Konstruktives Interkulturelles Management

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Konstruktives Interkulturelles Management
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UTB 5049

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Prof. Dr. Christoph Barmeyer ist Inhaber des Lehrstuhls für Interkulturelle Kommunikation an der Universität Passau und regelmäßiger Gastprofessor für Interkulturelles Management an französischen Hochschulen.

Christoph Barmeyer

Konstruktives

Interkulturelles

Management

Mit 29 Abbildungen und 87 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Umschlagabbildung: Ulrike Haupt, Starnberg

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

EPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

UTB-Band-Nr. 5049

ISBN 978-3-8463-5049-2

Inhalt

Worum es in diesem Buch geht und warum es lesenswert ist

Was Organisationen mit Interkulturalität zu tun haben

Warum dieses Buch anders ist

Wie Konstruktives Interkulturelles Management entwickelt wird

Wem Dank gebührt

Internationalisierung von Organisationen als Kontext der Interkulturalität

Makrokontext: Internationalisierung und Globalisierung

Mesokontext: Internationale Organisation

Mikrokontext: Internationales Management

Interkulturelle Managementforschung

Genese: Entstehung des Forschungsfelds

Gegenwart: Gegenstandsbereich der Forschung

Zukunft: Forschungsherausforderungen

Kultur(en) und Kulturdimensionen

Kulturkonzepte der Interkulturellen Managementforschung

Multiple Kulturen und kulturelle Dynamik

Kulturdimensionen und Kulturstandards

Sozialwissenschaftliche Paradigmen der Interkulturellen Managementforschung

Systematisierung sozialwissenschaftlicher Paradigmen

Verortung der Interkulturellen Managementforschung

Konstruktiver Umgang mit multiplen Paradigmen

Interkulturelle Ordnungsmodelle

Drei-Ebenen-Modell

Interkultureller Dreischritt

Drei-Faktoren-Modell

Methodologie Interkultureller Managementforschung

Methodische Herausforderungen

Operationalisierung von Kultur

Forschungsdesigns für Konstruktive Interkulturelle Managementforschung

Interkulturalität als Aushandlungsprozess

Interkulturalität und interkulturelle Interaktionen

Interkulturalität als dialogischer Aushandlungsprozess

Konzepte und Formen ausgehandelter Interkulturalität

Interkulturelle Komplementarität und Synergie

Interkulturelle Komplementarität

Interkulturelle Synergie

Fallstudien zu interkultureller Synergie

Sprache und Kommunikation

Sprache und interkulturelle Kommunikation

Sprache in Organisationen

Konstruktive Gestaltung der Sprachpraxis

Interkulturelle Führung

Kulturspezifika von Führung

Kulturvergleichende Führung

Interkulturelle Führung

Interkulturelle Arbeitsgruppen

Interkulturelle Teams

Interkulturelle virtuelle Teams

Interkulturelle Teamentwicklung

Interkultureller Transfer von Organisationspraktiken

Konzepte und Modelle interkulturellen Transfers

Herausforderungen und Widerstände in der Transferpraxis

Konstruktiver Umgang mit Transfer: Rekontextualisierung

Interkulturelle Organisationsentwicklung

Kulturbezug der Organisationsentwicklung

Kulturvergleichende Organisationsentwicklung

Interkulturelle Organisationsentwicklung

Interkulturelle Kompetenzentwicklung

Genese interkultureller Kompetenzforschung

Interkulturelle Kompetenz und kulturelle Intelligenz

 

