Die Hure von Armageddon

Text
Autor:
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Die Hure von Armageddon
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Han Kris

Die Hure von Armageddon


Impressum

Umschlaggestaltung: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza

Titelbild:

Frau mit Schleier- Lizenz Stockfoto: 98202216

Urheber: Volicholi/Shotshop.com

Umschlagrückseite:

„pharaon“ Urheber: Ludovic LAN,

Lizenz https://de.fotolia.com/id/2243675

1. Auflage 2021

ISBN 978-3-95966-586-5

Layout und Lektorat: Hans-Ulrich Kriese

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


Inhaber: Harald Rockstuhl

Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.

Lange Brüdergasse 12 in D-99947 Bad Langensalza/Thüringen

Telefon: 03603 / 81 22 46 Telefax: 03603 / 81 22 47

www.verlag-rockstuhl.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Prolog

Chaos in Ägypten

Exodus

Zippora

Die Schlacht bei Refidim

Die Hyksos in Kanaan

Die Hyksos erobern das Nildelta

Israels Wanderung durch Wüsten und Bergländer

Die Hure von Armageddon

Personen, die in historischen Quellen genannt sind

Prolog

Klimaänderungen können zum Untergang großer Weltreiche führen, anders aber auch die Entstehung neuer Zivilisationen begünstigen. Als es auf der Erde wieder einmal wärmer wurde, konnte sich die nordafrikanische Wüste unaufhaltsam ausdehnen. Das einstmals üppige Grün musste deren Sandmassen weichen. Die notleidenden Menschen und Tiere brachen auf, um neue Lebensräume zu finden.

Es schien, als könnte nichts dem Ansturm der vorwärts rollenden Dünen Einhalt gebieten. Doch welch ein Wunder, riesige Wassermassen bahnten sich von der Mitte Afrikas ihren Weg zum Mittelmeer. Dort, wo sie auf die Wüste trafen, entstanden zu beiden Seiten des Flusslaufes grüne Landstriche. Die alljährlich wiederkehrenden Hochwasser des Flusses transportierten Unmengen fruchtbaren Schlammes, der sich an den beiden Ufern absetzte. So entstand ganz allmählich ein fruchtbarer, schmaler Landstrich, der in ein Delta überging, in dem der Fluss in vielen einzelnen Armen verzweigt, seine Wasser in das Mittelmeer ergoss.

Die vor der Wüste geflohenen Menschen fanden bald heraus, dass es sich hier sehr gut leben ließ. Unter der Regie fähiger Häuptlinge lernten sie Kanäle anzulegen, um ihre Felder zu bewässern. Mit den erwirtschafteten Überschüssen konnten sie Handel treiben. Es war auch nicht mehr notwendig, dass jedermann in der Landwirtschaft mithelfen musste. So entstand eine Schicht geschickter Handwerker, die darauf spezialisiert waren, harte Gesteine zu bearbeiten oder Gegenstände aus Kupfer zu formen.

Jeder der Häuptlinge versuchte den anderen zu übertrumpfen, ging das nicht friedlich, ließen sie die Waffen sprechen, und irgendwann hatte einer schließlich alle anderen unterworfen. Das war die Geburtsstunde des geeinten Ägypten.

Chaos in Ägypten

Unter der Herrschaft tatkräftiger Pharaonen gedieh das Land. Die regelmäßige jährliche Überschwemmung garantierte gute Ernten, und die Bevölkerung nahm zu. Jedoch, wo es Höhen gibt, folgen auch Tiefen, sei es durch das Ausbleiben der Nilflut, oder wenn sie zu hoch ausfiel. Dann kam es zu Hungersnöten, Rebellion und Aufruhr. Wenn dazu auch noch ein unfähiger schwacher Herrscher auf dem Pharaonenthron saß, oder durch das plötzliche Ableben des Pharaos die Nachfolge ungeklärt blieb, dann war die Eintracht der Maat gestört. Die einzelnen Landesteile machten sich selbstständig, und Bürgerkriege erleichterten es fremden Invasoren vom Land am Nil Besitz zu ergreifen.

So geschah es nach dem Tod des tatkräftigen Königs Dedumose und seiner Söhne. Das Land lag durch eine Folge furchtbarer Plagen brach. Schreckliche Seuchen hatten viele Menschen dahingerafft. Felder blieben unbestellt, und die Deiche wurden nicht mehr instand gehalten.

