Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1)

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Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1)
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Caroline Milf

Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1)

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

1

Meine Mutter kam in mein Zimmer. Und da war wieder dieser gequälte Blick; ich glaube, dieser Gesichtsausdruck ist ihr angeboren.

„Gute Nacht, Liebes", meine Krankheit hatte ihre Stimme immer sanfter, immer leiser werden lassen, „fühlst du dich gut?"

Ich gab ihr keine Antwort, lag flach ausgestreckt unter der Decke, mein dünner Leib war ein einziger Protest gegen dieses Getue.

„Fühlst du dich gut, Liebes?", wiederholte sie, und Sorge zitterte in ihrer Stimme.

„Ja", antwortete ich endlich ganz ruhig, das Ja mehr ein Seufzer als ein Wort; in Wirklichkeit war es ein Nein, ein lautes, ärgerliches Nein.

„Schlaf gut", flehte sie und verließ geräuschlos das Zimmer.

In dieser Nacht wollte ich nicht nachdenken. Manchmal denke ich nach, aber dann entgehen mir die Geräusche in diesem Haus. Ich lag still, ganz still, bis ich ihr demütiges Klopfen an Vaters Türe hörte.

„Schatz", rief sie, „darf ich für einen Moment hineinkommen?"

Zuerst gab er keine Antwort, dann antwortete er ebenso kurz wie ich vorhin, und ich wusste, ihre Finger waren jetzt an der Klinke seiner Tür, und das Schlurfen ihrer Hausschuhe bedeutete: „Vergib mir mein Eindringen." In ihrer Stimme war Schwermut, dabei war sie einmal eine fröhliche Frau gewesen.

Ich hörte die tiefe Stimme meines Vaters, und obwohl ich durch die Wand von ihnen getrennt war, hüpfte mein Herz, als ich den Ärger in seiner Stimme bemerkte. Sie blieb nur für eine Minute, ohne Zweifel erzählte sie ihm, mir ginge es gut und ich schliefe bald. Dann konnte ich hören, wie sie die Tür des kleinen angrenzenden Zimmers öffnete, welches vorher einmal ihr Ankleideraum gewesen war.

Vorher... vorher und nachher; das war der Aspekt, unter dem wir alles betrachteten.

Vorher - das lebensuntüchtige Erbgut meiner Mutter, der faule Kern der Familie zeigte sich in meinem 13. Lebensjahr. Es war ihre Krankheit, und mein Körper sank aufs Bett, ins Grab, und sanft zog ich sie mit mir.

Als sich das Haus zur Ruhe begeben hatte, überließ ich mich meinen Träumereien, Träumereien voller Unwissenheit.

»Die Unschuld im Bett« wurde ich von allen nur genannt.

Ich erinnere mich, es war vor drei Jahren, der Arzt stand an meinem Bett und sagte: „Sie ist ein Engel."

Dabei berührte er mein glattes, hellblondes Haar. „Wir werden alles tun, um sie zu retten, Fräulein von Eschenbach."

Meine Mutter sagte voller Trauer: „Sie ist so jung und immer so hinfällig."

Das war alles, was sie sagte. Mein Vater jedoch antwortete dem Arzt genauer.

„Die Mutter und die Schwester meiner Frau", sagte er voller Sarkasmus, ja Verachtung, „waren mit dem gleichen Leiden geschlagen."

„Natürlich", fügte er hinzu, „diese waren damals erheblich älter, während Amelie sich schon immer als besonders anfällig zeigte."

Ich fühlte seine Hand auf meiner Stirn. „Sie hat kein Fieber."

„Nein", der Arzt stimmte ihm zu, „dabei gibt es kaum Fieber. Aber sie muss eine lange Zeit vollkommen ruhig liegen. Wenn wir Glück haben, heilt die Ader. Sollte jedoch ein weiterer Anfall folgen - und ich muss Sie darauf hinweisen, dass dies immer im Bereich des Möglichen liegt - bleibt uns wenig zu tun."

