Yoga in Savitri

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DAS DRÄNGEN DER SEELE

A secret labouring glow of nascent fire.

*

Ein heimliches mühendes Glühen aufkeimenden Feuers.

(X.3)

Die Seele ist ein Funke des Göttlichen Bewusstseins. Dieser Funke versucht immerfort, zu einer Flamme zu werden und sich zu behaupten, das ganze Wesen mit seiner Wärme und strahlenden Reinheit zu erfüllen. Das Mühen dieses verborgenen Funken, sich zu einer Wesenheit zu entwickeln und als Agni, der der Leiter der Reise, der Götterbote und Sohn des Körpers ist, hervorzutreten, ist die wirkliche Antriebskraft hinter der evolutionären menschlichen Entwicklung. Im Yoga brennt dieses Feuer als verzehrende Sehnsucht, zu wachsen und das elterliche Göttliche zu erreichen. Alle Aktivitäten des Lebens werden als Brennstoff in diese leuchtende Flamme geworfen.

MYSTISCHES FEUER

Then kindling the gold tongue of sacrifice,

Calling the powers of a bright hemisphere,

We shall shed the discredit of our mortal state,

Make the abysm a road for Heaven’s descent,

Acquaint our depths with the supernal Ray

And cleave the darkness with the mystic Fire.

*

Wenn wir die goldene Zunge des Opfers entfachen,

Die Mächte einer leuchtenden Hemisphäre rufen,

Werden wir alles Verrufene unseres sterblichen Zustandes abschütteln,

Den Abgrund zur Straße für die Herabkunft des Himmels machen,

Unsere Tiefen mit dem übernatürlichen Strahl vertraut machen

Und die Finsternis aufreißen mit dem mystischen Feuer.

(II.5)

Agni, die Flamme der Aspiration, die flammende Kraft des Willens, muss in unserem Wesen entzündet und ständig am Brennen gehalten werden. Das ganze Leben wird in dieses zentrale Feuer gegeben, das die Schlacken unserer Unreinheiten verbrennt und uns befähigt, mit dem Besten in uns auf seinen Ruf zu antworten. Die Opfergaben unseres Selbstes formen unser Wesen in Licht, Kraft, Freude und Unsterblichkeit neu. Und während Agnis Kräfte daran arbeiten, diese höheren Bewusstseinszustände in uns zu etablieren, werden die Vergänglichkeiten und Dunkelheiten unserer kleineren Natur auf natürliche Weise entfernt.

DIE FLAMME DER ASPIRATION

Once kindled, never can its flamings cease.

*

Einmal entfacht, können ihre Flammen niemals erlöschen.

(II.12)

Tief im Menschen liegt die Sehnsucht der Seele, ihren Ursprung im Göttlichen zu erreichen. Aber sie liegt unter vielen Begehrlichkeiten und egoistischen Impulsen einer Natur in Unwissenheit verschüttet. Die ersten Schritte zu einem inneren spirituellen Leben beginnen mit dem Entzünden dieser inneren Flamme der Aspiration. Sie wird durch die Gnade entfacht, durch irgendetwas, wie ein Wort, eine Erfahrung, den Einfluss eines Lehrers und so fort. Ist dies einmal geschehen, gibt es wirklich kein Zurück mehr. Die Flamme lodert hoch, wobei sie alles mit sich nimmt, was sie nährt, und sie wirft ihre Glut auf alles, was noch unfertig ist. Selbst wenn sie durch gegensätzliche Bewegungen im äußeren Leben in den Hintergrund gedrängt wird, brennt sie im Inneren weiter und wartet auf ihre Stunde, um wieder aufzutauchen und unverschleiert zu wirken.

TRÄUME

Dreams that are hints of unborn Reality...

*

Träume sind Hinweise einer ungeborenen Wirklichkeit...

(VII.3)

Nicht alle Träume sind Fantasien oder ein wirres Durcheinander unserer eigenen unbewussten Eindrücke und Wünsche. Es gibt Träume, die einer anderen Ordnung angehören. Sie spiegeln Kontakte oder Eindrücke von Wirklichkeiten wieder, die wir in unserem Schlaf erfahren. Von den Fesseln unseres physischen Körpers befreit, reisen unsere feinen Wesensteile in die subtileren Welten, die sich uns in Zuständen von Traum und Schlaf eröffnen, und dort machen sie Erfahrungen, die eine gewisse Wahrheit in sich tragen. Sie sind keine Reflexe der Regungen während unserer Wachzustände. Im Gegenteil, sie sind Zeichen und Anhaltspunkte für Tätigkeiten oder Geschehnisse auf den höheren Ebenen, wo sich die Dinge für die Manifestation auf der Erde vorbereiten. Diese Träume sind Hinweise auf bevorstehende Ereignisse.

