Zwischen Türen und Angel(n)

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Zwischen Türen und Angel(n)
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Zwischen Türen und Angel(n)

Britta Sander

Impressum

© 2019 Michael Fasshauer

Texte: Britta Sander

Umschlagfoto: Michael Fasshauer

Umschlag: Redaktion Jakuscheit

Verlag:

Michael Fasshauer

Hiera 20, 79853 Lenzkirch

zwischen-tueren-und-angeln@web.de

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Exposé

Ob grölende Gartenzwerge oder gewiefte Vorschulkinder. Ob aktivistische Transvestiten oder knurrende Miezekatzen. Ob Erziehungsprobleme, Geldprobleme oder Eheprobleme: Timo weiß, was sich hinter Deutschlands Türen abspielt. Seit sechs Jahren geht er als Werber einer Umweltschutzorganisation von Tür zu Tür. Auf seinen Streifzügen trifft er auf die unterschiedlichsten Menschen – und findet sich oft in kuriosen, lustigen, langweiligen, traurigen oder auch amourösen Situationen wieder: Sei es zwischen Tür und Angel mit der gestressten Hausfrau, am Küchentisch zu Kaffee und staubtrockenem Sandkuchen oder auf dem Gästeklo in einer verlassenen Wohnung. Keine Frage, dass sich sein kleiner Bruder Martin, Langzeitstudent und bekennender Likörfan, die ein oder andere Geschichte anhören muss – und nicht nur, wenn es ums Spendensammeln geht: Denn Michael hängt seit der Trennung von seiner Freundin in puncto Frauen mächtig in der Luft. Ein Thema, das in der Männer-WG oft heiß diskutiert wird. Da wäre zum einen die toughe Ex-Freundin Nicola, die ihn wegen Mr. Macho aus der Nachbarwohnung verlassen hat. Und zum anderen Sara, die er nachts beim Umweltschutz-Frösche-Sammeln zwischen eimerweise glibberigem Froschlaich kennengelernt hat. Bei wem Michael am Ende offene Türen einrennt, mit welchen Schwierigkeiten man als Ein-Mann-Drückerkolonne zu kämpfen hat und wann sich der normale Bürger über ein Tütchen Klatschmohnsamen freuen darf, erzählt Zwischen Türen und Angel(n).

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Von eisigen Anfängen und falschen Schlüssen

Von automobiler Psychologie und verliebten Fröschen

Von kleinen Brüdern und großen Nummern

Von wütenden Top-Models und zu hassgeliebten Freunden

Von drei Transvestiten und Großstadtindianern

Von weichen Saunatüchern und knallharten Pudeldamen

Von Nicola am Telefon und Erika im Vorgarten

Von gut gemeinten Engeln und teuflischen Magenfaxen

Von falschen Jägern und verklemmten Beschwerdesammlern

Von Sex am Nachmittag und James Bond mit Biss

Vom klugen Heinz und Jerome seiner Schwester

Von Vorgärten und Gartenzwergen

Von Doppel-D und Freund Fred

Von Anfängerfehlern und Profidrinks

Von Aufregung und Ungewissheit

Vorwort

Es klingelt. Mal laut, mal glockenhell, mal sanft, mal schrill, mal nervtötend. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, um jemanden aus dem Sessel zu klingeln. Oder aus dem Bett, aus der Wanne oder vom Klo. Es könnte ja der Nachbar sein, der endlich sein sperriges Riesenpaket abholen kommt. Oder die Müllabfuhr, die sonst nicht den stinkenden Biomüll mitnimmt. Oder der Schwiegervater, der seinen Akkubohrer wiederhaben will. Es gibt mehr als genug Gründe, warum wir in Windeseile die Hose hochziehen, den letzten Bissen in den Mund stopfen, einen kurzen Blick in den Spiegel werfen und zur Tür zu hechten. Und das alles, um enttäuscht feststellen zu müssen, dass es sich nur wieder um einen aufdringlichen Werber handelt, der einem Abos für Tina, Bella oder Laura oder eben den Wachtturm unterjubeln will. Ich habe das schon tausendmal miterlebt. Nicht, weil mein vertrockneter Vorgarten eine solche Endzeitstimmung ausstrahlt, dass er scharenweise Zeugen Jehovas anlockt. Auch nicht, weil ich so gerne Kreuzworträtsel in Frauenzeitschriften löse oder den Fransenbob von Carmen Nebel mal nachstylen möchte. Sondern weil ich derjenige bin, der beherzt auf Ihre Klingel drückt. Und bei dessen Anblick Sie vor Enttäuschung bestimmt schon mal dicke Backen gemacht haben.

