Erzählungen aus 1001 Nacht - 3. Band

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Erzählungen aus 1001 Nacht - 3. Band
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Anonym





Erzählungen aus 1001 Nacht



3. Band




Impressum



Texte:   © Copyright by Anonym



Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke







Verlag:



Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag




Gunter Pirntke



Mühlsdorfer Weg 25



01257 Dresden




gunter.50@gmx.net




Inhalt





Impressum







Einhundertsiebente bis einhundertvierneunzigste Nacht







Die Erzählung von Tadsch al-Muluk und der Prinzessin Dunja: dem Liebenden und der Geliebten







Die Geschichte des Azis und der Azisah







Die Geschichte vom Haschischesser







Die Geschichte des Badawi Hammad







Die Geschichte von den Vögeln und den Tieren und dem Zimmermann







Die Einsiedler







Die Fabel vom Wasservogel und der Schildkröte







Die Fabel vom Wolf und vom Fuchs







Die Geschichte vom Falken und vom Rebhuhn







Die Geschichte von der Maus und dem Ichneumon







Die Geschichte vom Raben und der Katze







Die Geschichte vom Fuchs und dem Raben







Die Geschichte vom Floh und der Maus







Die Geschichte vom Sakerfalken und den Vögeln







Die Geschichte vom Sperling und dem Adler







Die Legende vom Igel und den Holztauben







Die Geschichte vom Kaufmann und den beiden Gaunern







Die Geschichte vom Dieb und seinem Affen







Die Geschichte vom törichten Weber







Die Geschichte vom Pfau und vom Sperling







Die Geschichte Ali bin Bakkars und Schams al-Nahars







Die Geschichte Kamar al-Zamans







Einhundertsiebente bis einhundertvierneunzigste Nacht



Als nun die

Hundertundsiebente Nacht

 da war, fuhr Schahrazad also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß König Zau al-Makan den Vezier und den Kämmerling und Rustam und Bahram berief und sich zu dem Minister wandte und sprach: ›Wisse, o Vezier, die Nacht ist gekommen und hat ihren Schleier des Dunkels über uns gebreitet, und wir wünschen, daß du uns jene Geschichten erzählest, die du uns versprochen hast.‹ Versetzte der Vezier: ›Mit Freude und großer Lust! Wisse, o glücklicher König, mein Ohr erreichte der Bericht von einem Liebenden und seiner Geliebten, von ihren Gesprächen und allem, was zwischen ihnen vorfiel an seltenen und herrlichen Dingen – eine Geschichte, wie sie die Sorge vertreibt aus dem Herzen und den Kummer tilgt, wäre es auch der des Patriarchen Jakob; es ist aber diese:





Die Erzählung von Tadsch al-Muluk und der Prinzessin Dunja: dem Liebenden und der Geliebten



