Didaktisch handeln und denken (E-Book)

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Didaktisch handeln und denken (E-Book)
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Hans Berner, Urban Fraefel, Barbara Zumsteg (Hrsg.)

Didaktisch handeln und denken

mit Fokus auf angeleitetes und eigenständiges Lernen

Beiträge von Hans Berner, Thomas Birri, Regula von Felten, Urban Fraefel, Petra Hild, Rudolf Isler, Christoph Schmid, Dorothea Tuggener Lienhard, Barbara Zumsteg

ISBN Print: 978-3-0355-1258-8

ISBN E-Book: 978-3-0355-1259-5

Dieses Werk erschien von 2011 bis 2017 in zwei Einzelbänden («Didaktisch handeln und denken 1» und «Didaktisch handeln und denken 2») über die Publikationsstelle der Pädagogischen Hochschule Zürich (Pestalozzianum Verlag).

Fotos: René Rötheli, Baden

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com


Zusatzmaterialien und -angebote zu diesem Buch: http://mehr.hep-verlag.com/didaktisch-handeln-und-denken

Inhalt

Vorwort

Teil 1 Fokus angeleitetes Lernen

Kapitel 1 Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?

Basics

HANS BERNER Die Suche nach den guten Lehrerinnen und Lehrern

Was müssen gute Lehrerinnen und Lehrer wissen und können?

Es kommt auf die Lehrerin, den Lehrer an

Texte

1 Best-Practice-Lehrpersonen in der Deutschschweiz

2 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 2 Unterricht beobachten – Feedback geben – reflektieren

Basics

HANS BERNER Unterricht beobachten

Feedback geben

Reflektieren

Texte

1 «Glauben wir, was wir sehen, oder sehen wir, was wir glauben?»

2 Soziale Wahrnehmung und Wahrnehmungsfehler

3 Reflexion des Handelns – eine grundlegende Kompetenz

4 Lernen ist nicht Reflex, sondern Reflexion

5 Reflexionsfähigkeit und -praxis der Lehrperson

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 3 Kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren

Basics

REGULA VON FELTEN Was meint Kompetenz?

Der Lehrplan 21

Von Kompetenzen zu Lernzielen

Lernziele präzis formulieren

Schülerinnen und Schüler verfolgen eigene Ziele

Texte

1 «Wenn man nicht genau weiß, wohin man will, landet man leicht da, wo man gar nicht hinwollte.»

2 Merkmale zweckmäßiger Zielbeschreibungen

Kapitel 4 Lehren durch Instruieren – Lernen durch Konstruieren

Basics

URBAN FRAEFEL Basistechniken

Erlernen von Basistechniken

Was gehört zu den grundlegenden Techniken des Unterrichtens?

Texte

1 Lehren durch Instruktion

2 Darbietung im Unterricht

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 5 Spielphasen planen und begleiten

Basics

REGULA VON FELTEN UND DOROTHEA TUGGENER LIENHARD Was bedeutet Spielen für Kinder?

Zeit zum Spielen

Raum zum Spielen

Möglichkeiten der Spielbegleitung

Texte

1 «Stimulieren» oder «Wachsenlassen»? – eine pädagogische Streitfrage zum heutigen Kinderspiel

2 Der Raum als «dritter Erzieher»

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 6 Lernprozesse begleiten

Basics

URBAN FRAEFEL Was ist unter «Lernprozessbegleitung» zu verstehen?

Die Rahmentheorie: Wissen wird vornehmlich sozial konstruiert

Was sind die Merkmale der Lernprozessbegleitung?

Scaffolds und Feedbacks in der Übersicht

Die Kompetenz des Begleitens von Lernprozessen

Texte

1 Adaptiver Unterricht

2 Individuelle Lernbegleitung – Qualitätsansprüche und Indikatoren

3 Fordern und Fördern in der Grundschule

Kommentierte Literaturhinweise

Teil 2 Fokus eigenständiges Lernen

Kapitel 1 Was ist guter Unterricht?

Basics

HANS BERNER Eine alte und aktuelle Frage

Ein umfassendes Verständnis von gutem Unterricht

Unterrichtsgütekriterien-Merkmallisten

 

Was wissen wir über guten Unterricht?

Den guten Unterricht gibt es nicht!

