Melody - Das Erwachen

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Melody - Das Erwachen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Melody





Das Erwachen







Melody





Das Erwachen





Violett McKenzie




Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:



Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar





1. Auflage





Covergestaltung:



© 2019 Susann Smith & Thomas Riedel



Coverfoto:



© 2019 Depositphotos.com





Dieses Buch enthält sexuell anstößige Textpassagen und ist



für Personen unter 18 Jahren nicht geeignet. Alle beteiligten Charaktere sind frei erfunden und volljährig.





Impressum








Copyright: © 2019 Violett McKenzie



Verlag: Kinkylicious Books, Bissenkamp 1, 45731 Waltrop



Druck: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN siehe letzte Seite des Buchblocks





»Das Glück,



kein Reiter wird's erjagen,



es nicht dort und ist nicht hier.



Lern überwinden,



lern entsagen,



und ungeahnt erblüht es dir.«





Theodor Fontane (1819-1898)












Kapitel 1



»Noch fünf Minuten bis zum Vorhang!«



Jetzt ist es bereits zwölf Jahre her, dass ich zum ersten Mal vor meinem Schminktisch gesessen habe

, dachte Melody bei sich. Abwesend betrachtete sie sich im Spiegel, während sie ihr langes rotbraunes Haar kämmte. Behutsam zog sie die Bürste durch ihre hüftlangen Locken. Die wiederholenden Striche beruhigten ihre ohnehin schon angespannten Nerven. Ihre grüngoldenen, katzenförmigen Augen wanderten von ihren Haaren zu den Narben, die ihren Handrücken bedeckten.



Langsam senkte sie ihre Hand und ließ diese auf die Tischplatte sinken. Auf sie wirkte diese Hand schrecklich, insbesondere neben dem filigranen Kamm und Spiegelset aus Silber, das unmittelbar daneben lag. Trotz all der unzähligen rekonstruktiven Operationen in den letzten fünf Jahren, waren die Narben für sie noch immer sichtbar – wenngleich Menschen, die ihre Narben vor den chirurgischen Eingriffen gesehen hatte, diese kaum noch wieder entdeckten.



Fast schon ehrfürchtig rieb sie über das leicht raue und etwas unebene vernarbte Gewebe, das den größten Teil der verletzten Hand auf ihrem Handrücken bildete. Es gab Zeiten, in denen sie vergaß, wie ihr Leben vor dem zwanzigsten Lebensjahr gewesen war – dem schrecklichen Feuer –, das alles verändert hatte. Stirn-runzelnd schaute sie zum Spiegel. Wieder einmal musste sie sich zur Räson bringen, um sich nicht mehr schuldig zu fühlen. Manchmal empfand sie es als schwer, zu erkennen, wieviel Glück sie gehabt hatte. Auch war es ihr nicht leichtgefallen, als Schauspielerin weiterzumachen, nachdem sie von den Brandnarben entstellt worden war. Sie war stolz auf den Mut, den sie diesbezüglich aufgebracht hatte.



Ein leises Klopfen an der Tür hinter ihr holte sie in die Gegenwart zurück. »Herein«, rief sie leise als Antwort.



Eine junge Frau steckte den Kopf in den Raum. »Noch fünf Minuten bis zum Vorhang, Miss Tyrrell.«



Melody lächelte sie an. »Wie oft habe ich dich gebeten, mich bitte Melody zu nennen, Jessica?« Sie stand auf und ging zu der jüngeren Blondine hinüber. »Ich hoffe doch, dass ich nicht solch einen unfreundlichen Charakter habe!«



Jessica lachte nervös. Mit ihren verschwitzten Handflächen strich sie sich über ihre von einer Jeans bedeckten Beine. »Überhaupt nicht, Miss Tyr … Ich meine: Melody. Du warst so nett zu mir. Ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du mich dem Direktor empfohlen hast, deine Schwester zu spielen, als Cherry eine Blinddarmentzündung bekam.«



»Ich bin nur froh, dass ich dich an diesem Tag üben hörte, Jessica. Du hattest bereits alle anderen Teile auswendig gelernt. Auch warst du mir eine so große Hilfe, seit Alles begann. Ich habe wirklich Glück, dich und deine Familie getroffen zu haben.«



