Lust auf Sex, Blut und Rache

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Lust auf Sex, Blut und Rache
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Anne Pallas

Lust auf Sex, Blut und Rache

Geheimagenten und Hexen im Einsatz, Band 3

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Prolog

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Impressum neobooks

Vorwort

Es geschehen täglich Verbrechen.

Okay. Klar. Das ist jedem Menschen bekannt, der am öffentlichen Leben teilnimmt, und/oder der Berichterstattung in den Medien einigermaßen folgt.

Aber es geschehen auch täglich Verbrechen, über die nicht berichtet wird. Und das hat einige sehr gute Gründe.

Einerseits liegt es in den Grausamkeiten der Taten begründet. Die Menschen wollen einen friedlichen Alltag leben, und nicht über den Blutdurst der gesellschaftlichen Außenseiter nachdenken müssen.

Außerdem gibt es Verbrechen, die nicht von Menschen ausgeübt worden sind. Nicht von Menschen? Von wem denn sonst?

Diese beiden Fragen werden Sie sich in diesem Augenblick stellen. Und das auch berechtigt.

Ich werde versuchen, in diesem Vorwort mit einigen wenigen Sätzen und Andeutungen diese Fragen zu beantworten. Keine Angst, Sie werden alles erfahren. Die vielen Realitäten, in denen wir leben, werde ich in meinen Romanen ausführlich behandeln.

Eine kurze Andeutung sollen Sie bekommen: Auf unserem Planeten lebt eine Gemeinschaft unterschiedlicher Wesen zusammen, teilweise friedlich, teilweise auch durch Hass verbunden. Hier handelt es sich um uns Menschen, aber auch um Hexen, Dämonen, Vampire, Zwerge, Drachen, Elfen, Engel und natürlich die Götter.

Wie bereits gesagt, möchten die Menschen ein friedliches Leben führen, und nichts über die Taten von anderen Wesen hören, sehen oder lesen.

Um den Menschen diesen Frieden zu gewähren, besitzt jedes Land eine geheime Behörde, die sich um die Taten der nichtmenschlichen Wesen kümmert.

Wenn zum Beispiel ein Vampir einen Obdachlosen aussaugt, oder ein Wasserdämon ein Opfer reißt, kommt diese Behörde zum Einsatz. Einerseits muss das Wesen, dass für diese Verbrechen verantwortlich ist, gejagt und bestraft werden. Und andererseits muss die Tat vor den einfachen Menschen verborgen werden.

Die deutsche Behörde, die für diese Art von Verbrechen zuständig ist, hat ihren Sitz in München und nennt sich CEDIS. Die Anweisungen erhält jede Landesbehörde – und hier sei angemerkt, dass es egal ist, um welches Land der Erde es sich handelt – vom Rat der Vier. Ich werde auf diese geheime Weltregierung zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingehen. Anzumerken wäre hier nur, dass dieser Rat aus Vertretern der Politik, der Glaubensgemeinschaften, der Wirtschaft und den geistigen Eliten zusammengesetzt ist.

Die deutsche CEDIS wird von Julie Waldenfels geleitet. Über meine Chefin werde ich im Laufe meiner Romanserie noch ausführlich zu sprechen kommen.

Aber jetzt sollte ich mich selbst vorstellen:

Mein Name lautet Anne Pallas, ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, und arbeite als Agentin für die CEDIS. Mein Körper ist schlank gewachsen und sportlich trainiert. Ich habe lange blauschwarze Haare, und glänzende grüne Augen, die auf Fremde mysteriös, anziehend, aber auch unheimlich wirken. Die hohen Wangenknochen und der volle Mund geben mir ein aristokratisches Aussehen.

Ich stamme in direkter Linie aus dem Geschlecht der Lykhaner. Hierbei handelt es sich um eine mächtige und sehr alte Hexenfamilie. Sie lesen richtig. Ich bin eine Hexe und verfüge über magische Fähigkeiten, auf die ich im Laufe meiner Romanerzählungen noch ausführlicher eingehen werden.