Guter Unterricht ist niemals starr und dogmatisch

Texte

1 Was wissen wir über guten Unterricht?

2 Merkmale guten Unterrichts nach Andreas Helmke

3 Zwei entscheidende Merkmale guten Unterrichts nach Hilbert Meyer

4 Die Bedeutung des Kontexts

5 Was ist aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern gut?

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 2 Inhalte auswählen

Basics

HANS BERNER Denken Lehrerinnen und Lehrer nur an ihren Stoff?

Zur zentralen Bedeutung der «Was-» und der «Warum-Frage»

Kritisch-konstruktive Didaktik als themenorientierter Didaktikansatz

Sinnvolle Themen finden – und begründen

Themenfrage als eine entscheidende Planungsaufgabe

Eine entscheidende Frage zur Themenbestimmung

Texte

1 Didaktische Rekonstruktion: Fachsystematik und Lernprozesse in der Balance halten

2 Themenzentrierte Interaktion (TZI) – die Inhalte bleiben wichtig

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 3 In Epochen unterrichten

Basics

RUDOLF ISLER Was verstehen wir unter «in Epochen unterrichten»?

Welche Ziele lassen sich verfolgen, wenn in Epochen unterrichtet wird?

Wie Epochen planen – Verbindung zum Planungsinstrument

Welche Rolle hat die Lehrperson im Epochenunterricht?

Chancen und Grenzen von Unterricht in Epochen

Texte

1 In Epochen unterrichten heißt die Schule von innen reformieren

2 Organisationsmodelle des Epochenunterrichts

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 4 Formen eigenständigen Lernens

Basics

THOMAS BIRRI 1 Werkstattunterricht

THOMAS BIRRI 2 Unterricht mit Lernplänen

THOMAS BIRRI 3 Atelierunterricht respektive Freiwahlunterricht

HANS BERNER 4 Dialogisches Lernen

HANS BERNER 5 Projektunterricht

PETRA HILD 6 Kooperatives Lernen

Kapitel 5 Beurteilen

Basics

CHRISTOPH SCHMID Beurteilung des Gelernten und Beurteilen für das Lernen

Beurteilungsfunktionen und Beurteilungsformen

Beurteilungsmaßstäbe

Kompetenzorientierte Beurteilung und Noten

Systematische Beobachtung und verbale Beurteilung

Selbstbestimmung und Lerndokumentationen

Sieben pädagogische Grundsätze zum Schluss

Texte

1 Prüfungssituationen

2 Kompetenzorientierung statt Mängeldiagnosen

Kommentierte Literaturhinweise

Kapitel 6 Zusammenwirken von Fremd- und Selbststeuerung

Basics

BARBARA ZUMSTEG Verschiedene Bildungsziele erfordern unterschiedliche Unterrichtsmethoden

Der Vielfalt Struktur geben

Dimensionen offenen Unterrichts

Texte

1 Binnendifferenzierung − eine Utopie?

Kommentierte Literaturhinweise

Anhang

Planungsübersicht

Autorinnen und Autoren

Vorwort

Vorwort

In seinem 2005 veröffentlichten Bestseller «Teacher Man» schreibt Frank McCourt über seine Erfahrungen als Lehrer in der rauen schulischen Realität von New York. Er erzählt, was er von seinen insgesamt zwölftausend Schülerinnen und Schülern gelernt hat als Lehrer, als Geschichtenerzähler, als Schriftsteller. Am Anfang seiner Lehrerausbildung hatte Frank McCourt ganz klare und einfache Vorstellungen: «Unterrichten stellte ich mir ganz einfach vor: Man erzählt den Schülern, was man weiß, und irgendwann hält man Prüfungen ab und verteilt Noten.» [1] Nach ersten Erfahrungen realisiert er: «Da kommen sie. Und ich bin nicht bereit. Wie könnte ich auch? Ich muss das Lehren erst noch lernen.» [2]

Das Studienbuch «Didaktisch handeln und denken» soll einen Beitrag zu diesem Lernen des Lehrens leisten. Es soll Studienanfängerinnen und Studienanfänger in grundlegende Kompetenzen und Aspekte des didaktischen Handelns und Denkens sowie in Fragen des Berufs einführen. Dieses Buch ist aus der Zusammenführung der beiden Bände «Didaktisch handeln und denken 1» und «Didaktisch handeln und denken 2» entstanden, die von 2011 bis 2017 über die Publikationsstelle der Pädagogischen Hochschule Zürich herausgegeben wurden.

Es wurde für angehende Lehrkräfte aller Schulstufen der obligatorischen Schulzeit in der Schweiz konzipiert und enthält vor allem Beispiele aus diesen Bereichen. Viele der zugrundeliegenden Inhalte lassen sich aber auch auf Schulsysteme anderer Stufen und Länder anwenden.