Meine Mutter verschluckte ihre Tränen, und mein Vater sagte mit milder Stimme:

„Johanna, wenn du glaubst, dass dir Tränen Erleichterung verschaffen, tue dir keinen Zwang an", und damit verließ er mit dem Arzt das Zimmer.

Mutter saß noch eine lange Zeit an meinem Bett. Mir schienen es Tage zu sein. Ich schlief gelegentlich ein, und wenn ich erwachte, saß sie noch immer da, bis sich endlich der Schmerz wie ein Krebs auf ihrem Gesicht ausgebreitet und sich in ihren Augen eingenistet hatte.

2

Mein Vater ist schwach. Er ist viel schwächer als meine Mutter, denn er kann keine Schmerzen ertragen.

Ich glaube, dies ist neben seiner Bequemlichkeit der andere Grund, warum er sie nicht verlässt. Ihm erscheint ihr Leiden rätselhaft. Ich bin sicher, er fürchtet, dass ein Fluch über unser Haus kommt, wenn sie es verlässt, dabei hat sie doch bereits einen Fluch über ihn gebracht: mich.

Meine Mutter und mein Vater kommen etwa aus gleich guten Verhältnissen. Mag er sie auch verachten, so gehört sie doch zu den wenigen Leuten, mit denen er glaubt, sprechen zu können, ohne sich gesellschaftlich etwas zu vergeben.

Die gleiche Einstellung vertritt er mir gegenüber. Nie gab mir mein Vater die Liebe, mit der Väter ihre Töchter verwöhnen. Dafür gab er mir Anerkennung: die unausgesprochene Versicherung, mich einzuladen, sollten wir ein Essen geben. Auch das Recht auf Bildung gestand er mir zu: Seine Bibliothek gehörte mir.

Interessant ist, wie man mir die Bücher bringt. Es wurde ein kleiner Wagen mit Rädern gebaut und jede Woche mit einer ganzen Regalreihe Bücher aus Vaters Bibliothek beladen.

Marie rollte ihn dann an mein Bett. Die Bücher, die ich ständig bei mir haben will, stehen in einem Regal neben meinem Bett. Die Wahl meiner Bücher blieb mir überlassen. Ich glaube, niemand kontrollierte je, was ich las.

Ich lebe in meinen Büchern!

Ebenso ist mir das Leben in diesem Haus genau gegenwärtig, und doch reicht das nicht aus. Tag für Tag versinke ich tiefer in den Zustand, den man Lethargie nennt.

Jeder in meiner Umgebung geht auf Zehenspitzen, nur mein Vater nicht. Er vergisst, dass seine Tochter stirbt. Die Köchin backt mir eine Extratorte, der Gärtner züchtet eine neue Sarah, und bringt sie mir ins Zimmer.

Zu meiner Beerdigung wird man das Haus mit ihnen schmücken, dessen bin ich gewiss.

Alle haben die törichte Idee, sie bringen mir das Leben, sie bringen mir das Haus. Wie soll ich es nur erklären? In diesem Haus kann ich tun, was immer ich will, während ich hier in meinem Bett liege. Und ich bin auch die einzige, die wirklich etwas will.

Im Haus herrscht die Atmosphäre meines nächtlichen Schlafes. Wenn ich mich besser fühle, öffnen sich Türen und Fenster; ist meine Nacht ruhelos, verschließt sich das Haus und wird mir zum Grab.

Ich liege jetzt im großen Gästezimmer. Alles ist sehr edel und teuer eingerichtet – okay, meine Familie ist ziemlich vermögend. Wir stammen aus einer alten deutschen Adelsfamilie und besitzen von mehreren Firmen die Aktienmehrheit.

Als ich krank wurde, bekam ich ein Zimmer im dritten Stock. Ein schrecklicher Ort. Er entsprach Mutters Vorstellung von einem Kinderzimmer, wie es sich ein Kind erträumt: überall Kattun und französische Puppen. Der Raum, in dem ich jetzt liege, entspricht viel eher meinem Geschmack.

