Federspuren

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Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag

Umschlaggestaltung: Marc Seebode

Lektorat: Kathrin Lange

Alle Rechte bei den Autorinnen

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

„Gebrauchsanweisung“

Ich schreibe im Duett

Vertraue dir

Ich sehe den Wolken zu

Lebensspur

Wasser

Wo wohnt das Glück?

Hanni

In eigener Sache

Es war einmal …

Abstellgleis

Kinderspiel

Todsünde

Die Stimme

Die Chance

Du

„Ich will ein Schokoeis!“

Dank

Biografisches

Liz und Louise im Internet

„Gebrauchsanweisung“

Dies ist ein ungewöhnliches Buch. Deshalb für Sie, liebe Leserinnen und Leser, hier eine Art „Gebrauchsanweisung“:

Liz und Louise kennen sich seit August 2011 (so ist es auch ausführlich im ersten Beitrag von Liz nachzulesen); sie haben sich also dienstlich kennengelernt.

Dieses Projekt begann als eine Art „Blind Date“ im Internet etwa ein Jahr nach diesem Kennenlernen. Lange Zeit kommunizierten beide ausschließlich fernmündlich und fernschriftlich. Erst nachdem etwa zwei Drittel des Manuskripts zum vorliegenden Buch entstanden waren, trafen sich die beiden Frauen: Nach mehr als zwei Jahren seit ihrem Tag X sahen sie einander das erste Mal.

Zu dem Projekt: Liz und Louise geben einander abwechselnd ein Thema vor – das ist die jeweilige Überschrift des Beitrags. Und beide schreiben gleichzeitig zu diesem Thema ihren ganz eigenen Beitrag. Erst wenn beide fertig sind, werden die Ergebnisse ausgetauscht. Meist geschieht das am Telefon, mit heißem Draht von München nach Itzehoe oder in umgekehrter Richtung.

Wenn Liz das Thema vorgegeben hat, steht ihr Beitrag zuerst im Buch. Und wenn Louise das Sagen hatte, ist ihr Beitrag der erste. Daher ergibt sich eine Reihenfolge der Beiträge: Louise–Liz, Liz–Louise, Louise–Liz, Liz–Louise … Am Ende hat jede 8 Themen vorgegeben, es gibt also 16 Themen – und somit 32 Beiträge, die in diesem Buch vereint sind.

Und wer sind nun Liz und Louise? Das sind selbst gewählte Spitznamen. Liz heißt im wirklichen Leben Elisabeth Löhmann – klar, Liz leitet sich von Elisabeth ab. Und Louise ist Birgit Rentz. Sie hat sich kurz entschlossen ihren zweiten Vornamen, der sonst nur – kaum beachtet – in ihrem Ausweis zu finden ist, geschnappt und um ein „o“ bereichert.

Mit dieser Feder sind die jeweiligen Vorgaben und Beiträge von Liz gekennzeichnet:

Und das hier ist Louises Feder:

Viel Vergnügen beim Lesen!

Ich schreibe im Duett


Es ist Sommeranfang, der längste Tag des Jahres. Die Sonne spendet eine erträgliche Wärme, ein leichter Wind weht von der Nordsee her und die ersten Federwölkchen zeigen sich am Himmel. Um mich herum nur Grün.

Nein, das stimmt nicht! Es ist nicht alles nur grün. Violett scheint die Farbe dieses Sommertages zu sein, zumindest rund um die Bank, auf der ich mich in einem Park zum Schreiben niedergelassen habe.

Ja, ich schreibe. Ich … schreibe. „Ich“ – das klingt nach einsamer Beschäftigung. Ist es aber nicht. Oder doch? Also, einsam bin ich nicht. Auch nicht allein. Auf den Wegen um mich herum laufen Urlauber und Senioren. Sie unterhalten sich ehrfürchtig leise, um das farbenfrohe Idyll, das uns alle umgibt, nicht zu stören. Ihre Stimmen kommen nur als leises Murmeln bei mir an, habe ich mir doch zum Schreiben eine abgelegene Nische gesucht, einen schmalen Pfad, der fernab der Hauptwege verläuft, ein lauschiges Plätzchen direkt an einem Gießwasserteich.

In das Murmeln mischen sich Naturgeräusche. Das Rauschen des Sommerlaubes, das Zirpen einiger Grillen, das fordernde Quaken zahlreicher Frösche, das eifrige Summen verschiedenster Insekten und ein Tohuwabohu aus Vogelstimmen in Bäumen und Sträuchern.