Jedes Kapitel folgt dem gleichen Aufbau: zu Beginn ein Grundlagenteil, in dem der aktuelle Stand des Wissens kompakt zusammengefasst ist (Basics), gefolgt von einem Teil mit ausgewählten Quellentexten und weiterführenden kommentierten Literaturhinweisen (Texte).

Basics

Eine kompakte Übersicht führt in das Thema ein und resümiert die zentralen Begriffe, Konzepte und Zusammenhänge.

Texte

Dieser Teil umfasst ausgewählte Quellentexte verschiedener Autoren und Autorinnen zu diesem Thema. Zudem enthält er kommentierte Literaturhinweise.

Zu jedem Kapitel stehen unter http://mehr.hep-verlag.com/didaktisch-handeln-und-denken weiterführende Materialien zur Verfügung, wie sie in den beiden ehemaligen Bänden abgedruckt waren. Sie ergänzen das Thema des Kapitels mit Beispielen, weiteren Texten und Konkretisierungen, teilweise spezifisch für einzelne Stufen und Fächer. Eine ausgewogene, vollständige Dokumentation zu den Themen der einzelnen Kapitel ist weder gewollt noch möglich. Die Konzepte und Materialien zeigen vielmehr die Aspekte des Themas und stellen es aus verschiedenen Blickwinkeln dar – zum Teil bewusst widersprüchlich. Diese Breite soll dazu beitragen, sich vielfältig mit dem Thema auseinanderzusetzen, um anschließend mit anderen darüber diskutieren zu können.

Für die vorliegende Neuausgabe wurden alle Kapitel begrifflich angepasst, sodass sie mit der aktuellen Terminologie der Kompetenzorientierung des Schweizer Lehrplans 21 korrespondieren. Ein neues Kapitel «Kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren» ersetzt das ehemalige Kapitel 3 des ersten Bands «Ziele setzen». Abgesehen von diesen Anpassungen und einigen wenigen sprachlichen und formalen Korrekturen wurden keine Änderungen vorgenommen, die Grundlagenteile sowie die abgedruckten Quellentexte entsprechen inhaltlich denjenigen in den beiden ehemaligen Bänden.

Teil 1 des Studienbuchs widmet sich, ausgehend von der Grundfrage «Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?», den Themen «Unterricht beobachten – Feedback geben – reflektieren», «kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren», «Lehren durch Instruieren – Lernen durch Konstruieren», «Spielphasen planen und begleiten» sowie «Lernprozesse begleiten». Teil 2 fokussiert, ausgehend von der Grundfrage «Was ist guter Unterricht?», auf die Themenbereiche «Inhalte auswählen», «in Epochen unterrichten», «selbstständig lernen» durch Unterrichtskonzeptionen wie Werkstattunterricht, Unterricht mit Lernplänen, Atelierarbeit, dialogisches Lernen, Projektunterricht, kooperatives Lernen und schließlich auf die Beurteilung von Lernfortschritten.

Im abschließenden, zusammenfassenden Kapitel 6 von Teil 2 wird die anspruchsvolle Balanceleistung zwischen Instruktion und Konstruktion diskutiert.

Wir bedanken uns bei allen Verantwortlichen und Beteiligten der berufspraktischen Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich, die mit ihren kritisch-konstruktiven Rückmeldungen und Optimierungsvorschlägen einen Beitrag geleistet haben, diese Grundlagen für die berufspraktische Ausbildung in einer Balance zwischen Theoretisch-Anspruchsvollem und Praktisch-Anwendbarem zu halten. Ein besonderer Dank geht an die Autorinnen und Autoren der einzelnen Kapitel und an Andreas Hug und Mathis Kramer-Länger, die für diese Neuausgabe die oben erwähnten begrifflichen Anpassungen vorgenommen haben. Speziell hervorheben möchten wir die Leistung des Fotografen René Rötheli: Aus seiner großen Sammlung konnten wir faszinierende Bilder auswählen, die den anspruchsvollen Prozess des didaktischen Handelns und Denkens von Lehrpersonen symbolisieren.

 

Im August 2018

Hans Berner und Barbara Zumsteg

Teil 1 Fokus angeleitetes Lernen


Kapitel 1 Was sind gute Lehrerinnen und Lehrer?

