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Eine homoerotische Geschichte

von

Saskia Pasión

Liebe Leser,

ich habe bewusst auch in diesem Buch auf Kondome verzichtet, da erfundene Personen in fiktiven Handlungen solche eben nicht benötigen. Ich vertraue auf aufgeklärte Leser, die Wahrheit und Fiktion unterscheiden können, und überlasse ihnen die Entscheidung, wie sie im realen Leben verfahren, ohne mahnend den Zeigefinger zu erheben.

Eure

Saskia Pasión

Irgendetwas bewegte ihn, hochzuschauen. Florian, Inhaber von »Flo‘s Fahrschule«, sprach in seinem Büro mit dem Vater einer Interessentin. Ein junger Mann stand vor dem Schreibtisch seiner Sekretärin und gab ihr seine Anmeldung. Was‘n das für‘n geiler Knackarsch!, dachte Flo schmunzelnd und widmete sich erneut seinem Kunden. Aber er registrierte sehr wohl, dass Adrenalin durch seinen Körper schoss und sein Pulsschlag sich erhöhte.

Sebastian ließ seinen Blick noch einmal durch den Laden schweifen und bemerkte seinen zukünftigen Fahrlehrer. Er lächelte und freute sich auf die erste Theorie in ein paar Stunden. Am Schwarzen Brett las er eine Notiz: »Ruhigen Nachmieter für Einliegerwohnung gesucht. 2 Zimmer, Küche, Bad, 50 qm. 350 Euro warm«. Schade, das kann ich mir im Moment noch nicht leisten, dachte er und verließ die Fahrschule.

Wenn du mich weiter so anschaust ..., schoss es Flo durch den Kopf. Er hatte sich in den dunklen Augen seines neuen Schülers verloren. Lässig an seinen Schreibtisch gelehnt, stand er während des Unterrichts vor seiner Klasse.

Auch Sebastian konnte die Augen nicht von dem sympathischen Fahrlehrer abwenden. Kurze, schwarze Haare, Dreitage-Bart und eine athletische Figur. Die engen Jeans und das kurze Tankshirt, das einen winzigen Blick auf seinen nackten Bauch freigab, wenn er sich streckte, tat sein übriges.

Dass ein Fahrschüler ihm so offensichtliches Interesse signalisierte, war neu für Flo. Sonst waren es die Fahrschülerinnen, die ihn anhimmelten. Obwohl er ab und zu mit einer von ihnen flirtete, hatte keine eine wirkliche Chance. Es war bekannt, dass es keine Frau in seinem Leben gab. Die Tatsache, dass er Single war, machte ihn für seine weiblichen Fans natürlich noch anziehender. Regelmäßig bekam er während der Fahrstunden eindeutige Angebote, die er genauso regelmäßig dankend ablehnte. »Keine Beziehung mit Schülerinnen ... obwohl der Gedanke reizvoll ist«, war seine Standard-Entschuldigung. »Ich bin doch viel zu alt für dich!«, fügte er in der Regel spitzbübisch lächelnd hinzu. Mit dieser nett verpackten Abfuhr kamen sie klar. Dass Flo sich aus Frauen überhaupt nichts machte, ahnte niemand. Er sah bis jetzt keinen Anlass, das jedem in der Fahrschule gleich auf die Nase zu binden. Das tun Heteros ja auch nicht, dachte er oft.

Diese Gedanken drängten sich ihm auf, während er von Sebastians braunen Augen gefangen war. Mit Gewalt musste er sich losreißen. Er räusperte sich. »So Leute. Die offizielle Stunde ist beendet. Wer hat Lust, noch einen Test-Prüfungsbogen auszufüllen?« Er schaute fragend in die Runde und lächelte, weil sich alle gemeldet hatten. »Brav! Ihr lasst das Herz jedes Fahrlehrers höher schlagen!«, neckte er sie. »Frank, teilst du bitte die Fragebögen aus? Und wer Zeit und Lust hat: In fünfundvierzig Minuten im Saftladen.«