Jessica lachte und ging zum Garderobenständer hinüber, um Melodys Kleid vom Bügel zu nehmen. Sie hielt es hoch, damit diese es über ihren Kopf ziehen konnte. »Machst du Witze? Meine Eltern finden dich toll!« Sie begann die Knöpfe am Rücken zu schließen. »Ich gebe zu, dass sie anfangs ein wenig überwältigt waren. Es ist ja nicht jeden Tag so, dass ein Delikatess-Shop-Besitzer und seine Frau einen echten Filmstar treffen … Ganz zu schweigen von einem, der nach all den Jahren seinen zweiten Oscar gewonnen hat! … Halte bitte still. Einige deiner Haare sind in einem der Knöpfe hängen geblieben.«



Melody bewegte sich unbewusst. »Es gibt Momente, in denen ich daran denke, meine Karriere zu beenden, sobald dieser Ansturm auf den Broadway nachlässt.« Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl und fasste mit wenigen Handgriffen ihre Haare zu einem ordentlichen französischen ›

Chignon

‹ zusammen. Dann nahm sie den kunstvollen Kopfschmuck, den Jessica ihr reichte, und befestigte ihn geschickt mit ein paar Haarnadeln.



»Ich denke, das bedeutet, dass du dich definitiv entschieden hast, nicht mit der Truppe auf Tour zu gehen.« Jessica begann, den Tisch aufzuräumen, als Melody zur Tür schritt.



»Lass' das für später liegen, Jessica. Du musst an dein eigenes Kostüm denken«, lächelte Melody. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich einmal in einer musikalischen Shakespeare-Interpretation am Broadway mitspielen würde«, murmelte sie vor sich hin, als sie Jessica mit sich durch die Tür führte und diese hinter sich schloss. »Und ja, du hast recht ... Ich werde nicht mit dem Rest der Besetzung nach Philadelphia fahren.« Sie warf ihr einen fragenden Seitenblick zu. »Hast du dich denn schon entschieden?«



Auf Jessicas Gesicht machte sich ein trauriges Lächeln breit. »Na, du kennst doch meinen Vater. Er kann sich ganz und gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ich das Nest verlasse … Ganz zu schweigen vom Staat, um quer durchs Land zu reisen. Ich glaube ja, er vergisst immer wieder, dass ich inzwischen zweiundzwanzig Jahre alt und erwachsen geworden bin.«



Melody schlang ihren Arm um die Schultern der jüngeren Frau. »Du weißt, dass das nicht alles ist. Er macht sich einfach nur Sorgen, was mit dir passieren könnte.«



»Ja ja …!«, schmunzelte Jessica. »Er wäre deutlich weniger besorgt, wenn du deine Meinung ändern und auch mitkommen würdest. Seit du bei uns bist, vertraut dir mein Vater, und er würde sich sehr viel besser fühlen, wenn er wüsste, dass du auch weiterhin mit von der Partie bist.«



Melody lachte über den bittenden Blick in Jessicas blauen Augen.



»Ich habe es geliebt, bei dir und deinen Eltern zu sein, Jessica. Ich wäre in den letzten sechs Monaten verrückt geworden, wenn du dich nicht meiner erbarmt und mich aus diesem schrecklichen Hotel gerettet hättest, in das mich die Produzenten untergebracht haben ... Du und deine Familie, ihr habt mir das Gefühl gegeben, wieder ein normaler Mensch zu sein. Und das ist etwas, das ich schon lange nicht mehr gefühlt habe.«



Jessica bemerkte den wehmütigen Blick in Melodys goldenen Augen, sowie die körperlichen und emotionalen schmerzhaften Blitze darin.



Normalerweise schaffte es Melody, sie abzulenken, ehe sie irgendwelche Fragen stellen konnte. Sie war sich sicher, dass Jessica etwas über die Geschichte ihrer Verletzungen wusste. Jedes Mal, wenn sie oder ein Mitglied ihrer berühmten Familien in den Medien auftauchte, was nicht oft der Fall war, wurde die ganze grausame Geschichte des Feuers erneut thematisiert und in jeder Einzelheit aufgezeigt. Jessica ritt nie darauf herum, und Melody hatte ihr gegenüber bereits angedeutet, dass wenn sie bereit war, diejenige sei zu der sie gehen würde. »Du solltest dich beeilen«, mahnte sie nach einer kurzen Umarmung, »damit du deinen eigenen Vorhang nicht verpasst.«



»Meine Chancen mit auf Tour gehen zu können möchte ich natürlich nicht vermasseln.« Jessica lachte. »Obwohl ich ja manchmal das Gefühl habe, Mr. Gleeson akzeptiert mich nur deinetwegen. Ich möchte meine Chancen nicht vermasseln.