Die einfachen Antworten auf die Frage «Was ist eine gute Lehrerin, was ein guter Lehrer?» erfolgen häufig in Form von eher naiven additiven Wunschkatalogen über ideale Lehrpersonen. Aus der Perspektive der Bildungsforschung wird dieses Alltagswissen mit konkreten kritischen Fragen konfrontiert, die mit der umfassenden Frage «Was müssen gute Lehrpersonen wissen und können?» zusammengefasst werden können.

Es ist völlig unbestritten: Effiziente Lehrerinnen und Lehrer, die in der Lage sind, gute Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen, haben einen nachhaltigen Einfluss auf das Leben der Lernenden. Empirische Studien beweisen: Es kommt auf die Lehrerin, den Lehrer an! Lehrerinnen und Lehrer haben mit ihren Kompetenzen und ihrem unterrichtlichen Handeln erheblichen Einfluss auf die Lernentwicklung von Schülerinnen und Schülern.


Basics Texte

Basics


HANS BERNER Die Suche nach den guten Lehrerinnen und Lehrern

HANS BERNER

Die Suche nach den guten Lehrerinnen und Lehrern

«Wo ein guter Lehrer am Werk ist, wird die Welt ein bisschen besser»

Diese für Pädagoginnen und Pädagogen ermunternd-hoffnungsvolle Aussage des Kognitionspsychologen und Lehrerbildners Hans Aebli in einem vor mehr als dreißig Jahren durchgeführten Interview hat bis heute ihre Richtigkeit (vgl. Aebli 1983). In einem Artikel mit dem Titel «‹Der gute Lehrer›, ‹die gute Lehrerin› im Spiegel der Wissenschaft» hat sich Franz Weinert, einer der renommiertesten Unterrichtsforscher, auf dieses optimistische Credo bezogen und es als gleichermaßen wahr und weise bezeichnet: Wahr, weil alle unvoreingenommenen Beobachter des Wirkens und der Wirksamkeit von Lehrpersonen Beispiele vor Augen haben, die mit dem pädagogischen Optimismus von Aebli in selbstevidenter Weise übereinstimmen; weise, weil viele Erfahrungen dafür sprechen, dass große Reformen oder neue Technologien die Welt zwar dramatisch verändern, aber ob dadurch auch die Welt für die einzelnen Menschen ein bisschen besser wird, hängt in der Welt der Schule in besonderem Maße vom Wirken einzelner Menschen – guter Lehrerinnen und Lehrer – ab (vgl. Weinert 1996, S. 141).

In der Literatur kommen Lehrerfiguren häufig vor – und es lässt sich nicht verschweigen, dass negative oder bemitleidenswerte Figuren zahlreicher sind. Abschreckende Beispiele finden sich in Friedrich Torbergs «Der Schüler Gerber», in Hermann Hesses «Unterm Rad», in Hermann Burgers «Schilten». Aber es gibt selbstverständlich auch außerordentlich positive Beispiele wie die Ehrerbietung von Albert Camus an seinen Lehrer nach Erhalt des Nobelpreises oder der als «Hommage» an seinen Primarlehrer betitelte Text von Alfred Häsler. Auch in Filmen wird Lehrerfiguren durch bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler ein Denkmal gesetzt: Etwa Robin Williams in der Rolle von John Keating im Film «Dead Poets Society» als begeisterter und begeisternder Literaturlehrer in der Welton Academy in Vermont oder Michelle Pfeiffer in der Rolle von LouAnne Johnson im Film «Dangerous Minds» als idealistische Lehrerin in der «Realität» einer Schule in East Palo Alto, Kalifornien.

Im Schweizer Dokumentarfilm «Zum Abschied Mozart» von Christian Labhart wird ein Musiklehrer porträtiert, der sich auf besondere Weise für die Wichtigkeit und den Ernst einer gewählten Sache engagiert. Der hohe Anspruch, mit den Schülerinnen und Schülern einer Neunten bis Zwölften Klasse Mozarts Requiem aufzuführen, erfordert von allen außerordentliche Anstrengungen beim Proben und Höchstleistungen im Konzert. Der Weg zum hohen Ziel einer gelungenen Aufführung ist für die in völlig anderen Freizeitwelten lebenden Schülerinnen und Schüler immer wieder unbequem und hart. Das Engagement und die Begeisterung des Lehrers für die Sache, seine Unnachgiebigkeit und Kompromisslosigkeit faszinieren und irritieren die Schülerinnen und Schüler gleichermaßen. Die Aufführung mit zwei Konzerten in vollen Sälen ist der Lohn für eine beeindruckende Lehrer- und Schülerleistung.