Seit sechs Jahren gehe ich als Werber von Haus zu Haus und sammele Spenden für eine große Natur- und Umweltorganisation, die regionale Projekte wie Biotope oder Naturschutzgebiete unterstützt. Klar, dass auch ich manchmal als gemeine Drückerkolonne beschimpft werde, obwohl ich mich dann doch frage, ab wie vielen Personen man wohl als Kolonne durchgeht. Sie müssen wissen: Ich bin immer allein unterwegs. Und sehe mit meinen 32 Jahren auch eigentlich ganz harmlos aus. Sportlich, 1,83 Meter groß, mit vom Wetter gebräunter Haut und leicht grauen Schläfen. Mittlerweile denke ich, dass mir die grauen Haare an der Tür ein bisschen in die Karten spielen, weil sie so was Reifes, Vertrauenerweckendes ausstrahlen. Gerade bei Frauen ein wesentlicher Punkt. Als ich jedoch bei der Organisation anfing, war ich nicht nur der Älteste, sondern auch der Einzige mit grauen Haaren. Also entschied ich, die Schläfen zu färben, um jünger zu wirken. Dieser Versuch ging leider mächtig in die Hose. Ich muss zugeben, ich habe das Ganze sehr großzügig aufgetragen. Viel hilft viel. In meinem Fall verhalf es mir zu braun getönten Ohren und misstrauischen Blicken der Leute. Abgesehen von braunen Ohren gibt es ein paar Kleinigkeiten, die an der Tür gut ankommen. Regel Nummer eins: ein strahlendes Lächeln. Deshalb esse ich in der Pause nichts, was sich unbemerkt zwischen meine Vorder- und Schneidezähne mogeln könnte, um dann spinatgrün den Leuten ins Gesicht zu springen. Regel Nummer zwei: Passend zu den blendend Zähnen trage ich ein schneeweißes Shirt mit dezentem, grasgrünem Organisations-Logo. Dazu eine blaue Jeans. Nicht dunkelblau, nicht hellblau, am besten mittelblau. Und abschießend nicht ganz so ausgelatschte Sneakers. Das finden besonders die älteren Damen immer „total flott“. Wenn es draußen kalt wird, ziehe ich eine Wolljacke an. Meine ist grau meliert, das ist neutral und nicht zu dunkel. Mützen, Kapuzen und Regenschirme sind für Werber tabu. Ein leidiges Thema, gerade wenn es im Herbst wie aus Kübeln gießt oder bitterkalt ist. Aber einem gesichtslosen Mann mit dunkler Kapuze macht niemand die Tür auf. Also lasse ich an eisigen Regentagen Tropfen um Tropfen in meinen Kragen laufen, während ich warte, bis mir jemand öffnet. Natürlich haben viele Häuser auch Vordächer. Aber oft halte ich einen höflichen Abstand von drei Metern, das kommt immer besser an. Sie können sicher verstehen, dass mir in solchen Situationen eine schnelle klare Absage tausend Mal lieber ist, als im strömenden Regen zu stehen und mit den Leuten zu diskutieren, ob ich als Einzelperson per definitionem als Drückerkolonne durchgehe oder nicht. Manchmal sehe ich auch durch den Glaseinsatz in der Haustür, wie die Bewohner einfach im Flur stehen bleiben und mich beobachten. Ohne die Tür zu öffnen. Dann grinse und winke ich, aber meistens rennen die Glaseinsatz-Abchecker dann einfach weg. Einmal habe ich an einem Haus geklingelt und sah durch den Glaseinsatz in der Haustür, wie sich der Bewohner hinter dem Garderobenschrank versteckte. Was bleibt einem da anderes übrig, als laut von draußen gerufen: „Sie können auch gerne über die Sprechanlage mit mir sprechen. Die hängt doch genau neben dem Bild mit den komischen Segelbooten.“ Auch wenn mir Sprechanlagen das Leben an der Tür schwieriger machen, habe ich vollstes Verständnis für sie. Aber ohne meine sanftmütige Wolljacke und mein entwaffnendes Lächeln muss ich mich hier ganz und gar auf meine Stimme konzentrieren. Das heißt: Deutlich, freundlich und nicht aufdringlich. Weil aber das Werben über Sprechanlagen generell immer schwierig ist, kassiere ich hier auch eine Menge Abfuhren. Da gibt es Standardsätze wie „Nein ich habe kein Interesse“. Oder: „Nein danke, ich mache schon genug für meinen Garten.“ Neulich hat sich über eine Sprechanlage eine Frau gemeldet. Ich fragte sie, ob sie bei der großen Unterstützungsaktion für den Landkreis mitmachen wolle. Darauf sie: „Tut mir leid, ich kann grad nicht aufmachen, ich stehe unter der Dusche.“ Oft spreche ich auch mit Anlagen mit Migrationshintergrund, das geht dann so: „Guten Tag, ich bin vom Verein ‚Schöne grüne Welt‘. Wir machen hier im Landkreis eine große Unterstützungsaktion ...“

„Hä?“

„Ich sammele Spenden für verschiedene Umweltprojekte, vielleicht möchten Sie mitmachen?“

„Alter willst du??“

„Fragen, ob du für die Umwelt spenden willst.“

„Alter, warte mal … Ey Ayla Alter, isch hab doch gesagt, das is nisch für disch! Dürum yüzlum Kindergarten üzgünüm bugün, Alter, nein!“