Der General Neferhotep war mit einer Tochter Pharaos verheiratet. Somit durfte er auf eine steile Karriere hoffen. Er war der Vorsteher der östlichen Königsmauer, die das unkontrollierte Eindringen von Asiaten nach Ägypten verhindern sollte. Die vielen Plagen, Unwetter, Seuchen und Erdbeben, welche in kurzer Zeit das Land überzogen hatten, waren den Ägyptern und so auch dem General in dieser Heftigkeit bisher unbekannt. Schon viele Tage hatte der General keine Anweisungen aus der Kanzlei Pharaos erhalten. Weitaus schlimmer war das Ausbleiben von Versorgungsgütern für seine Soldaten. Würde nicht unverzüglich Nachschub kommen, müsste der General die Truppen aus den Befestigungen abziehen. Nur noch einen Tag wollte er ausharren.

Als seine Gebete an die Götter nicht erhört wurden, schickte er am Abend des folgenden Tages zu den Kommandanten der einzelnen Stützpunkte den Befehl, sich mit allen noch verbliebenen Männern im Hauptquartier einzufinden. Vor den angetretenen Soldaten versuchte General Neferhotep seine Unsicherheit zu verbergen, was ihm nicht ganz gelang. Seine Hände zitterten, als er anfing eine Rede zu halten. Er stützte sich auf seinen Stab, musterte Offiziere und Soldaten, bevor er begann: „Männer, seid stolz auf Ägypten! Unser göttlicher Pharao Djedhotepre Dedumose, er lebe, sei heil und gesund, lässt euch sagen, wie sehr er mit dem Eifer seiner Soldaten zufrieden ist, die hier in der Wüste die elenden Sandbewohner abhalten, in unser reiches Land einzufallen. Nun ruft uns die Majestät nach Auaris, seine Herrlichkeit zu schauen. Schon Morgen, in aller Frühe werden wir marschieren.“

Der General blieb noch einen Augenblick stehen, um die Reaktion seiner Soldaten zu ergründen. Dann befahl er seinem Stellvertreter Nehesy die Männer wegtreten zu lassen.

Als die Soldaten ihre Quartiere bezogen hatten, blieb Oberst Nehesy zurück. „Herr, ich weiß, es ziemt sich nicht danach zu fragen, was dich bewegt hat, ohne Botschaft von Pharao die Soldaten abzuziehen. Doch ich trage deine Entscheidung mit. Bleibt die Verpflegung aus, dann wird der Hunger auch die letzten verbliebenen Soldaten zu Flucht bewegen. Was mich betrifft, bitte ich dich darum, mir Urlaub zu gewähren. Ich möchte mich zurück nach Xois, auf das Gut meiner Eltern, begeben. Die Ländereien hat einstmals der Pharao Nehesy, der Herr über das Nildelta war, meinem Urgroßvater geschenkt. Aus Dankbarkeit haben mir die Eltern den Namen unseres Gönners gegeben. Meine Frau lebt auf dem Gut und erwartet dort ihr erstes Kind.“

General Neferhotep nickte. „Die verbliebenen Soldaten kann ich mit meinen Offizieren auch gut ohne dich nach Auaris führen. Gehe hin zu deiner Frau. Nimm dir ein paar Soldaten mit, und halte dich bereit, falls du gerufen wirst.“

Neferhotep hoffte, in Auaris Pharao zu treffen, der sich sehr oft in der Festungsstadt aufhielt. Der Marsch dahin wurde beschwerlich. Viele Dörfer lagen brach, von ihren Bewohnern verlassen. Dämme und Kanäle befanden sich in einem erbärmlichen Zustand, und die verbliebenen Menschen hatten nichts zu essen. Um die Versorgung der Soldaten zu sichern, musste er den Bauern das Wenige, das sie noch hatten, wegnehmen.

Als der General mit seiner Truppe vor den Toren der Stadt ankam, war er sehr verunsichert. Die Tore standen offen, aber keine Wachen waren da, um den Einlass zu kontrollieren. Ein Geruch von Verwesung schlug ihm entgegen. Viele Häuser waren beschädigt, einige zerstört. In mehreren Bezirken hatten Brände gewütet. Neferhotep ließ augenblicklich Gefechtsbereitschaft herstellen. Er fürchtete Fremde könnten die Stadt überfallen haben. Dann erschienen zwei Kinder. „Sind Raubbanden in Auaris eingefallen? Was ist da geschehen, dass die Stadt so verwahrlost darnieder liegt? Los, sagt mir schon, was passiert ist! Ich bin ein General Pharaos“, wandte er sich an den älteren Jungen.