In längst vergangenen Zeiten stand hinter den Bergen von Ispahan eine Stadt, geheißen die Grüne Stadt, und darinnen lebte ein König namens Sulayman Schah. Nun war er freigebig und wohltätig, gerecht und geraden Charakters, großmütig und aufrichtig; und zu ihm kamen die Reisenden aus allen Ländern, und sein Name wurde genannt in allen Gegenden und Städten, und er herrschte manches Jahr und genoß jeglicher Verehrung und jeden Glückes, nur daß er weder Frauen noch Kinder besaß. Nun hatte er einen Vezier, der es ihm gleichtat in Güte und Großmut, und eines Tages geschah es, daß er ihn holen ließ, und als er vor ihn trat, da sprach er: ›O mein Vezier, mir ist das Herz schwer, meine Geduld ist dahin, und meine Kraft versagt, denn ich habe weder Weib noch Kind. Das ist nicht nach anderer Könige Art, die da herrschen über alle Menschen, über die Vornehmen wie die Armen; denn sie suchen ihre Freude darin, daß sie Kinder und Nachfolger hinterlassen, durch die sie ihre Zahl und Kraft verdoppeln. Spricht doch der Prophet (den Allah segne und behüte!): Heiratet, mehret und vervielfältigt euch, damit ich mich am Tage der Auferstehung eurer Überlegenheit über die Völker zu rühmen vermag. Welches also ist dein Rat, o Vezier? Rate mir, welcher Weg und welches Verfahren rätlich sei!‹ Als der Minister diese Worte hörte, rannen ihm die Tränen in Strömen aus den Augen, und er erwiderte: ›Ferne sei es von mir, o König der Zeit, daß ich über etwas rede, was der Erbarmende sich vorbehielt! Willst du, daß mich der Zorn und Grimm des Allerneuers werfe in die Qualen des ewigen Feuers? Kaufe dir eine Konkubine.‹ Versetzte der König: ›Wisse, o Vezier, wenn ein Herrscher eine Sklavin kauft, so kennt er weder ihren Rang noch ihre Herkunft, und so kann er nicht wissen, ob sie niederen Ursprungs sei, damit er sich ihrer enthalte, oder vornehmen Blutes, damit er engen Umgang mit ihr pflege. Wohnet er ihr also bei, so empfängt sie wohl gar, und ihr Sohn ist vielleicht ein Heuchler, ein Mann des Zorns und Blutvergießens. Ja, eine solche Frau ist wohl einem salzigen Sumpf zu vergleichen, der da, ob man ihn auch ewig pflüge, doch nur wertloses Wachstum hervorbringt, das nicht dauert; denn vielleicht widerstrebt ihr Sohn dem Zorne des Herren und tut nicht, was Er gebietet, noch enthält er sich dessen, was Er untersagt. Deshalb will ich es nie dahin treiben, indem ich mir eine Konkubine kaufe; und es ist mein Wunsch, daß du für mich die Tochter eines der Könige zur Ehe verlangest, deren Herkunft man kennt, und die man weithin ob ihrer Schönheit nennt. Wenn du mich unter den Töchtern der Herrscher des Islam an ein Mädchen von Geburt und Frömmigkeit verweisen kannst, so will ich sie zum Weibe verlangen und sie mir vor Zeugen vermählen, so daß ich mir die Gunst des Herrn aller Kreatur erwerbe.‹ Sprach der Vezier: ›O König, wahrlich, Allah hat dir deinen Wunsch erfüllt und dich an dein Ziel gebracht‹; und er fügte hinzu: ›Wisse, o König, mir ist kund geworden, daß der König Zahr Schah, der Herr des Weißen Landes, eine Tochter hat von unvergleichlicher Schönheit, deren Liebreiz nicht Wort noch Rede auszudrücken vermögen; sie hat nicht ihresgleichen in unserer Zeit, denn sie ist vollkommen nach Ebenmaß und Wuchs, schwarzäugig wie mit Kohle gefärbt, langlockig, schlanken Rumpfes und schwerer Hüften. Wenn sie sich naht, so verführt sie, und wenn sie sich wendet, so schlägt sie tot; sie berückt so Herz wie Auge, und sie sieht aus, wie der Dichter sagt:



Die schlanke Maid beschämt das Weidenreis – Nicht Mond noch Sonne dunkelt ihren Schein:



Mit Wein mischt sich der Honig ihrer Lippe – Von ihrer Zähne Perlen tröpfelt Wein:



Ihr Rumpf ist schlank wie der der Himmelshuris – Schön ihr Gesicht, ihr Aug ein Unheilsschrein:



Wie manchen Toten hat ihr Blick erschlagen – Auf ihrem Liebespfad liegt ihr Gebein:



Leb ich, ist sie mein Tod! Mehr sag ich nicht – Doch sterb ich ohne sie, war nichts im Leben mein.‹