Hm, ich Alter oder „Ayla Alter“? Leider hatte ich keine Chance mehr, herauszufinden, wem das „Nein“ galt. Aber ich nehme mal schwer an, uns beiden. Stellen Sie sich vor, jemand spricht sie in der Fußgängerzone oder an der Tür an, um Geld zu sammeln. Sie sind gerade weder in Eile, noch im Stress, noch so genervt, dass Ihnen nicht einmal eine gescheite Ausrede einfällt. Also denken Sie sich: „Meinetwegen, ist ja für einen guten Zweck.“ Während der Werber nun weiter ausholt, um Sie über die Organisation, die Mitgliedschaft und die Zahlungsmodalitäten aufzuklären, läuten bei Ihnen sämtliche Alarmglocken. Mitgliedschaft? Bankeinzug? KONTONUMMER? Kommt nicht in die Tüte. Jedenfalls nicht bei solch windigen Geschäften zwischen Tür, Angel und Schuhgeschäft. Damit Sie sich nicht direkt beim bösen K-Wort die Flucht ergreifen oder mir die Tür vor der Nase zuschlagen, gibt es im Werberwortschatz keine schlimmen Wörter wie Verpflichtung, Unterschrift, Bank usw. Stattdessen arbeitet man sich wie folgt vor: Ich sage: „Hallo! Sie kennen doch bestimmt den Verein ‚Schöne grüne Welt‘?!“ Worauf Sie dann sagen: „Jaaa? Klar!“ Das „Ja“ kommt mal mehr oder weniger überzeugend rüber. Aber wer würde schon freiwillig zugeben, dass er noch nie etwas von dieser riesigen Umweltschutzorganisation gehört hat. Also ich nicht. In den folgenden zwei Minuten versuche ich, auf Teufel komm raus, so viele Jas wie nur möglich aus Ihnen herauszukitzeln. Sie sollen nicht überlegen, grübeln, abwägen. Sondern zuhören, lächeln und nicken. Am Tag klingele ich an die 150 Mal. Ungefähr 90 Mal wird mir die Tür geöffnet. Und wenn ich acht Leute zum Mitmachen bewegen kann, gehe ich abends mit einem breiten Grinsen nach Hause. Jedem glücklichen Spender drücke ich am Schluss eine Tüte Klatschmohnsamen in die Hand. Keine Ahnung, warum es ausgerechnet Klatschmohn ist. Aber die Leute stehen drauf. Mal sehen, ob Sie es auch tun.

 

Von eisigen Anfängen und falschen Schlüssen

Meine ersten Wochen als Werber waren ziemlich schrecklich. Ich hatte eine riesige Hemmschwelle, bei fremden Leuten zu klingeln. Nicht gerade die Top-Voraussetzung für jemanden, der hauptberuflich von Tür zu Tür geht, um Spenden zu sammeln. Vielleicht hätte ich mir das vorher überlegen sollen. Anfangs musste ich nur bei den anderen aus dem Team mitlaufen und zuschauen. Aber dann kam der Tag, an dem ich ganz alleine vor der verschlossenen Tür stand. Todesmutig drückte ich den Knopf, zählte einundzwanzig, zweiundzwanzig und dachte „Schade, keiner da. Bloß weg hier.“ Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so schwerfallen könnte, an fremden Türen zu läuten. Aber es half nichts. Ich brauchte diesen Job dringend. Ich gab mir schließlich einen Ruck und wählte ein Haus, das irgendwie harmlos und nach Familienidylle aussah. Blaue Haustür mit Glaseinsatz inklusive Dekoherzen an langen Seidenbändern. Daneben ein Schild auf dem stand, dass hier Birgit, Rainer, Laura und Kevin wohnen, die keine Werbung wünschten. Ich stellte mich in Positur, hielt die grüne Mappe wie ein Schutzschild vor meine Brust, atmete tief ein und drückte auf die Klingel. Nichts passierte, ich hielt die Luft an. Plötzlich brüllte eine Frauenstimme von drinnen: „Kann vielleicht mal einer aufmachen?“ „Mann Mama! Ich chatte grade!“, schrie eine Jungenstimme zurück. „Frag Laura!“ „Wie übertrieben scheiße bist du denn?“ „Hallo Laura“, denke ich. Wussten Sie übrigens, dass mittlerweile „übertrieben“ das „end-“ abgelöst hat? Als ich mit dem Job anfing, war bei den 10- bis 17-Jährigen alles „endlecker“, „endkacke“, „endgeil“. Heute ist es „übertrieben lecker“, „übertrieben kacke“ oder „übertrieben übertrieben“. „End-“ fand ich irgendwie klarer. Bei beispielsweise „übertrieben aufgebitcht“ weiß man nicht so recht, ob es jetzt positiv oder negativ ist. Aber als ich mit pochendem Herzen vor der Tür stand, war ich überzeugt, dass sich hier weder Kevin noch Laura irgendwelche Umstände machen brauchten. „Ich kann auch einfach wieder gehen“, dachte ich. Aber da war es schon zu spät. Die Tür ging auf und vor mir stand eine Frau Ende vierzig. Sie war klein und ein bisschen untersetzt. Über ihre Schulter hing ein Trockentuch und ihr hellblaues T-Shirt hatte ein paar Wasserspritzer vom Spülen abgekommen. Sie roch nach Scheuermilch und ein bisschen nach Bratkartoffeln. Das machte sie mir gleich sympathisch. Ich mag Bratkartoffeln mit kross gebratenen Zwiebeln. Leider hatte ich das Gefühl, dass sie mich nicht so schnell in ihr Herz schließen würde, wie ich ihren Bratkartoffelgeruch.