Aber diese Gaben sind Voraussetzung für die Tätigkeit als Agentin bei der CEDIS. Wie sollte auch ein normaler Mensch gegen einen Dämon oder Vampir bestehen können? Nein, das wäre nicht möglich. Für diese Kämpfe benötigt man außergewöhnliche Fähigkeiten. Und solche besaß ich. Aber auch jeder andere Mitarbeiter bei der CEDIS besitzt besondere Gaben, die der Behörde dienlich sein können.

Aber ich habe auch eine besondere Schwäche. Bei mir ist es die animalische Lust auf Sexualität, egal, ob mit einem Mann oder einer Frau. Ich bin diesbezüglich nicht festgelegt. Und natürlich kennt meine Chefin bei der CEDIS diese Schwäche, denn sie setzt meine Sexualität ein, wenn sie zur Aufklärung schwieriger Fälle dienlich ist.

Um es klar auszudrücken: Ich muss regelmäßig meinen Körper einsetzen oder benutzen lassen, um an hilfreiche Informationen zu gelangen. Und ich tue es meistens sehr gerne, denn ich bin einem geilen Fick immer aufgeschlossen.

Ich werde als Autorin über die wahren Fälle berichten, die ich während meiner Agententätigkeit für die CEDIS gelöst habe. Es wird eine Romanserie entstehen, deren Dauer und Anzahl ich jetzt noch nicht absehen kann. Es ist im Grunde erst einmal eine Open-End-Story.

Als Schriftstellerin, die das Schreiben als nebenberufliches Hobby während einer aufreibenden Agententätigkeit betreibt, bin ich für Kritik und Anregungen offen, da ich mich auf diesen Weg weiterentwickeln kann.

Schreibt mir doch einfach:

anne.pallas@gmx.de

Viel Spaß beim Lesen meiner Romanserie

Anne Pallas

Prolog

Kilmundie Farm

Glenogilvy, Forfar DD8 1UL

Schottland

Geisterhaft und bleich schien das Mondlicht auf die einsame Farm hinunter. Die Nacht war klar und wolkenlos, aber über Schottland lag eine bedrückende, unnatürliche Stille. Der Wind war vollkommen eingeschlafen, und selbst das Käuzchen, das seit Wochen im nahen Wald nistete und den Bewohnern des Hauses so manche schlaflose Stunde bereitet hatte, war verstummt.

Der Mann öffnete lautlos das Tor, blieb einen Moment reglos stehen und ging dann die gewundene Zufahrt zum Haus empor. Die zweigeschossige Farm lag still und wuchtig vor ihm. Nur über der Tür brannte eine trübe Lampe, die aber kaum ausreichte, mehr als die Umrisse des hölzernen Portals zu erkennen.

Wieder blieb der Mann stehen, sah sich aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen um und lauschte auf ein verdächtiges Geräusch. Der Garten erinnerte kaum mehr an die gepflegte, farbenprächtige Anlage, in die seine Besitzer ihn verwandelt hatten.

Im bleichen Mondlicht schienen sich die Büsche in dürre, gierig ausgestreckte Spinnenfinger zu verwandeln, und die Äste der uralten Trauerweide neben der Garage erinnerten plötzlich an Arme eines riesigen Kraken, der an Land gekrochen war und geduldig auf ein Opfer lauerte.

Der Mann unterdrückte ein Stöhnen.

Trotz der kalten schottischen Nacht glänzte seine Stirn vor Schweiß, und als er die Hand aus der Tasche zog und sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht wischte, zitterten seine Finger.

Nur mühsam riss er sich von dem grausigen Anblick los und ging weiter auf die Farm zu. Der Weg wand sich zwischen blühenden Sträuchern und sorgfältig gepflegten Blumenbeeten hindurch, aber dafür hatte der Eindringling keinen Blick.