Als der Vezier nun die Jungfrau also beschrieben hatte, sprach er zum König Sulayman Schah: ›Es ist mein Rat, o König, daß du an ihren Vater einen Gesandten entsendest, scharfsinnig, erfahren und bewandert in den Dingen der Welt; der soll sie höflich von ihrem Vater für dich zum Weibe erbitten, denn wahrlich, sie hat nicht ihresgleichen, weder in den fernen Gegenden der Welt, noch in den nahen. So wird dir der Genuß ihrer Schönheit beschieden, und der Herr des Ruhmes ist mit dir zufrieden; denn es wird berichtet, daß der Prophet (den Allah segne und behüte!) sagte: Im Islam gibt es keine Möncherei.‹ Der König aber freute sich seiner Worte so, daß ihm die Brust weit und leicht wurde, Sorge und Not fielen von ihm ab, und er wandte sich zu dem Vezier und sprach: ›Wisse, o Minister, kein anderer soll dahinziehen als du mit deiner vollendeten Einsicht und deiner trefflichen Erziehung; also gehe nach Hause und tue alles, was du zu tun hast, und mit dem Morgen mache dich bereit und brich auf und erbitte dies Mädchen, mit dem du mir Herz und Gedanken erfüllt hast, für mich zum Weibe; und kehre nicht zurück ohne sie.‹ Versetzte der Vezier: ›Ich höre und gehorche.‹ Und er eilte nach Hause und befahl, Geschenke zu rüsten, wie sie sich für Könige schickten, Edelsteine, Kostbarkeiten und allerlei, was nicht beschwert und doch schwer ist an Wert; und ferner arabische Pferde und Rüstungen, wie David sie machte, und Schatzkisten, die die Rede nicht mißt. Und der Vezier lud das alles auf Kamele und Maultiere und brach auf, begleitet von hundert Sklavinnen, und Flaggen und Banner flatterten ihm zu Häupten. Der König aber trug ihm auf, nach wenigen Tagen zurückzukehren, und als er fort war, lag Sulayman Schah auf feurigen Kohlen, verzehrt von glühendem Verlangen.

 



Derweilen nun zog die Gesandtschaft dahin durch Düster und Licht, über fruchtbares Feld und Wüstenstriche, bis nur noch eines Tages Marsch zwischen ihr und ihrem Ziele lag. Hier setzte der Vezier sich nieder am Ufer eines Flusses; und er berief einen seiner Vertrauten und befahl ihm, zum König Zahr Schah zu eilen und ihm ohne Verzug sein Nahen zu melden. Sprach der Bote: ›Ich höre und gehorche!‹ Und er ritt hin in Hast zu der Stadt, und als er sie gerade betreten wollte, da traf es sich, daß der König, der in einem seiner Lustgärten vor den Toren saß, ihn erspähte; und dieweil er ihn als einen Fremden erkannte, befahl er, ihn herbeizuführen. So trat der Bote vor ihn hin und meldete ihm das Nahen des Veziers, der da gehorche dem gewaltigen König Sulayman Schah, dem Herrn des Grünen Landes und der Berge von Ispahan. Da freute der König sich und hieß ihn willkommen. Und er führte ihn in seinen Palast und fragte: ›Wo hast du den Vezier gelassen?‹ Versetzte er: ›Ich ließ ihn früh am Morgen am Ufer des Flusses, und morgen wird er dich erreichen; Allah bewahre dir seine Gunst und erbarme sich deiner Eltern!‹ Da befahl der König Zahr Schah dem einen seiner Veziere, den größeren Teil der Großen und Kämmerlinge und Hauptleute und Herren des Landes mit sich zu nehmen und dem Gesandten zu Ehren des Königs Sulayman Schah entgegenzuziehen; denn seine Herrschaft erstreckte sich auch über dieses Land.



Der Vezier aber blieb an seiner Lagerstelle, bis die Nacht halb verstrichen war, und dann brach er auf nach der Stadt. Als nun der Morgen da war und die Sonne auf Hügel und Hänge schien, da sah er plötzlich den Vezier des Königs Zahr Schah mit seinen Kämmerlingen und mit den großen Herren und Würdenträgern des Reiches sich entgegenkommen, und beide Scharen trafen ein paar Parasangen vor der Stadt zusammen. Da war der Vezier des Erfolges seiner Sendung gewiß, und er begrüßte das Ehrengeleit, das vor ihm herzog, bis sie des Königs Palast erreichten; und es trat ihm auch dort voran durch das Tor bis in die siebente Halle, die niemand zu Pferde betreten durfte, denn sie war nahe dem Sitz des Königs. So saß der Minister ab und ging weiter, zu Fuß, bis er in einen hohen Saal kam, an dessen oberem Ende ein marmornes Lager stand, besetzt mit Perlen und Edelsteinen, und mit vier Elefantenzähnen als Füßen. Darauf lag ein Polster aus grüner Seide, bestickt mit rotem Golde, und darüber hing ein Baldachin, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Dort thronte der König Zahr Schah, und vor ihm standen seine Würdenträger. Als nun der Vezier zu ihm eintrat, da faßte er sich und löste die Zunge und entfaltete die Beredsamkeit der Veziere und grüßte den König in der Sprache der Wortgewandtheit. – –«



Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die

Hundertundachte Nacht

 da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier des Königs Sulayman Schah vor den König Zahr Schah trat, sich faßte, die Zunge löste, die Beredsamkeit der Veziere entfaltete und den König in der Sprache der Wortgewandtheit begrüßte, indem er die Verse improvisierte:



Er kommt, in Anmut gewandet, und sich verneigend – Gießt Tau der Huld auf Ernte aus und Schnitter:



Er zaubert; und nicht Talisman noch Schwarzkunst – Wehrt ab der Blicke segnendes Gewitter:



Sprich zu dem Tadler: Tadle nicht, denn nie – Flieh seine Liebe ich, ein feiger Ritter;



Mein Herz verriet mich, ihm nur war es treu – Der Schlaf, in ihn verliebt: mich haßt er bitter:



O Herz, glaub nicht, du liebest ihn allein – So bleib bei ihm, ich dulde Einsamkeit:



Nichts freut mein Ohr mehr mit dem Klang des Jubels – Als Preis Zahr Schahs, des Königes der Zeit:



Gäbst du für einen Blick von ihm dein Leben – Der Blick genügte dir in Ewigkeit:



Und willst ein fromm Gebet du für ihn beten – Mitbeten sollen alle, nah und weit:



Volk dieses Reichs! Wenn einer ihn verleugnet – Hoffend auf andre, ist's Gottlosigkeit.



Und als der Vezier geendet hatte, hieß der König Zahr Schah ihn näher treten und ehrte ihn mit den höchsten Ehren; er ließ ihn neben sich sitzen und lächelte ihn an und gab ihm huldreich Antwort. Und also plauderten sie bis zur Zeit des Mittagsmahles; da brachten die Diener die Tische in den Saal, und alle sättigten sich; dann trug man die Tische fort, und bis auf die ersten Würdenträger zogen sich alle Versammelten zurück. Als nun der Minister das sah, da stand er auf und pries den König zum zweitenmal; und er küßte den Boden vor ihm und sprach: ›O mächtiger König und gewaltiger Herr! Ich habe die Reise hierher gemacht und dich besucht, um dir Frieden, Glück und Wohlsein zu bringen: denn ich komme zu dir als Gesandter, um deine Tochter, die edle und erlauchte Jungfrau, zum Weibe zu erbitten für Sulayman Schah, einen Fürsten, berühmt ob seiner Gerechtigkeit und seines geraden Wesens, ob seiner Aufrichtigkeit und Großmut, den Herrn des Grünen Landes und der Berge von Ispahan; er sendet dir Geschenke in Menge und wertvolle Gaben in Fülle, denn glühend wünscht er dein Eidam zu werden. Aber bist du ihm wohlgeneigt wie er dir?‹ Und er verstummte, da er einer Antwort harrte. Da sprang König Zahr Schah auf und küßte ehrfurchtsvoll den Boden vor dem Vezier, so daß alle, die zugegen waren, staunten ob seiner Demütigung vor dem Gesandten und verwirrten Geistes auf ihn blickten. Dann pries er Ihn, der da der Herr ist des Ruhms und der Ehre, und erwiderte (immer noch stehend): ›O mächtiger Vezier und erlauchter Held; höre du an, was ich sage! Wahrlich, wir zählen für König Sulayman Schah unter die Zahl seiner Untertanen, und durch die Verbindung mit ihm, die wir glühend wünschen, werden wir erhöht; denn meine Tochter ist eine Sklavin unter seinen Sklavinnen, und es ist mein teuerster Wunsch, daß er mein Halt und meine verläßliche Stütze werde.‹ So berief er die Kasis und Zeugen, damit sie bezeugten, daß König Sulayman Schah den Vezier entsandt habe als Brautwerber, die Ehe zu schließen, und daß König Zahr Schah freudig für seine Tochter handelte und unterschrieb. So schlossen die Kasis den Ehevertrag und sandten Gebete empor für das Glück und das Wohlergehen der vermählten Gatten; da erhob der Vezier sich und holte die Gaben und Seltenheiten und Kostbarkeiten und breitete sie vor dem König hin.



