Die Mistel

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Die Mistel
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Die Mistel – Heilpflanze

in der Krebstherapie

Annette Bopp

Erste Auflage Dezember 2006

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2006 by rüffer&rub Sachbuchverlag, Zürich

info@ruefferundrub.ch

www.ruefferundrub.ch

Photos: Jürg Buess

Druck: Zanardi Group

E-Book: Clara Cendrós

ISBN 10: 3-907625-32-3

ISBN 13: 978-3-907625-32-3

ISBN ePub: 978-3-907625-62-0

Wichtiger Hinweis: Die Ratschläge und Informationen in diesem Buch sind zwar nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig erwogen und geprüft wor­den, sie stellen jedoch keinen Ersatz für die medizinische Betreuung dar. Eine Haftung für den Eintritt des Erfolges oder für Personen-, Sach- oder Vermö­gensschäden, die sich aus dem Gebrauch oder Mißbrauch der in diesem Buch dargestellten Arzneimittel, Methoden oder sonstigen Hinweise ergibt, ist für Verlag, Autorin und/oder deren Beauftragte ausgeschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Zu diesem Buch

1. Diagnose Krebs: und jetzt? Misteltherapie: Vorbehalte und Vorurteile Die Krankheit Krebs – ein Spiegel unserer Zeit Die Mistel für Körper, Geist und Seele Die Wirkung im Körper Die Wirkung auf Seele und Geist

2. Eine heilkräftige Pflanze mit langer Tradition Vom Mordwerkzeug zum Amulett Zaubertrank und Fruchtbarkeitssymbol Heilpflanze gegen Krebs

3. Botanische Merkmale der Mistel Bei der Mistel ist alles anders Entwicklung einer Mistelpflanze

4. Inhaltsstoffe der Mistel Lektine Viscotoxine Weitere Inhaltsstoffe Die Wirkung auf den Tumor und das Immunsystem

5. Mistelpräparate Anthroposophische Präparate Abnobaviscum® Helixor® Iscador® Iscucin® Isorel® Phytotherapeutische Präparate Cefalektin® Eurixor® Lektinol®

6. Anwendung Auswahl des Präparats Unter die Haut Richtig spritzen In die Vene In den Tumor In das den Tumor umgebende Gewebe In Körperhöhlen Unerwünschte Wirkungen Kann die Mistel das Tumorwachstum fördern? Gegenanzeigen Bei Kindern Kostenerstattung Deutschland Österreich Schweiz Alltagsfragen Zur Therapie selbst Zum Spritzen Zu den Nebenwirkungen

7. Wirksamkeit und Nutzen Mistelforschung Studienergebnisse

8. Leben mit Krebs »Wir haben uns aneinander gewöhnt, der Krebs und ich.« »Mit der Misteltherapie halte ich die Metastasen in Schach.« »Vielleicht wage ich noch einen Neustart.« »Viele Zufälle haben mir das Leben gerettet.« »Ich fühle mich gesund, und ich bin es auch.« »Ich mußte lernen, nicht so maßlos zu sein.« »Das war eine tiefe Zäsur in meinem Leben und auch in meinem Denken.« »Ich muß in der Krankheit meine Würde als Mensch behalten können.«

Anhang Anmerkungen Literatur Adressen Dank

Zu diesem Buch

Schon als Kind fielen mir im Winter die dicken, runden Büschel in den Bäumen auf, die aussahen wie große Vogelnester. Zu Weihnachten hingen Mistelzweige in meinem Elternhaus in der Türfüllung. Den Brauch, daß sich ein Pärchen unter einem solchen Mistelbusch küssen muß, fand ich als Halbwüchsige nur peinlich. Die Mistel selbst jedoch übte eine eigenartige Faszination auf mich aus. Sie war rätselhaft. Sagenumwoben. Unergründlich. Etwas Besonderes.

Meine zweite intensive Begegnung mit der Mistel fand zu Beginn meines Berufslebens als Journalistin Mitte der achtziger Jahre statt. Mein Kollege und Mentor Dietrich Beyersdorff war damals dabei, die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr mit aus der Taufe zu heben. Und ich bekam hautnah mit, wie vielen Anfeindungen Menschen ausgesetzt waren, die sich für eine qualifizierte naturheilkundliche Begleitbehandlung mit der Mistel einsetzten – ob als Betroffener, Arzt oder Heilpraktiker. Meine Fragen zu Wirkung und Wirksamkeit, Studien und Anwendungserfahrungen mit einer Misteltherapie bei Krebs blieben damals jedoch überwiegend unbeantwortet.

