Yasmin und Paula. Oder: Wir entführen die Katze.

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Yasmin und Paula. Oder: Wir entführen die Katze.
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Ariela Sager

Büro: Jägerstraße 36, 14467 Potsdam

www.ariela-sager.de Kontakt: schreib@ariela-sager.de Veröffentlichung und Distribution über epubli GmbH, Berlin www.epubli.de E-Book Produktion: Dipl. Inf. Jens Schmidt, www.js-development.de/ebooks © Ariela Sager, Potsdam 2013. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-8442-5829-5

Inhalt

  Erster Teil

  Wo bist du?

  Ferien bei dir!?!

  Du glaubst nicht, wo ich bin!

  Ist wieder gut?

  Bisschen langweilig

  Halloooo Paulaaaaa!

  Sonntagsfrühstück

  Zwischenbericht

  Fahrrad!

  So fies!

  Paula

  Check mal das hier!!!

  Sonnenfrühstück bei uns?

  Und jetzt mit Paula

  Zweiter Teil

  Re: Wirst du nicht neidisch sein?

  Ich hab da mal ne Frage

  Wir brauchen Paulas Fahrrad

  Wir brauchen deinen Rat

  Wie war das eigentlich...?

  Nachricht von deinem Vater

  Eine Geschichte zum Verlieben

  M&Ms

  Und wie geht’s weiter?

  Ich will nach Hause

  Das mit dem Ständchen

  Dritter Teil

  Liebesgeschichte - Zweiter Teil

  Irgendwas Komisches ist passiert

  Die Lügner

  nach Hause

  Ich bin traurig

  Was war das denn?

  Klopf, klopf

  Oder doch nicht

  Hallo Schlafmützen!

  Wie hat es euch gefallen?

  Über die Autorin


Von: Pia Roth

Betreff: Wo bist du? Datum: 21. Juni 2012 10:25:31 MESZ An: Yasmin Roth

Meine liebe Tochter,

würdest du mir bitte dringend mitteilen, wo du steckst? Und weshalb du steckst, wo du steckst? Und wann du zurückkommen wirst? Ich mache mir Sorgen. So geht das nicht. Man verschwindet nicht einfach so, nur weil einem etwas nicht passt.

Deine Mama

Von: Yasmin Roth

Betreff: Re: Wo bist du?

Datum: 21. Juni 2012 10:28:56 MESZ

An: Pia Roth

Liebe Mama,

doch, so geht das. Du hast gesagt: Wenn dir meine Regeln nicht passen, dann kannst du dir ja einen Platz suchen, an dem es dir vielleicht besser gefällt als hier. Und das hab ich gemacht. Deine Regeln sind doof und du bist doof und darum bin ich weg. Ich bin bei Marlene und da bleibe ich, solange es mir gefällt. Das kann ziemlich lange sein, also mach dir keine Sorgen. Aber auch keine Hoffnung. Bis zum Ende der Ferien siehst du mich schon mal nicht mehr. Und danach guck ich mal.

Yasmin

Von: Pia Roth

Betreff: Ferien bei dir!?!

Datum: 21. Juni 2012 10:32:43 MESZ

An: Marlene Minzenbach

Liebe Marlene,

danke für deine SMS und dass du mich so schnell darüber informiert hast, dass mein aufmüpfiges Kind bei dir Zuflucht gesucht hat. Von ihr selbst erfahre ich eben, dass sie sich - hoffentlich nur für die Ferien - ein neues Zuhause gesucht hat. Geht das für dich in Ordnung? Du kannst es ruhig sagen, wenn nicht. Wirf das Kind raus und schick es nach Hause, wenn es dir zu viel wird. Und wenn nicht: Viel Glück. Und danke.

Herzlich.

Pia

Von: Marlene Minzenbach

Betreff: Re: Ferien bei dir!?!