Ich sagte meiner Mutter, ich wünschte mir nach meinem Tode einen Sarg, ganz mit Gold bedeckt und umsäumt. Sie war so bekümmert darüber, dass ich nicht weiter davon reden konnte, aber ich hatte den festen Willen, es durchzusetzen.

Natürlich habe ich einen Willen, und ich habe sehr oft meine Meinung geändert.

Meine Großeltern hinterließen mir, und natürlich auch meinen Eltern, ein Vermögen. Irgendwie schienen sie gewusst zu haben, dass ich einmal hier im Bett liegen würde. Was mit meinem Geld geschieht, interessiert mich nicht.

Das Haus begann zu schlafen. Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich vermutlich in ein mehr religiöses Leiden.

Mein Vater nahm seinen Schlaftrunk. Ich hörte, wie er das Glas schwer auf den Marmortisch neben seinem Bett niedersetzte.

Um 22:00 Uhr schliefen der Butler und die Köchin. Das neue Dienstmädchen oben war allein. Wir hatten ein anderes Mädchen, zu dem der Chauffeur meines Vaters. Ich hörte sie immer oben auf der Treppe flüstern, und wenn ich mit gespanntester

Aufmerksamkeit lauschte, konnte ich das Knarren in ihrem Zimmer hören.

Ich habe eine besondere Technik des Lauschens. Ich lege mein Ohr auf etwas Festes, und von allen Decken und Wänden kriechen die Geräusche heran. Ich habe viel über solche Dinge gelesen, und ich glaube, sie behandeln mich deshalb wie einen Engel, weil sie wissen, ich werde als Jungfrau sterben.

 

„Sie ist eine Nonne", hatte ich meinen Vater sagen hören, mit dem besonderen Stolz des Wüstlings; eine üble Art der Verehrung scheint mir. Erzählte ich das meiner Mutter, sie wäre schockierter als über den goldenen Sarg.

Sie denken: „Sie weiß nichts darüber, und die Enttäuschung wird ihr erspart bleiben."

Eines Tages hörte ich Vater und Mutter im angrenzenden Zimmer sprechen. Sie redeten länger als gewöhnlich miteinander, und ich wurde nervös in meinem Bett.

„Das ist eine gute Idee", hörte ich meinen Vater murmeln, und mein Herz schlug dumpf, als ich seine Stimme hörte, tief und seltsam angenehm. Unverzüglich begann ich zu läuten, dringlich, wieder und wieder, und einen Augenblick später war meine Mutter im Zimmer.

„Amelie, was ist...", kurzer Atem und flammendes Gesicht.

Ich sank tief in die Kissen zurück und schloss meine Augen; so entging ihr der Schimmer des Hasses in meinem Blick.

„Ich habe Schmerzen", wisperte ich.

„Wo? Wo?" Ganz sicher würde sie vor mir sterben.

Mit einer kraftlosen Gebärde deutete ich auf mein Herz.

„Hier schmerzt es", und erschöpft ließ ich den Arm auf die goldene Decke sinken.

Sie hantierte in meinen Arzneifläschchen herum und fand endlich eine rosa Pille, die sie mir zwischen die Lippen schob.

„Hier, Liebes", bettelte sie. Dann hielt sie inne und betrachtete aufmerksam mein Gesicht. „Du bist sehr blass." Sie sprach mehr zu sich selbst als zu mir.

„Ja", fuhr sie fort, „wir werden es tun müssen. Ich hasse die Situation, die dadurch entsteht, und doch ist es die beste Lösung."

Ich öffnete meine Augen.

„Was willst du tun?" Mir antun, hatte ich fragen wollen, aber es blieb unausgesprochen, ebenso wie die Frage: Hast du mir denn nicht schon genug angetan?

„Du wirst eine persönliche Pflegerin bekommen, Amelie. Eine, die Tag und Nacht um dich ist. Es erschreckt mich, dich auch nur eine Minute allein zu lassen. Wir müssen jemanden haben, der immer genau weiß, was im Moment zu tun ist."