 

„Du musst weit weg gewesen sein, dass du nicht weißt, welch schreckliches Unheil über uns gekommen ist. Unsere Eltern, alle sind gestorben. Es gab Erdbeben, Hagel und Heuschrecken. Alle Menschen wurden krank. Wir hungern. Die Lebenden sind abgehauen.“

Neferhotep erschrak wegen dieser Auskunft. Seine Frau und sein Sohn lebten im Palast. Er vergaß seine Vorsicht und rannte zum Palast. Wenigstens dort hielt man die Pforte verschlossen. Ein Wächter kam, um ihn einzulassen. Der General rannte weiter zur Terrasse. Dort fand er zu seiner Erleichterung seine Frau Iput und den kleinen Sohn. Überglücklich nahm er den Kleinen auf den Arm und küsste seine Frau. „Was ist hier geschehen? Welcher furchtbare Gott war der Stadt und seinen Bewohnern nicht wohlgesonnen? Sag mir doch, wo ist seine Majestät, Pharao Djedhotepre Dedumose, dein Vater?“

Seine Frau begann zu schluchzen. „So hast du gar nichts mitbekommen? Das ganze Übel, welches über Ägypten kam? Es war schlimm. Alles begann damit, dass ein Priester der israelitischen Sippen mit der Forderung kam, seine Verwandten aus Ägypten ziehen zu lassen. Vater war doch immer ein kraftvoller Regent. Die aufsässigen Gaufürsten hat er gezüchtigt und die Landesgrenzen wieder sicher gemacht. Doch als dieser alte Mann, Moses, ein Prophet seines Volkes erschien, kam es mir vor, als freue sich Pharao darüber. Voller Ehrfurcht sprach er von den Heldentaten des General Moses, der an der Spitze des ägyptischen Heeres alle Fremdvölker besiegt hatte. Mein sonst so gestrenger Papa, er lächelte, wenn er Anekdoten aus seiner Jugendzeit erzählte, und Tränen standen in seinen Augen. Moses war sein großes Vorbild, die beiden haben gemeinsam viele Abenteuer bestanden. Vater hat den Wesir fortgeschickt, als dieser vorschlug, Moses zu töten. Mir wurde bewusst, Pharao, der Gott Ägyptens, ist auch nur ein Mensch. Jeder andere hätte wegen Beleidigung der Majestät sterben müssen! Doch da gab es offenbar etwas, das wir wohl nie erfahren werden“

„Wo ist unser Herr, der Pharao? Ist er nach Itaui gegangen, oder führt er Krieg gegen Feinde Ägyptens? Ich habe sehr lange Zeit keine Befehle und Nachrichten bekommen. Die Versorgung der Soldaten ist ausgeblieben. Was ist geschehen?“ wollte Neferhotep erfahren.

„So weißt du es nicht? Fast zeitgleich mit dem Propheten Moses kamen viele Plagen einher. Mein älterer Bruder starb an einer fremdartigen Seuche. Hm, und schließlich gestattete Pharao den Israeliten zu gehen. Selbst da war immer noch diese Bewunderung, die er dem Moses entgegenbrachte. Nun ja, beide waren alte Männer. Aber Vater war der Gott Ägyptens! Ganz plötzlich ist er eins mit Osiris geworden, er war doch noch ganz gesund? Ach, ich bin verwirrt“, und sie begann zu schluchzen.

„Beruhige dich, ich bin jetzt bei dir. Du wirst sehen, alles wird gut. Nun, wer ist der Nachfolger des guten Gottes Dedumose? Die Eintracht der Maat muss erhalten bleiben. Sollten wir Grund haben uns zu fürchten? Ägypten hat starke Götter. Sie werden uns beschützen.“ Neferhotep sah seine Frau fragend an.

„Nachfolger meines Vaters? Nachdem die Priester den guten Gott mit sich genommen hatten, um ihn auf seine Reise für die Ewigkeit vorzubereiten, hat sich mein Bruder Chonsemweset der Insignien der Macht bemächtigt. Wie du weißt, war er immer sehr aufbrausend und jähzornig. Er wollte es nicht hinnehmen, dass die Sippen der Israeliten so einfach aus dem Land gehen durften. Mit dem gesamten Streitwagenheer ist er ihnen nachgejagt. Als wäre das Land noch nicht genug gestraft, kam ein weiteres Unglück hinzu. Alle Männer, Zugtiere und Wagen sind im Schilfmeer versunken. Niemand kann sagen, was genau geschehen ist. Wegen der vielen Plagen haben die Menschen Auaris verlassen. Vaters neue Frau, dieses Flittchen, sie ist gleich abgehauen, sowie die ersten Unwetter aufkamen. Nun gibt es in Ägypten keinen Pharao“, klärte ihn Iput auf.