Die dritte und entscheidende Begegnung mit der Mistel ergab sich 1999, als meine Freundin und Berufskollegin Angelika Blume, die 1992 an Brustkrebs erkrankt war, erneut mit Krebszellen zu kämpfen hatte, diesmal in der Lunge. Bei der Suche, was ihr neben der Chemotherapie noch helfen könnte, kamen wir im Gespräch auf die Mistel. Angelika berichtete, daß sie schon nach der ersten Diagnose eine Misteltherapie ausprobiert habe, damals aber mit einer starken Hautrötung an der Einstichstelle sowie geröteten, juckenden Handflächen reagiert habe. Ihr Fazit: Offenbar vertrage sie die Mistel nicht. Da es aber kaum brauchbare Informationen und im Buchhandel rein gar nichts über eine Misteltherapie gebe, habe sie diese Behandlung wieder abgebrochen. Also lag es nahe, das Thema aufzugreifen und zu recherchieren. Vor diesem Hintergrund entstand die erste Fassung dieses Buches, die 1999 im Rowohlt Verlag, Reinbek, erschien (»Die Mistel – Heilpflanze in der Krebstherapie«).

Im Zuge der Recherchen haben wir herausgefunden, daß Angelika seinerzeit wahrscheinlich einfach nur falsch behandelt worden ist. Ihre Reaktion war keine Allergie, sondern die Antwort ihres Körpers auf ein vermutlich zu hoch konzentriertes Mistelpräparat. Sie hat dann ab 1999 erneut eine Misteltherapie unter der qualifizierten Anleitung eines erfahrenen Misteltherapeuten gemacht, und diesmal vertrug sie die Behandlung ausgezeichnet. In den anderthalb Jahren, die ihr noch blieben, war der Tag, an dem sie ihre Mistelspritze bekam, immer ein besonders wichtiger Tag. Die Mistel, so sagte sie, verhelfe ihr zu vielen inneren Bildern, die ihr Leben bereicherten, ihr Ruhe und Sicherheit vermittelten.

Als die dritte Auflage des Buches 2005 abverkauft war, wollte der Rowohlt Verlag es nicht neu auflegen. Anne Rüffer, meine Verlegerin in Zürich, mit der ich schon für das Buch »Was kann ich selbst für mich tun? Patientenkompetenz in der modernen Medizin« zusammengearbeitet habe, zögerte nicht lange, als sie erfuhr, daß die Rechte frei sind. Und so erscheint das Buch nun in einer völlig überarbeiteten, aktualisierten Fassung, in der wir vor allem auch die vielen Studien berücksichtigen konnten, die in der Zwischenzeit publiziert worden sind.

 

Die Informationen in diesem Buch sollen Sie in die Lage versetzen, eine Misteltherapie bewußt und kompetent anzugehen – Sie sollen wissen, worauf Sie sich einlassen. Und möglicherweise bietet Ihnen die Lektüre auch den Anstoß, sich neu und anders mit der Krebserkrankung auseinanderzusetzen.

Hamburg, im Oktober 2006

Annette Bopp

1.

Diagnose Krebs: und jetzt?

Jeder Mensch, der mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, befindet sich erst einmal in einem schockartigen Zustand. Von einem Moment zum anderen hat sich das Leben komplett verändert. Krebs – da denken viele nur noch: Jetzt geht es zu Ende. Plötzlich steht der Tod mitten im Leben und erschüttert es in seinen Grundfesten. Deshalb dominiert bei Krebs vor allem eines: die Angst. Vor dem Sterben. Vor dem Leiden. Vor Schmerzen. Vor der Zerstörung. Und vor der Reaktion von Freunden, Angehörigen, Verwandten, denn mit Krebs können viele nicht umgehen. Nicht selten haben sie sogar mehr Angst als die Krebskranken selbst. Sie fühlen sich hilflos, und – leider wahr – immer noch glauben einige, Krebs sei ansteckend.