 

Er erreichte die Tür, streckte die Hand nach dem Klingelknopf aus und zögerte.

Sein Herz begann zu rasen. Wieder glitt seine Hand in die Jackentasche. Seine Finger tasteten über das glatte, kühle Metall, und so etwas wie Angst kroch in seiner Kehle empor. Er keuchte, zog die Hand zurück und wandte sich ruckartig um. Seine Bewegungen wirkten starr und puppenhaft, als hätte er seinen Körper kaum noch unter Kontrolle und müsse sich zu jeder Handlung mühsam zwingen.

Er machte einen Schritt von der Farm weg, blieb stehen und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf den Garten. Aber er sah weder die Blumen noch den dunklen Zierteich, sondern einzig das formlose Grauen und die namenlosen Scheußlichkeiten, die sich in den Schatten eingenistet hatten und nur darauf warteten, über ihn herzufallen.

Nein! Er musste es tun!

Er hatte keine Wahl. Er war kein Ungeheuer, und die Menschen in dieser Farm waren seine Freunde, aber wenn er jetzt wegginge, würde ihn Schlimmeres erwarten als der Tod.

Er musste die Befehle von Caitlin ausführen, und alles würde gut werden!

Langsam wandte er sich um, hob die Hand und presste den Daumen auf die Klingel. Drinnen im Haus schlug ein Gong an. Das Geräusch drang nur gedämpft durch das zollstarke Holz der Tür, und er drückte noch einmal auf den Knopf, und noch einmal und noch einmal, so lange, bis hinter einem der schmalen Fenster im Dachgeschoss Licht aufflammte und schlurfende Schritte auf der Treppe hörbar wurden.

Neben dem kleinen Notlicht über der Tür flammte eine zweite, stärkere Lampe auf. Der Mann hob geblendet die Hand vor die Augen und trat einen halben Schritt zurück. In der Tür öffnete sich eine schmale Klappe, und ein dunkles Augenpaar spähte misstrauisch zu dem nächtlichen Besucher hinaus.

„Was in drei Teufels Namen ...“, murmelte eine verschlafene Stimme. „Roy! Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“

Der Mann nickte. Er brauchte sich nicht zu verstellen, um seiner Stimme einen gequälten Klang zu geben.

„Ich weiß es, Mister Kilmundie. Es ist mitten in der Nacht, und ... und ... Sie haben sicher schon längst geschlafen. Aber es ist sehr wichtig. Bestimmt, sonst würde ich nicht so spät stören. Bitte, lassen Sie mich reinkommen, nur einen Moment, und ich erkläre Ihnen alles.“

Der Mann hinter der Tür zögerte sichtlich. Offenbar war ihm nicht wohl dabei, jemanden mitten in der Nacht in sein Haus einzulassen. Aber er kannte den Besucher, und es schien wichtig zu sein.

Die Klappe wurde geschlossen, und Augenblicke später hörte man das Geräusch eines Riegels, der langsam zurückgeschoben wurde. Dann schwang die Tür mit leisem Quietschen nach innen.

„Kommen Sie schon rein, Roy“, sagte Angus Kilmundie, der Besitzer der Farm. Sein Gesicht wirkte verschlafen und alles andere als gut gelaunt, aber er trat beiseite und wartete, bis Roy an ihm vorübergegangen war, ehe er die Tür wieder schloss und sorgfältig den Riegel vorschob.

„Gehen wir in die Bibliothek“, murrte er, „und Sie können mir Ihr Leid klagen. Aber seien Sie leise. Das Personal schläft, und ich möchte auch nicht, dass meine Frau aufwacht.“

Gebückt schlurfte er vor seinem Gast durch die großzügige Eingangshalle, öffnete die Tür und schaltete das Licht in der Bibliothek ein.

Das Rasiermesser in der Hand seines Besuchers bemerkte er erst, als es zu spät war!

