Social Web

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Wikis, Blogs, Social Networks und Microblogging haben sich zu wichtigen Publikations- und Kommunikationsmitteln entwickelt und führen zur Bildung von Gemeinschaften. Diese Entwicklung impliziert einen in den Massenmedien bisher nicht erreichten Grad an Partizipation und Demokratie.

Ausgehend von der Geschichte des Social Webs werden zunächst dessen Erscheinungsformen vorgestellt. Darauf folgt eine Beschreibung der technischen Grundlagen sowie der auftretenden Gruppenprozesse und der gesellschaftlichen Bedeutung.

In der 3. Auflage wurde die Geschichte des Social Webs fortgeschrieben, durch relevante Neuerungen ergänzt und alle Beispiele und Referenzen auf den neuesten Stand gebracht.


Anja Ebersbach, Markus Glaser und Dr. Richard Heigl betreiben in Regensburg ein Unternehmen zur Entwicklung von Wiki-Projekten.

Online-Angebote, elektronische Ausgaben sowie zusätzliche Materialien zum Buch sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2008

2. Auflage 2011

3. Auflage 2016

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Titelfoto: iStock.com/Studiovision

Korrektorat: Daniel Rost, Neckargemünd

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland

Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98

www.uvk.de

UTB-Band-Nr. 3065

ISBN 978-3-8252-3933-6 (Print)

ISBN 978-3-8463-3933-6 (EPUB)

Inhalt

Vorwort

1 Einleitung

1.1 Perspektiven für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Social Web

1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt

1.2.1 Vernetzte Computer als Kommunikationsmedien

1.2.2 Die ersten selbstverwalteten Computernetze

1.2.3 Kommerzialisierung und Professionalisierung

1.2.4 Web 2.0 – die Aneignung des Netzes

1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung

1.3.1 Social Web und Web 2.0

1.3.2 Definition »Social Web«

2 Praxis des Social Webs

2.1 Einteilungskriterien

2.2 Wikis

2.2.1 Geschichte

2.2.2 Öffentliche Wikis

2.2.3 Funktionsweise

2.2.4 Komponenten

2.2.5 Anwendungsgebiete

2.2.6 Der Wiki-Effekt

2.2.7 Ein kleiner Kulturschock

2.2.8 Schattenseiten

2.2.9 Ein eigenes Wiki erstellen

2.3 Blogs

2.3.1 Geschichte

2.3.2 Einteilungskriterien

2.3.3 Beliebte Blogs

2.3.4 Funktionsweise

2.3.5 Komponenten eines Blogs

2.3.6 »Wie ich blogge!?«

2.3.7 Die Blogosphäre

2.3.8 Zwischen Tagebuch und Graswurzel-Journalismus

2.3.9 Podcast

2.3.10 Schattenseiten

2.3.11 Einen eigenen Blog betreiben

2.4 Microblogs

2.4.1 Die Erfolgsgeschichte von Twitter

2.4.2 Twitterfunktionen

2.4.3 Twitter-Lingo

2.4.4 Wer twittert was?

2.4.5 Werkzeuge für Twitter

2.4.6 Ein eigenes Microblogsystem betreiben

2.5 Social Networks

2.5.1 Soziale Netzwerkforschung

2.5.2 Prominente Beispiele

2.5.3 Eigenschaften und Unterschiede

2.5.4 Mehr-Ebenen-Networking

2.5.5 Facebook – ein exemplarischer Sonderfall

2.5.6 Schattenseiten

2.5.7 Messaging

2.5.8 Ein eigenes Netzwerk erstellen

2.6 Social Sharing

2.6.1 Funktionsweise

2.6.2 Social Bookmarking

2.6.3 Mediale Inhalte

2.6.4 Produktbewertung

2.6.5 Eine eigene Sharing-Plattform?

2.7 Weitere Konzepte des Social Webs

2.7.1 Tagging

2.7.2 Newsfeeds

2.7.3 Mashups

 