Sie wirkte abgehetzt und leicht wütend. Kein Wunder, Laura und Kevin hatten sich schließlich wie die Erdmännchen in ihre Löcher verkrochen und das mit lautem Türknallen noch unterstrichen. „Ja?“, sagte sie nur knapp und schaute mich mit großen fragenden Augen an. Es waren ganz veilchenblaue Augen. Schade, dass sie mich so grimmig anstarrten. Aber ich konnte wohl schlecht sagen „Mensch Birgit, du hast verdammt schöne Augen. Aber wenn du mich weiter so böse anstierst, mache ich mir gleich in die Hosen.“ Also begann ich, mit Müh und Not, meinen Eisbrecher-Spruch aufzusagen, der aber bei der arktischen Kälte an Birgits Haustür so rein gar nichts bewirken wollte. Wahrscheinlich mochte sie Eis echt gerne. Deshalb wunderte ich mich nicht, dass ich von Birgit nur ein mitleidiges Seufzen bekam, gefolgt von einem Kopfschütteln und dem Knallen der Tür. Mit Kevins und Lauras war das innerhalb von drei Minuten die dritte Tür. Wie deprimierend. Das Ganze wiederholte sich in der ersten Zeit wieder und wieder. Ich bekam einfach keinen Fuß in die Tür. Jedes Mal stand ich da wie nicht bestellt und nicht abgeholt. Ich stammelte und stotterte, jeder Logopäde hätte sich die Finger nach mir abgeleckt. Vor lauter Unbehagen hämmerte ich mir ständig die Kugelschreibermine in meine Handfläche. Das tat ganz schön weh. Und mein Verschleiß an Kugelschreibern war in diesen ersten Wochen bestimmt zweistellig. Mein bester Freund und Hobbypsychologe riet mir, die Angst einfach mal herauszuschreien. Wenn das nicht helfen würde, könnte ich „die Angst auch tanzen“. Ich probierte es direkt mit Schreien. Dadurch wurde ich so heiser, dass ich die nächsten Tage wegen Stimmbandreizung krankgeschrieben war. Ich jubilierte! Ein Glück, dass Übung zwar nicht den Meister macht, aber wenigstens meine Hemmungen abbaute. So kriegte auch ich irgendwann die Kurve und brachte nach einiger Zeit an der Tür sogar ganze Sätze heraus. Außerdem entwickelte ich langsam, aber sicher ein feines Näschen für die verschiedenen Leute, ihre Situation, ihre Problemchen und Probleme. In der folgenden Zeit horchte ich in eine Menge Haushalte hinein, hörte lustige, langweilige und noch langweiligere Geschichten und fand mich manchmal plötzlich in den kuriosesten Situationen wider. Eben noch am Gartentor, jetzt schon auf der Showbühne! So saß ich nach ein paar Minuten bei einer Papa-ist-der-Chef-Tasse Kaffee am Küchentisch und diskutierte über die Erderwärmung. Oder die fünf in Bio. Ich probierte Sauerkraut mit Kassler und nahm kochend heiße Kartoffeln vom Herd. Ich half, Wohnzimmermöbel zu verrücken, begutachtete verstopfte Abflüsse im Badezimmer, streichelte widerwillig grimmige Katzen oder würgte trockenen Sandkuchen lächelnd in mich hinein. Ich hörte mir Geldprobleme, Erziehungsprobleme und Eheprobleme an. Nickte verständnisvoll, wenn es um Hundehaufen im Vorgarten ging und echauffierte mich gekonnt über die neue Gesundheitsreform. Ich aß mit Windpocken geplagten Kindern Salzstangen, beäugte so manche Gürtelrose und verpasste nie meinen Einsatz zur derzeitigen Wetterlage. Ich muss zugeben, es gefiel mir. Und damit auch kamen auch die ersten Unterschriften.