Die Diagnose Krebs bedeutet aber auch, in kürzester Zeit weitreichende Entscheidungen treffen zu müssen: Welche Untersuchungen sind notwendig, wann und wo? Muß operiert werden, und wenn ja, welche Operationsmethode ist die richtige, welcher Chirurg beherrscht sie am besten? Ist eine Chemotherapie unverzichtbar? Machen Bestrahlungen Sinn? Sind weitere Medikamente nötig, um das Tumorwachstum zu hemmen? Nahezu jeder ist mit all diesen Fragen heillos überfordert. Die meisten ertrinken in einem Wust an Informationen, die aus dem Internet oder via Freunde, Bekannte und Ärzte über sie hereinbrechen. Und so fallen Entscheidungen häufig unter einem völlig unnötigen Zeitdruck – denn der Tumor ist ja auch nicht von heute auf morgen gewachsen.

Noch in dieser Phase, spätestens aber nach der Akuttherapie, wenn der Tumor entfernt und die Krankheit nach den üblichen Methoden konventioneller Medizin behandelt worden ist, taucht unweigerlich die Frage auf: Was kann ich selbst für mich tun? Gibt es nicht noch mehr als Stahl, Strahl und Chemie?

Doch, es gibt noch mehr. Es gibt eine Vielzahl komplementärer Therapieverfahren, die zusätzlich zu den konventionellen eingesetzt werden können: Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Enzyme, Thymusextrakte, chinesische Kräutermixturen, ayurvedische Ölmassagen, homöopathische Kügelchen, Sport, Entspannung, künstlerische Therapien. Am häufigsten aber fragen Krebspatienten nach einer Misteltherapie. Unter all diesen Verfahren rangiert sie mit großem Abstand auf Platz 1. In Deutschland gehören Mistelpräparate sogar zu den meist verordneten Medikamenten in der Krebsmedizin überhaupt.

Misteltherapie: Vorbehalte und Vorurteile

Aber wenn Patienten ihre Ärzte nach der Misteltherapie fragen, bekommen sie häufig zu hören: »Dann können Sie auch gleich den Putz von der Wand kratzen.« Oder: »Lassen Sie das mal lieber, da ist nichts bewiesen.« Oder: »Das ist doch esoterischer Blödsinn.« Oder: »Mistel? Das ist gefährlich – die kann das Tumorwachstum sogar noch fördern!« Oder: »Alle seriösen Studien haben gezeigt, daß die Misteltherapie nichts nützt, das ist pure Geldverschwendung.«

Fast immer sind die Argumente wenig sachlich und von einer diffusen Ablehnung geprägt. Und bei insistierendem Nachfragen zeigt sich meist, daß diejenigen, die am lautesten davon abraten, am wenigsten über diese Therapieform wissen. Sie lehnen sie pauschal ab, weil nicht sein darf, was nicht sein kann: Krebs, so glauben sie, ist eine Krankheit auf körperlicher Ebene, der nur mit »harten« Methoden beizukommen ist. Alles andere gilt als unwissenschaftlich, denn Wissenschaft wird in der Schulmedizin auf Naturwissenschaft und die evidenzbasierte Medizin reduziert. Und ganzheitliche Methoden, ob Naturheilkunde, Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Traditionelle Chinesische Medizin oder Ayurveda, gelten per se als Außenseitermedizin.

So schreibt beispielsweise der Informationsdienst des Deutschen Krebsforschungsinstituts in Heidelberg in seinen Internet-Informationen: »Mistelpräparate spielen in keiner der wissenschaftlichen Leitlinien zur Krebsbehandlung eine Rolle, die zum Beispiel von der Deutschen Krebsgesellschaft und anderen Fachgesellschaften herausgegeben werden. (…) In den USA rät das nationale Krebsinstitut (NCI) sogar von einer Mistelgabe ab, sofern sie nicht im Rahmen einer sehr guten klinischen Studie erfolgt. Der Grund für diese kritische Einschätzung ist der fehlende objektive Wirksamkeitsnachweis als Krebsmittel nach heutigen wissenschaftlichen Standards. (…) Bis heute fehlen zweifelsfreie Beweise dafür, daß Mistelpräparate das Tumorwachstum hemmen oder gar Tumore heilen könnten.«1

Für Krebspatienten sind solche pauschalen Ablehnungen jedoch wenig hilfreich. Sie wissen genau, daß der Mensch nicht nur aus materiellen, sondern auch aus seelisch-geistigen Anteilen besteht. Diese sind jedoch – zumindest derzeit – mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht zu bestimmen, und sie sind auch nicht zu objektivieren, denn das Seelisch-Geistige eines jeden Menschen ist individuell, es entzieht sich jeder Verallgemeinerung. Aber daß es vorhanden ist, daß es unser Leben in Krankheit und Gesundheit mit beeinflußt, das läßt sich nicht ernsthaft bestreiten.