GLAUBE

...contradicted by the human law,

A faith in things that are not and must be

Lives comrade of this world’s delight and pain,

The child of the secret soul’s forbidden desire

Born of its amour with eternity.

*

...widersprochen vom menschlichen Gesetz,

Lebt ein Glaube an Dinge, die nicht sind, aber sein müssen,

Als Kamerad von Freude und Schmerz dieser Welt,

Das Kind des verbotenen Wunsches der geheimen Seele,

Geboren aus ihrer Liebschaft mit der Ewigkeit.

(II.11)

Glaube ist unverzichtbar, Glaube an die Existenz des Göttlichen, Glaube an die Gewissheit der Verwirklichung des Göttlichen, Glaube an die eigenen Möglichkeiten der Vereinigung mit dem Göttlichen. Dieser Glaube mag von der mentalen Vernunft angefochten werden, die auf handfesten Beweisen besteht, bevor sie irgendetwas als real anerkennt. Aber der Glaube besteht auf seinem Recht zu glauben, dass das, was nicht oder nicht unmittelbar nach empirischen Gesetzen vernünftig oder verifizierbar sein mag, trotzdem wahr ist und nicht geleugnet werden kann. Denn dieser Glaube wird aus der Wahrnehmung des tieferen Wesens, der Seele, geboren. Die Seele hinter den äußeren Schleiern hat ihre eigenen Einblicke, ihren eigenen Kontakt mit dem Göttlichen, und diese Tatsache, ihre Bekundung – und darauf gründend das sehnsuchtsvolle Streben der Seele, das Göttliche zu erreichen –, wird an der Oberfläche als unerschütterlicher Glaube sichtbar. Dieser Glaube ist der unfehlbare Stützpfeiler im inneren Leben, das von Situationen bedrängt wird, die geeignet sind, Zweifel und Unglauben zu schüren und mentale Verwirrung zu stiften.

Glaube steigt auf in der Seele, die in der Tiefe des Herzens wohnt:

In der Tat, im Herzen ist der Glaube begründet.

(Brihadaranyaka Upanishad, 3.9.21)

REINHEIT

Heaven’s joys might have been earth’s if earth were pure.

*

Des Himmels Freuden hätten die der Erde sein können, wäre die Erde rein.

(II.3)

Wir können die Glückseligkeiten des Himmels, unfehlbares Wissen, unveränderlichen Frieden, unbegrenzte Macht und reine Seligkeit, nicht festhalten, solange wir in unserer menschlichen Natur begrenzt und in unserem Wesen durch Unwissenheit, Begehren und Egoismus gespalten sind. Diese Überreste unserer Wurzeln im Nichtbewussten und in der Dunkelheit müssen aus uns entfernt werden, bevor sich die charakteristischen Wahrheiten der Göttlichen Natur in uns niederlassen und offenbaren können, ohne durch ihre Gegensätze aus der niederen Natur verwässert und verunreinigt zu werden.

Wir müssen unser ganzes Wesen reinigen, bevor wir hoffen können, die ungebrochenen Freuden des Geistes in ihrer Fülle zu empfangen und zu verkörpern.

WONNE (I)

How shall the mighty Mother her calm delight

Keep fragrant in this narrow fragile vase,

Or lodge her sweet unbroken ecstasy

In hearts which earthly sorrow can assail

And bodies careless Death can slay at will?

*

Wie soll die mächtige Mutter den Duft ihrer ruhigen Freude

In dieser engen zerbrechlichen Vase wahren,

Oder ihre liebliche ungebrochene Ekstase

In Herzen heimisch machen, die von irdischen Sorgen bestürmt werden können,

Und in Körpern, die sorgloser Tod beliebig erschlagen kann?