Meine Aufgabe lautet: „Ich schreibe im Duett.“ Im Duett – das bedeutet: zu zweit. Tatsächlich, ich bin nicht allein mit dieser Fülle an Natur um mich herum. Liz ist auch hier. Irgendwo. Nicht körperlich, dafür wohnt sie zu weit weg. Aber ich weiß, dass sie an mich denkt. Sie hat nämlich genau dieselbe Aufgabe zu lösen, die ich mir in diesen Park mitgebracht habe, und sie ist meine Duett-Partnerin.

Unser Vorhaben klingt vielleicht im ersten Moment etwas geheimnisvoll. Denn auf der einen Seite behaupten wir, im Duett zu schreiben. Doch auf der anderen Seite schreibt jede für sich allein. Keine von uns weiß in dem Moment des eigenen Schreibens, was die andere schreibt. Und das soll auch so sein. Liz und ich arbeiten also – das ergeben meine forschenden Gedanken – an einem einsam-gemeinsamen Duett-Projekt. Allein – und doch zu zweit.

Wer kommt auf solche Ideen? Und was soll das bringen? Wird jemals jemand lesen, was hier geschrieben wurde?

Na, eines ist klar: Liz wird sich das hier zu Gemüte führen. Aber erst, wenn ihr selbst auch etwas zu der genannten Aufgabe eingefallen ist und sie diese Gedanken zu Papier gebracht beziehungsweise in eine Datei getippt hat. Erst wenn wir beide fertig sind, liest Liz aus dem südlichsten Bundesland die Zeilen des Nordlichts Louise. Und Louise liest, was Liz geschrieben hat.

Kommt dann der große Aha-Effekt? Werden sich unsere Texte ähneln? Wir kennen uns doch gar nicht, sind uns nie begegnet. Und doch sind wir uns sehr nah. Uns verbinden zehn Monate, sechs Romane, gefühlte fünftausend E-Mails über Jan, Julia, Gott und die Welt und eine Reihe von Telefonaten und SMS. Liz betreibt eine Romanfabrik und ich bin ihre Lektorin. In den sechs Projekten haben wir uns, was das Formulieren von Texten anbelangt, so angenähert, dass Liz meine Korrekturen größtenteils nicht einmal mehr bemerkt. Unsere E-Mails künden Übereinstimmung in vielen Bereichen, was sehr wohltuend ist. Klar, dass wir in dem Moment, wo die Zusammenarbeit beendet schien, nach einem Strohhalm suchten. Das konnte es doch nicht schon gewesen sein! Wir haben uns ganz sicher noch viel zu sagen. Diese Verbindung ist zu sehr ein Glücksfall, als dass man einen Schlussstrich ziehen sollte.

Sagt mal, ihr süßen kleinen Vögelchen da oben in dem Dreidornigen Lederhülsenbaum – oder wie ein Schild mir mitteilt, auch „Gleditsia triacanthos“ genannt (der Baum, nicht die Vögel …). Ich schreibe gerade das Wort „Glücksfall“ auf meinen Block und einer von euch Piepsern kackt mir ganz frech auf meine rechte Hand, die Schreibhand. Scheiß drauf! Und vielen Dank nach oben. Das war ein Wink des Himmels – ein Glücksfall.

Und hiermit sei angekündigt: Das Duo „Liz und Louise“ startet an diesem schönen Sommertag voll durch und wird einen Schlagabtausch hinlegen, der einiges zu bieten hat.

Liebe Leserin, lieber Leser, lassen Sie sich anstecken von unserer Vorfreude und der Schreiblust zweier Frauen um die fünfzig, die sich auf eine im Moment noch unbestimmte Reise begeben. Wenn Liz und ich eines Tages den letzten Beitrag für dieses Buch geschrieben haben, werden wir auf den Startschuss des heutigen Tages zurückblicken. Für mich und für heute gilt: Möge dieser Tag nie aufhören, denn es ist ein schöner Tag.

 

4.8.2011

Sehr geehrte Frau Löhmann, vielen Dank für Ihre Anfrage wegen eines Lektorats Ihres Manuskripts.