Maßnahmen interkultureller Kompetenzentwicklung

Konstruktive Interkulturalität fördern

Ein integratives Rahmenmodell

Multikulturelle Akteure als Brückenbauer

Weitere Erkundung konstruktiver Interkulturalität

Bibliographie

Worum es in diesem Buch geht und warum es lesenswert ist

Was Organisationen mit Interkulturalität zu tun haben

Organisationen sind zunehmend von Interkulturalität betroffen und ihre Akteure wirken und handeln zunehmend interkulturell. Schließlich sind kulturelle Unterschiedlichkeit von Organisationen und Interkulturalität in Arbeitskontexten trotz globaler Harmonisierungs- und Standardisierungsprozesse in gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen immer noch gegeben. Diese können weder verneint noch minimiert werden, wie es jahrzehntelange Debatten zu Culture Bound und Culture Free (Hickson/McMillan 1981; Maurice/Sorge 2000) oder zu Konvergenz und Divergenz von Praktiken und Werten (D’Iribarne et al. 1998; Inglehart/Welzel 2005; Adler 2008) illustrieren. Insofern bleibt Interkulturalität, die durch (kulturelle) Unterschiedlichkeit und damit einhergehende divergierende Bedeutungs- und Interpretationsspielräume der Akteure entsteht, ein zentrales und relevantes Thema internationaler Arbeit: Interkulturelle Arbeitssituationen sind aufgrund divergierender Erwartungen, Normen und Interpretationsweisen der Handelnden oft irritierend und konfliktbehaftet. So thematisieren es zahlreiche Critical Incidents, die in Organisationen Ressourcen wie Energie, Zeit und Geld beanspruchen. Problematische Interkulturalität kann also dazu führen, dass angestrebte Ziele aufgrund von Missverständnissen nicht erreicht werden.

Interkulturalität bietet auf der Basis umfangreicher empirischer Erfahrungen und zahlreicher konzeptioneller Bezugsrahmen aber auch Erklärungen und Hinweise, wie diese Missverständnisse verringert oder gar vermieden werden können. Neben dem problematisierenden Ansatz existiert auch der konstruktive Ansatz, der Interkulturalität und damit das Aufeinandertreffen kultureller Unterschiedlichkeit in einer konstruktiven, produktiven Weise als Ressource versteht (Barmeyer/Franklin 2016). In der konstruktiven Interkulturalität wird angenommen, dass kulturelle Unterschiede bereichernd und komplementär wirken, sodass sie beispielsweise in die gemeinsame Aushandlung von Management- und Organisationspraktiken münden. Diese Annahme ist die zentrale Grundidee vorliegenden Buches und findet sich in den meisten Kapiteln als Leitmotiv wieder.

Die Entwicklung und das Fortbestehen sozialer Systeme im Allgemeinen und Organisationen wie Unternehmen im Besonderen hängt davon ab, wie es diesen Systemen gelingt, wirkungsvolle und bewährte Praktiken der Problembewältigung zu generieren, anzuwenden und zu etablieren. Diese Herausforderung betrifft in einem besonderen Maße international und interkulturell agierende Organisationen, deren Akteure unterschiedliche Arten der Problembewältigung zu kombinieren und zu integrieren haben. Andere Erfahrungshintergründe sowie sinn- und orientierungsgebende Referenzsysteme (D’Iribarne 2009a; Primecz et al. 2011), die durch spezifische Sozialisation entstanden sind, manifestieren sich in unterschiedlichen Denk- und Arbeitsstilen. Diese wirken sich konkret auf die interkulturelle Zusammenarbeit in der täglichen Arbeitspraxis aus: Gerade die von Interkulturalität besonders betroffenen Abteilungen oder Arbeitsgruppen etc. haben ein hohes Interesse daran, Arbeitsprozesse wirkungsvoll, konstruktiv, effektiv und zielführend zu gestalten.

Umso mehr überrascht, wie wenig bisher in Richtung konstruktiver Interkulturalität theoretisch-konzeptionell und praktisch-empirisch geforscht und publiziert wurde – und wenn doch, wie dominant dann dennoch die problematischen und negativen Aspekte von Interkulturalität hervorgehoben werden (Stahl/Tung 2015; Chanlat/Pierre 2018). So plausibel und erstrebenswert interkulturelle Synergie als positives Ergebnis interkultureller Interaktion für Konstruktives Interkulturelles Management ist – umso erstaunlicher ist es, dass konstruktive Interkulturalität bislang eher nicht im Fokus des Erkenntnisinteresses stand. In vielen grundlegenden Werken des Cross-Cultural Management oder Intercultural Management wird Synergie nicht einmal thematisiert: Weder in Hofstedes Werk Culture’s consequences (1980, 2001), noch in dem von Peterson und Søndergaard (2008) herausgegebenen vierbändigen Werk Foundations of Cross-Cultural Management, das Beiträge der »Klassiker« aus fünf Jahrzehnten der Forschung versammelt, gibt es außer dem Beitrag von Adler (1980) keinen Eintrag zur Synergie. Ähnliches gilt für das von Gannon und Newmann (2002) herausgegebene Blackwell Handbook of Cross-Cultural Management. Synergie wird erneut nur durch einen Beitrag von Adler thematisiert. Im Handbook of Cross-Cultural Management Research von Smith, Peterson und Thomas (2008) finden sich keine Beiträge zu positiven Effekten von Interkulturalität, auch nicht im Cambridge-Handbuch Culture, Organizations, and Work von Bhagat und Steers (2009), ebenso wenig in Jack und Westwoods (2009) International and Cross-Cultural Management Studies. A Postcolonial Reading. Weder der Sammelband Cross-Cultural Management. Culture and Management Across the World von Chanlat, Davel und Dupuis (2013) noch die Lehrbücher Managing across cultures von Schneider, Barsoux und Stahl (2014) und Cross-Cultural Management von Thomas und Peterson (2015) thematisieren Synergie – und ebenso wenig das von Holden, Michailova und Tietze (2015a) herausgegebene Routledge Companion to Cross-Cultural Management sowie Cross-Cultural Management von Mahadevan (2017) oder Le management interculturel. Evolutions, tendances et critiques von Chanlat und Pierre (2018).