Von automobiler Psychologie und verliebten Fröschen

An einem mausgrauen Tag war ich in einem mausgrauen Stadtteil unterwegs. Alles war öde, ein Wohnriegel reihte sich direkt an den nächsten. Es war wie eine große graue Wand, die links und rechts an mir emporragte. Kein Baum war weit und breit zu sehen, und ich vermisste die hübschen Neubausiedlungen mit ihren lindgrünen und zitronenfaltergelben Fassaden, den Schaukeln im Vorgarten und den blauen Haustüren. Ja, ich vermisste sogar die großen Familienautos mit den praktischen Schiebetüren, die aussehen wie riesige Brotkästen auf Rädern. Aber genau in solchen Siedlungen, in denen es so viele frisch verheiratete Paare wie frisch bemalte Garagentore gibt, sind die Leute gegenüber dem Spenden sehr offen. Besonders, wenn es um Mutter Natur geht, außer die Häuser mit einem BMW im Carport. Ich habe in all den Jahren noch nie eine Unterschrift von einem BMW-Fahrer bekommen. Dafür von Volvo-Fahrern umso mehr. Woran das liegt? Ist doch klar: Weil schließlich nur Biologielehrer, Physikprofessoren und Floristen eine Vorliebe für schwedische Schlachtschiffe haben. Wohingegen der gepflegte Sparkassendirektor einen 5er BMW fährt und für seine Mäuse lieber ein Tagesgeldkonto mit mindestens vier Prozent Zinsen anlegt. Genau so, wie die Altenpflegerin immer den Opel Corsa wählen würde, dessen Scheiben putzige Jolly-Mäh-Schafe von Nici mit Saugnapf zieren. Ja, ja, ich weiß, alles Klischees. Nur komme ich nicht umhin, mich zu fragen, warum sich diese Klischees bei meinen Rundgängen durch die Wohngebiete immer und immer wieder bewahrheiten. Während ich an Wohnriegeln auf dem schmalen Gehsteig entlangtrödelte, dachte ich an mein Treffen mit Sara gestern Nachmittag. Wir hatten uns neulich im Wald kennengelernt. Nachts. Ich würde es Ihnen an dieser Stelle nicht verübeln, wenn Sie denken würden: „Jetzt ist das auch noch einer von diesen Rollen-Gandalfs, die hinter Bäumen lauern und mit ihren selbst gebastelten Pappmasche-Schwertern imaginären Orks auflauern.“ Nein, ganz falsch. Genauso falsch wie die Vermutung, dass ich mich nachts mit wildfremden Frauen zu einem ökologisch korrekten Stelldichein treffe. Obwohl die Nacht lau war und die Sterne am Himmel wie wild funkelten. Also, was tut ein aufgeschlossener Single heutzutage nachts um vier Uhr? Halten Sie sich gut fest, Ihr Romantikfaktor wird in einer Sekunde auf hundertneunzig sein, genau wie sämtliche Deutschlehrer, die das hier lesen: Er tut Frösche sammeln. Richtig, wir haben uns zwischen Eimern voller Schleim und Froschschenkeln kennengelernt. Und was soll ich sagen: Es war fabelhaft! Wir Werber von der Organisation machen zur Zeit der Froschwanderung gerne mal nachts den Froschlotsen. Ich will nicht sagen, dass wir das müssen. Aber es wird schon gerne gesehen, wenn man sich für die hüpfende Bevölkerung oder andere Projekte ein bisschen einsetzt. Außerdem erdet es. Besonders dann, wenn man mit Gummistiefeln im dicksten Schlamm steckt, nur um einem aufeinanderhockenden Froschpaar über die Straße zu helfen. Sara fiel mir auf, weil sie so beherzt nach den glitschigen Fröschen griff. Bei ihr sah das Ganze aus wie Heidi beim Pilzsammeln, was ich charmant fand. Sie schwenkte ihr Eimerchen mit der kopulierenden, wabbeligen Masse hin und her, pflückte hier einen Frosch und da einen Frosch. Hätte nur noch gefehlt, dass sie gesagt hätte: „Großvatr, Großvatr!“ „Ah, das Heidi.“ „Geh Großvatr! Ich hab mit Bärli, Schwänli und das Geissenpetr Schluss gemacht. Ich bin jechzt mit Fröschli zusammen!“ Als sich unsere Hände das erste Mal berührten, während sie nach einem riesigen Ochsenfrosch griffen, machte mein Herz einen Hüpfer, bei dem so manche fette Kröte vor Neid erblasst wäre. Gemeinsam wuchteten wir das Froschmonster in unseren Eimer. Wir stellten fest, dass der Ochsenfrosch anscheinend eine Vorliebe für eine Ménage-à-trois hatte. Halten Sie mal drei Ochsenfrösche auf einmal in der Hand. Nach dem ersten Schreck lachten wir, dass die Bäume wackelten. Es war schön, mit ihr zu lachen. Und Sie müssen wissen: Ich hatte in den letzten Wochen nicht viel zu lachen gehabt. Denn mir war das gleiche Schicksal wie Bärli und Schwänli ergangen. Ich war verlassen worden. Und weil ich seitdem an extremen Schlafstörungen litt und nie vor fünf Uhr einschlafen konnte, hatte ich mich zur Froschaktion angemeldet.