Melody lächelte sanft. »Du hast bewiesen, dass du eine gute Schauspielerin bist«, beruhigte sie Jessica, »und das weiß Edward jetzt. Er brauchte am Anfang nur einen kleinen Schubs.«



»Ich bin nur froh, dass du ihn in meine Richtung geschubst hast.« Jessica sah, wie der Bühnenmanager hinter Ihrer Freundin auftauchte. »Mr. Walker kommt«, raunte sie ihr zu und grinste. »Ich bin dann mal weg, bevor er mich beschuldigt, dass du zu spät dran bist!« Damit verschwand sie schnell in einem der Umkleideräume, den sie sich mit einigen anderen jungen Frauen der Besetzung teilte.



Melody drehte sich herum. »Hallo Noah«. Grüßte sie den strengen, aber fairen Bühnenmanager. »Du solltest dich ein wenig vorsehen.«



»Warum?«



»Bei den anderen Darstellern hast du schnell einen schlechten Ruf als Ungeheuer weg, wenn du so weitermachst.«



Der Dreißigjährige, der jetzt zu ihr aufgeschlossen hatte, lächelte und fuhr sich mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar. »Damit kann ich gut leben, solange ich dadurch die Arbeit erledigt bekomme … Du hast übrigens nur noch dreißig Sekunden, um es auf der Bühne bis zu deiner Marke zu schaffen!«



Melody grinste den Mann an, der behauptete, dass es ihm gleichgültig sei, was die Ensemble-Mitglieder von ihm dachten und der Meinung war, keine Freunde zu brauchen. Dennoch hatte er sich schon zu Beginn der Proben mit ihr angefreundet. Außerdem war ihr aufgefallen, wie oft er Jessica mit seinen grüblerischen grauen Augen gefolgt war. Sie wusste, dass es nur eines gewissen Anstoßes brauchte, die beiden zusammenzubringen, obwohl der Altersunterschied mehr als zehn Jahre betrug – und ungeachtet besseren Wissens, verspürte sie das unstillbare Bedürfnis, den ›

Cupido

‹ für die beiden zu spielen. Wissend lächelte sie ihn an. Dann schritt sie schnell zur Bühne hinauf.

 



***













Kapitel 2



Es war fast drei Stunden später, als sich Melody auf der Ensemble-Party nach der letzten Vorstellung ein wenig entspannte. Selbst vor dem Feuer war sie nie eine Partygängerin gewesen und so hatte sie sich auch diesmal in eine abgeschiedene Ecke zurückgezogen, von wo aus sie alles gut beobachten konnte. Am meisten interessierte sie dabei, welche Fortschritte ihre Verkuppelungsversuche machten, die Jessica und Noah zusammenbringen sollten.



Schon immer war es ihr eine Freude gewesen, andere Menschen zu beobachten, aber seit dem Feuer hatte sie die Fähigkeit des Beobachtens zur Kunstform erhoben. Es war eine Gabe, die sie erstmals während ihrer langen Rehabilitationsphase an sich festgestellt hatte, weil sie es hasste, dass Menschen sie anstarrten. Ihr war schnell bewusst geworden, dass es am besten war, einfach irgendwo ruhig dazusitzen, um so jegliche Aufmerksamkeit zu vermeiden.



Lächelnd erinnerte sie sich an einen ihrer Psychiater, der ihr schauspielerisches Können darauf zurückführte, dass sie in der Lage war, vollkommen in die zu verkörpernden Charaktere eintauchen zu können – ja darüber hinaus sogar vollkommen zu diesem zu werden, während sie ihr Publikum völlig ignorierte. Sie seufzte. Für sie gehörten Psychiater zu einem Menschenschlag, auf den sie gut und gern verzichten konnte. Nur auf wiederholtes Drängen ihrer Eltern hatte sie verschiedene Konsultationen wahrgenommen, weil diese glaubten, dass ihr diese Treffen guttun würden. Sie selbst war nie davon überzeugt gewesen.