Datum: 21. Juni 2012 10:50:22 MESZ

An: Pia Roth

Liebe Pia,

was ist da eigentlich los bei euch? Yasmin war völlig außer sich am Telefon und in Tränen aufgelöst und ich habe nur heraus gehört, dass alles so schrecklich gemein sei: die Welt und du und ihre Freundin auch und die Mutter der Freundin, aber du am meisten. ??? Klärt mich jemand auf? Was kommt denn da auf mich zu? Nein, ansonsten kein Problem. Ich habe zwar nicht viel Zeit und muss das Kind in der Obhut von Martin lassen (erinnerst du dich an Martin?). Eigentlich habe ich nicht viel zu tun mit ihm, außer, dass ich immer seine Katze versorge, wenn er nicht da ist, aber ich halte ihn für zuverlässig und unkompliziert. Ich hoffe, das ist jetzt wiederum für dich in Ordnung.

Ich war gerade kurz zu Hause, habe Yasmin rein gelassen und kurz mit Martin gesprochen. Er hat keine großen Ferienpläne (und weiß, dass er mir wegen der Katze was schuldet). Also lass mich noch wissen, in welchen Konflikt ich bei euch hinein geraten bin und lass uns in Kontakt bleiben solange die Krise dauert. Das Kind sagt, es hätte ein Buch dabei und würde sich den Tag über damit beschäftigen. Wenn es so pflegeleicht bleibt, bin ich dabei.

Herzlich zurück.

Deine Marlene

Von: Pia Roth

Betreff: Re: Ferien bei dir!?!

Datum: 21. Juni 2012 11:29:58 MESZ

An: Marlene Minzenbach

Liebe Marlene,

das soll meine Tochter dir mal aus ihrer Sicht erzählen. Meine Version dazu ist: Ich habe ihr verboten, eine sehr merkwürdige Ferien-Einladung anzunehmen und wollte ihr meine Ablehnung nicht so genau erklären, weil ich ihr keine Angst machen wollte. Es geht um den neuen Freund von Franka, meiner Nachbarin, den ich nicht kenne und der Franka und ihre Tochter Paula zu ein paar Luxusferien nach Dubai einlädt. Yasmin auch gleich dazu. Aber das will ich nicht. Nicht nur wegen des Luxus, den wir nicht annehmen können, sondern auch weil ich von diesem neuen Freund rein gar nichts weiß. Was Franka da treibt, ist ihre Verantwortung, aber ich habe meine und auch meine Sicht auf das Thema. Tja, und weil ich das mit einer Zehnjährigen nicht so genau besprechen wollte, musste ich die Diskussion abkürzen mit: Mein Haus, meine Regeln! Dann wollte ich, dass sie zumindest die ersten beiden Wochen der Ferien in den Hort geht, bis ich Urlaub habe, aber das wollte mein Fräulein Tochter dann erst recht nicht mehr. Nicht ohne Paula, hat sie gebrüllt (die ja nach Dubai fliegt). Aber lass dir ihre Sicht mal selbst erzählen, das gehört jetzt zum Spiel. Und dann sehen wir weiter.

 

Grüß dich und danke, dass du dich einbringst. Sag bitte auch Martin danke von mir. Bei deinen Grillabenden fand ich ihn immer sympathisch. Die Katze übrigens auch. Sagt bitte beide Bescheid, wenn es euch zu viel wird. Euch, oder der Katze.

Pia

Von: Marlene Minzenbach

Betreff: Re: Ferien bei dir!?!

Datum: 21. Juni 2012 11:32:15 MESZ

An: Pia Roth

„…mein Haus, meine Regeln“? Na bravo, Frau Erziehungsexpertin!

Marlene

Von: Pia Roth

Betreff: Re: Ferien bei dir!?!

Datum: 21. Juni 2012 11:33:36 MESZ

An: Marlene Minzenbach

Ja, ja, schon gut! Deshalb kommt sie ja auch überhaupt mit der Ausreiß-Nummer durch. Ich bin bereit, es als Experiment anzusehen.