Nun begann Zahr Schah sich mit der Aussteuer seiner Tochter zu befassen, und derweilen bewirtete er den Vezier in allen Ehren und gab seinen Untertanen Feste, allen, den Großen wie den Kleinen; und zwei Monate hindurch wurde also gefeiert, und nichts vergaß man, was Herz oder Auge erfreuen mochte. Doch als dann alles bereit war, wessen die Braut bedurfte, da ließ der König die Zelte hinausschaffen und vor der Stadt ein Lager aufschlagen; dort packten sie die Stoffe der Braut in Kisten, und sie machten die griechischen Dienerinnen bereit, und die türkischen Sklavinnen, und sie versahen die Prinzessin mit vielerlei kostbaren Schätzen und wertvollen Edelsteinen. Eine Sänfte aus rotem Golde hatte der König ihr machen lassen, und sie war besetzt mit Perlen und Juwelen, und zwei Mauleselinnen trugen sie; die Sänfte war wie eine der Kammern in einem Palaste, und wenn sie darin saß, dann sah sie aus, als wäre sie eine der lieblichsten Huris, und als säße sie in einem der Zelte des Paradieses. Und als sie die Schätze und das Geld in Ballen gepackt und auf den Maultieren und Kamelen verladen hatten, da zog König Zahr Schah drei Parasangen weit mit ihr hinaus; dort bot er ihr und dem Vezier und seinem Geleit Lebewohl und kehrte in Freude und Sicherheit zurück. Der Vezier aber zog mit der Königstochter dahin, und er ließ nicht ab von seiner Wanderung über die wüsten Strecken. – –«



Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die

Hundertundneunte Nacht

 da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier mit des Königs Tochter in Eilmärschen dahinzog und seine Reise Tag und Nacht nach Kräften beschleunigte, bis zwischen ihm und seiner Stadt nur noch drei Märsche lagen. Da schickte er einen Boten zum König Sulayman Schah, der ihm die Ankunft der Braut vermelden sollte. Und der König freute sich dessen und verlieh dem Boten ein Ehrengewand; er befahl seinen Truppen, hinauszuziehen in großem Aufzug, der Prinzessin und ihrem Geleit zu Ehren, angetan mit ihrem besten Schmuck, und die Banner über den Häuptern zu entrollen. Und sie gehorchten seinem Befehl. Des ferneren aber befahl er, daß man durch die ganze Stadt hin ausrief, kein verschleiertes Mädchen, keine vornehme Dame und keine von der Zeit gebrochene Greisin sollte es unterlassen, der Braut entgegenzuziehen. So zogen sie alle hinaus, um sie zu begrüßen, und die Größten von ihnen wetteiferten in ihrem Dienste, und sie kamen überein, sie bei Nacht in des Königs Palast zu führen. Die Würdenträger aber beschlossen, den Weg zu schmücken und sich in doppelter Reihe aufzustellen, wenn die Braut dahinzöge, geführt von ihren Eunuchen und Dienerinnen, und gekleidet in das Gewand, das ihr Vater ihr gegeben hatte. So umringten die Truppen sie, als sie erschien, und die Sänfte zog mit ihr dahin, bis sie sich dem Palaste nahten; und keiner blieb zurück, sondern alle kamen, um die Prinzessin zu sehen. Die Trommeln dröhnten, Speere wurden geschwungen, die Hörner schmetterten, Flaggen wehten, Rosse tänzelten, und Wohlgerüche ergossen ihren Duft, bis sie das Tor des Palastes erreichten und die Sklaven einzogen mit der Sänfte in die Pforte des Harims. Dort aber strahlte alles vor Glanz, und die Wände glitzerten vor Schmuck. Als nun die Nacht kam, öffneten die Eunuchen die Tür zum Brautgemach, und sie stellten sich auf am Eingang; da trat die Braut hervor, und inmitten ihrer Mädchen glich sie dem Monde unter den Sternen oder einer großen Perle unter geringeren, und sie trat in das Brautgemach, wo man ihr ein Alabasterlager bereitet hatte, das besetzt war mit Perlen und Juwelen. Und sowie sie saß, trat der König ein, und Allah füllte sein Herz mit der Liebe zu ihr, so daß er ihr das Mädchentum nahm und alle Sorge und Unruhe von ihm abfiel. Fast einen Monat lang blieb er bei ihr, doch in der ersten Nacht schon hatte sie empfangen; und als der Monat verstrichen war, da verließ er sie und setzte sich auf seinen Thron und sprach Recht unter seinen Untertanen, bis die Monde ihrer Schwangerschaft erfüllet waren. Am letzten Tage des neunten Monats kamen gegen Tagesanbruch die Wehen; so setzte sie sich auf den Schemel der Entbindung, und Allah machte ihr die Wehen leicht, und sie gebar einen Knaben, der alle Zeichen des Glückes trug. Als nun der König das hörte, da freute er sich in höchster Freude, und er belohnte den Bringer der guten Nachricht mit großen Schätzen; und in seiner Freude trat er ein zu dem Kinde und küßte es zwischen den Augen und staunte ob seiner glänzenden Schönheit; denn an ihm ward der Spruch des Dichters wahr:



