Methodik der Aktivierungstherapie

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Aus der Reihe: Aktivierungstherapie
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Hedy Holliger, Barbara Krebs-Weyrich, Mirjam Müller und Anita Portmann

Methodik der Aktivierungstherapie

Einzel- und gruppentherapeutisches Arbeiten Schritt für Schritt

ISBN Print: 978-3-0355-0136-0

ISBN E-Book: 978-3-0355-0214-5

1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.ch

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Das Berufsverständnis der Aktivierungsfachperson

Das Berufsprofil der Aktivierungsfachperson

Aufgaben der Aktivierungsfachperson im Bereich Aktivierung

Die Handlungskompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

– Fachkompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

– Methodenkompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

– Sozialkompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

– Selbstkompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

Grundlagen, Konzepte, Modelle und Theorien in der Aktivierungstherapie

Ganzheitliches Gesundheitsverständnis

– Vier Dimensionen der Gesundheit

– Salutogenese

Therapeutische Haltung und Beziehungsgestaltung

– Empathie, das einfühlende Verstehen

– Wertschätzung, Anerkennung, Vertrauen

– Kongruenz, Echtheit

Biografie

– Biografieorientiertes Arbeiten

– Biografiearbeit

Mittel der Aktivierungstherapie

– Kreativität als wichtiges Element beim Einsatz verschiedener Mittel

– Gestalten

– Bewegung

– Spiel

– Musik

– Gedächtnistraining

Grundlagen der Kommunikation

– 1. Man kann nicht nicht kommunizieren

– 2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt

– 3. Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung

– 4. Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten

– 5. Kommunikationsabläufe sind symmetrisch oder komplementär

– Das Kommunikationsquadrat – Anatomie einer Nachricht

– Ausdrucksformen – Elemente der Kommunikation

– Aktiv zuhören

Lösungsorientierung

Interprofessionelle Zusammenarbeit

Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung

Das aktivierungstherapeutische Arbeiten – ein Überblick

Der aktivierungstherapeutische Regelkreis im institutionellen Kontext

Das aktivierungstherapeutische Vorgehen

Ausgangslage, Indikation

Erster methodischer Schritt: Analyse der Situation

Die Informationssammlung

Der Zusammenzug

Die Schlussfolgerungen

Zweiter methodischer Schritt: Zielsetzung

Das Modell der Aktivierungstherapie

Das aktivierungstherapeutische Prozessziel

Überprüfbarkeit

Phasenziele

Die Stundenziele

Dritter methodischer Schritt: Planung

Mittel in der Aktivierungstherapie

Thema in der Aktivierungstherapie

Tätigkeit in der Aktivierungstherapie

Der aktivierungstherapeutische Prozess in drei Phasen

Die Prozessdauer

– Die Prozessphasen

Die Standortbestimmungen

Vierter methodischer Schritt: Durchführung

Die Planung der Therapiestunde

Themenzentrierte Interaktion (TZI) nach Cohn

Der Ablauf der Therapiestunde

Das Leitungs- und Führungsverständnis in der Aktivierungstherapie

Die Reflexion der Therapiestunde

Fünfter methodischer Schritt: Evaluation

Das aktivierungstherapeutische Arbeiten – ganz konkret

Aktivierungstherapeutischer Prozess mit einer Einzelperson

Ausgangslage, Indikation

Erster methodischer Schritt: Analyse der Situation

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 1: Analyse der Situation einer Einzelperson

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 1: Analyse der Situation einer Einzelperson

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 1: Analyse der Situation einer Einzelperson

Zweiter methodischer Schritt: Zielsetzung

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 2: Zielschwerpunkte und Zielausrichtung

 

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 2: Zielschwerpunkte und Zielausrichtung

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 3: Ziele im aktivierungstherapeutischen Prozess

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 3: Ziele im aktivierungstherapeutischen Prozess

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 2: Zielschwerpunkte und Zielausrichtung

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 3: Ziele im aktivierungstherapeutischen Prozess

Dritter methodischer Schritt: Planung

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 4: Therapieplanung

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 4: Therapieplanung

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 4: Therapieplanung

Vierter methodischer Schritt: Durchführung

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 5: Stundenplanung

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 5: Stundenplanung

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 5: Stundenplanung

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 6: Stundenreflexion

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 6: Stundenreflexion

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 6: Stundenreflexion

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 7: Standortbestimmung

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 7: Standortbestimmung

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 7: Standortbestimmung

Fünfter methodischer Schritt: Evaluation

– Arbeitsinstrument Einzeltherapie 8: Evaluation

– Hilfsunterlage Einzeltherapie 8: Evaluation

– Praxisbeispiel Einzeltherapie 8: Evaluation

Aktivierungstherapeutischer Prozess mit einer Gruppe

Ausgangslage, Indikation

Erster methodischer Schritt: Analyse der Situation

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 1: Analyse der Situation einer Einzelperson