Deshalb greift es zu kurz, wenn die Misteltherapie einfach als »unwissenschaftlich« oder »unbewiesen« abgetan wird. Es gilt, sich sowohl auf die naturwissenschaftliche Ebene einzulassen als auch auf die seelisch-geistige. Und sich Fragen zu stellen, mit denen Krebs uns alle, nicht nur diejenigen, die daran erkranken, konfrontiert.

Die Krankheit Krebs – ein Spiegel unserer Zeit

Was ist Krebs? Und was hat die Mistel damit zu tun? Diese Frage beschäftigt nicht nur Wissenschaftler, sondern jeden, der an einem Tumorleiden erkrankt und sich mit dem Thema »Misteltherapie« auseinandersetzt. Krebs ist eine sehr vielschichtige Krankheit. Er wirkt auf der körperlichen Ebene auf Organe, Gewebe und Zellen, auf der geistigen Ebene auf das Denken und Handeln und auf der seelischen Ebene auf das Fühlen und Empfinden. Dementsprechend setzt die Misteltherapie auch auf verschiedenen Ebenen an.

Mehr noch – Krebs wirft Fragen auf wie: Warum nehmen ausgerechnet heute, in unserer hochtechnisierten Welt, in der alles machbar und beherrschbar scheint, Krebserkrankungen stetig zu? Warum haben die Menschen viel mehr Angst vor Krebs als vor einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall – den Todesursachen Nummer 1 in der gesamten westlichen Welt? Warum sind trotz Milliarden von Euros und US-Dollars, die in die Forschung investiert wurden und werden, kaum greifbare Erfolge zu verzeichnen? Warum ist es immer noch nicht gelungen, diese Geißel der Menschheit zu besiegen?

Das sind Fragen, die in der Öffentlichkeit bisher nur wenig beziehungsweise vorwiegend unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten erörtert worden sind. In einem ganz neuen Licht erscheint diese Problematik jedoch in einem Interview, das die Zeitschrift »medizin individuell« im Mai 2005 mit dem heute 73jährigen Internisten und ehemaligen Ärztlichen Leiter der Stuttgarter Filderklinik, Dr. Jürgen Schürholz, geführt hat. Er hat selbst jahrzehntelang Krebspatienten mit der Mistel behandelt und sich intensiv mit den Fragen beschäftigt, die die Krankheit Krebs aufwirft. Seine Antworten zeigen einen unmittelbaren Bezug zwischen Krebs und unserer Zeitepoche auf. Das Interview wird hier deshalb in voller Länge wiedergegeben 2:

Was ist Krebs für eine Krankheit? Läßt sich ihr Erscheinungsbild mit Vorgängen unserer Zeit parallelisieren?

Dr. Jürgen Schürholz: Krebs ist ein Isolationsphänomen. Er entsteht aus Zellen, die plötzlich ein Leben nach eigenen Gesetzmäßigkeiten beginnen, wodurch wucherndes, zerstörerisches Wachstum entsteht. Normalerweise veranlassen Signale aus der Umgebung eine Zelle, sich zu teilen. Und sie tut das nur dann, wenn es für die nächsthöhere Instanz – das Organ oder den Organismus – sinnvoll ist. Bei Krebs verselbständigt sich die Zelle. Sie selbst gibt das Signal für die Teilung. Sie hört nicht mehr auf die Umgebung. Sie tut, was sie will – um ihrer selbst willen. Sie lebt nicht mehr für, sondern vom Organismus. Ab einer bestimmten Größe des Tumors reichen die Nährstoffe in der ihn umspülenden Gewebeflüssigkeit nicht mehr aus. Er braucht mehr, um weiter zu wachsen. Deshalb schickt er Signale aus, die den Organismus dazu bringen, neue Blutgefäße in die Geschwulst einsprossen zu lassen. So ernährt der Organismus den Tumor, obwohl dieser ihn letztlich zerstört. Wenn man auf die Krankheit Krebs schaut, betrachtet man ein weltumspannendes Problem. Dieses Isolationsphänomen entdecken wir heute überall. Vor ein paar Jahren zum Beispiel an der Börse: Einige wenige Firmen zapften die Volkswirtschaft an, und zwar nur, um selbst zu wachsen. Dabei vernichteten sie das Vermögen und manchmal sogar die Existenz derjenigen, die sie »ernährt« haben! Wenn wir auf die Wirtschaftsnachrichten blicken, dann lesen wir ständig von Firmen, die sich ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen, die Verdrängungswettbewerb um jeden Preis betreiben, sich um keine sozialen Zusammenhänge mehr kümmern, sondern nur noch um ihren Ertrag und um den »shareholder value«. Auch sonst haben wir Isolationsphänomene: Die Menschen sind immer weniger bereit, sich Gemeinschaften anzuschließen, ob das nun die Kirche ist oder die Gewerkschaften, die Parteien oder ein Verein – der größere Zusammenhang wird nicht mehr gesucht. Auch im Privaten ist das so: Singles, Paare oder maximal die Kleinfamilie sind der moderne Lebensstil, Großfamilien haben ausgedient.