2.7.4 Funktionen, die die Community unterstützen

2.8 Die Technik des Social Webs

2.8.1 Grundlagen der Web-Anwendung

2.8.2 Benutzerfreundlichkeit durch Scripts und Ajax

2.8.3 Viele neue Schnittstellen

2.8.4 Verwendete Sprachen

2.8.5 Mikrodata

3 Theorie des Social Webs

3.1 Gruppenprozesse

3.1.1 Computervermittelte Kommunikation

3.1.2 Medienwahl

3.1.3 Online-Communitys

3.1.4 Das Individuum in der Gruppe

3.1.5 Dynamik der Kooperation

3.1.6 Kollektive Intelligenz

3.1.7 Das ewige Beta

3.1.8 Web Monitoring

3.1.9 Wie starte ich meine eigene Community?

3.2 Gesellschaftliche Bedeutung

3.2.1 Was zieht das Individuum ins Social Web?

3.2.2 Die Gesellschaft im Ringen mit den neuen Medien und mit sich selbst

3.2.3 Neue Geschäfts- und Finanzierungmodelle

3.2.4 Eine webgerechte Rechtsordnung

3.2.5 Sicherung freien Wissens

3.2.6 Schutz persönlicher Daten

4 Ausblick

4.1 Herausforderungen der Technik

4.2 Gesellschaftliche Herausforderungen

4.3 Anforderungen

Anhang

Glossar

Literatur & Links

Besprochene Websites

Sekundärliteratur

Bildnachweis

Index

Vorwort

Warum eine dritte Auflage? Ganz sicher deswegen, weil uns der Verlag mit großer Beharrlichkeit gebeten hat, das Buch zu aktualisieren. Was ja nur umgekehrt wieder zeigt, dass es immer noch eine Nachfrage und einen Orientierungsbedarf beim Thema Social Web gibt und eine neue Auflage rechtfertigt. Gerade für Menschen, die sich das Thema neu aneignen und die Debatten in den letzten zehn Jahren nicht verfolgen konnten, leistet dieses Überblicksbuch nach wie vor sehr gute Dienste.

Als das Buch 2008 zum ersten Mal erschien, dachten viele Rezensenten und auch wir, dass es sich inhaltlich schnell überholen würde. Und selbstverständlich gibt es heute für viele Themenfelder, die 2008 noch »neu« waren, weitergehende Erfahrungen und eingehendere Studien. Doch die Grundlinien haben sich bis heute nicht verändert.

Und so konnte »Social Web« trotz seiner begrenzten Auflage sogar zu einem kleinen Standardwerk werden. Uns freut es besonders, wenn Lehrerinnen und Lehrer, Schüler, aber auch der wissenschaftliche Nachwuchs auf unser Überblickswerk zurückgreifen, um ihre Hausarbeiten und Veranstaltungen zu gestalten. Das Buch hat aber auch jenseits der Bildungseinrichtungen ein Publikum gefunden. Das motiviert natürlich, das Buch noch einmal herauszubringen.

Wir haben das Buch noch einmal durchgesehen, fortgeschrieben und aktualisiert. Und auch wenn wir gerade in den Schlusskapiteln vieles gründlich überarbeitet und nachgezogen haben, waren wir doch überrascht, dass sich die wesentlichen technologischen und sozialen Konzepte des Social Webs kaum verändert haben. Es gibt nach wie vor fünf Medientypen (Blog, Wiki, Social Network, Social Sharing, Microblogging). Und auch die gesellschaftlichen Konfliktlinien und Fragestellungen haben sich im Kern nicht verändert: Das Social Web ist nach wie vor ein Leitmedium einer sich tiefgreifend verändernden Gesellschaft, das von politischen, sozialen und kulturellen Kämpfen durchzogen ist, auch wenn sich die Beteiligten dessen nicht bewusst sind.

Würde man das Buch heute komplett neu schreiben, gäbe es dennoch einige Akzentverschiebungen.

• Wenn das Social Web seine Möglichkeiten für eine offene Gesellschaft entfalten soll, ist der Blick stärker auf die Bedingungen einer kollaborativen Kultur zu richten, die immer noch aussteht. Die Formen der Zusammenarbeit und des Umgangs miteinander sind für das gemeinsame Erarbeiten und Verteilen von Wissen zentral und werden vielfach blockiert. Diesen Zusammenhang müssen wir besser verstehen lernen.