So begann die erste Mail, die Louise mir geschrieben hat. Danach flogen die Mails zwischen uns hin und her, gleich fünf waren es am ersten Tag. Irgendwann hat eine von uns den Hörer in die Hand genommen. Wir haben lange miteinander gesprochen, uns aus unserem Leben, vor allem unserem literarischen Leben erzählt. Als ich aufgelegt hatte, war ich sehr bewegt. Louise ging ebenso:

4.8.2011

Ich fand unser Gespräch auch sehr schön. Spannend, um genau zu sein. Schauen wir mal, was daraus wird …

Fast ein Jahr lang haben wir intensiv zusammengearbeitet. Louise meinte, es müssten mehrere Tausend Mails gewesen sein, die wir uns in dieser Zeit geschrieben haben. Unglaublich. Nun, da es vorbei ist, fehlt mir dieser tägliche Austausch, dieses Erinnern, die stille Freude beim Öffnen der morgendlichen Mails.

Kurz bevor ich Louise die erste Mail schrieb, hatte ich die Zusage für ein Romanprojekt bekommen, mehrere TV-Romane, für die ich pro Band nur wenige Wochen Zeit hatte und für die Handlung und Serienpersonal vorgegeben waren.

Überschwänglich hatte ich dem Verlag zugesagt und erst nachher begriffen, auf was ich mich eingelassen hatte: unter Zeitdruck alle sechs Wochen ein druckfertiges Buch abzuliefern.

Mit diesem Projekt war ich weitgehend auf mich gestellt. Rückfragen wurden vom Verlag zwar schnell und sehr freundlich beantwortet, aber an ein begleitendes Lektorat war nicht zu denken.

Also suchte ich mir selbst eine Lektorin.

Es war spät nachts, als ich mich an den Computer setzte und „Lektoren“ googelte – und auf Louises Website landete. Sie nannte sich Fehlerjägerin, das gefiel mir. Dass sie auch noch Autorin ist, erwies sich als Glückfall.

Es war, als hätte uns jemand zusammengeführt.

In den Romanphasen verging kein Tag, an dem wir uns nicht schrieben. Ich mailte ihr, oft erst nach Mitternacht, mein Tagespensum. Sie schickte es mir korrigiert und mit Anmerkungen versehen früh am Morgen zurück. Kurz vor Abgabe des ersten Romans, als es nur noch ums Fertigwerden und Durchhalten ging, haben wir es sogar geschafft, morgens um fünf Uhr beide am Computer zu sitzen. Bis heute hat Louise mir nicht verraten, ob sie die Nacht durchwacht hatte oder ob sie, in banger Erwartung des letzten Kapitels, besonders zeitig aufgestanden war.

Wir haben die Romane im Duett geschrieben. Ich gab den Text vor, Louise brachte ihn in Form. Bis dahin war ich der Meinung gewesen, ich beherrsche die Rechtschreibung aus dem Effeff, ebenso wie ich lässig die Tempi wechseln und geschmeidig Rückblenden schreiben könne. Plusquamperfekt? Korrekte Satzzeichen? Darüber verfügte ich nach Belieben. Bis ich Louise kennenlernte.

Durch sie habe ich gelernt, genau hinzusehen, detailliert zu beschreiben, den roten Faden im Auge zu behalten und mich immer wieder zu fragen: Ist die Szene, die ich gerade beschreibe, wichtig für die Handlung? Wird deutlich, was meine Protagonisten wollen? Treiben die Dialoge die Handlung voran? Nichts war schlimmer als ihr Kommentar: „Das verstehe ich nicht.“ Sie war meine erste und wichtigste Testleserin. Wenn sie den Text nicht verstand, dann hatte ich nicht sauber gearbeitet.

Louise hatte ein Herz für meine Witwen und Waisen, die Figuren, die ich groß eingeführt und irgendwann im Laufe des Romans verloren hatte. Sie achtete auf Details wie Haar- und Augenfarbe (eine Figur hatte am Anfang blaue, am Schluss braune Augen), auf verlorene Schlüssel (den hatte die Figur im letzten Kapitel noch in der Hand?) und erinnerte mich daran, dass das Fluchtauto, das ich meinem Helden vor die Tür gestellt hatte, immer noch am Flughafen stand.

Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es für einen guten Text einen Autor und einen Lektor braucht – ein Duett. Wer das Glück hat, von einem großen Verlag einen Lektor zur Seite gestellt zu bekommen, ist fein raus. Schreiben muss zwar immer noch der Autor, doch ein guter Lektor steuert ihn sicher durch die Handlung.