Jedoch existieren auch einige Ausnahmen, wie die Veröffentlichungen von Adler (1980, 2002), von Chevrier (2003a), von Hampden-Turner/Trompenaars (2000) oder von Primecz et al. (2011), die sich explizit mit dynamischer, meist komplementärer, interkultureller Aushandlung und Lösungsfindung im Management beschäftigen. Aktuell thematisiert ebenso ein Fallstudienbuch von Barmeyer und Franklin (2016) Konstruktives Interkulturelles Management.

Interkulturelle Synergie in der Praxis interkulturellen Arbeitens ist ebenfalls kaum empirisches Forschungsthema: Die wenigen empirischen Studien beziehen sich vor allem auf kleine soziale Entitäten wie Arbeitsgruppen (Zeutschel 1999; Barmeyer 2000; Tjitra 2001; Stumpf 2005; Köppel 2007; Adler 2008; Stahl et al. 2010), selten außer bei Mergers & Acquistions (Brock 2005) auf miteinander agierende Unternehmen, nicht jedoch auf einzelne Organisationen im Ganzen. Gründe hierfür sind zum einen die problematische Übertragung auf komplexe soziale Systeme (Selbstorganisation der Elemente und begrenzte Prognostizierbarkeit über Prozessverläufe) und zum anderen der Mangel an systemischen und interkulturellen Kenntnissen und Methoden. Ebenso hängt die Ermöglichung interkultureller Synergien nicht nur entscheidend von spezifischen Kontexten (kollektive Strukturen und Prozesse), individuellen Vorerfahrungen, Interessen, Motivationen und Kompetenzen ab, sondern auch vom Zusammenspiel der kulturellen Akteure. Interaktionen beeinflussende Elemente wie Machtasymmetrien, wie sie in den postkolonialen Studien (Jack/Westwood 2009), den Critical Management Studies (Alvesson/Willmott 1992; Mahadevan 2017) oder Studien der Organisationssoziologie (Crozier/Friedberg 1977) im Zentrum stehen und sich in der Praxis in Dominanz, Mikropolitik oder Hidden Agendas zeigen, erschweren auch die Herausbildung interkultureller Komplementarität und Synergie.

Vorliegendes Buch wählt bewusst die Ausrichtung der konstruktiven Interkulturalität: Interkulturalität in Organisationen wird aus Theorie und Praxis beleuchtet, in denen komplementäre und synergetische Aspekte von Interkulturalität verdeutlicht werden. Dieses Buch eignet sich nicht nur zur theoretischen Analyse, sondern trägt auch als Impuls- und Ideengeber im Transfer auf die Praxis zur zukünftigen Gestaltung von Interkulturalität und Synergie in Arbeitssituationen bei.

Warum dieses Buch anders ist

Dieses Buch hebt sich von vielen anderen Lehrbüchern zum Interkulturellen Management ab: Das zentrale Anliegen dieses Buches ist die Gestaltung konstruktiver Interkulturalität und Komplementarität in Organisationen. Zwar sind Erklären und Verstehen von Interkulturalität samt der dazugehörigen Probleme wichtige Grundlagen, aber nur in der problemorientierten Ausrichtung bringen sie weder die betroffenen Akteure in der Praxis noch die Interkulturelle Managementforschung weiter. Dieses Buch thematisiert deshalb auch komplementäre Aspekte von Interkulturalität durch eine Ressourcen- und Lösungsorientierung. Dahinter steht die humanistische, idealistische und normative Überzeugung, dass Menschen, sei es in ihren Funktionen und Rollen als interne Fach- und Führungskräfte oder als externe Berater und Experten, lern- und entwicklungsfähig sind und aktiv als Akteure konstruktiv-gestaltend auf ihr soziales Umfeld in Organisationen wie Arbeitsgruppen oder Abteilungen einwirken können. Interkultureller Kompetenz kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Konstruktive Interkulturalität lässt sich somit auch als Haltung verstehen, die in allen Lebens- und Arbeitsbereichen und somit auch in den Bereichen des Interkulturellen Managements wirkungsvoll sein kann, insbesondere um Unterschiede und Gegensätze komplementär zu verbinden. Dies wird in diesem Buch illustriert.