• Es wäre auch genauer nach den ökonomischen Bedingungen des Social Webs zu fragen. Gibt es so etwas wie eine Ökonomie des freien Wissens? Und wie würde sie aussehen? Wer hat Einfluss? Wer hat Zugriff? Die ökonomische Zukunft der digitalen Medien ist nicht nur ein Thema von Lobbyisten großer Player, sondern von Bedeutung für alle, die das Social Web als möglichst offenen medialen Raum erhalten wollen.

• Nach dem NSA-Schock steht das Thema Datenschutz und Bürgerrechte ganz oben auf der digitalen Agenda. Das Social Web und die privaten Daten sind dem Zugriff von Geheimdiensten und Konzernen maßgeblich ausgesetzt.

Wir werden diese Punkte vor allem im Ausblick ansprechen. Es sind Zukunftsfragen, die auch nicht in wenigen Jahren erledigt sind.

So liegt nun eine entsprechend aktualisierte Neuauflage vor. Wir möchten an dieser Stelle den Leserinnen und Lesern, aber auch den Rezensenten für ihr Feedback und ihre Unterstützung danken. Wir danken aber auch nicht zuletzt unserem Lektor Rüdiger Steiner bei der UVK Verlagsgesellschaft, der Geduld bewahrt und unser Buchprojekt zum Glück nicht aufgegeben hat.


Regensburg, April 2016 Anja Ebersbach, Markus Glaser, Richard Heigl

1 Einleitung
1.1 Perspektiven für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Social Web

Worum geht es im Social Web? Eigentlich nicht um die Technik. Sie ist nur Bedingung. Im Mittelpunkt stehen die medial vermittelten Kooperationsformen, die kollektive Meinungsbildung und der kulturelle Austausch sozialer Gruppen. Das Verhalten im Netz ist eine spezifische Form sozialen Verhaltens mit Zusammenschlüssen und Abgrenzungen. Deshalb kann eine sinnvolle Analyse des Social Webs eigentlich nur sozialwissenschaftlich sein. Und dazu gehören natürlich auch die Ebenen des Kulturellen und des Politischen. Diese drei Ebenen müssen zusammengedacht werden. Schließlich ist das Social Web eng mit allen gesellschaftlichen Bereichen verzahnt: Es greift in die Arbeits- und Lebensweisen von Menschen ein, es gibt klare ökonomische Interessen, politische und rechtliche Implikationen, Auswirkungen auf die Erschließung von Inhalten für Bildung und Wissenschaft. Das Öffentliche und das Private, Fragen des Eigentums müssen neu bestimmt werden. Ganz generell erweitert das Social Web Horizonte der Nutzer und grenzt sie gleichzeitig wieder ein. Es ist ein Unterhaltungsmedium, das Spaß bereitet. Auf der privaten Ebene lernt man Menschen und Sichtweisen kennen, erlebt Erfolge und Enttäuschungen – auch Bedrohungen. Man erfährt sich als Teilhabender an einem Medium. Für Jugendliche, aber auch Ältere ist das Social Web längst Teil ihrer Sozialisation und Teil ihres kulturellen Austauschs.

Dies alles unterstreicht, dass man sich dem Thema nur interdisziplinär nähern kann. Die Politologin, der Medienwissenschaftler oder der Sozialpsychologe sind hier verloren, wenn sie sich nur in den engen Grenzen ihrer Disziplinen bewegen. Die unendliche Vielfalt der Beziehungen von Individuen über das Internet lässt sich aber nur wissenschaftlich ordnen, wenn man eine konkrete, sinnvolle Fragestellung an den zu untersuchenden Gegenstand hat.

Wir wollen in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die moderne Wissenschaft im Zeitalter der Aufklärung mit dem Programm antrat, den Menschen als gesellschaftliches Wesen zum selbstkritischen Subjekt seiner Geschichte zu machen. Mit diesem Auftrag in der Tasche will sie auf das Bewusstsein der Menschen wirken und ihnen ihre emanzipatorischen Perspektiven aufzeigen. Das heißt konkret: Wie können Menschen über das Web ihre gesellschaftlichen Verhältnisse, ihre soziale Lage verändern oder auch nur besser erkennen? Was tun sie, bewusst oder unbewusst? Wo liegen Potenziale, wo Lernblockaden?