Der Farmer spürte einen kräftigen Arm, der sich um seinen Oberkörper legte und ihn wie ein Seil fesselte. Er spürte eine scharfe Klinge, die an seinen Hals gesetzt wurde.

„Roy ... war tust du ...“, röchelte der alte Farmer.

„Du musst sterben, Angus ... so wollte es Caitlin ...“

Der nächtliche Eindringling öffnete mit einem kraftvollen Schnitt die Haut des Halses. Sofort schnitt die scharfe Klinge durch den Kehlkopf des Farmers.

Angus Kilmundie konnte nur noch röcheln, als das Blut dickflüssig aus seinem Hals lief. Es dauerte nur wenige Sekunden, bevor der Farmer tot in den Armen seines Mörders hing.

Als das Leben aus dem Körper des Farmers gewichen war, ließ der Mann den leblosen Leib emotionslos auf den Boden fallen. Er blickte sich forschend um, ob jemand die Tat bemerkt hatte. Aber alles war still. Somit konnte er mit seinem Auftrag fortfahren.

Wenig später lag auch die Ehefrau des Farmers in ihrem eigenen Blut. Der Mörder hatte der tief schlafenden Frau erbarmungslos die Kehle durchgeschnitten!

„Caitlin ...“, rief der Mann nach vollbrachter Tat. „Oh, Caitlin ... hast du es gesehen ... ich habe deinen Auftrag ausgeführt ... bin ich jetzt frei?“

1

Edinburgh, Schottland

„Noch so ein Tag“, seufzte Robin Barnes, „und ich kündige und beschäftige mich für den Rest meines Lebens mit der Rosenzucht einer reichen Witwe.“

Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und stieß geräuschvoll die Luft aus. Sein Gesicht wirkte blass und eingefallen. Unter seinen Augen lagen tiefe, dunkle Ringe, die von den überstandenen Anstrengungen des Tages kündigten.

Ich sah meinen Partner von der Seite an, runzelte die Stirn und lächelte dann wortlos. Barnes war ein Genie im Einsatz als Agent, jedoch weniger als Bodyguard geeignet. Aber ich wusste, dass seine Worte nicht allzu ernst gemeint waren. Er hatte damit lediglich seiner Erschöpfung Ausdruck verleihen wollen.

Seine tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken.

„Ich hoffe, der dämliche Kongress ist morgen beendet“, sagte er.

Ich seufzte. „Hoffentlich. Noch so einen Tag ...“

„Als wenn ich es mit meinen Fähigkeiten nötig hätte, einen bescheuerten Wissenschaftler zu bewachen!“

Ich lächelte und warf einen Blick in den Rückspiegel des Cadillacs, setzte den Blinker und bog von der Hauptstraße in den Waterloo Place ab. Der Cadillac war ein plumpes, schwerfälliges Fahrzeug, aber ich war eine geübte Fahrerin, die auch mit dem ungewohnt großen Straßenkreuzer zurechtkam. Trotzdem sehnte ich mich nach meinem weißen Porsche zurück, der sich in meiner Garage langweilte.

Der wuchtige, altmodisch wirkende Bau des Apex Waterloo Place Hotel tauchte vor uns auf. Ich verringerte das Tempo und hielt nach einer Parklücke Ausschau.

„Hinter uns fährt einer raus“, sagte Robin.

Ich hielt an und sah in den Spiegel. Wenige Meter hinter uns scherte ein Wagen aus der Parklücke aus. Ich legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vorsichtig zurück, ohne mich umzudrehen. Der übergroße Innenspiegel des Cadillacs genügte vollkommen.

Ein dumpfer Schlag traf den Wagen!

Ich trat instinktiv auf die Bremse, hörte einen dumpfen Aufprall, dann das schmerzerfüllte Seufzen eines Menschen.

Mist! Was war nun geschehen? Ich riss die Tür auf und sprang aus dem Wagen.