Florian hatte die Fahrschule vor einem Jahr übernommen und führte sie seitdem mit großem Erfolg. Bald würde er sich einen zweiten Fahrlehrer leisten können. Die meisten Schüler waren gerade erst siebzehn oder achtzehn. Flo selbst war neunundzwanzig und duzte sich mit seinen Schülern, wenn sie einverstanden waren. Das sorgte von Anfang an für ein relativ lockeres Miteinander. Flo hatte noch seinen eigenen, strengen Fahrlehrer sehr gut in Erinnerung. So wollte er niemals werden. Er wusste, dass seine Fahrschüler ihn mochten und respektierten. Nach dem theoretischen Unterricht ging er mit ihnen oft in den Saftladen, ein Lokal ein paar Straßen weiter, in dem ausschließlich alkoholfreie Getränke ausgeschenkt wurden. Die jungen Leute liebten diese Treffen. Flos Fahrschule war bekannt dafür, dass kaum ein Schüler durch die Prüfung rasselte. Bei ihm freute man sich sogar auf die Theorie. Auch ehemalige Schüler, die längst den Führerschein besaßen, gesellten sich ab und zu noch zu der Flo-Runde und einige Ex-Schülerinnen versuchten weiter hartnäckig, Flo zu verführen. Aber Flo ließ sie auch jetzt abblitzen.

»Ihr habt dreißig Minuten. Wer früher fertig ist, kann den Fragebogen abgeben und ins Wochenende starten«, erklärte er lächelnd seinen Schülern. »Die Neuen haben heute Glück, eure Bögen werte ich nicht aus«, fügte er mit einem Blick auf Sebastian hinzu. Er und zwei Mädchen hatten sich heute erst angemeldet.

Die Schüler begannen, die Fragen zu studieren. Machten Kreuze, radierten sie wieder weg, kauten auf ihren Bleistiften oder grübelten Löcher in die Luft. Flo schlenderte durch die Reihen und überflog die Antworten.

Sebastian starrte auf seine Aufgaben, ohne jedoch irgendetwas davon zu erkennen, geschweige denn, zu verstehen. Er konnte die Blicke des Fahrlehrers fast auf seiner Haut spüren. Die Schmetterlinge in seinem Bauch waren erwacht. Ein Kribbeln durchzog seine Lenden. Vor ein paar Wochen erst hatte seine Freundin mit ihm Schluss gemacht. Sie hatte sich beschwert, dass er keinen Sex wollte. Sebastian wusste es nicht erst seit heute. Er wehrte sich seit jenen Tagen dagegen, dass er sich mehr für Jungs interessierte, als für Mädchen. Bereits vor knapp vier Jahren war er an einem einzigen Tag schlagartig erwachsen geworden. Er fieberte dem Beginn seiner Lehre entgegen, um endlich dieses Haus verlassen zu können, das noch nie ein Zuhause war. Aber er hatte gelernt, sich zu schützen, so gut es eben ging ... der Rest war Kampf.

Seit Marianne ihm den Laufpass gegeben hatte, ging er zu Hause durch die Hölle. Ständig war er den Launen, übelsten Beschimpfungen und Drohungen seines meist betrunkenen Vaters ausgesetzt. Er überwachte mit Argusaugen, wen sein Sohn mit nach Hause brachte. Seine Freunde kamen schon lange nicht mehr zu ihm. Damals ...

Er schrak auf, als Flo plötzlich neben ihm stand, spürte die Hitze, die von ihm ausging. Schon heute Nachmittag bei der Anmeldung hatte Sebastian sein Herz an ihn verloren. Er spürte, wie es zwischen ihnen knisterte. Gut, er war sich noch nicht ganz sicher ... Flo verunsicherte ihn. Einerseits hatte er Angst, zurückgewiesen zu werden und sich zu blamieren, andererseits musste er es wissen. Noch heute!

Florian legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, zog sie aber sofort wie ertappt wieder zurück. »Du brauchst das nicht auszufüllen!«, flüsterte er mit samtiger Stimme. »Und in ein paar Wochen ist das kein Problem mehr!«

Sebastian schluckte und nickte.

Flo setzte sich auf seinen Schreibtisch und wartete. Er war nervös – wollte raus. Weg von Sebastian. Einer nach dem anderen gab seinen Bogen ab. »Na, Sebastian? War‘s sehr schwer?«, fragte er den Jungen, als dieser ihm seine Blätter gab.

»Na ja ... ja ... nein! Du kannst mich Basti nennen ... alle meine Freunde nennen mich so.« Leichte Röte überzog seine Wangen. Er rettete sich mit Prospekten eines Sportstudios, die er auf dem Tisch liegen sah. »Ist das Studio gut?«, wollte er von Flo wissen.