Wenn, wie in unserem Fall, die Lektorin auch selbst schreibt, weiß sie außerdem, wie sich Schreibkrisen anfühlen, wie schwer es ist, einen guten Anfang zu finden, wie anstrengend, jeden Tag das festgelegte Pensum zu schaffen.

Schreiben im Duett bedeutet für mich auch das Ende der Einsamkeit. Jetzt habe ich eine Kollegin. Wir fragen uns gegenseitig, wie es geht, sind neugierig auf die Arbeit der anderen, seufzen oder lachen über Alltagsgeschichten und klagen, wie vermutlich alle Autoren, über zu wenig Zeit. Doch wir sind mehr als Kolleginnen. Wir sind Seelenverwandte, verbunden durch die Leidenschaft für das Wort.

Auch diese Texte schreiben wir im Duett, diesmal beide als Autorinnen. Es ist spannend, wie Louise es am Anfang in ihrer Mail geschrieben hatte. Nur das Thema ist vorgegeben, keine weiß, was die andere dazu schreiben wird.

Schauen wir mal, was daraus wird …

Vertraue dir


Vertraue dir!“, hatte Louise mir geschrieben, als ich mich beklagte, dass ich mit dem neuen Roman nicht vorankäme. Schon beim Lesen spürte ich die Kraft dieser Worte. Louise hatte wieder den Glauben an mein Können geweckt.

Gäbe es einen Preis fürs Zweifeln, ich würde ihn immer wieder aufs Neue gewinnen, die Preise fürs Vermeiden und Aufschieben gleich dazu. Nur noch vier Wochen Zeit, um den Roman abzugeben? Na wunderbar, dann kann ich ja vorher noch die Wohnung renovieren! Picobello aufgeräumt ist sie sowieso, das mache ich, anstatt zu plotten, immer in der Anfangsphase – wenn der Abgabetermin noch Lichtjahre entfernt ist. Kein Wunder, dass kurz vor Abgabe alles im Chaos versinkt, dass Termine gestrichen und Telefone ausgeschaltet werden.

Wäre nicht Louise am anderen Ende der Republik, und würde sie nicht ebenso nachsichtig wie geduldig anschieben, wer weiß, ob ich jemals einen Roman fertig geschrieben hätte?

Nach jedem Roman schwöre ich Stein und Bein: Beim nächsten Mal wird alles anders – bis wieder der Abgabetermin steht und ich anfange, die Wohnung zu putzen …

Bis vor einiger Zeit war ich davon überzeugt, der einzige Mensch mit diesem Problem zu sein. Wenn ich mir aber die zahlreichen Internetforen und Schreibratgeber ansehe, dann scheinen außer mir noch ein paar andere Autoren an Aufschieberitis zu leiden. Dabei bin ich stets bestens vorbereitet: Das Treatment ist ausgearbeitet, die Figuren sind festgelegt, sogar das erste Kapitel steht – an Fleiß mangelt es mir nicht.

Warum ich trotzdem nicht anfangen kann? Weil ich Angst habe. Es ist nicht leicht, diesem Gefühl auf die Schliche zu kommen. Um nicht entdeckt zu werden, täuscht sie mich, die Angst, gibt sich als Faulheit aus oder versteckt sich in dringenden Vorhaben wie Aufräumen müssen, Blumen gießen und E-Mails schreiben.

Um die Angst zu entdecken, muss ich aufmerksam in mich hineinhorchen. Dann höre ich, wie die Stimme des Zweifels mir einflüstert: „Du kannst das nicht. Du bist nicht gut genug. Du schaffst das nicht.“ Die meisten Autoren kennen ihn, den gefürchteten Zensor, der verhindern will, dass man schreibt, sich damit blamiert, sich dafür schämt.

Insofern ist meine Angst berechtigt. Sie will verhindern, dass ich mich bloßstelle. Nur reagiert sie die meiste Zeit völlig hysterisch.

Es dauerte viele Jahre, bis ich das begriff und dabei erkannte, dass meine Schreibangst einen tiefen Sinn hat. Sie sorgt dafür, dass ich erst anfange, wenn ich mir vertraue und mich sicher fühle. Dann habe ich den Mut, mich dem Schreibfluss hinzugeben, meiner Eingebung zu folgen und überrascht zu sein, wohin sich meine Figuren entwickeln. Doch solange ich noch mühsam nach der richtigen Formulierung suche, krampfhaft nach Einfällen fahnde und ungefähr einen Satz pro Stunde schaffe, hat mich noch die Angst im Griff.