Meine Ex-Freundin hieß Nicola. Groß, schlank, sportlich. Und erfolgreiche Produktmanagerin für Lipgloss, Lippenstift, Lipliner und Lippenauffüller für bis zu 95 Prozent mehr Lippenvolumen und dreimal mehr Leuchtkraft dank Watershine-Boost-Effekt. Wie sagte Nicola mal, als ich sie fragte, ob man bei meinen aufgesprungenen Lippen auch vom Boosten sprechen könnte: „Nee, Schatz, deine Lippen sind voll und schön. Die brauchen höchstens Bepanthen, aber keinen Boost-Effekt.“ In solchen Momenten, wenn sie mich mit diesem Leuchten in den Augen ansah, war zwischen uns alles gut. Sie erklärte mir dann, dass Begriffe wie „Lippenbooster“ oder „Volumen-Pumping-Effekt“ nur ein bisschen Chichi für die Werbung seien. Ich konnte wirklich noch froh sein, dass sie Produktmanagerin bei einem Kosmetikriesen war. Nicht auszudenken, sie wäre bei so einem hippen Klamottenlabel mit noch hipperen Klamottenlabelfreunden beschäftigt. Die würden bestimmt sagen: „In der Vogue steht, dass die Celebs jetzt alle zu diesen cleanen Styles skinny Denims kombinieren, und da sind fittige Heels absolutes Must-have!“ Wenn es um ihren Job ging, war Nicola so feurig wie ihre roten Lippenstifte. Ich mag es, wenn Frauen eine Leidenschaft haben. Von mir aus auch Lippenstifte. Außerdem war sie ehrgeizig, geradlinig und strukturiert – fast schon pingelig. Sie war jemand, der seine Kontakte penibel pflegte, und liebte es, ihr Blackberry stakkatohaft mit Terminen zu füttern. Ich war, um es kurz zu machen, genau das Gegenteil von all dem. Aber dass wir so unterschiedlich waren, war eigentlich gar nicht der Grund für unsere Trennung. Schließlich arrangiert man sich in drei Jahren Beziehung mit so manchem. Und ich konnte mich ganz hervorragend arrangieren und anpassen. Vielleicht ein bisschen zu viel. Was ich aber nicht konnte, war, Nicola davon abzuhalten, mit unserem Nachbarn, 2. OG links, eine flockige Affäre anzufangen. Ausgerechnet der Typ von oben mit den aufgestellten Polohemdkragen und den Ray-Ban-Brillen in den nach hinten gegelten Haaren: der Typ, dessen Sexleben sich jeden zweiten Tag in stoischer Ruhe durch unsere Raufasertapete grub. Deshalb wusste ich immer, wann das Heute-Journal anfing und wann es – „Mann-war-das-gut“ – aufhörte. Und jetzt konnte ich gar nicht anders, als mir jeden zweiten Tag vorzustellen, wie er mit Nicola vor den strengen Augen von Klaus Kleber sein Dreißigminutenworkout durchzog. Das hatte für mich nichts mehr mit öffentlich-rechtlich zu tun! Hoffentlich musste sie morgens das ganze Gel vom Kopfkissen kratzen und vor lauter Pingeligkeit in die Laken würgen. Wissen Sie, was mir bis heute ein Rätsel ist? Warum manche Männer ihren Polohemdkragen aufstellen müssen – bevorzugt in Rosa oder Flieder. Man wird dadurch noch nicht mal größer. Ist vielleicht die gleiche Motivation, die Paviane haben, wenn sie ihr rotes Hinterteil rausstrecken. Gut, da war ich dann doch froh, dass ich vom Nachbarn bislang nur den aufgestellten Kragen zu sehen bekommen hatte. Nach der Trennung von Nicola war ich direkt zu meinem jüngeren Bruder Martin, seinem Flachbildschirmfernseher, seiner Playstation und seiner Likörsammlung gezogen – also weit weg von Klaus, Marietta und dem Wetterbericht mit Hoch Nicola. Likör war die neue Leidenschaft meines Bruders, der hauptberuflich Langzeitstudent war und es irgendwie schaffte, von Luft, Liebe und ein paar unlukrativen Nebenjobs zu leben. Seit seinem letzten Urlaub in Italien war er auf den Likör-Geschmack gekommen und so staubten auf dem Kühlschrank diverse Flaschen mit gelben und ockerfarbenen Flüssigkeiten vor sich hin. „Timo!“ Mein Bruder begann gerne die Sätze mit dem Namen. Wenigstens sagte er nicht „Großvatr!“ wie Heidi von der Alm. Während er das „irgendwie originell fand“ zuckte ich immer reflexartig zusammen. Ich musste mir das dringend abgewöhnen. „Timo! Das ist ein echter Jannamaro aus den Abruzzen!“, belehrte er mich, als ich ihm mal wieder stirnrunzelnd dabei zusah, wie er mit spitzem Mund am Likörglas nippte und dabei gleichzeitig die Spieler von Schalke beschimpfte. Allerdings musste ich zugeben, dass Martin mit dem hochprozentigen Abruzzen schon so manche Frau ins Bett gekriegt hatte.