In ihrer Familie war sie die Einzige, die sich mit der Tatsache arrangiert hatte, dass nach dem Feuer nichts mehr war wie zuvor. Ihr war schnell bewusst geworden, dass ihr Leben nicht mehr dasselbe märchenhafte Abenteuer sein würde, an das sie einstmals geglaubt hatte – ganz gleich wie sehr sich auch alle bemühten.



Einer der zahlreichen Psychiater hatte ihr im Laufe der Jahre gesagt, dass dieses ›

unwirkliche

‹ Leben, in das sie hineingeboren worden war, die Ursache ihrer Probleme sei. Sie hätte dieses und das reale Leben niemals getrennt, und so habe das Feuer die Idylle ein für alle Mal beendet und ihr eine Realität hinterlassen, mit der sie nicht konfrontiert werden wollte.



Natürlich war ihre Familie immer noch in das eigene Unternehmen verstrickt: eine Seifenoper, oder besser gesagt ein ›

tägliches Drama

‹. Es wurde Regie geführt und es galt Hauptrollen zu besetzen. Es war eine der am längsten laufenden Fernsehserien der Geschichte, wie ihr Vater nicht zu erwähnen müde wurde.



Ihre Eltern spielten die ursprünglichen verheirateten Hauptfiguren – er einen Mediziner, der im örtlichen Krankenhaus den Vorstand leitete, und sie eine Rechtsanwältin, in einer Ehe, die gegen alles und jeden gewappnet schien. Ihr ältester Bruder Leslie mimte in der Serie ebenfalls einen Arzt und seiner tatsächlichen Gattin Geena war ebenfalls eine Rolle auf den Leib geschrieben worden. Ihre anderen Brüder, Robert, der Jüngste, und Georg waren ausführende Produzenten der Fernsehserie und Roberts Frau Cathrine war eine ihrer Drehbuchautoren. Ihre Schwester Veronica war später in die Show eingestiegen und spielte eine Cousine von außerhalb der Stadt, deren Besuch nie zu enden schien. Daneben gab es noch ihre Tante Becky und ihren Onkel Richard. Becky, die Schwester ihres Vaters, hatte die Rolle der städtischen Wichtigtuerin übernommen – mit einer phänomenalen Intuition, die nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hatte.



Ihr Onkel Richard, der schon früh in seiner Ehe mit Becky entdeckt hatte, ein Händchen fürs ›

Business

‹ zu haben, war nun unglaublich erfolgreich darin, seinen geschäftlichen Scharfsinn mit der Welt der ›

Daily Soap

‹ zu verbinden, deren Finanzjongleur er inzwischen war. Bei dem Gedanken daran, gestattete sie sich ein Lächeln.



Mit der Zeit waren auch diverse Verwandte immer mal wieder in die Show eingebunden worden. Nur sie selbst arbeitete augenblicklich nicht für die Sendung. Allerdings hatte auch sie schon im Alter von nur vier Wochen die altehrwürdige Babyrolle des Starpaares gespielt – Sie war quasi im und mit dem Fernsehen aufgewachsen.



Im Laufe der Jahre hatte sie viele Dramen des Lebens durch die Vorstellungskraft der Schriftsteller der Serie erlebt. Man hatte ihr die Probleme nur so auf den Leib geschrieben: Sie trug eine hässliche Zahnspange, schaffte es nicht sich in die Schule zu integrieren, bekam eine ausgeprägte Akne, wegen der sie keine Verabredungen bekam, gefolgt von einer nicht unerheblichen Gewichtszunahme. Nicht zuletzt wurde sie auch noch vom beliebtesten Jungen der High School abgelehnt. Dem Drehbuch nach, war natürlich er, derjenige aus der Show ausscheiden musste. Anschließen hatte niemand mehr die heiß geliebte Mallory abgelehnt, wie die Figur hieß, die sie in der Serie verkörperte. Ihre Eltern hatten sich für diesen Namen entschieden, der so nah an ihrem eigenen war, damit sie gut darauf reagieren konnte. Melody hatte oft darüber gescherzt, dass sie wohl eine gespaltene Persönlichkeit sei. Und dann war da natürlich Stuart – ihr vermeintlicher Traummann.



Bei Gott

, ging es ihr durch den Kopf,

wenn ich so darüber nachdenke, kommt es mir wie ein völlig anderes Leben vor

.