Eine sehr schlanke junge Frau mit auffallend langen tiefschwarzen Haaren lag direkt hinter dem Reifen des Cadillacs. Sie stöhnte. Auf ihrem Gesicht lag ein schmerzerfüllter Ausdruck. Die rechte Hand presste sie fest gegen das Knie, wo sie die Stoßstange des Wagens getroffen hatte. Die Frau musste direkt in das Auto gelaufen sein.

Ich kniete neben der Verletzten nieder. Ich war absolut sicher, dass die Straße leer gewesen war, den Rückspiegel hatte ich nicht eine Sekunde aus dem Auge gelassen!

„Es ... es tut mir leid“, sagte ich unbeholfen. „Ich habe Sie übersehen.“

„Übersehen?“, keifte eine Stimme hinter mir.

Ich sah auf und blickte in das Gesicht eines alten, glatzköpfigen Mannes. Er trug einen schäbigen Freizeitanzug, ein billiges, seit Jahrzehnten aus der Mode gekommenes Nylonhemd und schwang drohend seinen Spazierstock.

„Übersehen?“, wiederholte er aggressiv. „Die junge Frau hat die ganze Zeit dort gestanden. Sie sind direkt in sie hineingefahren!"

Robin Barnes fuhr auf. „Rufen Sie lieber einen Krankenwagen, statt Volksreden zu halten“, sagte er gereizt. „Die Frau ist verletzt.“

Der Alte grinste boshaft. „Damit ihr inzwischen die Fliege machen könnt, wie?“, fragte er. „Ich habe es genau gesehen. Sie haben die arme Frau ja fast mit Absicht über den Haufen gefahren. Es ist immer dasselbe mit euch. Nur, weil ihr euch dicke Schlitten leisten könnt, denkt ihr, die Straßen gehören euch!“

Er wandte sich an die Verletzte. „Wenn Sie mich als Zeuge brauche, dann ...“

Die Frau schüttelte mühsam den Kopf und versuchte aufzustehen. Ich half ihr, zuckte jedoch erschrocken zurück, als ich den Arm der Verletzten berührte. Die Haut fühlte sich kalt und tot an, wie bei einer Leiche, die auf dem Tisch der Pathologie lag. Außerdem könnte ich die schwarzmagische Aura der Frau spüren, sie strahlte eine ungewöhnlich starke Macht aus. Als ich erschrocken zurücksprang, glommen die Augen der verletzten Schwarzhaarigen schadenfroh auf und nahmen einen rötlichen Farbton an.

„Zuerst einmal rufen wir einen Krankenwagen“, sagte ich entschieden, um diesen Moment zu überspielen. „Wir besprechen alles andere später. Natürlich werde ich sie entschädigen. Ich habe den Unfall schließlich verschuldet.“

„Wenn es ein Unfall war“, murmelte Barnes.

Ich sah meinen Partner verwirrt an. „Wie meint du das?“

Sein rechter Zeigefinger richtete sich drohend auf den Alten, der noch immer dastand und mich streitlustig musterte.

„Ist doch recht praktisch, gleich einen Zeugen bei der Hand zu haben, nicht wahr?“, erklärte er.

„Was soll das heißen?“

Barnes fuhr unbeirrt fort. „Nichts“, sagte er ruhig. „Noch nicht, jedenfalls. Aber weder du noch ich haben die Frau gesehen. Und sie behaupten, dass sie die ganze Zeit über dagestanden hat.“

„Hat sie auch!“, brüllte der Alte. Er schnaufte, bedachte Barnes mit einem vernichtenden Blick, den dieser mit einem gleichgültigen Lächeln quittierte, und wandte sich dann an das Unfallopfer.

„Lassen Sie sich bloß nicht einschüchtern. Wir sollten die Polizei rufen. Die wird dann die Sache schon klären.“

Die Frau schüttelte mühsam den Kopf. „Keine Polizei“, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam fremd, irgendwie eingeübt, so, als hätte sie selten die Gelegenheit, sie zu benutzen.