Weiterhin legt das Buch stärker als andere Publikationen zum Interkulturellen Management einen Fokus auf Organisationen, insbesondere Unternehmen, als Kontexte: Organisationen sind eine bedeutende und verbreitete Form sozialer Systeme, die der Internationalisierung unterliegen. Sie sind nicht nur Orte strategischer Zielerreichung, arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung und ökonomischer Wertschöpfung, sondern auch Kristallisationspunkte, verdichtete Räume und Felder beruflicher Sozialisation, Sinngebung und Identitätsstiftung. Organisationen sind somit exemplarisch Orte, an denen internationale Interaktivität stattfindet.

Ebenso wird immer wieder der dynamische Aspekt von Interkulturalität in Organisationen hervorgehoben. Interkulturalität ist ein meist nicht vorhersehbarer Prozess gegenseitiger Annäherung, Aushandlung und Entwicklung. Akteure in interkulturellen Situationen sind keine »Roboter« mit vorgegebenen kulturellen Denk- und Verhaltensweisen, sondern werden zum einen ihr Verhalten graduell an Kontexte und Interaktionspartner anpassen, zum anderen können sie Verlauf und Ergebnis von Situationen aktiv beeinflussen und gestalten. Interkulturelle Dynamiken finden sich überall in Organisationen, so etwa in der Führung von Mitarbeitern und Teams oder dem internationalen Transfer von Organisationspraktiken.

Im Sinne eines kulturellen Pluralismus und eines differenzierten modernen Kulturverständnisses werden neben der Nationalkultur auch andere multiple Kulturen wie Regional-, Branchen-, Organisations- und Professionskulturen berücksichtigt, ebenso Gender- und Generationsthemen. Trotzdem wird ein Betrachtungsschwerpunkt auf nationalen Kulturen liegen, entsprechend der Kulturraumstudien-Tradition der Universität Passau, wo der Autor Interkulturelle Kommunikation erforscht und lehrt.

Das Buch bildet durch Einbringung internationaler Ergebnisse der Forschung aktuelle und innovative Themen und Theorieansätze ab. Um einem Ethnozentrismus von Paradigmen, Kontexten und Themen entgegenzuwirken, werden zusätzlich zum deutschsprachigen und zum anglo-amerikanischen Diskurs interessante und relevante, hierzulande eher unbekannte Publikationen aus anderen Ländern und Kontinenten integriert. So wird sichergestellt, dass auch auf Ansätze der Interkulturalitätsforschung eingegangen wird, die nicht Mainstream sind. Der Länderfokus des Buches ist bewusst – in Abgrenzung zu vielen US-amerikanischen Lehrwerken und in der Tradition des Passauer Studiengangs Kulturwirtschaft – eher europäisch und westlich ausgerichtet, auch wenn Bezüge zu asiatischen, lateinamerikanischen oder afrikanischen Ländern hergestellt werden.

 

Das Buch lässt Interkulturalität nicht im abstrakten Raum stehen, sondern kontextualisiert sie, d. h. es erfolgt eine konkrete Einordnung interkultureller Situationen sowohl funktionaler, akteurspezifischer als auch kultureller Art, die auch – in der Interkulturellen Managementforschung häufig vernachlässigte – Einflussfaktoren wie Macht und Interessensgegensätze berücksichtigt. Gesamtzusammenhänge, die sich auch aus institutionellen Besonderheiten und sozialhistorischen Strukturen und Traditionen ergeben, werden ebenso berücksichtigt wie Wirkungsketten.

Hiermit verbunden ist der systemische Ansatz des Lehrbuchs. Immer wieder wird die Perspektive einer Metaebene eingenommen, um in der Wahrnehmung und Analyse eine gewisse Objektivität und Neutralität zu erreichen. Es geht um eine ganzheitliche Betrachtung von Phänomenen in kulturell-sozialen Systemen unter Betrachtung der Kontexte, Akteure und ihrer wechselseitigen Beziehungen. Systemisch bedeutet auch, dass nicht nur der Zustand von Systemen analysiert wird, sondern dass auch die Gestaltung von Systemen Betrachtungsobjekt wird.