Abbildung 1: Aus dem Kinodokumentarfilm «Zum Abschied Mozart» (© Christian Labhart)

Eigentlich sind gute Lehrpersonen ja ganz einfach zu beschreiben …

Gute Lehrpersonen sind pünktlich und zuverlässig, sie sind freundlich gegenüber Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen, Eltern und Vorgesetzten, sie sind fleißig, engagiert und belastbar, und sie haben die Belange ihrer Schule, ihrer Klassen und einzelner Schülerinnen und Schüler im Auge. Ihre Fachkompetenz in ihren Unterrichtsfächern ist genauso hoch entwickelt wie ihre didaktisch-methodischen und pädagogisch-erzieherischen Fähigkeiten. Ihr Unterricht ist angemessen anspruchsvoll; die Lernfortschritte ihrer Schülerinnen und Schüler sind beachtlich. Sie bemühen sich darum, eine positive Lernhaltung und ein lernförderliches Klima in den von ihnen unterrichteten Klassen zu schaffen. Kolleginnen und Kollegen übernehmen gerne ihre Klassen. Als Personen erfreuen sie sich einer natürlichen Autorität gegenüber den Schülerinnen und Schülern, sie werden von ihnen geachtet und geschätzt. Sie bilden sich in ihren Fächern und hinsichtlich ihrer pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten fort, arbeiten in der Lehrerbildung als Praxislehrpersonen, gehen konstruktiv mit beruflichen Beanspruchungen um und können zu hohe Belastungen erfolgreich abwehren. In Arbeitsgruppen zeigen sie ihre Teamfähigkeit. Sie verstehen es, gegenüber Eltern ein klares, differenziertes Bild ihrer Kinder zu vermitteln und – wo nötig – konstruktive Hinweise zu geben. Sie identifizieren sich mit ihrem Beruf – und können doch gut vom Beruf abschalten (vgl. Terhart 2006, S. 42).

… und wie sieht es in der Wirklichkeit aus?

Aus der Perspektive der Bildungsforschung wird dieses naiv-triviale additive Verfassen von Wunschkatalogen über die ideale Lehrperson mit konkreten kritischen Fragen konfrontiert: Wie sieht es in der Wirklichkeit in den Klassenzimmern aus – und wie in den Lehrerzimmern? Wie weit entspricht der real existierende Lehrkörper auf den verschiedenen Stufen diesem Bild von Lehreridealattributen? Was kennzeichnet erfolgreiche Lehrpersonen in ihrem Denken, Urteilen und Handeln? Wie sieht eigentlich das Aufgabenspektrum aus, das in diesem Beruf möglichst gut bewältigt werden muss? Unter welchen Arbeitsbedingungen kann man überhaupt eine gute Lehrperson sein (vgl. ebd.)? Und weiter: Wie können Lehrpersonen die Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler wirksam unterstützen? Welche motivationsfördernden Strategien sind nachhaltig? Wie gelingt es Lehrpersonen, die negativen Folgen von Lehrererwartungen zu vermeiden?

Oder ganz umfassend gefragt: Was müssen gute Lehrpersonen eigentlich wissen und können? Um aufgrund dieser ausgewählten Fragenpalette keine falschen Illusionen zu wecken, muss betont werden, «dass viele solcher Fragen gegenwärtig von der empirischen Bildungsforschung kaum und selten eindeutig beantwortet werden können» (Terhart 2006, S. 42).

Die Suche nach den guten Lehrpersonen – aus der Sicht der empirischen Unterrichtsforschung

In einer frühen Phase der Unterrichtsforschung wurde die Hoffnung gehegt, man könne Eigenschaften erfolgreicher Lehrpersonen wie Charaktermerkmale (beispielsweise Geduld) oder einen ganz bestimmten Führungs- oder Unterrichtsstil identifizieren. Diese Versuche gelten heute als klar gescheitert. Die Aufgaben von Lehrpersonen sind zu heterogen, der kausale Wirkungspfad von einem allgemeinen Persönlichkeitsmerkmal eines Lehrers oder einer Lehrerin bis hin zu den Lernprozessen der einzelnen Schülerinnen und Schüler ist zu weit und zu undurchsichtig. Es ließen sich nur wenige, schwache und zudem triviale Zusammenhänge zwischen Lehrerpersön lichkeit und Schulleistungsunterschieden finden (vgl. Helmke 2004, S. 29 f.).