Pia

Von: Marlene Minzenbach

Betreff: Re: Ferien bei dir!?!

Datum: 21. Juni 2012 11:34:47 MESZ

An: Pia Roth

Gut, ich auch.

Marlene

Von: Yasmin Roth

Betreff: Du glaubst nicht, wo ich bin!

Datum: 21. Juni 2012 14:17:25 MESZ

An: Paula Konschek

Liebe Paula,

das glaubst du nicht, wo ich bin! Als Mama mir heute Morgen verboten hat, mit euch nach Dubai zu fliegen, hab ich einfach meine Sachen gepackt und bin abgehauen. Erst hab ich eine Weile in meinem Zimmer gesessen und geheult und gegrübelt. Ich wäre ja wie sonst zu Oma Friede und Opa Hans gegangen, aber die sind ausgerechnet bei Hauke in Australien und kommen in der allerletzten Ferienwoche erst zurück. Aber dann ist es mir total klar gewesen, wo ich hin kann und wo es mir auf jeden Fall besser gehen wird, als unter Mamas dämlichen Regeln, die keiner versteht außer ihr. Jetzt bin ich bei meiner Patentante Marlene und das ist so cool. Keine Kinder (aber sie wünscht sich dringend Kinder, das sagt sie immer und ich dachte mir, dann kann sie doch eine Weile mich nehmen), ein Swimmingpool im Garten (oder was heißt im Garten: Der Garten ist der Swimmingpool) und ich hab mein eigenes Zimmer und mein eigenes Bad (rosa und grau! So cool!) und eigene Handtücher, die nur zu diesem Bad gehören und auch rosa und grau sind und immer abwechselnd liegen und die sind weich und flauschig und duftend. Und Erdbeerseife und Rosenduft-Duschgel gibt es hier. Und alle möglichen schön aussehenden Flaschen mit rosafarbenen Cremes drin. Hach. Das alles würde dich umhauen. Man fühlt sich total reich, wie eine Prinzessin. Eher noch wie eine Königin. Oder wie eine Kaiserin. Oder wie ein Filmstar. Ja, das ist es. Wie ein Filmstar! Und ich kann machen, was ich will, den ganzen Tag. Marlene muss arbeiten, das hat sie schon gesagt. Sie kann sich nicht frei nehmen und darum muss ich zu Hause bleiben, aber was macht das schon! In so einem Zuhause bleibe ich gerne. Und vor allem alleine!

Marlene hat eine Wohnung, die geht über zwei Etagen und oben, wo sie ihr Schlafzimmer hat, ist das Dach aus Glas und man kann nachts die Sterne ansehen. Dann hat sie noch einen 3D-Fernseher, zu dem ich aber die Fernbedienung nicht finde und eine super coole Stereoanlage, die ich aufdrehen darf, so laut ich will, da lacht Marlene nur und hält sich die Ohren zu. Nicht so wie Mama, die immer sagt: Pst, leiser, die Nachbarn. Marlene gehört die Wohnung, weißt du? Ich glaube, das macht einen Unterschied. Wenn einem was gehört, dann darf man viel mehr, als wenn man etwas nur gemietet hat. Glaube ich. Aber muss ja so sein. Also das ist das Paradies und Marlene sagt, ich darf alles anfassen, wo ich ohne Stuhl ran komme und mich überall bewegen. Kein Problem, sagt Marlene. Kein Problem, mach nur. Also morgen fange ich vielleicht damit an, was anderes zu machen, als hier in Marlenes Wohnung herum zu laufen und alles zu bestaunen. Morgen lese ich vielleicht mein Buch, das ich mitgenommen habe. Aber erzähl du mir auch, wie es dir in den Ferien in Dubai geht. Wohnt ihr wirklich in diesem Luxushotel, von dem Alex deiner Mutter erzählt hat? Und fliegen euch gebratene Tauben in den Mund? Erzähl schnell.