Etwas an der Verletzten störte mich. Es war nichts ungewöhnlich in einer Großstadt schwarzmagische Wesen anzutreffen. Sie existierten neben den Menschen und lebten unauffällig. Aber diese Schwarzhaarige strahlte etwas Ungewöhnliches und extrem Mächtiges aus.

„Du solltest einen Krankenwagen rufen, Robin.“

Barnes nickte, ging zurück zum Auto, um sein Handy aus dem Aktenkoffer zu holen.

„Bitte keinen Krankenwagen. Mir geht es gut. Ich bin nicht verletzt“, beharrte die Schwarzhaarige.

„Gleich wird sie Ihnen Geld anbieten“, keifte der Alte, durch die Abwesenheit meines Partners merklich mutiger geworden. „Gehen Sie nicht darauf ein. Diese reichen jungen Gören glauben, sich alles erlauben zu können. Aber das Recht können Sie mit Ihrem Geld nicht kaufen. Noch nicht, jedenfalls.“

Ich fuhr erbost herum, meine dunklen Augen blitzten wütend auf.

„Es reicht“, sagte ich mit mühsam beherrschter Stimme. „Ich weiß, dass ich an dem Unfall schuld bin. Es tut mir aufrichtig leid, und ich werde die Verletzte entschädigen. Aber zuerst kümmern wir uns darum, dass sie in ärztliche Behandlung kommt.“

Normalerweise gehörte einiges mehr dazu, mich aus der Fassung zu bringen. Aber ich war nach dem Unfall nervös, und die vollkommen unbegründete Aggressivität des Alten reizte mich noch mehr.

„Vielleicht sparen Sie sich Ihre schlauen Sprüche auf, bis die Polizei hier ist“, zischte ich.

Das Selbstvertrauen des Alten schien merklich angeknackst. Augenscheinlich hatte er sich in mir getäuscht – wie schon viele vor ihm. Trotz meines jugendlichen Aussehens war ich eine Frau, die durch ein paar böse Worte allein nicht einzuschüchtern war.

Ich spürte eine zaghafte Berührung an der Schulter und drehte mich um.

„Hören Sie, Miss“, sagte die verletzte Frau, „es ... es geht mir schon viel besser. Ich glaube nicht, dass wir den Krankenwagen benötigen.“

Ich runzelte unwillig die Stirn. Die Frau wirkte blass und verstört, und in ihren Augen stand ein seltsames Flackern. Ganz offensichtlich stand sie unter einem Schock.

„Es ist wirklich nichts passiert“, fuhr sie eindringlich fort. „Mein Bein ist vollkommen in Ordnung. Hier – sehen Sie selbst.“

 

Um ihre Worte zu untermauern, hüpfte sie auf dem verletzten Bein auf und ab. Aber offensichtlich hatte sie sich unterschätzt. Sie stieß einen schmerzhaften Seufzer aus, taumelte und wäre gestürzt, wenn ich nicht blitzschnell zugegriffen und sie am Arm gehalten hätte.

Und in diesem Moment geschah es!

Die Schwarzhaarige krallte sich an mir fest, so als müsste sie gestützt werden. Aber das war nicht der Grund ihrer Aktion. Sie ritzte mit ihrem Fingernagel die Haut meines Unterarms auf. Ich spürte, wie die Wunde heiß wurde, wie mein Blut ungewöhnlich zirkulierte, als müsste es gegen einen eindringenden Fremdkörper anzukämpfen.

Ich sprang einen Schritt von der Schwarzhaarigen zurück, die sich gegen den Wagen lehnte und mich hochmütig anlächelte. Was sollte das bedeuten?

„Sehen Sie!“, keifte der Alte. „Ich habe ja gesagt, die Frau ist verletzt! Und Sie sind schuld!“

Ich verstand nicht, was der Auftritt des Alten bedeutete. Aber er ging entschieden zu weit. In mir wallte plötzlich Zorn auf. Dem Alten sollte eine kleine Lektion erteilt werden. Ich beschloss, ihn mit einem bösen Zauberspruch für sein unverschämtes Verhalten zu bestrafen.

