In love with Hercules

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Nik Morgen

In love with Hercules

Ein kurzer Email-Liebesroman

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

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Von: <niconom@highspeed.net> An: <clear@hotmail.com> Gesendet: Samstag, 31. März 2007 10:18

Lieber Herkules

Ich darf dich so nennen, wenn dein andere Name auch nicht richtig ist. Herkules passt ausgezeichnet zu dir, und klingt erst noch ähnlich wie dein anderer Künstlername. So wage ich sogar, „mein Herkules“ zu sagen.

Was soll ich dir heute erzählen, das dich nicht ärgern wird? Vielleicht ärgern dich diese Mails ja bereits. Vielleicht hast du mir schon gestern zurückgeschrieben: „Ich bin gegen dein Projekt und will ab sofort keine Mails mehr!“ Vielleicht hast du gar den Zugang gesperrt oder die Sendung fällt deiner Firewall zum Opfer. Es ist zu spät, mein Lieber. Weil ich diese Nachrichten bereits Anfang März geschrieben habe, kommt mir ein Vorsprung von drei Wochen zugut, den du nicht wieder wettmachen kannst, auch wenn du absurd schnell läufst. Ich befinde mich bereits Mitte April mit meinen täglichen Mails an dich und dein Kalender schreibt Ende März. Seite um Seite wird das Büchlein geschrieben und an dich versandt. Und weil es dir gewidmet ist, wirst du entscheiden, ob es allein dir gehören oder an die Öffentlichkeit gelangen soll. Gib mir einfach Bescheid, wenn du alle Botschaften vernichtet hast, damit ich mich auf die Suche nach einen Verleger machen kann.

Was ist eigentlich vorgefallen, wirst du dich fragen, Herkules, dass ich nach diesem friedlichen Monat plötzlich so entschlossen und penetrant auftrete? Nie hättest du dir träumen lassen, dass aus jener belanglosen Begegnung ein solches Drama entstünde. Was ist mit mir, diesem unscheinbaren, zurückhaltenden Menschen passiert? Ich bin einem Mythos begegnet, Herkules, und du, ohne es zu wissen auch! Dieser Mythos lässt mich nicht mehr in Ruh‘. Er war immer in mir, aber jetzt ist er „ausgelöst“ und wird sich nicht eher legen, bis er fester Bestandteil meines Alltags geworden ist.

Ich trug dich immer in mir, junger Herkules. So wenig man mir es ansieht; die Konstellation war von Geburt an da. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das Innen im Aussen wiedererkennen und Wirklichkeit würde.

Aber genug gefasert. Ich werde dir alles im Detail erklären, hübsch proportioniert, abwechslungsreich und unterhaltsam. Ich will nicht, dass du dich vor lauter Mythos oder Fachjargon unverstanden fühlst. Denn um dich geht es mir ja. Ich wünsche dir einen schönen Tag! Mach ihn dir nicht zu schwer und überanstrenge dich nicht. Dein Arzt, Chiron

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Von: <niconom@highspeed.net> An: <clear@hotmail.com> Gesendet: Montag, 2. April 2007 09:09

Lieber Herkules

Es war eine lange, nicht übertrieben lange, aber doch hinhaltende Bahnfahrt nach Mannheim. Ich ging deshalb in eine Bibliothek und deckte mich mit Reiseliteratur ein; auch die kleine Kopie mit dem Plan der Innenstadt, die ich dir gezeigt habe, machte ich in der Bibliothek. Ich zähl dir nicht alle Bücher auf, die ich dabei hatte. Das führt zu weit und ich möchte dir gegenüber nicht weitschweifig, sondern zielstrebig sein. Zielstrebig in Bezug auf dein Herz (falls etwas zu kitschig tönt, was ich dir schreibe, halt einfach die Ohren zu). Eines der Bücher, die ich dabei hatte, war oberflächlich. Der Titel lautete „Kontakte finden. Die ersten vier Minuten entscheiden“. Ich erwähne ihn nur um auf den ersten Moment unserer Begegnung hinzulenken. Wie fandest du mich in den ersten vier Minuten, die angeblich so entscheidend sind? Uninteressant? Lächerlich? Peinlich? Ich gehe gern vom Zweitschlimmsten aus. Vielleicht steht es ja besser. Auf meiner Seite war es innerhalb einer Viertelsekunde klar: Das ist er! (Ich schummle hier ein wenig. Aber ich möchte dir das Grundanliegen klar machen.)