Warum ist es überhaupt möglich, daß eine Krebszelle entsteht, daß sich also eine Zelle aus dem Gesamtzusammenhang löst und sich nicht mehr in ihn einfügt?

JS: Weil die Kräfte, die die Zellen differenzieren und in ihrem biologischen Verhalten integrieren, zu schwach sind. Die konventionelle Medizin lehrt, daß genetische Schäden, krebserregende Schadstoffe oder Viren Fehlregulationen in der Zelle auslösen. Aber: Wenn beispielsweise bei Frauen genetisch die Veranlagung für Brustkrebs gegeben ist, erkrankt nur ein Drittel von ihnen wirklich daran, und drei Viertel der Kettenraucher bekommen keinen Lungenkrebs. Es müssen also noch weitere Faktoren eine Rolle spielen, die Krebs entstehen lassen. In der Anthroposophischen Medizin fragen wir uns deshalb: Welche Kräfte gibt es denn sonst noch, die differenzieren und integrieren? Und die Antwort lautet: Seelisches differenziert, Geistiges integriert. Wenn diese Kräfte über Jahre hinweg zu schwach sind, dann ist – ob mit oder ohne äußere Faktoren – der Boden für Krebs bereitet.

Was heißt das konkret? Worin zeigen sich seelische und geistige Kräfte?

JS: Seelisch differenziert ist ein Mensch, wenn er sich für vieles in der Welt interessiert, vieles erlebt und Impulse daraus aufnimmt. Diese Erlebnisse muß er geistig integrieren, indem er sie innerlich verarbeitet. Dazu ist es notwendig, daß er sich mit Hilfe seiner Ich-Kräfte mit den Dingen aktiv verbindet, sie im Verstehen durchdringt, sie bewertet und Einzelnes in einen sinnvollen größeren Zusammenhang bringt. Differenzieren und Integrieren sind Aktivitäten, die in unserem Leben ständig vorhanden sein müssen – körperlich ebenso wie sozial und gesellschaftlich. Und wenn diese Aktivität über Jahre hinweg nachläßt oder nicht (aus)geübt wird, dann entstehen Inseln der Vereinzelung und Isolation. Für die Integration auf körperlicher Ebene ist vor allem Wärme nötig. Warum? Weil sie Gasförmiges (Luft), Flüssiges (Wasser, Blut, Lymphe) und Festes (Knochen, Muskeln, Sehnen) gleichermaßen durchdringt und alle auf eine Temperatur bringt. Sie kann also ganz unterschiedliche Materien miteinander verbinden mit dem Ziel, daß daraus eine Ganzheit wird. Wärme hält den ganzen Menschen zusammen! Warme Organe sind gut durchblutet und haben einen gesunden Stoffwechsel. Wenn die Wärme von Kälteinseln durchsetzt ist, sind die Vorgänge nicht mehr physiologisch homogen. In unserer Zeit gibt es viele Kälteinseln – gesellschaftlich und physisch. Viele Menschen sind heute nicht mehr von Kopf bis Fuß durchwärmt. Die bauchfreie Mode – so nett sie aussieht! – ist dafür nur ein kleines Beispiel. Und jeder will möglichst »cool« sein! Im Zwischenmenschlichen gibt es aber keine Nähe ohne Wärme. Wärme ist also eine elementare Notwendigkeit. Alles, was an Signalen vom Organismus für die Zelle ausgeht, braucht Wärme, um von ihr verstanden zu werden. Wenn ich seelisch jahrelang immer wieder verletzt und gekränkt werde, besteht die Tendenz, innerlich zu erkalten. Ein chronischer Mangel an Wärme kann das Entstehen von Krebs also durchaus fördern.