Das ist ein anderes Programm als das einer rein anwendungsorientierten Wissenschaft. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Medien wie dem Social Web kann und muss mehr sein als der Erwerb eines weiteren Passierscheins auf dem persönlichen Karriereweg, möglicherweise in ein Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, Communitys aufzubauen, um diese oder die gewonnenen privaten Profile zu vermarkten.

Eine in unserem Sinne gefasste Wissenschaft der Medien ist praxisorientiert, nicht nur, weil eine mediale Praxis ihren Gegenstand bildet, sondern weil sie diese Praxis analysiert und Theorien darüber ausarbeitet, die auf diese Praxis zurückwirken und sie verändern. Dies ist schon deshalb dringlich, weil der Umgang und die notwendigen Kulturtechniken für das Social Web erst noch von allen Beteiligten zu erlernen sind.

Das sind hochgesteckte Ziele für ein Themengebiet, für das wir eine erste Einführung mit Lehrbuchcharakter vorlegen. Entsprechend können wir vieles nur andeuten. Und es ist uns bewusst, dass dieser Versuch, das Social Web etwas systematischer zu erfassen, oft Wirklichkeitsebenen auseinanderreißt, die eigentlich zusammengehören. Aber sollte es Sie zum Weiterdenken und Weiterarbeiten anregen – und sei es nur aus Widerspruch –, so haben wir unser Ziel erreicht.

Eine Wissenschaft der Medien kann eine spannende, fundierte, aber auch notwendig kontroverse Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftlichen, dem »Sozialen«, in Gang setzen. Dazu muss sie ihren passiven Beobachterstandpunkt verlassen. Frei nach Brecht: Man kann die Welt nur erkennen, wenn man sie verändert.

1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt

Ab wann kann man eigentlich von einem »Social Web« sprechen? Die Begriffe »Social Software« und »Social Web« selbst gibt es erst seit vergleichsweise wenigen Jahren, aber die Entwicklung des Social Webs reicht bis in die Anfänge des Internets zurück.

Neue Perspektiven in der Internetgeschichte. Seit ein paar Jahren rücken die politischen Aspekte der Netzentwicklung in den Vordergrund. Wurde uns bislang die Geschichte des Internets oft nur als Geschichte technischer Entwicklungen und ihrer Erfinder präsentiert, so arbeitet beispielsweise Grasmuck (2002) in seiner Geschichte der freien Software den Kampf um Ordnungsmodelle und öffentliches Eigentum heraus. Der deutsche Wikipedia-Artikel zur Geschichte des Internets stellt den Konflikt zwischen basisorientierten Entwicklern und zentralistischen Tendenzen durch staatliche Kontrollorgane und Medienkonzerne dar (Wikipedia 2015)1.

 

Umkämpfter sozialer Raum. Die beiden genannten Artikel sind erste Versuche, die Entwicklung des Internets in seinen historisch-gesellschaftlichen Kontext zu stellen und das Netz als umkämpften sozialen Raum zu begreifen. Die wissenschaftliche Forschung steht hier aber immer noch völlig am Anfang. Die Hervorhebung bisher unberücksichtigter Akteure und ihrer Intentionen ist dabei immer in Gefahr, alte Mythen durch neue Mythen zu ersetzen. Die 1970er-Jahre gelten beispielsweise als »wilde Phase« mit einer »Tauschökonomie für Software und Information«, einer »graswurzelbasierten Selbstorganisation«, »emergierende[n] Communities« und einem »Hacker-Geist, der jede Schließung, jede Beschränkung des Zugangs und des freien Informationsflusses zu umgehen weiß« (vgl. Grasmuck 2002: 180). Dieser Idealzustand wurde dann, folgt man dem eben genannten Wikipedia-Artikel, durch staatliche Eingriffe und vor allem durch die Kommerzialisierung des Internets in den 1990er-Jahren zerstört.