(X.4)

Es ist nicht möglich, die göttliche Wonne im Gefäß des menschlichen Körpers zu empfangen und zu halten, solange es nicht dafür vorbereitet ist. Ein Mental, das eng und ruhelos ist und äußeren Zerstreuungen hinterherläuft, ein Herz, das den Böen irdischer Vergnügen und Schmerzen ausgesetzt ist, eine Lebensenergie, die unkontrolliert ist und dazu neigt, bei der geringsten Provokation auszurasten, und ein physischer Körper, der schwach und unrein ist – nicht im Feuer der Askese zu Festigkeit und Ausdauer „gebacken“, atapta tanuh, – kann die Freude Gottes nicht halten, ohne sie zu verschütten oder selbst unter ihrer Intensität zu zerbrechen. Das Bewusstsein muss geweitet, die instrumentelle Natur beruhigt, gereinigt und kultiviert werden und voller Gleichmut sein, wenn die hereinströmende Freude auf natürliche Weise und in zunehmendem Maße gehalten werden soll.

WONNE (II)

The dire delight that could shatter mortal flesh,

The rapture that the gods sustain he bore.

*

Die äußerste Freude, die sterbliches Fleisch zerschmettern könnte,

Die Verzückung, die die Götter ertragen, hielt er aus.

(II.9)

Die spirituelle Ekstase, die von oben herabströmt oder von innen heraus aufwallt, während der Yoga voranschreitet, kann nicht mit der menschlichen Verzückung verglichen werden. Diese Ekstase hat eine Intensität, die der normale menschliche Körper nicht ertragen kann. Ein unvorbereiteter Körper, atapta tanuh, sagt der vedische Seher,1 verschüttet diese göttliche Ekstase und zerbricht unter ihrem Druck. Nur ein gereinigtes und konzentriertes Bewusstsein – wie das der Götter – kann diese Freude aushalten und manifestieren. Bevor diese spirituelle Ekstase verkörpert werden kann, muss der Körper gestärkt, die Vitalität ohne Vergeudung gesammelt und das Mental in einer unerschütterlichen Ruhe verankert werden.

 

1 Ein „ungebackener“ Körper, ist die ausdrucksstarke Formulierung (Rig Veda, 9.83.1).

MENSCHLICHE GRENZEN

Only in human limits man lives safe.

*

Nur in menschlichen Grenzen lebt der Mensch sicher.

(IX.1)

Der Mensch kann sein Leben in Unwissenheit gesichert leben, solange er sich innerhalb der Grenzen dieser Unwissenheit bewegt. Sein gewöhnliches Dasein baut sich auf den Sinnen und den Fähigkeiten von Mental, Leben und Körper auf, gemäß dem engen Rahmen seines Bewusstseins und seiner Handlungen, die für sein oberflächliches Leben selbstverständlich sind. Würde er diese Grenzen überschreiten, wäre sein begrenztes Leben offen für die Invasion des ihn umgebenden Unendlichen, und sein prekäres Gleichgewicht würde gestört werden. Er würde aus der abgeschlossenen Sicherheit seiner vom Ego bestimmten Grenzen in die größere universelle Bewegung, die auf ihn drückt, gezogen werden.

Der Sucher des Unendlichen muss aus diesem engen Kreis der Sicherheit ausbrechen, indem er die engen Strukturen seines schlichten Lebens in Unwissenheit ablegt.

BRICH AUS

Out of earth’s heavy smallness we must break,

We must search our nature with spiritual fire.

*

Aus der Erde drückender Kleinheit müssen wir ausbrechen,

Wir müssen unsere Natur mit spirituellem Feuer ergründen.

(II.10)

Infolge der überwältigenden Unwissenheit und des Handelns des allgegenwärtigen Egos fühlen wir uns in unserem Wesen von allem im Universum getrennt. Wir neigen dazu, uns von allem Übrigen getrennt zu fühlen und in Enge zu leben, schützen uns vor dem, was wir als „andere“ bezeichnen und entmutigen Bewegungen, die unsere selbstauferlegte Isolation bedrohen, mit dem Resultat, dass wir uns in unserem Wesen nicht weiten; wir entwickeln uns nicht. Nicht nur im Mental, nicht nur in den Emotionen, dem Vital, sondern selbst im Unterbewussten und im Physischen halten wir an unserer Kleinheit fest. Um Abhilfe zu schaffen, müssen wir in uns selbst hineinschauen, mit dem brennenden Licht der Seele in allen Winkeln unseres Wesens, den verborgenen Teilen unserer Natur nachforschen und unseren erleuchteten Willen dazu benutzen, die irdischen, einengenden Mauern, wo immer sie sich finden, niederzureißen. Denn eingeschlossen zu sein, bedeutet, in unserem Wesen gefangen zu sein; uns zu weiten, bedeutet, zu wachsen. Die Upanishad sagt:

Das Kleine ist sterblich, das Weite ist unsterblich.