„Ich erkenne erst jetzt das ganze Unheil. Weit weg, an der Königsmauer wussten wir lange Zeit nichts von dem Verderben, das ein zürnender Gott gebracht hat. Erst als die Nachrichten aus der Hauptstadt und die Verpflegungslieferungen ausblieben, da bekam ich Angst, es könnte etwas passiert sein. Kann nun noch größeres Unheil über uns kommen?“, drückte Neferhotep seine Furcht aus.

„Nein, Schlimmeres ist uns erspart geblieben. Doch du sollst wissen, wie ich immer noch Ekel empfinde, wenn ich an den Wesir denke, diesem alten Scheusal. Sein hohes Alter hielt ihn nicht davon ab, selbst nach den zwei Kronen zu greifen. Er hat Eunuchen geschickt. Sie kamen und haben mich in seinen Palast gezerrt. Ich sollte seine Frau werden, um ihm die Legitimität zur Herrschaft zu geben. Es war ihm egal, dass ich bereits mit dir verheiratet war. Ich fühlte Angst, ja ich wusste, er würde dir nach dem Leben trachten“

General Neferhotep fasste seinen Dolch. „Wo ist er? Ich werde diesen Schuft eigenhändig in die Unterwelt schicken!“

Seine Frau schluchzte erleichtert. „Das Scheusal lebt nicht mehr. Seine Anmaßung war selbst für den Gott zu viel, der all diese Plagen über Ägypten geschickt hat. Dieser fette alte Wesir hatte auf dem Thron, auf dem nur der Herr der beiden Länder sitzen darf, Platz genommen, um sich huldigen zu lassen. Ich musste neben ihm auf einem Königinnenthron sitzen.“ Die Prinzessin hielt mit ihrer Erzählung inne und atmete tief bevor sie fortfuhr. „In der Wand des Thronsaales war ein Riss, dem niemand Beachtung schenkte. Darin hatten sich Wespen eingerichtet. Das Räucherwerk der Priester hat die Tiere wild gemacht. Sie flogen wie erregt durch den Raum. In seiner Überheblichkeit schlug der fette alte Lustgreis nach einem Insekt. Doch die Wespe war schneller, flog in seinen offenen Mund und stach ihn in den Hals. Er röchelte, es hat nicht lange gedauert, dann hatte ihn der Totengott fest gepackt. Die meisten Anwesenden gingen. Viele schienen erleichtert, waren wohl nur aus Furcht vor dem anmaßenden Wesir gekommen.“

Neferhotep nahm seine Frau in seine Arme. Beide schwiegen eine Weile, hatten die furchtbaren Geschehnisse der vergangenen Wochen verdrängt und waren einfach nur glücklich. Doch sehr bald war der General mit seinen Gedanken zurück in der Realität.

„Wie furchtbar, Ägypten wird auseinanderfallen! Ich sehe, hier können wir nicht bleiben. Die ganze Stadt stinkt. In manchen Häusern liegen noch verwesende Tote. Wer soll da die Dämme instand halten und Ziegel fertigen? Die Sippen der Israeliten, die das bisher gemacht haben, sind nicht den Horusweg gegangen. Alle Wege, die nach Kanaan führen, haben meine Soldaten kontrolliert. Hm, bleibt wohl nur der Zug durch den Sinai. Da kann nur der überleben, der einen guten Führer hat, einen der sich auskennt. Ich denke wir müssen nur warten, bis die Geflüchteten umkehren werden. Wir brauchen sie als Hirten und bei der Fertigung der Ziegel. Ich hätte sie nicht gehen lassen. Komm, wir sollten unser Gut in Buto aufsuchen. Dort lässt es sich gut aushalten“, schlug Neferhotep vor.

„Du sagst, das Land wird auseinanderfallen? Nein, das darf nicht geschehen. Ich bin Iput, die Tochter von Pharao Djedhotepre Dedumose, und du hast nun über meine Blutlinie Anrecht auf den Thron Ägyptens. Es hat bereits vor dir zwei Pharaonen gegeben, die den Namen Neferhotep trugen. Unter deinem Kommando stehen noch viele Soldaten. Niemand wird dir widerstehen können. Wir gehen nach Memphis und weiter nach Itaui. Dein Siegeszug soll dich bis Theben führen!“ rief Iput überschwänglich.