Sehen wir uns diese Entwicklung etwas genauer an, auch wenn wir dazu nur wenige Einzelereignisse aus der Geschichte herausgreifen können.

1.2.1 Vernetzte Computer als Kommunikationsmedien

Großrechner als Kooperations- und Kommunikationsinstrumente. Der erste Schritt auf dem Weg zum Social Web war eine veränderte Sichtweise auf den Computer. Computer dienten in den 1950er-Jahren ausschließlich als Rechenmaschinen des Militärs und der Wirtschaft. Doch in den 1960er-Jahren wurden Computer zunehmend auch als Kommunikationsmedium verstanden. Dieser bedeutende Schritt wird mit dem Psychologieprofessor Joseph Carl Robnett Licklider in Verbindung gebracht. Licklider, ein Pionier der Internetentwicklung, arbeitete ab 1957 beim Rüstungslieferanten BBN und hatte dort Erfahrungen mit einem Time-Sharing-System, einem ersten Mehrbenutzersystem für Großrechneranlagen, gesammelt. Damit konnten mehrere Teilnehmer über Terminals gleichzeitig einen Großrechner bedienen. Licklider nahm den Teamgeist unter den Nutzern des ersten Time-Sharing-Systems wahr und wies auf die Gemeinschaftsphänomene hin, die zum Teil durch den gemeinsamen Zugriff auf die Ressourcen des Systems aufkamen (vgl. Grasmuck 2002: 181).


Abb. 1.1: Geschichte des Social Webs


Abb. 1.2: IBM-Großrechneranlage IBM 704

Erste Communities. Wir sehen, dass schon mit der ersten Zusammenarbeit mehrerer Menschen an einem Rechner jene Phänomene auftraten, die wir heute im World Wide Web mit seinen vielen Servern beobachten können. Die Computerpioniere der 1960er-Jahre bildeten die ersten Onlinegemeinschaften (»Communitys«). Ein Beispiel für eine Online-Community dieser Periode ist PLATO. Das PLATO-System war in den frühen 1960er-Jahren auf dem Urbana Campus der University of Illinois für ein computerbasiertes Lernen entwickelt worden. Aber viele Leute nutzten das System lieber als unkompliziertes Kommunikationssystem (vgl. Woolley 1994)2. Das zeigt, dass sich auch die Pioniere der ersten Periode die Computertechnologie spielerisch aneigneten.

E-Mail-Kommunikation. Die Erfindung der E-Mail 1965 unterstützte diesen Paradigmenwechsel. Die elektronische Post, ein asynchrones Kommunikationsmedium, war nicht nur viel schneller als die normale Post und billiger als ein Ferngespräch, in den E-Mails konnte man auch auf viele Formalitäten bei der Formulierung und bei der Gestaltung verzichten. Auch die ersten E-Mails wurden zunächst über Einzelrechner verschickt.

Erstes Computernetzwerk. Als erstes landesweites Computernetzwerk entstand das ARPANET. Mit diesem wurde ein dezentrales Netzwerk geschaffen, über das die unterschiedlichen US-amerikanischen Universitäten, die für das Verteidigungsministerium forschten, verbunden sein sollten. Das dezentrale Konzept des über Telefonleitungen verbundenen ARPANETs war revolutionär. Im Jahr 1969 konnten die ersten vier Knoten des ARPANETs in Betrieb gehen. Anfang 1975 verfügte es bereits über 61 Knoten.

Mailinglisten. Ende der 1970er-Jahre wurde dort die erste E-Mail-Diskussionsgruppe eingerichtet: die Liste SF-LOVERS war nicht zufälligerweise eine Science-Fiction-Liste. Mailinglisten wurden zusammen mit den Requests for Comments (RFC) zum wichtigsten Mittel der offenen Kooperation der technischen Community. RFCs dienten der Entwicklung von Standards im Internet: Die Vorschläge wurden zur Diskussion gestellt. Schließlich ging 1978 die erste Mailbox in Betrieb. Eine Mailbox, im englischen Sprachbereich auch als Bulletin Board System (BBS) bekannt, ist ein meist privat betriebenes Rechnersystem, das per DFÜ zur Kommunikation und zum Datenaustausch genutzt werden kann.