Nein - darauf bestand ich weiterhin, denn über dieses Thema hatten wir schon gesprochen. Ich wollte keine Fremde, die mich ständig auf weißen Schuhen umschwebte. Ich schätzte die halben Stunden, die ich noch allein sein durfte. Ich wusste, mit einer tüchtigen, sterilen Person immer um mich herum würde der selbstgeschaffene goldene Glanz des Todes verblassen. Nichts bliebe als das alltägliche Geschäft eines Krankenhaustodes.

Ich bereute meine kindische Szene von vorhin.

„Ich fühle mich wieder besser, Mutter. Bitte, ich brauche keine Pflegerin. Eine Pflegerin würde mich nur kränker machen. Sie würde auf Zehenspitzen herumgehen und die Vorhänge geschlossen halten. Eine Pflegerin würde mich ersticken...“, und ich begann, bittere Tränen zu weinen.

Zum ersten Mal seit Monaten dachte ich an die Hilflosigkeit meiner Lage, und mein Gesicht war nass von Tränen. Mutter wischte mir die Stirn. Wäre doch Vater an ihrer Stelle und trocknete meine Tränen und verspräche mir, dass keine Pflegerin käme.

Als mich Mutter nach diesem Ausbruch verließ - sie glaubte, ich schliefe -, war ihr Mund eine dünne Linie.

Endlich schlief ich doch ein, und als ich viel später wieder erwachte, sah ich, wie sich eine unbekannte Person an den Vorhängen zu schaffen machte. Das hatte ich vermutet. Aber sie zog die Vorhänge auf, und Sonnenlicht flutete durch die Fenster und zeigte mir das dunkelrote Haar und die volle Figur meiner Besucherin.

„Du bist Amelie?", fragte sie und kam näher ans Bett heran. Dabei lächelte sie mich geradewegs an. „Du hast sehr lange geschlafen."

„Ich fühle mich sonderbar", sagte ich, und als ich mich jetzt an das Gespräch mit meiner Mutter erinnerte, traten mir Tränen des Selbstmitleids in die Augen.

„Bist du meine Pflegerin?"

Sie setzte sich sacht auf die Bettkante. Ich betrachtete sie. Anstelle der gestärkten Schwesterntracht trug sie eine weiche, rote Bluse, in der sich ihre Brüste genau abzeichneten. Um die Hüfte trug sie einen breiten Ledergürtel, und unter dem Gürtel bauschte sich ein grober Tweedrock. Ich fühlte mich zerbrechlich und ätherisch, dieses schwere Tuch, diese starken Farben, die vollen Brüste, die drallen Hüften unter dem Rock, alles dies bedrängte mich. Sie war schmal in der Taille, und darunter begann gleich der aggressive Schwung ihrer Hüften.

„Ich bin eine Krankenpflegerin", antwortete sie geduldig. „Aber kannst du mich nicht als deine Freundin betrachten? Soviel älter als du bin ich nicht, Amelie."

Ich wollte sie fragen, woher sie meinen Namen wusste und wie sie es wagen konnte, mich einfach bei meinem Namen zu nennen, statt dessen sagte ich: „Ich hätte gern eine Tasse Tee."

Ich wollte sofort geklärt wissen, dass sie meine Dienerin war, nicht meine Freundin. Sie erhob sich hastig von der Bettkante und errötete bis in den Ausschnitt ihrer Bluse.

„Natürlich", sagte sie mit einer knappen, peinlich berührten Stimme.

Ich sah, dass sie jung war, nicht mehr als drei Jahre älter als ich, aber sie hatte diese drei Jahre nicht im Bett verbracht mit all den Gedanken, die einem dabei kommen.

Wäre sie nicht errötet; hätte ich sie noch am selben Tag entlassen; ihr Selbstbewusstsein jedoch ließ sie nachgeben, und ich war beschwichtigt.

Als sie den Tee brachte, nippte ich nachdenklich daran. Gerne hätte ich ihren Namen erfahren, nur wusste ich nicht, den Ton zu finden, der ihr zugleich mein Desinteresse gezeigt hätte.