Neferhotep küsste seine Frau. „Du bist genial, meine große königliche Gemahlin. Er ging und befahl einem Offizier, mit der ersten Kompanie seiner Einheit zum großen Thronsaal zu kommen. Er trug dem Oberst auf, ihn zum Pharao Sechem Re Seanchtaui Neferhotep auszurufen, sobald sich dort alle hochrangigen Beamten eingefunden hätten.

Die Priester und Höflinge waren erleichtert, eine lähmende Ungewissheit war ihnen genommen. Ägypten hatte wieder einen Pharao. Sie huldigten freudig dem Sohn des Re, dem Herrn der beiden Ufer des Nil. Das Gleichgewicht der Maat war wiederhergestellt. Als erster wandte sich der Herr der Geheimnisse des Palastes an Pharao Neferhotep: „Große Majestät, reich an Jahren, Herr der beiden Länder, dessen Herrlichkeit Millionen Jahre dauern wird, als dein ergebenster Diener stehe ich vor dir. Alles Heil soll mit dir sein. Sieh hin, die ganze Dienerschaft huldigt dir. Ich werde dafür Sorge tragen, dass der Vorsteher der Haarschneider kommt, auch der Herr der königlichen Kleiderkammer soll erscheinen, und der Sandalenträger. Sie alle werden da sein, um dich auf den Dienst an den Göttern vorzubereiten. Die Priester werden….“

Hier unterbrach Pharao den Redeschwall des Dieners. „Das Zeremoniell kann warten. Zuerst muss ich das Land einen und meine Macht in beiden Landesteilen anzeigen. Den Dienst an den Göttern sollen stellvertretend die Priester verrichten. Ich werde zu gegebener Zeit nach Heliopolis kommen, um den Göttern ihre Opfer darzubringen. Ihr, meine treuen Diener, dürft gehen. Die Offiziere sollen bleiben.“

Es gab in ganz Ägypten kaum noch Pferde und Streitwagen, so musste das Pharaonenpaar mit ihrer Gefolgschaft auf dem Nil nach Memphis reisen. Der Hohepriester im Heiligtum des Ptah und ebenso sein Kollege des Tempels aus Hierakonpolis, beeilten sich, dem neuen Pharao zu huldigen. Doch dann passierte das Unerhörte. Angekommen vor Itaui, der Hauptstadt Ägyptens, weigerten sich die Wachen ihm die Tore der Stadt zu öffnen.

Der Bürgermeister Itauis erschien, um eine Botschaft zu überbringen, die da lautete: „Der Herr der beiden Länder, seine Majestät Pharao Ini, dem ganz Ägypten untertan ist, fordert euch auf, huldigt dem Herrn der beiden Ufer des Nils. Unterwerft euch dem kraftvollen König, dessen Herrlichkeit Millionen Jahre dauern wird.“

Mit dem Bürgermeister kam auch der Hauptmann Sobekhotep, der Kommandant der Garnison der Hauptstadt. In einem unbeobachteten Moment trat er zu Pharao Neferhotep und flüsterte ihm zu: „Mein Cousin, du bist der Herr Ägyptens und ich dein Diener. Ini hat keine Macht. Ihm fehlt es an Reichtum und an Soldaten. Halte dich mit deiner Truppe morgen in aller Frühe bereit. Dann werde ich dir das nördliche Tor öffnen, und alle Soldaten der Garnison werden dir die Treue schwören.“

Dem Bürgermeister wurde gestattet, unverrichteter Dinge nach Itaui zurückzugehen. Pharao Sechem Re Seanchtaui Neferhotep lagerte mit seinen Soldaten vor den Toren der Stadt. Wie ihm sein Cousin versprochen hatte, wurde ihm am nächsten Tag noch vor Sonnenaufgang das nördliche Stadttor geöffnet. Neferhoteps Soldaten konnten, ohne auf Widerstand zu stoßen, in die Stadt eindringen. Ini, den erst wenige Tage zuvor einige Priester zum Pharao ausgerufen hatten, konnte sein nacktes Leben retten. Ihm gelang auf einem Kahn die Flucht über den Nil und er wurde nie wieder gesehen.