Deine Yassi

Von: Paula Konschek

Betreff: Re: Du glaubst nicht, wo ich bin!

Datum: 21. Juni 2012 16:18:12 MESZ

An: Yasmin Roth

Liebe Yassi,

gebratene Tauben? Wo bist du denn? Oder was glaubst du denn bitte, wo wir sind? Jetzt erst mal sind wir übrigens nicht in Dubai, wir fliegen erst am Samstag. Und dann sag ich mal noch: Vielleicht fliegen wir am Samstag. Gestern gab’s wieder einen fürchterlichen Streit zwischen Alex und Mama. Ich weiß nicht ganz genau, worum es ging, aber es könnte noch mit der Einladung zu tun haben. Meine Mutter war eigentlich auch nicht so begeistert davon, dass Alex dich einfach eingeladen hat, mit uns in die Ferien zu fliegen. Das war wohl mit niemandem abgesprochen, nicht mit meiner und nicht mit deiner Mutter und darum hat das so einen Krach gegeben. Tut mir ein bisschen leid, auch wenn ich nichts dafür kann und zu gerne hätte, dass du doch noch mitfliegst. Aber jetzt ist es nun mal so.

Mit dem Spaß bist du immerhin noch zu deinem Abenteuer gekommen. Mann, die haben wirklich einen Swimmingpool und ein Glasdach und einen 3D-Fernseher? Wieso kenne ich deine Patentante eigentlich gar nicht? Naja, wenn sie so reich ist, wird sie sich vermutlich nicht auf die Veddel verirren. Wo wohnt sie denn? Bist du überhaupt noch in Hamburg?

Oh, ich muss Schluss machen. Mama im Anmarsch und sie nörgelt wieder, weil meine Reitsachen herumliegen und müffeln. Ich muss dann wohl. Hier ist die Luft eh grad dick. Bis bald. Lass es dir mal gut gehen und genieß das Erdbeer-Duschgel-Paradies, wenn’s schon nicht Dubai sein kann.

Deine Paula

Von: Pia Roth

Betreff: Ist wieder gut?

Datum: 22. Juni 2012 08:01:23 MESZ

An: Yasmin Roth

Liebe Yasmin,

du bist zwar erst einen Tag weg, aber lass mich dich trotzdem bitte fragen: Geht es dir gut? Willst du schon zurück kommen? Du kannst, wenn du willst und wir können reden.

Mama

Von: Yasmin Roth

Betreff: Re: Ist wieder gut?

Datum: 22. Juni 2012 10:16:17 MESZ

An: Pia Roth

Liebe Mama,

ja, es geht mir gut und nein, ich will nicht zurück kommen. Und reden auch nicht. Und gut ist schon mal gar nichts.

Yasmin

Von: Pia Roth

Betreff: Re: Ist wieder gut?

Datum: 22. Juni 2012 17:47:38 MESZ

An: Yasmin Roth

Schade, liebes Minchen.

Mama

Von: Yasmin Roth

Betreff: Re: Ist wieder gut?

Datum: 22. Juni 2012 18:30:26 MESZ

An: Pia Roth

Ja, aber so ist das, liebe Mama.