Sie machte es mir einfach. Sie setzte sich wieder zu mir aufs Bett und sagte: „Ich heiße Sarah."

„Sehr erfreut", sagte ich förmlich.

„Ich bin hier, um dich zu pflegen."

Was ich jetzt tat, war mir selbst unerklärlich. Ich griff nach ihr und berührte die Brust unter der roten Bluse.

„Bist du das?"

Ich lachte und begann, sie zu liebkosen. Ihr Fleisch wollte ich berühren, ich wollte sie riechen, ich wollte sie essen, um sie dann fortzuwerfen.

„Was tust du da?"

In ihrer Verwirrung hielt sie still unter meiner Berührung.

„Ich will sehen, womit du mich pflegen wirst."

Die Brustwarze wurde knochenhart zwischen meinen Fingern und stellte sich auf, gut einen Zentimeter hoch.

„Ich glaube nicht, dass du das tun darfst!"

Zum ersten Mal bemerkte ich ihre Dummheit. Mit meiner freien Hand drehte ich ihren Kopf zur Seite, dann legte ich beide Hände auf ihre Brüste.

„Es ist schön, dich anzufassen", sagte ich bewundernd, und meine Hände zitterten. Ich begriff nicht, was ich tat, mir wurde nur bewusst, wie lange ich nach solcher Berührung gehungert hatte.

„Komm näher", befahl ich ihr.

Sie gehorchte mechanisch, und ich begann, ihre rote Bluse aufzuknöpfen.

„Was machst du da?", wimmerte sie erstaunt.

Ich enthüllte ihre Brüste und knetete das Fleisch mit meinen Händen. Ich wusste, ich tat ihr weh, denn sie keuchte und versuchte, meine verkrampften Hände zu lösen.

„Pflege mich", sagte ich und öffnete meinen Mund nach der steifen, roten Zitze, die unter meinem Druck sofort zwischen meinen verlangenden Lippen verschwand.

3

Ich befriedigte alleine meine Bedürfnisse. Die Gefühle der fremden Frau waren mir völlig egal. Ich saugte an den harten Nippeln, bis mir Mund und Kehle schmerzten.

Sie stand über mich gebeugt, und ihre Brüste hingen mir ins Gesicht. Ich berührte sie nicht mehr mit den Händen, und wie gelähmt verharrte Sarah über mir.

Ich peinigte ihr zartes Fleisch, sie rührte sich nicht, sie presste sich nur weiter an mich. Ihre Augen waren geschlossen, und sie öffnete sie erst, als ich ihre Zitze fortschob.

Sie starrte mich an, und ich lachte laut auf, als sie sich schnell bekreuzigte.

„Das ist böse!" Sie bekreuzigte sich wieder und verbarg das Gesicht in den Händen. „Du darfst so etwas nie wieder tun, Amelie."

Ich lag zufrieden in meinem Kissen. Ich wünschte, sie ginge, aber stattdessen befahl ich: „Rufe sofort meine Mutter!"

Sie begann, sich zu ängstigen. „Du wirst nichts sagen. Schließlich warst du es, du ganz allein, die es getan hat."

„Tatsächlich?", fragte ich sanft und setzte sie damit einem Sturm von Zweifeln aus.

Sie sah elend aus. Ich streckte den Arm aus und läutete die Glocke im Zimmer meiner Mutter.

Sarah sagte: „Du solltest es nicht tun."

Dann saß sie still und wartete auf das Klopfen an der Tür. Meine Mutter kam ins Zimmer. Ich schaute auf ihre Brüste unter ihrem Kleid und fühlte nichts.

Dann sah ich Sarah an, und die Erinnerung weckte in mir den Wunsch, sie wieder zu berühren. Ich sah sie an, aber in meinem Blick war kein Verlangen. Verlangen, war das das richtige Wort?

„Ich sehe, du hast eine Pflegerin bekommen", sagte ich zu meiner Mutter.

„Es war einfach nötig, mein Liebes."

Vor der Fremden nahm sie sich zusammen.

Ich wusste, lieber hätte sie sich über mein Bett geworfen, um Verzeihung oder Zustimmung zu erlangen.