„Dieser Ini ist schwach, verfügt nicht über Soldaten und auch nicht über Reichtümer, um sie zu bezahlen. Wir werden ihm nicht nachjagen. Irgendwann muss er meine Herrlichkeit anerkennen. Zuerst sollen mich die Einwohner der Hauptstadt als ihren Pharao huldigen“, entschied Neferhotep.

Hauptmann Sobekhotep, Pharaos Cousin, führte die Majestät durch die prächtigen Palastanlagen. Ini hatte Vorräte herbeischaffen lassen, um Brote und Bier an die Stadtbevölkerung verteilen zu lassen. Königin Iput schlug vor, ein großes Fest auszurichten und dazu die Stützen der Macht, die Priester aus den Tempeln, die hohen Beamten und alle Schreiber einzuladen. „Nein, das würden uns die einfachen Leute sehr übel nehmen. Die Menschen mussten zuletzt viel Leid und Hunger ertragen. Wir dürfen keinen Aufruhr riskieren. Es wird so werden, wie es verkündet wurde. Pharao wird seine Untertanen verköstigen. Die Herolde sollen es überall ausrufen, der Herr der beiden Kronen, Sechem Re Seanchtaui Neferhotep wird Brot und Bier an die Bauern und Handwerker verteilen“, befahl die Majestät.

Nun fühlte sich Pharao Neferhotep sicher, dass es niemand mehr wagen würde sein Königtum anzufechten. Ohne große Eile setzte er mit seinem Hofstaat und den Soldaten die Reise nach Theben fort, um sich auch dort huldigen zu lassen. Doch weit gefehlt. Nahe Abydos wurden zwei Männer aufgegriffen, die sich in der Dunkelheit nahe am Lager Pharao Neferhoteps aufhielten. Sie wurden von den Wachen zufällig aufgespürt, weil sich ein Hund ihrem Versteck genähert hatte und anfing zu kläffen. Hauptmann Sobekhotep führte das Verhör der Männer, die zunächst angaben, sie wären Bauern auf der Suche nach einer entlaufenen Ziege. Beide führten sie einen Dolch mit sich, untypisch für einfache Leute.

 

Inzwischen war auch die Majestät erschienen, um dem Verhör beizuwohnen. Die Verdächtigen blieben selbst bei Androhung der Folter bei ihrer Geschichte, sie wären nur harmlose Bauern. „Zeigt mir eure Hände. Ich werde daran erkennen, ob ihr die Wahrheit sprecht. Dann wird euch nichts geschehen, und ihr dürft zurück zu euren Familien gehen“, sprach Hauptmann Sobekhotep.

Zögernd streckten sie ihm ihre Hände entgegen. Sobekhotep ergriff sie und begutachtete sie sorgfältig. „Henker, schlag diesem da den kleinen Finger ab. Wir wollen sehen, wie lange er bei seiner Lüge bleibt. Das wollen einfache Bauern sein? Nein, Bauern haben keine gepflegten Fingernägel, ihre Hände sind schmutzig!“ rief er und wies auf den rechts neben ihm knienden Mann, den er für den Anführer der beiden hielt.

Der so verstümmelte schrie laut auf. Sein Blut tropfte auf den Boden. Sein Begleiter zuckte zusammen. „Pharaos Macht reicht vom Meer bis zu den Quellen des Nil. Alle Völker leisten ihm Tribut! Auch in Theben leben treue Untertanen seiner Majestät. Wir wissen, wer euch geschickt hat und kennen euren Auftrag. Doch aus eurem Mund wollen wir das Ungeheuerliche hören, dann bleibt euch die qualvolle Folter bis zum Tod erspart! Demjenigen von euch, der als erster alles gesteht, sei sein Leben geschenkt, und nur der andere soll sterben“, bluffte der Hauptmann und blickte zum zweiten der Gefangenen, der auf ihn einen labileren Eindruck machte.

Der beeilte sich sein Leben zu retten und begann ein ausführliches Geständnis abzulegen. „Uns hat seine Majestät, Pharao Menchaure Senaaib, er lebe, sei heil und gesund, geschickt. Wir haben von ihm den Befehl bekommen, seinen Feind aus dem Norden zu töten oder wenigstens Informationen bezüglich der Anzahl der Soldaten, die mit ihm sind, zu bringen. Unser Herr hat mit seinen Soldaten unterhalb Abydos Stellung bezogen, um den, der sich König nennt, aufzuhalten und zu vernichten.“

Pharao Neferhotep fiel es schwer bei solch frevlerischen Worten ruhig zu bleiben. Ein Soldat schlug den Gefangenen mit dem Schaft seines Spießes auf den Rücken, und dieser fiel auf sein Gesicht, sodass seine Nase zu bluten anfing.