Stuart war zur ›

Daily Soap

‹ gekommen, als sie gerade siebzehn geworden war. Jetzt, fünfzehn Jahre später, war er einer der wenigen, die noch immer dabei waren – einer, der noch immer mit und für ihre Familie arbeitete. Durch ihre Abkehr von der Serie hatte er eine Popularität erreicht, dass er sich buchstäblich seinen eigenen Vertrag schreiben konnte, wenn es zur Verlängerung kam. Er war zum tragischen Helden geworden, von der Liebe verlassen und allein. Die weiblichen Zuschauer der Show, die die Mehrheit der Fans ausmachten, hatten ihn unter ihre schützenden Fittiche genommen. In ihren Augen konnte Adam, wie sein Charakter hieß, nichts falsch machen. Er hatte Fanclubs im ganzen Land, ja sogar in Ländern wie England und Japan.



Melody hatte auch erfahren, dass er jetzt etwa jede fünfte Episode drehte, was ihm noch mehr Einfluss verlieh als zuvor. Wenn sie sich besonders einsam fühlte, dachte sie zynisch: ›

Es ist schade, dass es keine alleinstehende Frau mehr in ihrer Familie für Stuart gab

‹. Er hatte seine Chance in die Familie einzuheiraten verloren, als er sie nach dem Brand abgelehnt hatte. Er würde sich jetzt damit zufriedengeben müssen, ein Außenseiter zu sein.



***













Kapitel 3



»Melody ... Melody, bist du da?«



Sie schreckte aus ihren Gedanken und sah hinauf zu dem großen, breitschultrigen Mann der jetzt direkt vor ihr stand. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie in seine strahlend blauen Augen sah. »Es freut mich, dass du meine Einsamkeit beendest …« Sie schaute ihn forschend an. »Ich dachte, du könntest heute Abend gar nicht kommen. Wie ist dein Geschäftsessen verlaufen, Ryan?«



Der blonde Mann streckte ihr seine Rechte entgegen und half ihr auf die Füße zu kommen. Bei seiner Größe von etwas über sechs Fuß reichte sie ihm kaum bis unter sein Kinn, weshalb sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzuschauen, da sie so dicht vor ihm stand. Ihre goldenen Augen glitten über sein markantes Gesicht. Er war ein attraktiver Mann – nicht ganz so gut aussehend wie Stuart, aber dank seiner Charakterstärke, Persönlichkeit und seinem Esprit, war es ihr immer eine Freude in seiner Nähe zu sein.



Melody wusste, dass es einige Frauen gab, die sie um ihre Beziehung zu dem millionenschweren Filmproduzenten beneideten. Dabei wussten die meisten Menschen gar nicht, dass Ryan einer der Wenigen war, den sie tatsächlich als Freund bezeichnete. Sie mochte ihn, liebte ihn aber nicht. Zwar hatte er ihr gegenüber ein paar Mal angedeutet, dass er bereit sei ihre Beziehung zu vertiefen, aber ihre Entscheidung respektiert, genau dies nicht zu tun.



Ryan lächelte in ihr aufschauendes Gesicht. »Was soll ich sage, Süße? Als ich erwähnte, dass du meine Hauptdarstellerin sein würdest, haben Sie sich darum gerissen, die vorbereiteten Verträge zu unterschreiben. Ich habe es sogar geschafft Archer für die Regie zu bekommen.«



Melody lachte laut auf. Sie ignorierte die interessierten Blicke der um sie Stehenden.



Ryan war in der Finanzwelt, der Filmproduktion und allem, was zu dieser Branche gehört, für seine raubtierhaften Instinkte und unerschütterliche Selbstsicherheit bekannt. Wenn man gutes Geld verdienen wollte, so brauchte man nur in einen Film von Ryan Richard zu investieren.