Das Gegenteil von Angst ist Mut. Wer sich traut, seinen Text in die Öffentlichkeit zu tragen, sich dem Urteil vieler Leser auszuliefern, muss über innere Stärke verfügen. Mir kommt es so vor, als hätte ich mir diese innere Stärke herbeigeschrieben, als hätte mich jeder Entwurf, jede Rohfassung selbstsicherer gemacht.

Bis zum veröffentlichten Roman war es ein langer Weg. Das Ziel, ein Buch zu schreiben, habe ich dabei oft aus den Augen verloren und bin Umwege gegangen, die mich viel Zeit gekostet haben. Dass ich dabei wichtige Erfahrungen gesammelt habe, ist mir erst später bewusst geworden.

Es war eine Reise zu mir selbst, zu mehr Stärke und Selbstbewusstsein. Ich habe unterwegs Möglichkeiten entdeckt, mit dem Schreiben mein Geld zu verdienen – und wunderbare Menschen wie Louise getroffen, die mir sagen: „Vertraue dir“, wenn ich nicht vorwärtskomme.

Auch wenn ich nun meinen Weg kenne – meine Schreibreise ist noch lange nicht zu Ende.

Auf der Erde leben 7.059.573.625 Menschen, zumindest in genau dem Moment, in dem diese Zeilen entstehen. Und sekündlich wächst die Zahl um zwei Komma fünf.

Das sind mehr als sieben Milliarden Menschen, mehr als sieben Milliarden Lebensläufe, mehr als sieben Milliarden Schicksale. Das Leben eines jedes Einzelnen nimmt seinen ganz persönlichen Verlauf, zeichnet individuelle Höhen und Tiefen.

Ich bin nur einer von ihnen, ein einziger, ein völlig unbedeutender Bruchteil vom großen Ganzen – wenn man es mathematisch betrachtet.

Wie nichtig muss es angesichts der vielen Menschen, die Hunger leiden, die todkrank sind, die geprügelt oder vergewaltigt werden, die gerade einen geliebten Menschen verlieren, wie nichtig muss es sein, dass ich in diesem Augenblick das Gefühl habe, rein gar nichts zustande zu bringen? Dass ich an mir zweifle, dass ich mein Spiegelbild hasse und mich am liebsten so lange verkriechen würde, bis jemand kommt, mich in den Arm nimmt und sagt, dass alles wieder gut wird?

Von wegen nichtig! Und was interessieren mich die sieben Milliarden anderen, wenn es mir schlecht geht?

Ich will meine Ruhe, und damit basta!

* * *

Mensch Mädchen! Ist es so weit? Hast du wieder deine „Keiner hat mich lieb“-Phase? Ich dachte, du wüsstest es inzwischen besser. Aber nein, du sitzt da wie ein Häufchen Elend, und die ganze Welt ist schuld.

Wie kannst du nur alles so negativ sehen?

Oh ja, natürlich. Alle haben sich gegen dich verschworen, klar! Familie, Freunde, Kollegen – alle!

Recht hast du: Keiner hat dich lieb und hässlich bist du obendrein. Potthässlich!

Ja, da guckst du, was? Endlich mal einer, der dir die Wahrheit ins Gesicht sagt.

So, hast du dich nun wieder beruhigt? Komm mal her, Kleine! Komm zu mir. Hier, schau in den Spiegel. Das bist du, die dich mit verheulten Augen anschaut.

Da, hast du es gesehen? Ein kleines, wenn auch verunglücktes Lächeln hat sich in dein Gesicht geschlichen, ich hab’s genau gesehen.

Na also, es ist gar nicht so schlimm, nicht wahr? Kein Grund, gleich alles hinzuschmeißen und auf Tauchstation zu gehen.

Ist denn wirklich alles so schlimm?