„Ihr rechnet mit meinem Tod, nicht wahr?", fragte ich mit schwacher Stimme.

„Amelie, warum sagst du so etwas?" Sie breitete die Arme aus. „Du bist mein Leben. Ich hatte niemals die Absicht, dich zu kränken. Jeden Tag wird es dir besser gehen. Die Pflegerin kann dabei so viel für dich tun. Sie kann für deine Bequemlichkeit sorgen. Sie kann ein Teil von dir sein, sie kann im Zimmer umhergehen und deine Kissen aufschütteln...“

Ich unterbrach diesen unerträglichen Ausfluss an Sentimentalität.

„Es ist gut", stimmte ich leise zu, „ich weiß, du möchtest mich nicht allein sterben lassen. Du bist immer so gut zu mir."

Meine Mutter wandte sich Sarah zu, und das Mädchen erwiderte demütig ihren hasserfüllten Blick.

„Natürlich", meine Mutter glättete die seidenen Falten ihres Kleides, „wenn es dich krank macht, werden wir sie wegschicken. Die letzte Entscheidung liegt bei dir. Aber Sarah ist so ein nettes Mädchen. Du siehst, ich habe sie gebeten, nie eine Krankenschwestern-Tracht zu tragen. Ihr Vater hat viele Jahre für unsere Familie gearbeitet. Sie sind sehr stolz, dass sie jemanden haben, der dir behilflich sein darf."

Mit jedem Wort verwandelte sich Sarah mehr in ein tölpelhaftes Ding vom Lande, sie war nicht mehr die sichere junge Frau, die Amelie zu mir gesagt hatte. Das hatte ich erreichen wollen.

„Im Grunde ist es mir gleich", sagte ich und wandte mich von beiden ab.

„Nein, nein", zu guter Letzt begann sie zu betteln, „die endgültige Entscheidung liegt wie immer bei dir."

„Ich bin tot", sagte ich scharf zu meiner Mutter, „wie kann eine Tote Entscheidungen treffen?"

„Bist du tot, Amelie", sagte sie mit dramatischer Stimme, „dann bedeutet dies auch meinen Tod, das weißt du ganz genau."

„Mach dich nicht lächerlich", sagte ich verdrossen, im Grunde überzeugt, dass sie Recht hatte. „Du hast noch Jahre tätiger Nächstenliebe vor dir, und das alles in meinem Namen."

Tränen der Erbitterung und des Schmerzes traten in ihre Augen.

„Du nimmst den Tod viel leichter als ich, Amelie. Du weißt nicht, was es für eine Mutter bedeutet, ihr einziges Kind so lange krank zu sehen. Manchmal glaube ich, du hast kein Herz", ihre Stimme versagte, wortlos zitterten ihre Lippen, und es wurde still im Zimmer.

„Vielleicht ist es wahr", sagte ich ruhig, „vielleicht habe ich kein Herz."

„Oh, Liebes", meine Mutter brach zusammen. „Mein armes, tapferes Kleines. Wie sehr habe ich versucht, dich nicht zu reizen, dich und deinen Vater, aber es ist so schwierig. Die alltäglichsten Dinge, die ich sage, scheinen ihn in Wut zu versetzen."

Sie sah hinüber zu Sarah.

„Ich muss die Entscheidung, ob Sie bleiben oder nicht, meiner Tochter überlassen. Natürlich", ihre Stimme wurde sanfter, „hoffen wir, sie ist mit uns einer Meinung, dass es das Beste für sie ist, wenn Sie hier sind. Aber wie Sie sehen, geht es ihr gar nicht gut, und sie zu kränken, wäre nicht zu verantworten."

„Sie kann bleiben", sagte ich unvermittelt. „Ich denke, in einer Woche werden wir sie nicht mehr brauchen - so mag sie diese Woche hierbleiben."

Die drei folgenden Tage ging Sarah in meinem Zimmer umher, ihre Blicke waren begehrlich und zugleich voller Schmerz und Verwirrung.