„Komm, erhebe dich auf deine Knie und sieh auf! Du bist ein Glückspilz, dir gegenüber sitzt seine Majestät, der Herr der beiden Länder, Pharao Sechem Re Seanchtaui Neferhotep, er lebe, sei heil und gesund. Er hat dir dein Leben geschenkt, also erwähne nie wieder den Namen des Elenden, der dich geschickt hat, dessen Hochmut bald ein Ende haben wird“, rief Hauptmann Sobekhotep, und die Wachen hoben den Gefangenen auf seine Knie. Auf ein Zeichen des Hauptmanns wurde dem anderen Mitgefangenen die Kehle durchgeschnitten, und man warf ihn auf eine Feuerschale. So war ihm ein Weiterleben in der Unterwelt auf ewig verwehrt.

Pharao Neferhotep war sehr zufrieden. „Du sollst zukünftig ein General sein und der Vorsteher der südlichen Grenze. Senaaib ist nicht mächtiger als es Ini war, aber genauso lästig. Wir wissen nun, was dieser Elende vorhat, der es wagt sich meiner Herrlichkeit zu widersetzen. Ich will ihn überraschen. Übermorgen werden wir seine Sperren erreicht haben. Schickt nach einem geeigneten Mann, der sich hier gut auskennt, damit ein Teil meiner Truppen den Hinterhalt umgehen kann“, befahl Pharao.

„Du hast mich sehr erhöht. Ich werde dich nicht enttäuschen und deine Soldaten an vorderster Front in den Kampf führen. Kein Feind soll es jemals wieder wagen sich deiner Herrlichkeit zu widersetzen“, sagte General Sobekhotep.

Der begnadigte Gefangene witterte seine Chance. „Herr, ich habe die große Herrlichkeit deiner Majestät zu sehen bekommen und werde darüber noch meinen Enkeln erzählen können. Ich stamme von hier und kenne einen Weg, auf dem es möglich ist, die Sperren des falschen Gottes unbemerkt zu umgehen. Man kann ihn sogar in der Nacht gehen. Gib mir die Ehre, die Soldaten führen zu dürfen“, wandte er sich an General Sobekhotep.

„Nehmt dem Gefangenen seine Fesseln ab. Er wird den Soldaten den Weg zeigen. Eine Kompanie Bogenschützen und eine Kompanie Speerträger sollen sofort losgehen. Morgen in aller Frühe sollen sie wie ein Sturmwind den Aufrührern in den Rücken fallen. Führe die Truppe gut, denn noch einmal wird dir seine Majestät einen Verrat nicht vergeben“, entschied der General.

Pharao Neferhoteps Hauptheer griff zwei Tage später die Verteidigungslinie des Senaaib, der ebenfalls den Titel Pharao beanspruchte, an. Dessen Soldaten fühlten sich hinter ihren Schanzen sicher und dachten nicht daran zu weichen. Senaaib erschien auf einem Lehmziegelturm im Königsornat, um die Angreifer zu verhöhnen. Plötzlich schwirrten Pfeile auf die Soldaten hernieder, die seine äußere Flanke bildeten. Die so unvermittelt angegriffenen räumten ihre Stellung und wandten sich zur Flucht. Die Angreifer rückten weiter vor, und einzelne Pfeile trafen die Lehmwand des Turmes, auf dem sich Pharao Menchaure Senaaib eben noch so stolz gezeigt hatte. Er verließ den Turm und wandte sich zur Flucht, obwohl der Kampf noch nicht entschieden war. Seine Soldaten taten es ihm gleich oder ließen sich gefangen setzen, als sie mitbekamen, wie ihr Herr Reißaus nahm.

Pharao Neferhotep hatte einen entscheidenden Sieg errungen und konnte seinen Marsch auf Theben unbehelligt fortführen. Der Hohepriester des Amun im Karnaktempel und die ganze weitere Priesterschaft huldigten ihm als Herrn der beiden Ufer des Nil, der die beiden Länder befriedet hatte.