Du willst mir erzählen, dass dich Menschen aus deinem näheren Umfeld bis aufs Blut reizen? Deine Kollegen spielen dir übel mit und verbreiten in der Firma infame Lügen über dich. Dein Chef hat es ebenfalls auf dich abgesehen und nörgelt ständig an deiner Arbeit herum. Angeblich traut er dir nichts zu, deshalb ist die Beförderung, die er dir neulich versprochen hat, in weite Ferne gerückt. Aha, und ich dachte, bei dir im Büro herrscht so ein gutes Arbeitsklima und die Arbeit macht sich wie von selbst. Wohl doch nicht. Ach, und Susi, deine beste Freundin, wendet sich von dir ab und lässt dich nicht mehr an ihrem Leben teilhaben. Du bist enttäuscht und fällst ins Bodenlose, als du es bemerkst. Hast du jemals mit ihr darüber geredet? Was steht zwischen euch, weißt du das eigentlich? Und schließlich „Schatzi“, dein Mann, dein Dauerproblem: Er will auf jeden Fall verhindern, dass du noch mehr Zeit in dein Hobby investierst. Gekonnt beeinflusst er dich so, dass du entnervt zu Hause bleibst, statt deinen Kreativkurs zu besuchen. Dies und all das andere macht dich so fertig, dass dir nichts von dem gelingt, was du anpackst.

 

Wenn ich es recht betrachte: Du bist doch selbst schuld! Mit deinem ständig griesgrämigen Gesicht steuerst du dein Leben ohne das Zutun der anderen ins falsche Gleis. Du hältst die Demütigungen, die aus diesen oder anderen Situationen erwachsen, tatenlos aus und schluckst alles anstandslos. Mach nur weiter so, niemand wird dich davon abhalten.

Aber willst du das? Willst du immer nur das tun, was irgendwer dir vorschreibt? Willst du sein, wie andere dich sehen wollen? Willst du all deinen Stolz mit Füßen treten und dich, das einmalige Individuum, aufgeben und lebenslänglich begraben?

Aha, das willst du also nicht. Ich sehe es dir doch an. Deine Augen funkeln vor Zorn – oder ist es Kampfgeist, den du gerade ausgräbst und in dein Gesicht zementierst?

Das sieht gut aus! Komm, du kannst viel überzeugender zeigen, dass mit dir noch zu rechnen ist. Genau, es gibt, ebenso wie all die Miesmacher, die dich in den Sumpf ziehen, auch Menschen, die dich voranbringen. Sie ebnen dir den Weg, helfen dir und unterstützen dich. Frag einfach und lächle dabei – und schon öffnen sich Türen. Natürlich ist das kein Patentrezept, doch was ich sagen will: Gehe positiv auf die Menschen zu und sie werden dir positiv begegnen. Ein Lächeln bewirkt oft Wunder. Wenn du freundlich und mit offenen Augen durch die Welt gehst, findest du die richtigen Wegbegleiter. Oder sie finden dich. Vielleicht wirst du feststellen, dass sie dich schon lange begleiten, du hast es nur nicht wahrgenommen.

Erlaube dir Schwächen, die hat jeder mal. Tage wie diesen muss es geben dürfen. Hauptsache, du kommst in solchen Momenten wieder auf die Beine und kämpfst gegen lauernde Unlust und lähmende Lethargie. Nimm dich wichtig, behandle deinen Geist und deinen Körper so, wie du von deinen Mitmenschen behandelt werden möchtest. Sei es dir wert, dass du dir Zeit für dich nimmst. Zeit, die dich zur Ruhe kommen lässt und dir positive Gedanken beschert. Und lass die Leute reden, wenn ihnen irgendetwas an dir nicht passt. Oft ist es Neid, der sie gehässig werden lässt. Stell dich nicht mit ihnen auf eine Stufe. Das hast du gar nicht nötig. Und die Menschen, die dir wichtig sind, haben es verdient, dass du ihnen positiv begegnest, dass du mit ihnen redest und ihnen erklärst, was dich bewegt und stört. Sei offen und gib ihnen eine Chance, dich zu verstehen.

Sei einfach du selbst und lächle!

Tu es für dich, du kannst es.

Du brauchst niemandem etwas zu beweisen.

Mach dein Ding.

Es steckt in dir, vertraue dir!

* * *

Ich bin eines von über sieben Milliarden Schicksalen. Mein Spiegelbild zeigt eine zufriedene Frau mit ein paar Falten um die Augen. Lachfalten, was denn sonst? Mir geht es gut, viel besser als den meisten anderen. Ich habe nämlich etwas, das andere nicht haben. Ich habe ein gutes Ohr und höre sie, meine innere Stimme. Auf sie ist immer Verlass.