Aber er ist auch ein Mann, der anderen Respekt zollt, wenn es geboten ist

, dachte Melody bei sich und bewunderte ihn für diese Qualität. Ihre ganze Aufmerksamkeit war jetzt auf ihn gerichtet. »Ich darf also davon ausgehen, dass es mit meinem lange ersehnten Urlaub nichts wird?« Sie lachte und war überrascht, als er nicht einstimmte – sogar ein wenig geknickt wirkte. »In Ordnung, Ryan … Ich kenne dich viel zu gut, mein lieber Freund. Sag' mir lieber gleich, was dir auf der Seele liegt. Du weißt genau, dass ich es früher oder später eh herausbekommen werde!«



*



Ryan kippte den Rest seines doppelten Scotchs in einem Zug herunter. Er hatte nur zu gut gewusst, dass es heute Abend nicht leicht werden würde, weshalb er sich zunächst noch in eine Bar begeben hatte, ehe er sich zu ihr gesellte. Ihm war auch bewusst, dass, was er ihr zu sagen hatte, bei ihr die Sicherungen durchbrennen lassen würde. Denn als sich ihre Agentin Maisie Swanbeck mit ihm in Verbindung gesetzt hatte, weil sie von ihm wissen wollte, wie das Thema am besten angesprochen werden könne, von dem sie wusste, dass es tabu war, waren sie übereins gekommen, dass sie es von ihm direkt hören sollte. Auch wollte Maisie, dass die Geschichte so schnell wie nur irgend möglich der Presse bekannt gemacht wurde.



»Es ist noch etwas anderes passiert, Melody«, bemerkte er. »Ich weiß nicht, Süße, wie ich es dir anders sagen soll, als direkt heraus …«



»Dann solltest du das tun, Ryan. In der Vergangenheit hat es so doch immer bestens für uns funktioniert, nicht wahr?«, nickte sie zustimmend. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich die Neugierde, als sie ihn von oben nach unten musterte. »Was in aller Welt lässt dich so verstummen?«, lächelte sie ihn an.



»Vielleicht sollten wir zu mir nach Hause gehen, damit wir das in Ruhe besprechen können …«, schlug Ryan vor. Er nahm sein leeres Glas und fragte sich, ob er sich nicht noch einen genehmigen sollte, was nicht allzu oft vorkam.



Melody atmete hörbar ein und aus. »Du weißt genau, dass ich nicht der Typ Frau bin, der Unangenehmes hinauszögert, Ryan«, seufzte sie. »Durch das Verbinden meiner Brandwunden habe ich schon früh zweimal täglich gemerkt, dass Herauszögern nichts nutzt. Man muss den Dingen schnell ins Gesicht sehen … Also sag' mir einfach, was es ist … So schlimm wie meine Verbrennungen kann es ja wohl kaum sein, nicht wahr …?«



Ryan stellte sein Glas auf das Tablett eines vorbeikommenden Kellners und nahm dann ihre zarten Hände in die seinen. »Maisie wurde von den ›

A Sunny Place

‹-Produzenten angesprochen …«



»Aha«, reagierte sie gedehnt. »Weshalb?«



»Sie lassen anfragen, ob die Möglichkeit besteht, dass du einen Gastauftritt in der Show machst«, ließ er die Katze aus dem Sack. »Es würde ungefähr zwölf Wochen dauern …« Er verstummte, denn sie starrte ihn an, als seien ihm der Hydra gleich einige weitere Köpfe gewachsen – und noch ehe er fortfahren konnte, schüttelte sie bereits ihr Haupt hin und her.



»Ja, ist Maisie vollkommen verrückt geworden? Nach all dieser Zeit soll ich wieder in die Show meiner Familie zurückkehren? Wie kann sie nur auf die absurde Idee kommen, dass ich darüber auch nur für eine Sekunde nachdenken würde?!«, entfuhr es ihr aufgebracht. »Das ist ja wohl völlig lächerlich …«

 



Ryan drückte sie sanft auf das Sofa zurück. Er spürte die auf ihm ruhenden gaffenden Blicke, der nun auf sie aufmerksam gewordenen neugierigen Schauspieler und Show-Mitarbeiter. Das letzte, was er oder Maisie wollten war, dass davon etwas vorab an die Presse gelangte, ehe alles in trockenen Tüchern war. »Jetzt hör' mir erst einmal zu, ehe du völlig ausflippst, Melody. Maisie wurde von deinem Vater und deinem Onkel persönlich darauf angesprochen. Die beiden sind verzweifelt darum bemüht, die Show wiederzubeleben, ehe die Einschaltquoten noch weiter in den Keller sinken ...«



»Ich … Oh, nein … Ich …«, keuchte sie.