Mine

Von: Yasmin Roth

Betreff: Bisschen langweilig

Datum: 23. Juni 2012 14:30:39 MESZ

An: Paula Konschek

Liebe Paula,

jetzt ist schon der dritte Tag und ich will mich gar nicht beschweren, ganz bestimmt will ich das nicht, hier ist es cool, aber ein bisschen auch vielleicht doch langweilig. Ich weiß noch nicht genau. Ich meine, Marlene ist einerseits total lässig. Sie wohnt übrigens in Pöseldorf, das ist nur 20 Minuten mit dem Bus von uns aus. Aber andererseits ist sie auch völlig unlässig. Wir waren heute bei Ikea und sie hat mir eine Hängematte gekauft, die sie zwischen zwei Bäume am Pool gehängt hat. Oder eigentlich hat nicht sie das gemacht, sondern Martin, ihr Nachbar. Und dann musste ich ihr versprechen, auf keinen Fall ins Wasser zu gehen, solange kein Erwachsener mich beaufsichtigt, wie jetzt, wo alle Mittagsschlaf machen. Hallo? Ich habe das Silberabzeichen. Ich kann ja wohl schwimmen! Ist mir egal, sagt Marlene, ich trage hier die Verantwortung. Das ist ja fast wie bei Mama, hab ich mir gedacht, da darf man auch nichts. Also: lässig (Hängematte) und unlässig (Wasserverbot).

Aber glücklicherweise ist Martin Lehrer und hat also grad Ferien und in den Ferien hat er auch nichts zu tun und hängt den ganzen Tag am Pool ab. Er ist nämlich Sportlehrer. Der Pool gehört nicht Marlene alleine, sondern allen Bewohnern des Hauses zusammen. Darum jedenfalls bin ich die meiste Zeit beaufsichtigt. Ich wünschte, du wärest hier, meine liebe Paula. Wir würden so viel Spaß haben. Das wäre am Ende genauso gut, wie Dubai, vielleicht noch viel besser, weil man hier auch Obst essen darf und Wasser trinken und nicht fürchten muss, krank zu werden. Das hat Mama mir gesagt. Sie hat gesagt, in heißen Ländern darf man kein ungewaschenes Obst essen, sonst wird man krank. Und Wasser, hat sie gesagt, darf man nur aus der Flasche trinken, aber man darf dabei nicht den Flaschenhals berühren. Sie weiß das, weil sie doch mit Hauke in Indien war. Hast du das schon geübt? Das muss man nämlich, ist gar nicht so einfach. Ich habe das gerade eben mal probiert für dich und jetzt ist mein T-Shirt nass und klebt, weil das Limonade war. Probier du mal und sag mir dann, ob du das hinbekommst. Sonst kannst du nicht fahren.

Jedenfalls Obst steht hier tatsächlich überall rum in Marlenes Wohnung. Sie isst gar nichts anderes als das. Sie kann nämlich nicht kochen. Abends essen wir nur Döner und Sandwich oder das, was Marlene sonst so von unterwegs mitbringt. Ich finde das gut. Wenn Marlene kommt, bin ich eh so müde vom Tag, obwohl ich nicht viel tue außer schwimmen. Ach, und Klavier spielen.

Ich wusste das gar nicht. Marlene hat mir erzählt, dass sie auch so eine Mutter mit doofen Regeln hatte und als Kind wollte Marlene eigentlich unbedingt Klavier spielen. Sie hat sogar mit dem Unterricht angefangen und dann sollte sie zu Hause üben. Jeden Tag ein paar Stunden, aber das wollte sie dann nicht. Nicht, weil sie nicht spielen wollte, sagt Marlene, sogar ein paar Stunden lang zu spielen, das hätte ihr durchaus Spaß gemacht, sondern weil ihre Eltern dauernd mit im Raum waren und blöde Kommentare gegeben haben. Na, ein Mozart ist ja nicht gerade an dir verloren gegangen, so was haben die gesagt, sagt Marlene. Doof, oder? Also das würde Mama nie zu mir sagen. Marlene hat dann immer geweint und wollte nicht mehr üben und dann haben die Eltern gesagt: Gut, dann gibt es keinen Klavierunterricht mehr. Und das Klavier haben sie gleich wieder verkauft. Aber jetzt als Erwachsene hat Marlene immer noch Lust auf Klavierspielen gehabt und hat sich kurzerhand noch mal ein Klavier gekauft. Mit dem Unterricht hat sie auch noch mal von vorne angefangen.