 

Warum wird eine Krebserkrankung immer gleich als Todesurteil empfunden, ein Herzinfarkt aber nicht?

JS: Im Tierreich ist der Krebs ein Lebewesen, das sich irgendwo am Grunde des Wassers versteckt. Plötzlich greift es aus diesem Versteck auf etwas anderes Lebendes zu, um es zu töten und sich einzuverleiben. Das heißt: Den Krebs umgibt die Angst, der kann auch mich packen, aber ich merke das nicht oder zu spät. Plötzlich ist er da. Ein Herzinfarkt ereignet sich oft auch sehr plötzlich, aber da entscheidet sich schnell, ob ich ihn überlebe oder nicht. Die Angst bei einem Herzinfarkt ist eine Lebensangst: Ich habe Angst, daß ich mein Leben verliere. Beim Krebs habe ich Todesangst – Angst, daß der Tod mich holt. Ich habe Angst, dem Sterben von jetzt an auf Dauer ausgesetzt zu sein. Diese Angst nährt sich daraus, daß man in sich etwas Fremdes beherbergt, das man nicht wahrnimmt und nicht kennt und das einem den Tod bringt. Man kann diese Angst bei Krebs nur langsam abbauen – nicht sofort. Wenn jemand erfährt, daß er Krebs hat, gerät er erst einmal in Panik, dann ist er erschüttert und voller Angst. Aber wenn er aus dieser direkten Angstphase ein Stück weit raus ist und die Angst auf einzelne Fragen reduzieren kann, schwindet sie langsam immer mehr. Angst ist ja ein Gefühl, das sich auf etwas Unbestimmtes bezieht. Es geht darum, das nicht Faßbare einzugrenzen, um es faßbar zu machen und somit bearbeiten zu können. Also: Wovor fürchtet man sich? Vor der Operation, vor der Chemotherapie und ihren Folgen, vor dem Leiden? Davor, nicht richtig behandelt zu werden? Vor der sozialen Isolation, daß man verlassen wird, daß der Partner die Krankheit nicht mitträgt? Sobald ich die allgemeine Angst, die diese Krankheit zweifellos umgibt, durch Fragen gezielt auf bestimmte Themenreduziere, kann ich die Krebsangst ein gutes Stück besiegen. Die Angst muß in Befürchtungen verwandelt werden, an denen man arbeiten kann, damit sie sich erledigen können.

Ist Krebs nicht sogar eher eine chronische Krankheit, mit der man sogar gut alt werden kann? Dann stirbt man nicht am Krebs, sondern mit ihm.

JS: Ja natürlich! Aber nur, wenn ich das so überhaupt denken kann und wenn ich das bis »ins Lebensgefühl« kriege. Von 100 Leuten auf der Straße werden 98 sagen, daß Krebs und Sterbenmüssen unmittelbar zusammenhängen. Daß man, wenn man die Diagnose Krebs bekommt, sehr bald sterben muß. Und diese Grundangst wird gesellschaftlich massiv gefördert und verbreitet. Das Entscheidende ist aber doch: Wie werde oder bleibe ich trotz der Belastung mit Krebs gesund? Und wer dieser Frage nachgeht, wird meist erkennen: Mit Krebs kann ich durchaus weiterleben! Die Krankheit zwingt mich aber, die Weichen für mein Leben neu zu stellen. Wenn ich mit Krebs konfrontiert werde, dann bekomme ich plötzlich einen Sinn für das Wesentliche. Wenn ich weiß, ich habe nur noch eine begrenzte Zeit zu leben – wir alle wissen, daß wir sterben müssen, aber wir verhalten uns so, als würden wir endlos leben! –, wenn ich also das Ende in greifbare Nähe gerückt sehe, fange ich an, mich wesentlich zu verhalten. Dann sortiere ich mein soziales Umfeld. Und Menschen, die mir bisher wichtig waren, sind vielleicht gar nicht mehr so wichtig, sondern andere, mit denen ich die Fragen, die ich jetzt habe, bewegen kann. Da ändert sich also grundsätzlich etwas: in der Lebenseinstellung und sozial. Ich darf das Böse, den bösartigen Tumor, nicht negieren, ich muß es in etwas Gutes verwandeln. Und zwar indem ich eine Sehnsucht nach der Wahrheit entwickle, nach Klarheit, nach Entscheidungen, nach Ordnung auf allen Ebenen. Aus dem Chaos, das mit dem Wachstum des Krebses verbunden ist, erwächst die Sehnsucht nach Ordnung und Struktur. Das werden viele Krebskranke bestätigen können. Das Negative fordert mich auf, das Positive zu tun. Wenn mir das bewußt wird, bin ich weniger Sklave meines Leibes. Man kann lernen, leiblich, seelisch und geistig mit dem Krebs zu leben. Auch leiblich. Das machen uns viele Patienten vor! Der urnaive Wunsch, alles Kranke rückgängig zu machen, zu sehen, daß »alles raus« und »alles weg« ist, denn dann bin ich es los – der läßt sich ja nicht immer verwirklichen. Das heißt: Wenn Reste bleiben, bleibt auch das Risiko. Es stellt sich also die Frage: Wie lerne ich, damit zu leben? Und es gibt tatsächlich Menschen, die leben damit besser als Gesunde! Nicht wenige sagen: »Ich möchte die Krankheit nicht mehr missen.« Weil sie durch diese existentielle Krankheit zu sich selbst gefunden haben. Und plötzlich merken, was alles in ihnen steckt.