Ich sah dich erst, als du auf der Rolltreppe unten ankamst. Bist du hinunter gelaufen? Du wirkst sehr schnell. Ich sah dich schelmenhaft von der Seite lächeln und mir fiel die massive Postur auf: der Schädel, der Stiernacken, die Breite deines Körpers und gleichzeitig die Kraft schneller Bewegungen. Ich sah deinen zielstrebigen Geist, mit Hilfe dessen wir uns sogleich in einem Quick-Café befanden. Eros Ramazotti klang über die Lautsprecher. Ich setzte mich, während du an der Theke meinen Drink bestelltest. Ein kleiner, freundlicher, entschiedener Napoleon (er war angeblich auch klein). Ich wollte dir umständlich die Latte Maschiato Amaretto abnehmen, da du noch Zucker mitbalanciertest. Aber schon hattest du sie hingestellt. Es ist gut, wenn du dich früh mit meiner Umständlichkeit bekannt machst, denn ich möchte dich von Anfang an Nachsicht lehren. Davon brauchst du viel, wenn wir ein Paar sind. Ich werde dir täglich Gelegenheit geben, deinen Charme und deine Zuvorkommenheit zu leben; die sanften Seiten deines Temperamentes, womit du reich gesegnet bist.

Ich starte die Konversation. Für Einstiege bin ich zuständig. Ausserdem „schulde“ ich es einem schönen Menschen, den Kontakt angenehm zu machen, wenn ich nicht davon ausgehen kann, dass er mir nur stumm in die Augen sehen möchte. Und sogleich ist der flow da. Es muss auch dir aufgefallen sein: die Unterhaltung geht absolut mühelos und natürlich. Die Rollen sind ebenfalls bald klar: ich gebe den Imput, du den Output. Wir sprechen über Lohnvergleiche zwischen Deutschland und der Schweiz, Arbeitsbedingungen, den Abbau im Sozialwesen, über Sprache, den „Lügner“ von Molière, Schichtarbeit.

Dann schlägst du vor, dass wir uns bewegen. Im Schlossgarten war ich schon, deshalb gehen wir zur Uni, die du auch von innen kennst. Du weist auf den Schwulenpark hin, aber das Thema „schwul“ streifen wir nur kurz. Irgendwo hängt ein Bild mit halbnackten Männern im Schaufenster und du wunderst dich, dass ich davor nicht stehen bleibe. „Nicht mein Typ Mann. Wären sie so wie du, wäre ich auf jeden Fall stehen geblieben und hätte gesagt: Ihr seht ja beinah so aus wie Herkules hier, der aber leibhaftig neben mir steht“, antworte ich.

Wir gehen um eine Bibliothek herum, welche mit interessanten kugelförmigen Skulpturen aus Beton geschmückt ist. Du willst eine Sequenz Schweizerdeutsch hören, weil du Schweizer kennst, die das nicht können?! Zur Kirche willst du nicht – du seist mehr am Menschen, als an Gott interessiert?! Mir ist kalt, wir gehen ins Restaurant. Hier bestelle ich die Drinks und finde den Zucker nicht gleich, wofür du aufstehen möchtest. Das Gespräch geht um das Abitur, das du nachgeholt hast mit Fünfern in Deutsch und Englisch (in Deutsch musstest du dafür ein Rekursgespräch mit der Lehrerin führen). Aber in den „männlichen“ Wissenschaften warst du gut. Das Studienjahr hat sich nicht ausbezahlt. Du machtest die Rechnung: wenn du fleissig weiterarbeitest verdienst du am Ende mehr, als wenn du für einen höheren Posten zuerst vier oder fünf Jahre studieren musst.

Ich erfahre noch viel mehr über dich: Deine Herkunft aus Iran, das Aufwachsen bei Verwandten; Geschwister, die beinahe 20 Jahre älter sind als du; die illegale Arbeit, die du für einen Gemüsehändler verrichten musstest, als du mit zwölf nach Deutschland kamst. Zuerst nach München, dann nach Giessen und dann nach Mannheim. Dein Vater ging in die Heimat zurück, als deine Mutter gestoben war. Das sagt viel über primäre Beziehungsmuster aus. Du hast Schwierigkeiten, dich zu binden, schreibst du mir einmal im Chat.

Du lebst von Stimmungen und von Launen. Die hängen aber nicht von anderen Personen ab?! Du sprengst die Lehren der Psychologie. Nach meinem Verständnis sind Beziehungen deine Hauptschwierigkeit. Und hier setzt auch meine Liebe zu dir an. Ein wackeliger Anknüpfungspunkt? Mein Hauptproblem ist, dass ich dich kaum kenne. Ich kenne dich kaum. Wie will ich dich verstehen? Schreib mir bitte wieder, schreib mir bald. Ich fühle mich so ausgetrocknet auf dich bezogen. Du willst die junge Pflanze verdorren lassen. Die junge Pflanze, die ein dicker Baum werden will wie du.

 
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