In ragenden Festen macht Allah zum König ihn – Den Löwen, am Herrschaftshimmel zum leuchtenden Stern:



Seines Aufgangs freuen sich Speer und Thron – Und Gazelle und Strauß und Kriegesherrn:



Setzt ihn nicht auf die Brust, dann zeigt er euch bald – Nicht die Amme, das Roß reitet einzig er gern:



Entwöhnt ihn der Milch, denn süßerer Trank – Ist des Feindes Blut ihm, der einfiel von fern.



Und die Wehefrauen nahmen das neugeborene Kind und durchschnitten die Nabelschnur und schwärzten ihm die Augenlider mit Kohl und nannten es Tadsch al-Muluk Kharan. Er wurde gesäugt an der Brust liebreicher Nachsicht und aufgezogen im Schoße des Glücks; und so liefen seine Tage dahin, und die Jahre verstrichen, bis er sein siebentes Jahr erreichte. Da berief Sulayman Schah die Weisen und Gelehrten und befahl ihnen, ihn zu unterrichten im Schreiben, in den Wissenschaften und in der Literatur. Das taten sie denn ein paar Jahre hindurch, bis er alles Nötige gelernt hatte; und als der König sah, daß er wohlbewandert war in allem, was er wünschte, da nahm er ihn den Lehrern und Gelehrten und übergab ihn einem geschickten Meister, der den Knaben die Reitkunst lehrte und ritterliche Übungen, bis er sein vierzehntes Jahr erreichte; und so oft er ausging, waren alle, die ihn sahen, entzückt von seiner Schönheit, und sie sangen Lieder auf ihn; und selbst Fromme wurden verführt von seiner Schönheit. – –«



Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die

Hundertundzehnte Nacht

 da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Tadsch al-Muluk Kharan, der Sohn Sulayman Schahs, ein vollendeter Reiter wurde und alle seine Zeitgenossen übertraf; und wenn er ausging, so entzückte seine Schönheit alle, die ihn sahen, also daß sie Lieder auf ihn dichteten; und selbst die Frommen verführte seine strahlende Lieblichkeit. Spricht doch der Dichter von ihm:

 



Ich hielt ihn im Arm und war trunken von seinem Duft – Den herrlichen Zweig, dem Zephir die Nahrung lieh:



Nicht trunken dem Trinker des Weins gleich: trunken vom Trank – Den nächtlich der Honigtau seiner Lippen lieh:



Ganz zeigt sich die Schönheit in seiner Gestalt – Die über die Herzen der Menschen ihm Macht verlieh:



Bei Allah, mein Herz soll nie seine Liebe mißachten – Solange im Kerker des Lebens ich noch verzieh':



Solange ich lebe, leb ich in Liebe, und sterb ich – Vor Sehnsucht nach ihm, so ruf ich: Welch Glück, o sieh!



Und als er das achtzehnte Jahr erreichte, sproßte zarter Flaum auf seiner jugendfrischen Wange, die rechts ein rosiges Mal und links ein zweiter Schönheitsfleck verzierte, der einem Korne grauen Ambers glich; und er berückte Auge und Verstand eines jeden, der ihn sah, wie es der Dichter singt:



Er ist Kalif der Schönheit an Jusufs Stelle – Die Liebenden fürchten, wenn seine Anmut sie sehen:



Steh still und schau; so siehst du auf seiner Wange – Wie der Kalifen sandfarbene Banner wehen.