 

Als es langsam dämmerte und wir alle Frösche erfolgreich vor dem Nahtod gerettet hatten, lud uns einer der eifrigen Sammler, Hans-Peter, zu sich nach Hause zum Frühstück ein. Eine klasse Idee, wie ich fand. Ich hatte nicht einen Bärli-, sondern mittlerweile einen Bärenhunger und außerdem war das die Chance, Sara noch ein bisschen näher kennenzulernen. Nicht, dass ich an irgendwas Festem interessiert gewesen wäre. Ich war noch nicht bereit, mich den Waffen organisierter Weiblichkeit zu unterwerfen. Aber ich musste zugeben, dass Sara die vergangenen hundert Tage Einsamkeit verblassen ließ. Als wir bei Hans-Peters Haus ankamen, empfingen uns duftender Kaffee-Geruch und eine strahlende Frau, die sich als Margit vorstellte. Ich beneidete Hans-Peter in diesem Moment sehr um seine Frau, sein Heim und seinen vollen Kühlschrank. Ich setzte mich neben Margit, die eine mütterliche Aura umgab. Sie trug Jeans, einen selbst gestrickten Wollpulli und hatte lockige graue Haare, die sie in einem Schwanzgummi zusammengefasst hatte. „Das heißt nicht Schwanzgummi, das heißt Haarband“, hätte meine Exfreundin sofort korrigiert. Schwanzgummi oder Haarband, Haarkur oder Haarspülung, BH oder Bustier, Gilmore Girls oder Greys Anatomy, Lollo Rossa oder Lollo Bianca, welcher Mann blickt da durch? Ich war heilfroh, neuerdings in einer salatfreien Zone wohnen zu können. Man findet eben keine Freunde mit Sala-at (aus: Simpson, Homer, Folge 364). Ausgenommen Kartoffel- oder Nudelsalat vielleicht. Als ich so dasaß, eingehüllt in Margits mütterliche Wärme, heißen Kaffee und Saras Lächeln, das direkt mir gegenüber Platz genommen hatte, war seit Langem einmal wieder die Welt für mich in Ordnung. Ich erfuhr, dass Sara Biologie und Englisch auf Lehramt studierte, in Thailand die dicksten Frösche ihres Lebens quaken gehört hatte und am liebsten mittelalten Gouda auf ihr Brötchen drapierte. Sie hatte ein recht kleines Gesicht mit hohen Wangenknochen und einer sehr hellen Haut. Auch die langen Haare waren hell und sie klemmte sie sich immer wieder hinter die Ohren, damit sie nicht im Gouda landeten. Besonders schön war ihr Mund mit, der im Verhältnis zum Gesicht zu groß war. Aber irgendwie mochte ich diesen Wackler der Natur. Genauso wie ihre Zahnlücke zwischen den beiden Schneidezähnen, die ich ungeheuer sexy fand. Wenn mich heute jemand fragen würde, was ich an einer Frau besonders toll finde, würde ich sagen: Erstens den Po und zweitens eine Zahnlücke zwischen den Vorderzähnen. Was Sara wohl von mir hielt? Ich hatte keine Ahnung. Während man im schönen dunklen Wald nur eher schemenhaft zu erkennen gewesen war, entging ihr unter der hellen Esszimmerlampe bestimmt nicht das ganze Ausmaß von zwölf Wochen Schlaflosigkeit. Dabei klopfte ich mir seit einer Woche schon tubenweise Q10-Creme unter die Augen. Die hatte mir Martin neulich mitgebracht, weil er meinte, dass er das schwarze Elend unter den Augen nicht mehr mit ansehen könnte. Ich fand, es half kein Stück. Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das Zeug richtig einklopfte, so wie es auf der Packung stand. Bei mir gab’s sonst Nivea aus der Dose. Und die wurde nicht draufgekleckert, sondern draufgeklotzt. Dieses Feuchtigkeitsfluid sollte man laut Beschreibung erst in kreisenden Bewegungen einmassieren und dann noch mal sanft einklopfen. Wäre ich noch mit Nicola zusammen, hätte die mir bestimmt die perfekte Klopfbewegung zeigen können – inklusive Faltenboost. Ich wurde von Sara aus den Gedanken gerissen, die mich zwischen zwei Gouda-Bissen fragte, ob ich seit Wochen nachts Frösche retten würde, ich sähe ganz schön fertig aus. Dass mir solche feinfühligen Komplimente nicht gerade Höhenflüge verliehen, können Sie sich sicher vorstellen. Ich sackte innerlich zusammen und hätte mich am liebsten für einen kurzen Moment an Maritas dicken Busen gedrückt. Plötzlich war ich so müde. So unglaublich müde. Jede Waldnacktschnecke hatte gerade mit Sicherheit ein stärkeres Rückgrat als ich. Ich hätte ihr gerne erzählt, dass ich wegen eines aufgestellten Polohemdkragens verlassen worden war. Dass ich jeden Tag einen Brief an die Heute-Redaktion schrieb mit der Bitte um Einstellung der Sendung. Dass ich nur Frösche sammelte, um nicht die ganze Nacht Likör zu trinken und „God of War“ zu spielen. Dass ich sogar mit Wärmflasche geschlafen hatte, weil ich vom Heulen immer Schüttelfrost bekam. Aber ich war ein Mann. Und da hieß es Mund abputzen, weitermachen – und an passender Stelle einfach mal dick auftragen: „Jau, die Augenringe. Jetzt wo du’s sagst. Nee, du, ha ha. Ich hab das ganze Wochenende gefeiert! Mann, puh, das war eine wilde Tour. Das hatte echt Haare auf der Brust.