Redewendungen: Episoden 2001

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Redewendungen: Episoden 2001
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Carsten Both

Redewendungen: Episoden 2001

Redewendungen – Oft verwendet, Ursprung unbekannt?! – EPISODE 25 bis 28 (Bär, Buchstabe, Sand, Wolf)

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Episode 25: Jobs von Bären

Episode 26: Buchstaben

Episode 27: Die Waffe des Sandmännchens

Episode 28: Wölfe aller Art

Episode 29

Impressum neobooks

Episode 25: Jobs von Bären

Mit der Haut von Bären und den Faulenzerbedürfnissen der alten Germanen hatten wir uns schon früher beschäftigt [siehe Episode 13]. Diesmal ist der Bär los. Dieser in der sogenannten Spaßgesellschaft beliebte Ausspruch, der meist für Ereignisse der Kategorie „Mega-Event“ (bzw. für solche Geselligkeiten, die vom entsandten Kamerateam dazu erhoben werden) verwendet wird, steht für eine große Veranstaltung/Party/Menschenansammlung und/oder eine hervorragende Stimmung, eben für ein großartiges Happening, bei dem man eine Menge erleben kann (Da muss man/frau einfach dabei sein/gewesen sein!). Oft sagt man auch: Hier/da/dort geht der Bär ab! Und in manch extremen Fällen tanzt das Pelztier sogar noch: Hier/da/dort steppt der Bär!

Alle diese Bezeichnungen gehen auf eine große Tierquälerei zurück: das Halten von sogenannten Tanzbären. Diese werden auch heute noch in bestimmten Ländern der grölenden Menge zur Belustigung auf Jahrmärkten oder im Zirkus vorgeführt. Hierbei müssen die Tiere Kunststückchen und Tänzchen vollführen, die Bären in freier Wildbahn niemals in den Sinn kommen würden. Und das nur, weil ihnen ihre feigen Halter die empfindlichen Nasen durchbohrt haben, um sie mit einem Nasenring an einer Stange gezielt steuern zu können. Leider hat sich diese Misshandlung als Betitelung einer gut besuchten, „lustigen“ und „unterhaltsamen“ Veranstaltung durchgesetzt, da einige genügsame Menschen einen Bären, der „los ist“ und „abgeht“, und der dann vielleicht auch noch „steppt“, mit toller Unterhaltung gleichgesetzt haben bzw. dies in unterentwickelten Regionen selbst heute noch tun.

Es kann auch sein, dass sich einfache Gemüter durch solcherlei Inszenierungen einen Bären aufbinden lassen, indem sie den Beteuerungen der Eigner Glauben schenken, die Bären vollführten die Kunststücke „freiwillig“, aus reinem „Spieltrieb“, sie machten das einfach „gerne“.

Die Wendung beschreibt, dass jemandem etwas vorgemacht wird, dass jemandem etwas Unwahres vorgelogen wird, oft mit heimlicher Freude darüber, dass das naive Opfer diese dicken Lügen auch noch glaubt.

Ihre Herkunft ist – wie so oft bei Redewendungen – nicht völlig geklärt; es gibt aber – wie so oft bei Ungeklärtem – viele Theorien und Mutmaßungen:

Ein recht leicht verdaulicher Ansatz geht einfach davon aus, dass diese Wendung wohl deswegen einen Bären zum Thema hat, weil es unmöglich erscheint, einer Person einen Bären aufzubinden (früher war in der Wendung auch vom „Anbinden“ die Rede), ohne dass diese dieses bemerken würde. Somit stehe der angebundene Bär für eine große Last, hier in Form einer Unwahrheit, die – eigentlich – jedermann, und sogar jedefrau, bemerken müsste.

Mit so einer dürftigen Erklärung ohne weitere Herkunftsforschung geben sich andere Autoren nicht zufrieden. So mancher Bildungsbürger reaktiviert dagegen alte Lateinkenntnisse: Das deutsche Wort „aufbinden“ soll demnach gleichbedeutend mit dem lateinischen „imponere“ sein. Dieser Begriff bedeutet u.a. „aufbürden“ aber auch „täuschen“. Es wird jemandem „eine Lüge als Last“ auferlegt, mit der man diese Person täuscht. Und der Bär wurde an dieser Stelle als Inbegriff einer sehr schweren Last verwendet, denn einen ausgewachsenen Bären kann wohl niemand von uns stemmen. Manche Lateinwörterbücher schlagen dementsprechend als eine Übersetzungsoption von „imponere“ gleich neben „täuschen/hintergehen“ auch „einen Bären aufbinden“ vor.

Eine andere Sprachtheorie leitet das Wort „Bär“ aus ähnlich klingenden Ausdrücken ab, die einst für „Last“, „Schlag“ oder auch „Abgabe“ standen. Das Pelztier wäre demnach als Missverständnis in die Redewendung gerutscht. Ferner könnte es sich aber auch um eine Mischung zweier anderer Redensarten handeln: Wenn man „einen Bären anbindet“, dann stand dies einmal für „Schulden machen“. Und die Formulierung „jemandem etwas aufbinden“ für „jemandem etwas vorlügen“.

Eine eigenwillige Interpretation der Herkunft dieser Redewendung vertritt Heinrich Heine (1797-1856) im vierten Teil seiner „Reisebilder“ (1831). Aber auch Heine nimmt in seiner ironischen Schilderung Bezug auf die ältere Redewendung, in der „anbinden“ für „Schulden machen“ steht. Seine recht originelle Geschichte handelt von Eisbären mit Heimat Spitzbergen, die einen Besuch der Stadt Berlin damit verbunden haben, gut Essen und Champagner trinken zu gehen. Dies kostete aber oft mehr Geld, als sie dabeihatten. Und so musste einer der Bären vor Ort angebunden bleiben, bis seine pelzigen Genossen zurückkehrten und bezahlten. So, meinte Heine, sei auch die Redewendung „einen Bären anbinden“ entstanden.

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