Siehst du: Und wenn ich erwachsen bin, fliege ich auch nach Dubai, das wird Mama schon sehen. Da sagt Mama nämlich doofe Sachen zu. Ich mache das wie Marlene dann. Und dieses Klavier hier, das im Gegensatz zu meiner Hinterlassenschaft von Hauke nicht völlig verstimmt ist, ist sooo cool. Ich darf darauf spielen, so lange ich will. Marlene war ziemlich verblüfft. Ich wusste gar nicht, dass du Unterricht nimmst, sagt sie. Nehme ich ja auch nicht, hab ich geantwortet, und da war sie noch verblüffter ganz erschrocken sogar, nachdem sie mich gestern Abend spielen gehört hat. Das ist ja unglaublich, sagt Marlene und dann sagt sie noch: Also das geht doch nicht. Und: Ich kümmere mich darum, das sagt sie auch. Aber was das jetzt heißt, weiß ich nicht. Rätselhaft, oder? Aber Martin, der mich mittags immer zu sich zum Essen einlädt, obwohl ich sowieso die ganze Zeit irgendwie da bin, der hat auch schon mal gesagt, dass Marlene seiner Meinung nach eine rätselhafte Frau ist. Dann ist ja klar.

Was machst du denn gerade so? Packst du deine Koffer? Erzähl mir doch mal was, damit mir nicht so dolle langweilig ist, auch wenn mir nur ganz bisschen dolle langweilig ist. Aber ich fühle mich schon ein bisschen alleine hier, das muss ich dir sagen.

Deine Yassi

Von: Paula Konschek

Betreff: Re: Bisschen langweilig

Datum: 23. Juni 2012 14:49:58 MESZ

An: Yasmin Roth

Liebe Yassi,

ist doch wie hier. Mama schläft auch und mir ist langweilig, weil ich nicht, wie sonst, zu dir gehen kann. Also, ob hier noch Koffer gepackt werden, das steht mal wieder total in den Sternen, aber lass uns nicht darüber reden, sonst geht es am Ende wirklich noch schief mit der Reise. Und übrigens muss man in Dubai nicht mit dem Obst aufpassen und mit den Flaschen vorsichtig sein. Dubai ist doch nicht Indien. War Hauke denn noch nicht in Dubai und hat davon erzählt? Dubai ist total reich. Hat Alex gesagt. Da ist alles so luxuriös wie bei deiner Tante. Bestimmt noch luxuriöser.

 

Ja, rätselhaft, deine Patentante. Was hat sie denn bloß vor? Vielleicht besorgt sie dir auch einen Klavierlehrer? Apropos Lehrer. Ist Martin der Lehrer, der jetzt den Babysitter für dich macht? Das ist ja schön ätzend.

Paula

Von: Yasmin Roth

Betreff: Re: Bisschen langweilig

Datum: 23. Juni 2012 15:01:27 MESZ

An: Paula Konschek

Liebe Paula,

ja, das ist Martin und ja, der macht den Babysitter, aber der ist gar nicht ätzend. Der ist auf jeden Fall lässiger als Marlene. Ich fände gut, die würden sich zusammentun, dann könnte Martin Marlene mal sagen, dass man sich nicht immer so aufregen muss über alles. Bestimmt ist sie deshalb mit Mama befreundet, die regen sich ja beide immer gleich auf. Ich glaube, Martin mag Marlene sogar. Martins Katze mag Marlene auf jeden Fall. Mit der spiele ich immer, wenn sie hier am Blumengitter die Hauswand hochgeklettert kommt. Die ist so süß, also die Katze. Wenn Martin und Marlene ein Paar wären, würde die Katze auch Marlene gehören und dann wäre sie viel öfter hier. Vielleicht dürfte sie dann auf meiner Bettdecke schlafen. Das wäre schön, dann wäre ich beim Einschlafen nicht alleine, wenn Marlene noch nicht zu Hause ist. Aber ich fürchte, das gibt nichts, zwischen Marlene und Martin. Marlene verdient viel mehr Geld als Martin und sie will keinen armen Mann. Weil der dann nicht mit ihr gleich sein könnte. So hat sie mir das erklärt. Das hat was mit der Augenhöhe zu tun, hat sie gesagt, als ich beim Abendbrot gesagt habe, dass ich glaube, dass Martin sie vielleicht gut findet und dass sie den doch nehmen kann, statt weiter so verzweifelt zu sein. Dann hat sie zwar ganz entrüstet getan und gerufen: Ich bin gar nicht verzweifelt! Aber ehrlich: Da hab ich von Mama was anderes gehört. Mama sagt, Marlene hat Torschlusspanik. Das heißt, sie glaubt, sie kriegt keinen mehr ab am Ende.