Und ein anderer:



Nie hat dein Aug einen schöneren Anblick gesichtet – Unter allem, was auf der Erde sprießt,



Als dieses braune Mal auf der rundlichen Wange – Die rosig das schwarze Auge umschließt.



Und ein dritter:



Ich staune, seh ich das Mal, das zum Feuer der Wange betet – Und doch nicht im Feuer verbrennt, ist es auch negerfarben

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Ich staune, seh ich den Blick, der wie ein Gottesapostel – Wunder wirkt, wirkt er sie auch durch zaubrische Strahlengarben:



Wie frisch und hell deckt der Flaum seine Wange, und dennoch – Nährten wie Wasser ihn berstende Gallen all derer, die starben.



Und ein vierter:



Ich staune, wenn ich die Menschen fragen höre – In welchem Land man die Quelle des Lebens gefunden:



Ich sah sie sprudeln aus zierlich geschwungenen Lippen – Dem rosigen Mund, von grünlichem Flaum umwunden:



Ein Wunder der Wunder: als Moses sie erblickte – Weshalb er nicht ruhte von müden Wanderstunden!



Wie er nun soviel Schönheit entfaltet hatte, vermehrten sich seine Reize nur noch, da er heranwuchs; und sie gewannen ihm viele Gefährten und Freunde; ein jeder aber, der ihm nahekam, wünschte, daß Tadsch al-Muluk Kharan nach seines Vaters Tode Sultan, er selber aber einer seiner Emire würde.



Nun begann er leidenschaftlich zu reiten und zu jagen, so daß er kaum eine Stunde davon ablassen mochte. Sein Vater, Sulayman Schah, hätte es ihm gern verboten, weil er die Gefahren der Wüste und die wilden Tiere fürchtete; doch er achtete nicht auf seine warnende Stimme. Und einmal geschah es, daß er zu seinen Dienern sagte: ›Nehmt ihr für zehn Tage Vorrat und Futter‹; und als sie seinem Befehle nachgekommen waren, brach er mit seinem Gefolge auf zu Jagd und Zeitvertreib. Sie ritten hinaus in die Wüste und ließen vier Tage zu reiten nicht ab, bis sie zu einer Ebene kamen, deren Boden grün war, und dort sahen sie grasendes Wild und Bäume mit reifen Früchten und springende Quellen. Sprach Tadsch al-Muluk zu seinen Gefährten: ›Stellt hier die Netze auf, steckt sie in weitem Ringe fest, und da am Eingang des Kreises sei unser Sammelplatz.‹ So gehorchten sie seinen Worten und steckten mit Stricken einen weiten Bezirk ab; und es fand sich eine große Menge allerlei wilder Tiere und Gazellen zusammen, die aus Angst vor den Männern schrien und sich vor Schreck gerade vor die Pferde warfen; da ließen sie die Hunde und Luchse und Falken los; und sie schossen das Wild mit Pfeilen nieder, die ihnen die Eingeweide durchdrangen; und als sie zum hinteren Ende des Netzrings kamen, hatten sie schon eine große Zahl der Tiere erlegt, und die letzten flohen. Da saß Tadsch al-Muluk am Rande des Wassers ab und befahl, daß man ihm die Beute bringe; und nachdem er die besten Tiere für seinen Vater zurückgelegt und sie ihm geschickt und auch für die Hofbeamten einige beigefügt hatte, verteilte er die übrigen. Dort blieb er nun auch die Nacht hindurch, und als der Morgen dämmerte, kam eine Händlerkarawane mit Negersklaven und machte am Wasser auf dem grünen Grunde Halt. Als aber Tadsch al-Muluk sie sah, da sprach er zu einem seiner Gefährten: ›Bringt mir Nachricht von den Männern dort und fragt sie, weshalb sie hier Halt gemacht haben.‹ So ging der Bote zu ihnen und rief sie an: ›Sagt mir, wer ihr seid, und gebt mir unverzüglich Antwort.‹ Versetzten sie: ›Wir sind Händler, und wir haben Halt gemacht, um zu rasten, denn der nächste Rastort ist sehr fern, und wir bleiben hier, weil wir Vertrauen haben zu König Sulayman Schah und zu seinem Sohne Tadsch al-Muluk, denn wir wissen, daß alle, die in ihre Gebiete kommen, des Friedens genießen und der Sicherheit; und ferner haben wir kostbare Stoffe bei uns, die wir dem Prinzen bringen.‹ So kehrte der Bote zurück und brachte dem Königssohn diese Nachricht; und als er vernommen hatte, wie es stand und was die Kaufleute erwidert hatten, da sprach er: ›Wenn sie mir Stoffe mitgebracht haben, so will ich nicht in die Stadt einziehen noch von dieser Stelle gehen, ehe ich sie sah.‹ Und er stieg zu Pferde und ritt zu der Karawane, und seine Mamelucken folgten ihm, bis er sie erreichte. Da erhoben die Händler sich, um ihn zu empfangen, und sie riefen göttliche Hilfe und Gnade auf ihn herab und Dauer des Ruhms und der Kraft; und sie schlugen ein Zelt für ihn auf aus roter Seide, bestickt mit Perlen und Juwelen; darinnen aber breiteten sie auf einem seidenen Teppich, der am oberen Ende mit goldgefaßten Smaragden besetzt war, einen königlichen Divan. Dort setzte sich Tadsch al-Muluk, derweilen sich seine Diener vor ihn stellten, und er schickte hin und befahl den Händlern, alles zu bringen, was sie bei sich hatten. Und sie trugen ihre Waren herbei und breiteten alles aus, und er sah sie an und nahm von ihnen, was ihm gefiel und zahlte ihnen den Preis. Dann sah er sich um in der Karawane und saß wieder auf, und schon wollte er fort, da fiel sein Blick auf einen herrlichen Jüngling in schöner Kleidung: er war von stattlicher und anmutiger Gestalt, seine Stirn war blütenweiß, sein Antlitz dem Monde gleich, nur war seine Schönheit zerstört, und gelbe Flecken hatten seine Wange bedeckt, weil er von denen getrennt war, die er liebte. – –«



Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die

Hundertundelfte Nacht

 da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Tadsch al-Muluk bei einem Gang durch die Karawane einen schönen Jüngling erblickte, der von anmutiger Gestalt und sauber gekleidet war, dessen Stirn einer Blüte glich, sein Gesicht aber einem Monde; nur war seine Schönheit verwüstet und seine Wange bedeckt von gelben Flecken, denn er war getrennt von denen, die er liebte; er seufzte und stöhnte, und seinen Lidern entströmten Tränen, derweilen er die Verse sprach:



Lang ist die Trennung, und Sorge und Furcht sind bitter – Nie endende Tränen, o Freund, den Augen entrinnen:



Ja, von meinem Herzen schied ich an jenem Tage – Und ziehe nun hoffnungslos, herzlos von hinnen:



Bleib stehn, o Freund, bei mir, dem Abschied nehmenden – Dein Wort kann helfen, kann mir Heilung gewinnen!



Als nun der Jüngling geendet hatte, weinte er eine Weile und fiel dann ohnmächtig nieder; und Tadsch al-Muluk sah ihn an und staunte. Doch als er wieder zu sich kam, hob er den verstörten Blick und sprach die Verse:



Hütet euch vor ihrem Blick, so rat ich, denn er kann hexen – Niemand entkommt unversehrt der Blicke schießendem Flug:



Wahrlich, die schwarzen Augen mit schläfrig sehnsüchtigen Blicken – Dringen tiefer ins Herz als ein Schwert die Wunde je schlug.



Laß dir die Sinne nicht durch ihre süßen Worte berücken – Gärend tragen ins Hirn und den Geist sie dir Fiebertrug:



Weich sind die Flanken, und drückte auf ihre Haut auch nur Seide – Rotes Blut spräng hervor, sieh selber es an, und mit Fug.



Achtsam hütet die Reize sie zwischen dem Hals und den Knöcheln – Ah! und welch anderer Duft gibt mir der Freuden genug?



Und laut schluchzte er auf und sank in Ohnmacht. Als aber Tadsch al-Mulu