Die Ausrichtung des Buches ist – entsprechend der Tradition der Universität Passau – interdisziplinär, was bedeutet, dass Phänomene der Interkulturalität anhand verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wie Kulturanthropologie, Psychologie, Soziologie, Organisations- und Managementforschung und der Kommunikationswissenschaft analysiert und interpretiert werden. Diese Disziplinenvielfalt ermöglicht ein multiperspektivisches Verständnis interkultureller Wirklichkeiten.

Da Interkulturalität und auch Management einen starken sozialen empirischen Wirklichkeitsbezug aufweisen, stellt das Buch eine Kombination von Forschung und Praxis dar: Theoretische Fundierungen in Form von Erkenntnissen und Ergebnissen der Wissenschaft werden bereichert durch Erfahrungen der Praxis. So dienen Beispiele aus dem Arbeits- und Organisationsalltag zur Illustration und Anwendung von Konzepten und Modellen. Im Sinne des Konstruktiven Interkulturellen Managements finden sich im Buch Gestaltungsempfehlungen.

Insgesamt integriert das Buch viele Ideen, Erfahrungen und Erkenntnisse meiner Publikationen der letzten beiden Jahrzehnte zum Interkulturellen Management und hat damit einen programmatischen Charakter.

Wie Konstruktives Interkulturelles Management entwickelt wird

Dieses Buch gibt einen umfassenden Einblick in die Vielfalt Interkultureller Managementansätze, Modelle und Praktiken in unterschiedlichen Handlungskontexten und zeigt systemische Zusammenhänge auf. Nancy Adler, eine der Pionierinnen des Forschungs- und Praxisfeldes, die sich seit den 1980er Jahren mit Interkulturellem Management beschäftigt, gibt folgende Definition:

»Cross-Cultural Management studies the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employees and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures; compares organizational behavior across countries and cultures; and, perhaps most importantly, seeks to understand and improve the interaction of co-workers, clients, suppliers, and alliance partners from different countries and cultures.« (Adler 2008, 13)

Ganz im Sinne der Definition Adlers wird Interkulturelles Management als Gestaltungsoption interkultureller Zusammenarbeit zum einen als Interaktion von Individuen verstanden, zum anderen steht der evolutionäre Entwicklungsaspekt von sozialen Systemen im Vordergrund. Es geht also um die konstruktive Gestaltung von Interkulturalität in ihrer vielschichtigen Dynamik. Sie umfasst drei Schritte (Tab. 1), die auch die Struktur des Buches darstellen und sich in der Gliederung des Buches wiederfinden.


SchrittFunktion/ZielKonkretisierungInstrumente
1.Bewusstwerden und VerstehenTheoretisierung und Wissen über interkulturelle Wirklichkeit sowie ihre InterpretationenKulturelle Unterschiede und Besonderheiten werden bewusst wahrgenommen, reflektiert und verstandenTheoretische Modelle und Konzepte zur Strukturierung und kritischen Einordnung
2.Erfahren und BegreifenIllustration und Erleben interkultureller WirklichkeitFunktionen und Rollen in der Organisation werden gelebtStudienergebnisse und Praxisbeispiele zur Illustration und Kontextualisierung
3.Gestalten und HandelnFähigkeiten, um interkulturelle Wirklichkeit zu beeinflussenHandlungsoptionen und Strategien werden entwickelt und ausgeführtKonzepte, Praktiken, Instrumente und Methoden zur Entwicklung konstruktiver Interkulturalität

Tab. 1: Gesamtrahmen konstruktiver Interkulturalität in Organisationen

In diesem Sinne wird Konstruktives Interkulturelles Management (KIM) definiert als der bewusste Umgang mit Kulturspezifika und kultureller Vielfalt in organisationalen Kontexten, bei dem es durch gegenseitige Anpassungs- und Entwicklungsprozesse gelingt, Spezifika als bereichernde und sich ergänzende Ressourcen konstruktiv so zu nutzen, dass ein Mehrwert für die Organisationen und ihre Akteure entsteht.

Aus Gründen der Lesbarkeit dieses Buches wird im Text durchgehend die männliche Form verwendet, was jedoch nicht auf eine Diskriminierungsabsicht von Frauen durch männliche Dominanz schließen lassen soll.