Pharao beschloss eine Weile in Theben zu bleiben und eine ihm ergebene Verwaltung in Ägypten aufzubauen. Sein Arbeitstag begann früh am Morgen und dauerte bis in die Abendstunden. Da war der Besuch der Tempel, und die Bevölkerung verlangte die Majestät bei verschiedenen Götterprozessionen zu sehen. Aber noch wichtiger war das Einsammeln von Informationen bezüglich der angespannten Lage an den Grenzen und in den verschiedenen Landesteilen. Dazu hörte er täglich die Berichte, die ihm Beamte, Priester und Händler zutrugen. So erfuhr er von dem Vorrücken der Nubier ganz im Süden des Landes.

Pharao Neferhotep übertrug seinem Cousin Sobekhotep das Wesirat Oberägyptens. „Du hast bewiesen, dass du meine tapferen Soldaten gut führen kannst. Um die Feinde an unserer südlichen Grenze zurückzudrängen, sind Diplomatie und militärische Stärke notwendig. Vermeide risikoreiche Schlachten. Meine Armee muss ihre Kampfkraft behalten. Ich traue nicht allen Gaufürsten. Falls es zu einem Aufruhr kommt, muss ich ihn schnell beenden können. Beherzige meine Worte gut“, trug ihm die Majestät auf.

„Das Amt ist mir Ehre und Bürde zugleich. Ich will es immer zu deiner Zufriedenheit ausüben. Ich bitte dich, führe mir noch mehr Soldaten zu, denn die Feinde aus Nubien sind sehr hartnäckig. Bisher hatten sie große Furcht vor den ägyptischen Streitwagen. Aber dieses Streitwagenheer gibt es nicht mehr. Da sind nur noch drei Gespanne im Amuntempel. Und ich weiß von noch einer weiteren Gefahr. Informanten haben mir berichtet, unser Feind Senaaib, den deine Stärke besiegt hat, hält sich weiterhin in Theben versteckt“, erklärte ihm der Wesir.

„Den elenden Senaaib fürchte ich nicht. Viel wichtiger ist die Sicherung der Grenze im Süden. Du sollst für den Feldzug gegen die frechen Nubier gut gerüstet sein. Wir holen die Streitwagen des Tempels. Die Priester werden verstehen, dass wir auch ihren Reichtum verteidigen. Lasse die Streitwagen voranfahren, um den Feind zu schrecken. Nutze den Überraschungseffekt“, sagte Pharao.

Wesir Sobekhotep benötigte nur wenige Tage Vorbereitung, um mit seiner Armee den Vorstoß zur südlichen Landesgrenze anzutreten. Er hatte einige Kundschafter vorangeschickt, die den Aufenthaltsort und die Stärke der nubischen Krieger ausspähen sollten. So bekam er sichere Informationen über deren Vormarsch bis vor die Königsstadt Nechen. Die Ägypter rückten in Eilmärschen vor. Der Wesir wusste, ein Gegner, der mit Plündern beschäftigt ist, kann einem plötzlichen Angriff keinen organisierten Widerstand entgegenbringen. Die Überraschung gelang. Ein Trupp nubischer Krieger, die dabei waren, ein Gut zu plündern, konnte überrumpelt werden, und am Abend standen Pharaos Soldaten vor Nechen.

Der Anführer der Invasoren war sehr erschrocken. Er hatte wohl nicht mit so vielen ägyptischen Soldaten gerechnet. Nun versuchte er durch Verhandeln Zeit zu gewinnen. Dem Wesir Sobekhotep kam das sehr gelegen. Die Ägypter waren schon immer Meister der Täuschung. Der Wesir schlug einen Ort vor, der ihm passend erschien, um persönlich mit dem nubischen Fürsten zu sprechen.

„Wir wissen, wie schwach Ägypten ist. Pharao Dedumose ist tot, und Ägypten ist verwaist. Lass uns hier Frieden schließen. Ohne eure schnellen Streitwagen könnt ihr uns nicht mehr schrecken. Rückt nicht weiter vor, und wir werden auch nicht tiefer in Ägypten eindringen“, schlug der Nubier vor.

Auf ein geheimes Zeichen Sobekhoteps fuhren drei Streitwagen vorbei. „Seine Majestät, Pharao Sechem Re Seanchtaui Neferhotep, der Herr der beiden Länder folgt mit seinem Streitwagenheer nach. Ich brauche nicht abwarten, bis er eintrifft. Mein Heer ist gut gerüstet. Die Soldaten sind kampferprobt. Ihr werdet morgen früh sehen, wie stark Ägypten ist. Dann werden auch die mykenischen schwergerüsteten Söldner eingetroffen sein“, bluffte er.