Die Straße hinter mir war leer, als ich mich umdrehte!

Ich runzelte verblüfft die Stirn, sah hastig nach rechts und links und hielt nach dem alten Mann Ausschau.

Er war verschwunden!

„Aber das ist doch unmöglich“, flüsterte ich fassungslos. Die wenigen Sekunden, die ich den Alten aus den Augen gelassen hatte, waren viel zu kurz gewesen, als dass ein Mensch spurlos verschwinden konnte.

Plötzlich spürte ich eine seltsame, unerklärliche Kälte, so, als würde ich von einem eisigen Windstoß getroffen. Ich schauderte.

Ich drehte mich erneut um, um nach der Schwarzhaarigen zu sehen.

Aber die Frau war ebenfalls verschwunden!

Ich hatte allerhöchstens vier, fünf Sekunden nach dem Alten Ausschau gehalten. Mit dem verletzten Bein konnte sie in dieser Zeit unmöglich weiter als ein paar Schritte gekommen sein. Aber die Straße zu beiden Seiten war leer. Und das einzige Gebäude, das er in den wenigen Augenblicken erreicht haben konnte, war das Hotel.

Ich eilte mit raschen Schritten um den Wagen. Robin saß auf dem Beifahrersitz und telefonierte mit seinem Handy. Ich riss die Tür auf.

„Wo ist sie?“, fragte ich übergangslos.

„Wer?“

„Die junge Frau, die ich angefahren habe“, entgegnete ich ungeduldig. „Sie ist verschwunden.“

„Verschwunden?“, echote Robin. „Was heißt das?“

„Verschwunden wie verschwunden“, erklärte ich gereizt. „Weg. Nicht mehr da. Fort. Ich hatte mich einen Augenblick umgedreht, um mit diesem komischen Alten zu reden. Als ich wieder hinsah, war die Frau weg. Aber sie kann mit ihrem verletzten Bein unmöglich weiter als ein paar Schritte gelaufen sein. Ich dachte, sie wäre vielleicht um das Auto gegangen.“

Robin schüttelte den Kopf. „Ich habe niemanden gesehen, Anne. Die werden sich aus dem Staub gemacht haben. Wahrscheinlich haben sie gemerkt, dass sie mit ihrem Trick an die falschen geraten sind.“

„Was für ein Trick?“

„Er ist nicht gerade neu, aber sie versuchen es immer wieder. Und es gibt noch genügend Dumme, die darauf hereinfallen. Diese Gauner arbeiten meist zu zweit. Einer springt vor einen Wagen und mimt den Verletzten, der andere tritt als zufällig anwesender Zeuge auf und beschwört, dass das Opfer wirklich unschuldig an dem Unfall ist.“ Er grinste. „Die beiden konnten es sich nicht leisten, auf die Polizei zu warten.“

Ich winkte widerwillig ab. Robins Worte klangen logisch und überzeugend. Aber irgendwie sträubte ich mich dagegen, die Erklärung zu akzeptieren. Mit den beiden hatte etwas nicht gestimmt. Die schwarzmagische Aura der Frau hatte ich eindeutig gespürt, daher glaubte ich einfach nicht daran, dass es sich nur um zwei geschickte Trickbetrüger gehandelt hatte. Außerdem begann die Wunde an meinem Unterarm zu brennen, die Stelle, die der Fingernagel aufgeritzt hatte.

Und da war noch ein Gedanke, der sich in mein Bewusstsein einnistete: Ich war absolut sicher, dass die Straße hinter dem Wagen leer gewesen war, als ich in den Spiegel gesehen hatte.

Constable Macbain kritzelte etwas in seinen Block, schüttelte den Kopf und steckte seinen Kugelschreiber zurück.