(Chandogya Up. 7.24.1)

NICHT NUR FÜR DAS SELBST

But not for self alone the Self is won:

*

Aber nicht für sich allein wird das Selbst gewonnen.

(VII.6)

Spirituelle Verwirklichung und Befreiung von den Beschränkungen der Unwissenheit werden nicht zum eigenen persönlichen Vorteil gesucht. Die Befreiung anderer, der übrigen Mitmenschen, ist ebenfalls das Anliegen des Suchers. Wenn er zu Beginn den Schwerpunkt auf seine eigene Vervollkommnung legt, dann deshalb, weil er anderen nicht wirklich helfen kann, solange er selbst unvollkommen und von den Regungen der niederen Natur geblendet ist:

Diejenigen, die in der Unwissenheit verweilen und sich selbst für gelehrte Menschen halten, denkend „Wir, selbst wir sind klug und weise“, – Narren sind sie und sie wandern umher, stecken Schläge ein und stolpern wie der Blinde, der vom Blinden geführt wird.

(Mundaka Upanishad, 1.2.8)

Seine eigene Befreiung, Selbstverwirklichung, ist ein unerlässlicher Schritt, damit seine Hilfe für andere wirksam werden kann. Im Wesentlichen ist er eins im Bewusstsein mit dem Bewusstsein der anderen; es sind nur die trennenden Mauern des Egos, die ihn von anderen abschotten. Sind diese Barrieren einmal mit dem Hervorkommen des wahren Selbst niedergerissen, erstrecken sich das Licht, die Kraft und Stärke, die von der Selbstverwirklichung ausgehen, spontan auf jene, die weniger glücklich sind. Der Mensch ist ein Teil der Gesamtheit und er schuldet es ihr, dass er sein Bestes zu ihrem Fortschritt beiträgt. Wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, macht er sich spiritueller Selbstsucht schuldig.

ALLES LEBEN IST EINS

A subtle link of union joins all life.

*

Ein feines Band der Einung verbindet alles Leben.

(II.2)

Obwohl es nicht so aussieht, gibt es eine wesentliche Einheit des Lebens im Universum. Alle Trennungen zwischen Form und Form, Individuum und Individuum bestehen nur auf der bloßen Oberfläche. In der Tiefe gibt es eine Verbindung, die alle eint. Es gibt eine universale Materie, von der alle materiellen Formen Konstruktionen sind, einen universalen Strom des Lebens, von dem alle individuellen Leben Wellen sind, ein universales Mental, von dem jeder mentaler Geist seine Projektion ist, eine Seele, von der alle Seelen ein Teil sind. Außerdem gibt es ein alles durchdringendes Bewusstsein, das alle unterstützt und zusammenhält. Diese grundlegende Einheit wird sogar an der Oberfläche erkannt, wenn sich das Bewusstsein entwickelt und vertieft.

JENSEITS VON ZEIT UND RAUM (I)

His soul must be wider than the universe

And feel eternity as its very stuff...

*

Seine Seele muss weiter als das Universum sein

Und Ewigkeit als ihren eigentlichen Soff empfinden...

(VII.6)

Derjenige, der mit dem Göttlichen eins sein und das Göttliche Bewusstsein für das Wirken in der Welt verkörpern möchte, muss zuerst seine allzu menschliche Natur in die göttliche verwandeln. Er muss die physischen, vitalen und mentalen Grenzen seiner Oberflächennatur überschreiten und sein Bewusstsein immer weiter ausdehnen, bis er nicht nur das Universum umfasst, sondern sogar weiter als dieses wird, damit er es in seinem Selbst, seiner leuchtenden Seele birgt. Er muss die Grenzen des Raumes überschreiten. Gleichermaßen muss er die Fesseln der Zeit abstreifen. Er soll in ein Bewusstsein hineinwachsen, das nicht von Unterbrechungen durch den Tod zerstört wird, sondern mit dem ewigen Selbst in seinem Innersten eins ist. Denn das Selbst besteht aus der göttlichen Substanz, die ewig und unsterblich ist.

JENSEITS VON ZEIT UND RAUM (II)

Only when Eternity takes Time by the hand,

Only when infinity weds the finite’s thought,

Can man be free from himself and live with God.

*

Erst wenn Ewigkeit die Zeit bei der Hand nimmt,

Erst wenn Unendlichkeit sich mit dem Gedanken des Endlichen vermählt,

Kann der Mensch frei von sich selbst sein und leben mit Gott.