Ich begriff, ihre Welt war auf mein Zimmer beschränkt, alles würde sie tun, um sich darin Befriedigung zu verschaffen. Und so waren sie alle. Alle außer meinem Vater.

 

Ich sprach sehr wenig mit ihr - eigentlich nur das Nötigste. Wenn sie meine Stimme hörte, tat sie vor Schreck einen kleinen Hüpfer. Die Anerkennung, nach der sie sich jeden Tag sehnte, kam jedes Mal wie ein Schock über sie. Als wäre ihr Kopf von meiner Stimme erfüllt, konnte sie nicht unterscheiden, ob dies wirklich meine Stimme oder nur Einbildung war.

Von meinem Bett aus beobachtete ich die freiwillige Auflösung der Persönlichkeit, die immerhin einmal frei genug war, mich ohne meine Erlaubnis Amelie zu nennen. Nun gehorchte sie meinen Befehlen mit stillem Gehorsam.

Ich hatte ihre kleine, begrenzte Welt zerschlagen, mein hungriges Saugen ihrer Brust war der Anlass gewesen.

An ihrem starren Gesichtsausdruck einen Tag nach unserer ersten Begegnung konnte ich sehen, dass sie nicht gewillt war, mir diese Freiheit jemals wieder zu gewähren.

Aber an diesem Tag hatte ich kein Verlangen nach ihrem Körper. Ihre runden Formen hatten mich zwar bedrängt, aber nur für den Augenblick, als sie - eine aggressive Manifestierung von Leben - die Vorhänge zurückwarf und das Sonnenlicht ins Zimmer strömte.

Jetzt sah sie, dass ich sie nicht begehrte, und meine Weigerung - von ihr genau registriert - musste kleine, tickende Geräusche in ihrem Kopf ausgelöst haben.

Ich ließ ihr diese Geräusche und tat nichts, sie zu vertreiben. Ihre Unfähigkeit, mir nicht verweigern zu können, was ich gar nicht wollte, empfand ich als einen köstlichen Zustand.

Die nächsten drei Tage schlief ich tief und fest und aß, wie immer, wenig. Ich nehme nur weiche Nahrung zu mir, Nahrung, die ich nicht kauen muss. Ich bevorzuge Reis, auf dem ein Würfel goldener Butter schmilzt, einen Löffel weißen Zucker in goldenem Tee, Toast, innen locker und weiß, außen beschützt von der Glut sanfter Hitze. Ich mag Bananen und Birnen; geschält zergehen sie im Mund. Ich trinke Milch, und gelegentlich esse ich eine Schale mit geschlagener Sahne oder weißem Käse. Seit drei Jahren habe ich kein Fleisch und keinen Salat mehr versucht, seit drei Jahren verzichte ich auf herzhafte Gemüse, auf Weizenbrot, auf Schokolade, mit der meine Mutter mich zu kräftigen, d. h. fett zu machen suchte.

Mein Körper ist schön, aber beinahe zu dünn, um weich zu sein. Unter der bleichen Haut erscheinen Knochen, schmal wie Zähne.

Diese paar Tage verwandelten Sarah.

Sie wollte mich nicht, dabei verlangte ihre Weiblichkeit, dass ich sie begehren sollte, und am Ende verlor sie sich in diesem Zwiespalt, und es gab keinen Unterschied mehr zwischen ihrem Verlangen nach mir und dem Wunsch, in mir Verlangen zu erwecken.

Sie gehörte mir. Ich würde es schätzen, Sarah erregt und voller Hingabe zu sehen, dachte ich; und dann reagierte ich auf eine direkte Erfahrung mit Gleichmut.

Am dritten Abend kamen meine Eltern in mein Zimmer. Ich sah, sie würden zum Abendessen ausgehen. Das Haar meiner Mutter war zu einem festen Knoten geschlungen und straff aus ihrer Stirn zurückgekämmt, die meiner eigenen glich. Ihren Kopf bedeckte ein dünner Spitzenschleier, und ein weißer Hermelinmantel reichte bis zum Boden.

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