Mama sagt aber auch, Marlene ist wählerisch. Einen wie Alex, den würde Marlene nie nehmen. Dafür ist sie zu vornehm. Nicht, dass deine Mutter nicht vornehm wäre, das will ich damit nicht sagen. Aber einen wie Alex, der bei Franka die Füße auf den Tisch legt, den würde Marlene mal erst fragen, ob er vielleicht nicht erzogen wurde und dann würde sie ihn raus schmeißen. Aber was wissen wir schon davon. Das sagen die doch immer. Sagt Marlene auch. Komm du erst mal in mein Alter, sagt sie, dann siehst du, wie schwierig das alles ist. Blöde Erwachsenensprüche! Ich hoffe, wenn ich in ihrem Alter bin, wird es mir egal sein, ob einer Lehrer ist und genauso viel verdient wie ich oder mehr oder weniger oder gar nichts. Oder ob einer Informatiker ist, wie Jonas, und jeden Abend Tiefkühlpizza isst. Warum Franka sich darüber aufreget, hast du doch auch nie verstanden, oder? Was macht das schon? Das gehört wohl wieder zu diesen ganzen Erwachsenenregeln. Die müssen wir auch gar nicht verstehen. Oder wie siehst du das?

Yassi

Von: Paula Konschek

Betreff: Re: Bisschen langweilig

Datum: 23. Juni 2012 15:23:10 MESZ

An: Yasmin Roth

Liebe Yassi,

ich sehe das ganz genauso. Diese Regeln verstehen zu wollen, ist viel zu anstrengend. Noch dazu, wo sie mit ihren ganzen komischen Regeln ja auch gar nichts erreichen. Marlene kriegt keinen Mann ab und Mama kriegt genug Männer aus dem Internet, aber die sind alle total anstrengend, sagt Mama. Dabei sitzt ihr Jonas direkt vor der Nase. Den will sie nicht und das ist wie bei Marlene. Statt dessen halten diese ganzen Alexe hier ihren Einzug, die total nerven, und der letzte Alex, der eigentlich mit uns nach Dubai fliegen wollte, der ist gestern erst mal achtkantig raus geflogen. Nicht wegen Füße auf dem Tisch, sondern wegen was anderem. Das heißt ja noch nicht viel. Bei Mama gibt es ja auch immer mindestens eine Versöhnung wieder und dann fliegen wir vielleicht doch noch nach Dubai und die haben Versöhnungsferien und ich habe am Schulanfang wenigstens so viel zu erzählen, wie Steffi. Ich kann es nicht leiden, dass die immer mit ihren Sommerferien angibt! Wenn sie diesmal ihren Arm neben meinen halten will, ist der nicht mehr käseweiß. Also meiner. Ihrer ist ja immer sonnenbraun. Ist dir mal aufgefallen, dass Steffi immer irgendwie nach Sommer riecht? Das macht die doch mit Absicht.

Aber deine Tante verstehe ich eigentlich nicht. Wirft man denn nicht am Ende alles Geld sowieso in einen Topf und es ist egal, von wem wie viel drin ist? Meine Mutter macht das so. Und von ihr ist nie was drin, weil sie ja nix verdient. Erwachsene sind so komisch, oder?

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