»Ja. Kann ich sehr empfehlen. Ich trainiere da vier- bis fünfmal in der Woche. Die haben gut ausgebildete Trainer, die wirklich aufpassen, dass die Übungen korrekt durchgeführt werden. Wenn du dich anmelden willst, nimm einen Flyer von uns mit – meine Schüler bekommen dort Sonderpreise«, erklärte er und reichte Basti einen der Prospekte. Ihre Hände berührten sich. Beide zuckten zurück, als hätten sie sich aneinander verbrannt. Bastis Augen wurden eine Spur dunkler. Aufreizend leckte er sich über die Lippen. Da war es wieder! Ich kriege dich!, schoss es ihm durch den Sinn.

»Den Laden sehe ich mir auf jeden Fall an, danke!«

Sie waren jetzt alleine im Raum, die Luft knisterte und Flo beeilte sich, seine Sachen zusammenzupacken. Nix wie raus hier!, befahl ihm sein Verstand.

Draußen im Flur standen acht junge Leute und warteten darauf, dass es losging.

»Fährst du mit deiner Maschine?«, fragte Kim, eine junge Frau mit riesigen Augen und hübschem Gesicht hoffnungsvoll.

Flo seufzte innerlich. »Klar, Kim. Mein altes »Mädchen« hab ich immer dabei!«, antwortete er spitzbübisch. Sein altes Mädchen war eine maisgelbe Ducati SS 900. »Du weißt Kim, dass sie ausschließlich Männer mitnimmt. Mit Mädels wird‘s mir da zu heiß!«, sagte er anzüglich grinsend. Kim hätte nicht mehr am Unterricht teilnehmen müssen, ihre theoretische Prüfung hatte sie vor drei Wochen bestanden. Kommenden Montag würde sie mit Sicherheit die Fahrprüfung bestehen. Sie war mit sechsundzwanzig eine der ältesten Fahrschülerinnen.

Durch den Hintereingang gingen sie gemeinsam in den Hof. Es war ein warmer Juliabend und die Strecke sehr kurz. Auf seine Motorradkleidung hatte Flo verzichtet. Stattdessen hatte er sich ein Sweatshirt über den Arm gehängt. Basti ging an seiner Seite ... sehr eng an seiner Seite. Wie zufällig berührten sich ihre Arme. Es kribbelte in seinem Bauch, ein süßes Ziehen breitete sich in seinem ganzen Körper aus, strömte direkt in seine Lenden. Gott, das kann ja heiter werden! Er registrierte verzweifelt seine Erektion, die er mit dem Sweatshirt verbergen konnte. Das war ihm lange nicht passiert. Nach dem Ende der zweijährigen Beziehung mit Mike vor vier Jahren hatte er ab und zu Sex. Mehr nicht. Eine feste Partnerschaft wollte er seitdem nicht mehr. Ein kurzer Seitenblick auf Basti, der aber scheinbar nichts bemerkt hatte. Vor dem Motorrad blieben sie stehen.

Basti rief freudig erregt: »Eine Ducati! Ich werd verrückt! So eine kaufe ich mir später!«

 

Flo wusste genau, was jetzt kommen musste. Er würde nicht ablehnen können, zu oft hatte er in der Vergangenheit Schüler mitgenommen.

»Nimmst du mich mit, Flo?«, kam die erwartete Frage.

»Okay Du weißt, dass es verdammt eng wird?«, fragte er in der Hoffnung, Basti würde einen Rückzieher machen. Doch insgeheim wünschte er sich nichts sehnlicher als dessen Nähe. Fatal!

»Klar! Kein Problem. Ist ja nicht weit!«

»Gut, ich besorge rasch einen Helm für dich. Ihr könnt schon vorgehen, wir holen euch sicher ein!«, rief er den anderen zu.

Hektisch schloss er die Tür zu seinem Büro auf und warf sie hinter sich sofort zu. Lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und griff sich keuchend in den Schritt. Die Erektion war nicht zu übersehen. Flo, reiß dich jetzt zusammen. Der Junge ist achtzehn! Du weißt nicht, was er von dir will. Vielleicht hat er eine Freundin! Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Relativ gefasst nahm er kurz darauf den zweiten Helm, öffnete die Tür und ... stand vor Basti.

»Was willst du?«, fuhr er ihn an.

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