„Ich glaube“, sagte er nach kurzem Überlegen, „dass Mister Barnes Recht hat.“

Er klappte seinen Notizblock zu und schenkte mir ein scheues Lächeln.

„Wahrscheinlich haben die beiden wirklich versucht, Sie hereinzulegen. Ein uralter Trick. Ich bin froh, dass Sie nicht darauf hereingefallen sind.“

Ich erwiderte den Blick des Polizisten gelassen. Robin hatte trotz meines Protestes darauf bestanden, die Polizei einzuschalten. Ich gab mir Mühe, meine Verärgerung darüber nicht an dem jungen Beamten auszulassen.

„Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte ich nach einer Weile, „wäre es mir am liebsten, wenn wir die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich vergessen würden.“

„Sie wollen keine Strafanzeige stellen?“

Ich lächelte flüchtig. „Gegen wen? Ich wüsste kein Gesetz, nach dem sich ein Unfallopfer strafbar macht, wenn es sich weigert, eine Entschädigung anzunehmen.“

Macbain überlegte sichtlich. Auf der einen Seite mochte er froh sein, die Angelegenheit so schnell erledigen zu können. Aber ich war sicher, dass ihm seine Vorgesetzten eingeschärft hatten, die Sache mit aller Aufmerksamkeit zu verfolgen. Schließlich zuckte er mit den Achseln und stand auf.

„Wie Sie wünschen, Miss Pallas.“

„Trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe, Constable“, sagte ich.

Der Polizist nickte nochmals und schritt zu seinem Streifenwagen zurück. Robin starrte ihm stirnrunzelnd nach. Dann drehte er den Kopf und musterte mich durchdringend.

„Was ist eigentlich mit dir los?“, fragte er unverblümt.

Ich zuckte unwillig mit den Achseln. „Nichts. Ich ...“

Ich brach ab, schüttelte den Kopf und ging zum Auto zurück, um meine Handtasche zu holen, in der sich meine Glock-17 Dienstwaffe befand. Normalerweise brauchte ich keine Pistole, um mich zu verteidigen oder um meinen Willen durchzusetzen. Mit einem gut gesetzten Zauberspruch würde es auch gehen. Aber meine Chefin von der CEDIS, Julie Waldenfels, bestand auf diese lächerliche Waffe. Sie meinte, ich solle in Schottland nicht als Hexe auffallen, sondern als normale Sicherheitsbeamtin durchgehen.

„Ich fühle mich nicht wohl“, flüsterte ich. Mein Blut wurde immer heißer, ich konnte den Temperaturanstieg genau spüren.

„Der Unfall“, meinte Robin nickend. „Vergiss ihn. Die junge Frau kann nicht schwer verletzt gewesen sein. Sonst wäre sie wohl kaum so schnell verschwunden. Vielleicht war sie wirklich ein Betrüger.“

Ich starrte schweigend die Straße entlang. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber die seltsame unerklärliche Unruhe, die von mir Besitz ergriffen hatte, schien sich eher noch zu verstärken. Irgendetwas war mit dieser Frau nicht in Ordnung gewesen. Ich war mir vollkommen sicher, dass sie im Rückspiegel des Autos nicht sichtbar gewesen war.

Eigentlich war das vollkommen unmöglich. Jeder Mensch, jeder materielle Gegenstand, hatte ein Spiegelbild. Nein, das Geheimnis, das diese junge Frau umgab, musste anderer Natur sein. Erneut dachte ich an die schwarzmagische Aura der Frau. War es eine Hexe, ein Dämon oder eine Vampirin gewesen?

Ich stieß mich vom Auto ab und ging auf Robin zu. Es hatte keinen Sinn, sich den Kopf über etwas zu zerbrechen, das ich im Moment sowieso nicht lösen konnte.

„Du hast Recht“, flüsterte ich. „Es wird Zeit, dass wir wieder unseren Posten einnehmen.“