(VII.4)

Der Mensch lebt erheblich eingeschränkt durch die Fesseln der Zeit. Er ist auch in den Mauern einer vergänglichen Verkörperung eingeschlossen. Was immer er sich durch seine Bemühungen an Bewegungsfreiheit verschafft, liegt notgedrungen innerhalb dieser allgegenwärtigen Einengungen. Wahre Freiheit kann erst beginnen, wenn er sich in seinem Bewusstsein über Raum und Zeit erhebt. Er kann und muss in seinem Bewusstsein über die dreifache Formulierung von Zeit hinausgehen und seinen Stand im ewigen, unveränderlichen Selbst einnehmen. In ähnlicher Weise muss er lernen, in seinem inneren Wesen zu leben, das das vergängliche Gebilde von Körper, Vital und Mental, das sein äußeres Wesen ausmacht, überschreitet. In dem Maße, in dem es ihm gelingt, im Ewigen zu leben und am Unendlichen teilzunehmen, ist er befreit. Er wohnt in Gott.

JENSEITS VON FORM

The soul must soar sovereign above the form

And climb to summits beyond mind’s half-sleep...

*

Souverän muss sich die Seele über die Form erheben

Und Gipfel über dem Halbschlaf des Mentals erklimmen...

(II.5)

In ihrem Zustand der Unwissenheit ist die Seele eine Gefangene der Form. Die Form enthält die Seele und das Leben besteht aus einer Reihe von Transaktionen auf der Ebene von formgebundenen Kontakten und formgeleiteten Wahrnehmungen und Vorstellungen. Das Ergebnis ist, dass alle Erfahrungen und alles Wissen oberflächlich sind und die Seele eingeschlossen ist. Der Seele muss geholfen werden, ihre Form zu durchbrechen, die ihr Träger und nicht ihre Hülle sein soll. Nur dann wird es ihr möglich sein, sich natürlich zu entwickeln und ihr Bewusstsein direkt in die Welt einzubringen. Sie muss auch lernen, über die Begrenzungen des mechanischen Mentals hinauszugehen und die höheren mentalen Bereiche zu betreten, die sich den Höhen des Geistes öffnen.

HINGABE

A deep surrender is their source of might...

*

Eine tiefe Hingabe ist die Quelle ihrer Macht...

(I.4)

Die Voraussetzungen für den Yoga, besonders für jenen Yoga, der eine vollständige Umwandlung der menschlichen Natur und eine Übernahme der niederen Natur durch die höhere göttliche Natur verlangt, sind zu hoch, als dass die schwache Kraft des Menschen sie ohne Hilfe erfüllen könnte. Er sucht die Kraft der höheren Macht. Und um dies wirksam zu tun, gibt er sich ihr hin: Er bringt jener Macht seinen Willen, sein Mental, sein ganzes Wesen dar – in seinen Tiefen und Höhen. Er öffnet sich ihrem Wirken ohne Vorbehalt. Sein ganzes Wesen ist von diesem Geist und diesem Akt der Selbsthingabe durchdrungen:

Zu dir, O Flamme, kommen wir Tag um Tag, in der Nacht und im Licht, und tragen in unseren Gedanken die Ehrerbietung.

(Rig Veda, I.I.7)

Als Resultat dieser An-Bindung, beginnt die höhere Macht mehr und mehr mit all ihrer Fülle in ihm zu wirken. Er handelt nicht länger nur durch seine Stärke und Mittel; es sind die Macht, die Stärke und das Licht, denen er sich hingegeben hat, die in und durch ihn wirken. Und ihrer Effektivität sind keine Grenzen gesetzt.

ANBETUNG

...worship lifts the worshipper’s bowed strength

Close to the god’s pride and bliss his soul adores.

*

...Anbetung erhebt die sich verbeugende Stärke des Betenden

Nah zur Pracht und Seligkeit jenes Gottes, den seine Seele verehrt.

(II.3)

Wenn man die Gottheit oder die Macht, die man verehrt, anbetet, ist es nicht bloß ein Ritual, um der eigenen Hingabe Ausdruck zu verleihen. Es ist ein Akt der Selbsthingabe, des Gebens von allem, was man hat und ist, an den Angebeteten. Dabei wird die eigene schwache Kraft vermehrt und der Stärke und Größe des Verehrten näher gebracht. Sie beginnt mit der Kraft und dem Bewusstsein der Höheren Macht zu vibrieren und wird zu einem Kanal für ihr Wirken.