Aber es gibt doch auch Krebskranke, für die sich diese Frage nicht stellt, was ist mit denen?

JS: Man kann nicht in Abrede stellen, daß Krebs auch eine schreckliche Seite hat, die viel Leid bedeutet. Es gibt Menschen, die dem Krebsleiden innerhalb weniger Monate erliegen, und es fällt schwer, darin einen Sinn zu erkennen. Aber das darf nicht dazu führen, diese Krankheit nur unter diesem Aspekt zu sehen. Und die Angst vor dem Tod darf nicht dazu verleiten, den Patienten jede Möglichkeit zur Mitgestaltung der letzten Lebenszeit zu nehmen, wie es bei uns so häufig geschieht. Es geht doch darum, diese letzte Zeit für das Individuum so sinnvoll und menschenwürdig wie möglich zu gestalten und das Unvermeidbare zu akzeptieren. Statt dessen flüchtet man sich oft in einen medizinischen Aktionismus. Da wird zum Beispiel noch eine Chemotherapie gemacht, obwohl absehbar ist, daß sie nicht mehr viel bewirken wird. Das ist unwürdig und für viele auch sehr qualvoll. Ziellos gegen die Krankheit zu kämpfen, macht ja keinen Sinn. Aber für das Gute zu kämpfen, für die eigene Identität, dafür, dem Sinn des eigenen Lebens zu folgen, den eigenen Zielen, das macht Sinn! Wenn ich dafür kämpfe, habe ich davon auch einen Gewinn, ganz egal, wie lange ich noch lebe.

Warum gibt es so wenig Fortschritt in der Behandlung von Krebs?

JS: Weil das Wesen der Krankheit, die Isolation, der Egoismus in unserer Zeit noch nicht bearbeitet ist. Ich denke, daß Krankheiten, die geradezu epidemisch auftreten, einen gesellschaftlichen Sinn haben – Pocken, Kinderlähmung, sogar die Pest. Weil sie die Verhaltensweisen der Menschen verändern, und weil die Menschen etwas lernen, was sie ohne diese Not nicht gelernt hätten. Die mit diesen Seuchen verbundenen Lektionen haben wir offensichtlich gelernt. Die Bedingungen haben sich so geändert, daß diese Epidemien nicht mehr auftreten können, aber auch nicht mehr auftreten müssen. Statt dessen »brauchen« wir offenbar andere: AIDS, BSE, Vogelgrippe – um nur einige Beispiele zu nennen. Und Krebs, der früher vergleichsweise selten vorkam, ist nahezu zu einer Volkskrankheit geworden.

Welche Lektionen sind es denn, die wir durch die Krankheit Krebs lernen müssen?