“ Ich schaute debil lächelnd in die Luft, so als ob ich mich gerade an fünf Blondinen erinnern würde, die zwei Tage lang abwechselnd auf meinem Schoß gesessen hätten. Sara zog ein wenig die Augenbrauen hoch und machte dieses typische „Aa-ha“, das alle Frauen von sich geben, wenn Männer auf den Putz hauen. Ach komm, Timo, was soll’s. Das war wirklich besser, als ihr zu erzählen, wie du dich mit dem Abruzzen nachts in den Schlaf geweint hast. Zum Glück rettete mich in diesem Moment die allgemeine Aufbruchstimmung davor, noch weiteren testosterongeschwängerten Blödsinn von mir zu geben, nur um meine Augenringe auf die harte Tour zu rechtfertigen. Also sah ich zu, dass ich bei Sara wieder Land gewann, indem ich artig Teller und Tassen zusammenräumte und in die Küche brachte. „Endlich mal ein Mann, der freiwillig mit anpackt“, trällerte Margit hinter mir her, dass Sara es garantiert gehört haben musste. „Na ja, bei fünf Männern im Haus blieb meiner Mutter nichts anderes übrig, als ein hartes Regiment zu führen.“ „Na, das ist ihr anscheinend gelungen, braver Junge!“ Dabei tätschelte sie mich wie einen jungen Hund, der das erste Mal nicht in den Flur gepinkelt hatte. Und was tat ich? Ich freute mich wie ein junger Hund, der das erste Mal nicht in den Flur gepinkelt hatte. Ich hätte genauso gut auch „lol“ oder „grins“ sagen können, es wäre eine nicht minder peinliche Vorstellung gewesen. Ein Glück, dass ich mir in diesem Moment volles Rohr in die Backe biss. Damit wurde jedes noch so kleine schuljungenbeschämende Wörtchen im Keim erstickt und ich hielt endlich meine Klappe. Ganz im Gegensatz zu Sara, die mich beim Verabschieden vor aller Augen fragte, ob sie meine Telefonnummer haben könnte. Hatte ich mich verhört? Mein Manngehabe beim Frühstück und meine infantile Tätschelvorstellung waren alles andere als einen Applaus wert, geschweige denn eine Telefonnummer? Ich war in dem Moment nicht nur völlig geplättet, sondern lief zu meiner Bestürzung auch noch rot an. „Wenn mich so ein hübsches Mädchen nach meiner Nummer fragen würde, bekäme ich auch einen Kopf wie ein Feuermelder“, lachte Hans-Peter, was die Sache nicht gerade besser machte. Was vorher sich eher fleckenhaft auf den Wangen abspielte, weitete sich jetzt breitflächig auf dem ganzen Gesicht aus. Ich fühlte mich wie ein lebender RAL-Fächer: Hier sehen Sie die Farbe Rot in ihrer reinsten Form! Schönen Dank dafür. Während Männer in solch beschämenden Phasen gerne weiter auf dem armen Opfer herumreiten und ein wahres Rodeo der Sticheleien vollführen, packt Frauen zum Glück schnell das Mitleid. Bevor meine rote Bombe also eine echte Explosionsgefahr für alle Beteiligten darstellen konnte, sprang Sara für mich in die Bresche: „Würdest du mich schnell nach Hause fahren, Timo? Ich hab’s ganz furchtbar eilig.“ Wow, mit Sara konnte man arbeiten. Wir bedankten uns hastig bei Margit und Hans-Peter für das Frühstück und machten, dass wir davonkamen ... nachdem ich erst einmal gekonnt den Motor abgewürgt hatte. Ich hoffte nicht, dass das der Grund war, warum sie vor ihrer Wohnung irgendwas von Vorlesung murmelte und hastig aus dem Auto sprang. Quatsch, die Sara war eine Frau mit Tiefgang. Eine, mit der Mann Frösche retten und Pferde stehlen konnte. Und die wusste, was sie wollte: nämlich meine Nummer. Die hatte sie sich während der Fahrt in ihr Handy eingespeichert. Weil ich mich innerlich noch über mein Motorabsaufen ärgerte, verpasste ich natürlich im Anschluss meinen Einsatz: „Hey, klingel doch mal eben durch, dann hab ich auch deine Nummer.“ Aber als mir das endlich einfiel, war Sara schon mit halbem Fuß aus dem Auto ausgestiegen. Na gut, dann wartete ich eben, bis sie sich meldete, ich würde es überleben.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?