»Nun lass' mich doch ausreden, Süße …« Als sie wieder aufbegehren wollte, berührte er sanft ihre Lippen mit seiner Fingerspitze. »Die beiden sind sich natürlich deiner Popularität bewusst, wie du dir unschwer denken kannst. Die beiden ›

Oscars

‹, die du gewonnen hast, der ›

Tony Award

‹ für diese Show und die drei erfolgreichen Bücher, die du während deiner Rehabilitation geschrieben hast, machen dich zu einem begehrten Objekt. Und sie wissen, wie sehr ein kurzes Gastspiel von dir der Show wieder auf die Beine helfen würde. Sie möchten, dass du Morgen bei ihnen zur Vertragsverhandlung vorbeikommst …«



»Wie können die beiden überhaupt nur in Erwägung ziehen, dass ich dem zustimmen würde?«, fauchte sie. »Die tun ja gerade so, als hätte ich nichts anderes geplant, und dass meine Zusage nur eine reine Formsache ist, die sie noch zu Papier bringen müssen.« Wütend starrte sie ihn an. Sie versuchte aufzustehen, aber Ryan zog sie neben sich auf das Sofa zurück.



»Ich verstehe ja, wie du dich fühlst, Süße ...«



»Untersteh' dich, mir jetzt mit diesem Psycho-Gequatsche zu kommen: ›

Ich verstehe ja, wie du dich fühlst‹

!« Dabei äffte sie ihn nach, und ihre Stimme klang scharf. »Das habe ich alles schon viel zu oft gehört … Niemand, aber auch wirklich niemand weiß, was ich durchgemacht habe … Nicht einmal du, Ryan! Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich das Gefühl hatte, in einer Hölle zu brennen, die sich selbst Dante Alighieri nicht besser hätte ausmalen können, so schlimm war der Schmerz … Wo war da meine Familie, frag' ich dich?! Wo waren all die Leute, die sich meine Freunde schimpften?! Knallhart haben sie mich aus den Drehbüchern, aus der Show und aus ihren Leben herausgeschrieben! … Warum, frag' ich dich, sollte ich jetzt noch irgendetwas auf diese verdammte, beschissene Show geben?« Ihre Stimme versagte, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie schnäuzte in das makellose weiße Taschentuch, das Ryan ihr in die Hände gelegt hatte, und murmelte: »Danke.«



Ryan lächelte sie zärtlich an, als sie ihren Kopf senkte und die Schultern hängen ließ.

Ach, Süße, was würdest du wohl sagen, wenn ich dir eingestehe, dass ich mich vor drei Jahren, schon kurz nach unserem ersten Treffen, in dich verliebt habe

, ging es ihm still durch den Kopf.

Ich hasse es, wenn ich dich so leiden sehe … und ich sterbe jedes Mal ein wenig, wenn ich nur daran denke, was du durchgemacht hast, nachdem du dem Feuer entkommen konntest

. Kaum das sie sich kennengelernt hatten, nutzte er seine zahlreichen guten Verbindungen zu Freunden in den entsprechenden Positionen und erhielt Kopien der Polizeibereichte über das Feuer sowie ihre Krankenhausakte. Daher wusste er nur zu genau um all die Hauttransplantationen, die plastischen Operationen, die Kämpfe mit den verschiedenen Psychologen und die harte Zeit der Physiotherapie, die sie durchgemacht hatte. Sie selbst hatte ihm nie viele Details erzählt und sich zumeist in Schweigen gehüllt. Alles was er wusste, hatte er durch seine Recherchen erfahren. Vor ihr war Geduld nie eine seiner Stärken gewesen, aber durch Melody war sie ihm zur Tugend geworden. Immer wenn sie sich trafen, hatte er daran gearbeitet – für sie. Mit der Zeit war er ihr bester Freund geworden, und er hoffte, dass es irgendwann auch mehr werden würde.



Melody gestattete sich ein paar gedämpfte Schniefer, dann versteifte sie sich und riss sich zusammen. »Lass uns von hier verschwinden, Ryan. Das letzte, was ich möchte, ist, den Tratschtanten dieser Stadt etwas in die Hand zu tun geben.« Sie griff nach ihrer Handtasche und erhob sich schnell auf.



Noch bevor er selbst vom Sofa herunter war, war sie bereits auf halben Weg durch den Raum und murmelte einige Verabschiedungen, während sie an den Leuten vorbeieilte. Ihm fiel auf, dass die einzige Person, mit der sie