JS: Wir müssen lernen, frei zu werden und uns dabei gleichzeitig für das Ganze zu interessieren, nicht nur für uns selbst. Freisein, die menschliche Freiheit als höchstes Gut, ist das zentrale Thema unserer Kulturepoche. Die Individualisierung als Ausdruck dieser Freiheit ist notwendig, um in unserer Zeit ein wirklich selbst bestimmender Mensch zu werden. Sie ist eine Voraussetzung für menschliche Reife und als solche durchaus positiv. Diese Individualisierung kann und darf man nicht in Frage stellen! Aber sie ist nur dann gesund und entwickelt sich nur dann in die richtige Richtung, wenn sie die Verbindung zum großen Ganzen, die Wechselbeziehung zur sozialen Gemeinschaft nicht verliert. In der Krebskrankheit ziehe ich mich unbewußt seelisch und geistig mit den integrierenden und differenzierenden Kräften aus dem Körper zurück. Die Aufgabe wäre, mich bewußt mehr der Welt zuzuwenden als meinem Körper und meinen egoistisch geprägten Belangen. In diesem Sinn zeigt uns Krebs im Zerrbild der Krankheit, worauf es ankommt: vom Leiblichen und somit auch vom Egoismus unabhängiger zu werden. Solange wir unserem Körper die meiste Aufmerksamkeit schenken und ständig auf ihn orientiert sind, bleiben wir unfrei. Wir können uns nur weiterentwickeln, wenn seelische Entwicklung und Sozialkompetenz unsere Ziele werden. Sie machen uns auch von unserem momentanen körperlichen Zustand unabhängiger. In dem Maße, wie es uns gelingt, uns von der »Herrschaft des Körpers« zu befreien, überwinden wir auch den Egoismus. Letztlich ist es auch die Aufgabe, durch mehr Geistesleben den Materialismus, dem wir viel zu verdanken haben, der unser Leben heute aber zu einseitig bestimmt, kulturell zu verwandeln. Materialismus muß es geben, wie es auch den Körper geben muß. Aber da der Mensch mehr ist als sein Körper, muß er, um frei zu werden, erst zu sich selbst, zu seinem geistigen Kern kommen. Dann kann er auch dem Materialismus und Egoismus die Dominanz nehmen. Auf diese Menschheitsaufgabe weist uns Krebs hin.

Die Mistel für Körper, Geist und Seele

Die Mistel hat spürbare Auswirkungen auf allen drei Ebenen: körperlich, seelisch und geistig. Sie kann sowohl dazu beitragen, die Integrationskraft des Körpers zu stärken als auch die eigene Identität zu finden. Die körperlichen Auswirkungen sind mit klassischen Meßmethoden gut zu erfassen. Etwas schwieriger ist es hingegen, die Effekte auf der seelisch-geistigen Ebene darzustellen – sie sind nicht in Kilos oder Zentimetern, Litern oder Tagen, Wochen oder Monaten zu messen. Die Antwort ist immer subjektiv und heißt in der Regel: Ich fühle mich besser, ich habe wieder mehr Kraft und weniger Angst, ich friere nicht mehr so, ich nehme wieder zu, es geht mir gut. Alles – das Meßbare und das Empfundene – ist gleich viel wert.

Die Wirkung im Körper

Mistelextrakt besteht aus einer Vielzahl verschiedener Inhaltsstoffe. Welcher davon für die beobachteten Wirkungen verantwortlich ist, auf welche Weise er wirkt und welche Wechselwirkungen die verschiedenen Anteile miteinander haben, ist bis heute nicht eindeutig geklärt und nach wie vor Gegenstand experimenteller Forschung.

Folgende Wirkungen von Mistelextrakt auf den Organismus sind inzwischen wissenschaftlich belegt und anerkannt:

→Die Mistel kann den »programmierten Zelltod« (Apoptose) in der Zelle wieder anregen. Diese Fähigkeit ist die Basis für die Regenerationskraft des Organismus und somit für seine Gesundheit. Grundsätzlich gibt es zweierlei Arten von Zelluntergang: zum einen die Nekrose, wobei Zellen unwiderruflich absterben und auch nicht neu entstehen. Und zum anderen eben die Apoptose, die aus Tod und Auferstehung gleichzeitig besteht: Eine Zelle stirbt, um eine andere nachrücken zu lassen. Etwas Altes geht zugrunde, damit Neues entstehen kann – der ewige Kreislauf des Lebendigen, eine Gesetzmäßigkeit, ohne die kein Leben denkbar ist. Die Fähigkeit zur Apoptose ist also eine Voraussetzung dafür, daß Gewebe und Organe gesund sind und ihre Aufgaben erfüllen können. Bei einer Krebserkrankung ist den Zellen diese Fähigkeit verlorengegangen – sie können nicht mehr sterben. Sie wuchern wie verrückt vor sich hin. Daß die Mistel dazu beitragen kann, diese Fähigkeit zur Apoptose wieder anzuregen, ist deshalb eine besonders erwünschte und wichtige Wirkung.