Wem Dank gebührt

Dieses Buch basiert neben einer Fülle aus Literatur unterschiedlichster Disziplinen, Zeiten sowie Sprach- und Kulturräumen auch auf zahlreichen Gesprächen und Aktivitäten mit Studierenden aus vielen Ländern, allen voran den Kulturwirtschaft-Studierenden der Universität Passau, aber auch Kollegen, die zu Interkulturalität, Internationalität und Organisationen forschen, Beratern und Trainern, die zu interkultureller Kompetenzentwicklung in Organisationen beitragen, und vielen Freunden, die biografisch oder beruflich von Interkulturalität betroffen und fasziniert sind. Diesen Akteuren sei ganz herzlich gedankt!

Besonders danken möchte ich an dieser Stelle vier Personen: Vor allem Volker Stein, Inhaber des Lehrstuhls für Personalmanagement und Organisation an der Universität Siegen, dem dieses Buch viele zentrale Anregungen und Ratschläge, Ermunterungen, redaktionelle Verbesserung und nötige Kürzungen verdankt und der die Fertigstellung des Buches bei einem abschließenden »Power-Buch-Workshop« an der Universität Passau mit meinen Lehrstuhlmitarbeitern und Studierenden koordinierte. Eric Davoine, Inhaber des Lehrstuhls für Personalmanagement und Organisation an der Université Fribourg, mit dem ich in langjähriger und intensiver Zusammenarbeit viele empirische Studien in bikulturellen Organisationen durchführte und der meine Forschungsperspektiven immer wieder erweiterte. Madeleine Bausch, Mitarbeiterin und Doktorandin an meinem Lehrstuhl, die in der Endphase des Buches meine Manuskripte mit Ausdauer, Geduld und Geschick bearbeitet hat. Ulrike Haupt, die als Interkulturalistin und kritische Gesprächspartnerin immer wieder wertvolle Beiträge geliefert hat und die unter dem mehrjährigen Buchschreiben ihres Gattens gelitten hat.

Auch die seit 20 Jahren wiederholt stattfindenden Begegnungen und Diskussionen mit Interkulturalitäts- und Organisationsforschern in Nordamerika und Westeuropa haben diesem Buch viele Impulse gegeben. Fasziniert von diesen Personen und ihren Ideen möchte ich nennen: Nancy Adler, Milton Bennett, Jürgen Bolten, Jean-François Chanlat, Sylvie Chevrier, Jacques Demorgon, Edoardo Ghidelli, Peter Franklin, Martin Heidenreich, Geert Hofstede, Philippe D’Iribarne, Elias Jammal, Allain Joly, André Laurent, Ulrike Mayrhofer, Vincent Merk, Alois Moosmüller, Bernd Müller-Jacquier, Hannes Piber, Laurence Romani, Eberhard Schenk, Stefan Schmid, Jean-Pierre Segal, Alexander Thomas, Sabine Urban, Jean-Claude Usunier.

Meinen Mitarbeitern am Lehrstuhl, die die Hoch- und Tiefphasen dieses Buches geduldig und konstruktiv begleiteten und kritisch das Manuskript durchgearbeitet oder zu den Kapiteln beigetragen haben, möchte ich herzlich danken: Ulrike Buchheit, Bruno Gandlgruber, Sina Großkopf, Andreas Landes, Sybille Maier, Martina Maletzky, Sebastian Öttl und Stephanie Smolik ebenso wie den studentischen Hilfskräften Susanne Dierl, Jenny Eberhardt, Theresa Hümmer, Constanze Rath, Lena Schindler, Maria Wilhelm und Sabine Wiesmüller, die mich bei Recherchen tatkräftig unterstützt haben. Auch einige Masterstudierende haben direkt oder indirekt an dem Buch mitgewirkt: Anas Alhashmi, Rebecca Gramlich, Friederike Hacke, Tatjana Horch, Philipp Krug, Madita Mielenhausen und Carina Stumpf. Günter Presting und Johanna Mohrmann vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht danke ich für ihre Geduld und die durchgehend angenehme und professionelle Zusammenarbeit. Verena Simon danke ich für ihre Reaktivität und die professionelle Endredaktion des Buchs. Allen weiteren Personen, die ich hätte erwähnen müssen, es aber nicht getan habe – sie mögen mir dies verzeihen! – sei herzlich gedankt.