren. Dem Onkel war das zu langweilig, erst wenn ich es eingefahren hatte, gab er Vollgas damit. Mit ihm bin ich später auch zu meinem ersten Formel 1-Rennen am Nürburgring gefahren. Er war der Mentor für meine großen Ambitionen.

Mein Schulnachbar war der Peter Draxler, Sohn des damaligen Rapid-Präsidenten und legendären Wiener Geflügelhändlers. Wir waren bildungsmäßig ungefähr auf demselben Niveau, aussichtslose Fälle alle beide. Sein Vater hatte einen nagelneuen weißen Austin Mini Cooper S als Zweitwagen in der Garage stehen, und ich überredete Peter aus lauter Fahrgeilheit, ihm die Schlüssel für eine kleine Spritzfahrt zu klauen. Ich war 18 und hatte gerade einmal den Führerschein. Wir kurvten rauf auf die Wiener Höhenstraße, auf der Brücke war Raureif. Ich mit voller Post in die Kurve, da erwischte der Mini den Randstein. Totalschaden!

Peter hatte Riesenfedern vor seinem Vater, und mir war der Unfall peinlich. »Wenn du ihm den Mini schnell abkaufst, merkt er es gar nicht«, erklärte Peter und nannte mir auch gleich den Preis: 38.000 Schilling.

Für mich gab es nur einen Weg, zu diesem Geld zu kommen, und der lief über Oma Emmi. Sie wohnte nach der Scheidung von meinem Großvater bei uns im Haus und so ging ich rauf zu ihr in den ersten Stock und erzählte ihr, dass ich ein Grundstück kaufen könnte auf dem Kahlenberg. Es würde 38.000 Schilling kosten.

Der Gedanke, dass ihr Enkelsohn im Alter von 18 bereits an eine Investition in Grund und Boden dachte, gefiel ihr. Wir fuhren rauf auf den Kahlenberg, ich zeigte irgendwohin und sagte: »Schau, Oma, dort wäre das Grundstück!« Darauf sie: »Ein Grundstück, das macht Sinn.« Am übernächsten Tag wollte sie nochmal rauf auf den Kahlenberg und ich zeigte ihr wieder den Platz. »Oh, Niki, du hast sogar Rasen gemäht am Grundstück!« Die Oma war ganz entzückt, fuhr mit mir auf die Bank und überreichte mir 38 blaue Scheine.

Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, aber für seinen schrottreifen Mini hätte ich nie so viel Geld bekommen. Ich brauchte ihn, weil ich nämlich in der Autorevue gelesen hatte, dass Staatsmeister Fritz Baumgartner, der schnellste Mann auf Minis, seinen Wagen verkaufte. Mein Plan war, den Unfall-Mini zu reparieren und gegen diesen Renn-Mini einzutauschen.

Ich trat beim Hendlkönig an, und der Alte willigte sofort ein, mir den Mini um 38.000 Schilling zu verkaufen. »Mein Sohn wird dich zur Garage führen.« Draxler hatte keine Ahnung, dass sein Zweitauto auf der Höhenstraße im Graben lag.

Ich habe dann noch ein zweites Mal geschwindelt in meinem Leben. Meine Eltern bestanden nämlich auf einen Schulabschluss, dabei hatte ich in der Maturaschule das Lernen längst aufgegeben und weiter an meiner Rennfahrer-Karriere gebastelt. Ich dachte logisch nach. Und kam zu folgendem Schluss: Da ging es einzig und allein um die Ambitionen meiner Eltern, denen konnte geholfen werden …

Kurz hatte ich mir die möglichen rechtlichen Folgen vor Augen geführt, gelangte dann aber zur Überzeugung, dass die Fälschung eines Maturazeugnisses für den Hausgebrauch keine so große Sache sei. Eine Schülerin aus meiner Klasse überließ mir ihr Original, meldete den Verlust ihres eigenen Zeugnisses und kriegte ein Duplikat. In der Bank hinter mir saß ein Kollege, der meinte: »Ich kann dir das Zeugnis umbauen.« Er nahm Radiergummi und Tintentod, löschte den Namen der Schülerin aus und schrieb Andreas N. Lauda an die Stelle. Mit diesem wirklich miserabel gefälschten Zeugnis fuchtelte ich vor den Augen meiner Eltern ein paar Mal hin und her; alle waren happy. Es ertönte ein einziger Jubelruf: Der Niki hat maturiert! Ich hab’s dann zerrissen und konnte mich wichtigeren Dingen zuwenden.

Dem ersten Geldgeschäft meines Lebens zum Beispiel: Den reparierten Mini tauschte ich dann tatsächlich gegen den Mini des Staatsmeisters ein. Baumgartner wollte aber für das Rennauto noch 20.000 Schilling extra, obwohl der Motor kaputt war. Ich lud ihn in die Pötzleinsdorfer Straße ein, was meine Bonität drastisch erhöhte. Dort bauten wir den Motor des dunkelblauen Wagens mit weißem Dach nach und nach zusammen und schliffen die Ventile ein. Mein erstes Rennauto dürfte um die 100 PS gehabt haben, beim ersten Rennen, 1968 in Mühlacken, landete ich gleich auf Platz zwei.