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 1.1: Gruppendynamik

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 1.1: Gruppendynamik

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 1.1: Gruppendynamik

Zweiter methodischer Schritt: Zielsetzung

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 2: Zielschwerpunkte und Zielausrichtung

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 2: Zielschwerpunkte und Zielausrichtung

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 3: Ziele im aktivierungstherapeutischen Prozess

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 3: Ziele im aktivierungstherapeutischen Prozess

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 2: Zielschwerpunkte und Zielausrichtung

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 3: Ziele im aktivierungstherapeutischen Prozess

Dritter methodischer Schritt: Planung

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 4: Therapieplanung

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 4: Therapieplanung

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 4: Therapieplanung

Vierter methodischer Schritt: Durchführung

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 5: Stundenplanung

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 5: Stundenplanung

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 5: Stundenplanung

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 6: Stundenreflexion

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 6: Stundenreflexion

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 6: Stundenreflexion

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 7: Standortbestimmung

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 7: Standortbestimmung

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 7: Standortbestimmung

Fünfter methodischer Schritt: Evaluation

– Arbeitsinstrument Gruppentherapie 8: Evaluation

– Hilfsunterlage Gruppentherapie 8: Evaluation

– Praxisbeispiel Gruppentherapie 8: Evaluation

Die Vielfalt der aktivierungstherapeutischen Intervention – ein Ausblick

Veränderungen und Entwicklungen im Gesundheitswesen

Bezug zur aktivierungstherapeutischen Intervention

Literaturverzeichnis

Vorwort

Das Lehrmittel «Methodik der Aktivierungstherapie – Einzel- und gruppentherapeutisches Arbeiten Schritt für Schritt» vermittelt wichtige Kenntnisse, die für die Arbeit einer diplomierten Aktivierungsfachperson erforderlich sind. Das Buch erfüllt aber nicht nur die Funktion eines Lehrmittels, es soll auch für die Arbeit der diplomierten Aktivierungsfachpersonen Verständnis schaffen und die Vereinheitlichung der Methodik in der Ausbildung an der höheren Fachschule garantieren – und somit Transparenz gegenüber anderen Fachpersonen und Interessierten ermöglichen.

Das Lehrmittel eignet sich für den Einsatz in der Ausbildung zur diplomierten Aktivierungsfachperson an höheren Fachschulen. Es behandelt ausgewählte Theorien und praktische Kompetenzen, die während der dreijährigen Ausbildung vermittelt werden. Die Anforderungen des Rahmenlehrplans zur Ausbildung 2008 werden damit vollumfänglich erfüllt. Das Lehrmittel richtet sich zudem an interessierte Personen, die mehr darüber erfahren möchten, wie eine diplomierte Aktivierungsfachperson bei ihrer einzel- oder gruppentherapeutischen Arbeit vorgeht und auf welche theoretischen Hintergründe sie sich dabei stützt.

Das Lehrmittel ist in zwei grössere Teile gegliedert. Zuerst werden die theoretischen Grundlagen, auf welchen die Methodik des einzel- und gruppentherapeutischen Arbeitens aufbaut, kurz und prägnant vorgestellt. Dieser Teil soll dazu beitragen, dass die Lernenden die Methodik der Aktivierungstherapie leichter verstehen und nachvollziehen können, er soll ihnen gleichzeitig Argumente vermitteln, wie sie ihre alltägliche Arbeit gegenüber Fachpersonen anderer Disziplinen oder Angehörigen begründen. Der zweite Teil beschreibt die einzelnen Schritte der Einzel- als auch der Gruppentherapie im Detail. Dabei werden die Gemeinsamkeiten der beiden therapeutischen Herangehensweisen sowie die jeweiligen Besonderheiten verdeutlicht. Beide Teile können unabhängig voneinander gelesen werden. Dabei ersetzt das Methodiklehrmittel nicht die sorgfältige und intensive Vermittlung und Auseinandersetzung im Unterricht, sondern ist als optimale Ergänzung zum Lernen und zur Vertiefung gedacht.

Ein besonderes Merkmal des Lehrmittels bilden die Praxisbeispiele, welche die vermittelte Theorie an konkreten Situationen aus der Praxis veranschaulichen, damit die Theorie besser in den Berufsalltag transferiert und nachvollzogen werden kann.

Im Zusammenhang mit der Anerkennung der Ausbildung durch den Bund (damals noch durch das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, BBT, heute Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, SBFI) wurde das bisher zum internen Gebrauch am medi Bern verwendete Lehrmittel vollständig überarbeitet und mit den theoretischen Grundlagen, Ausgangslagen und Indikationen für einen aktivierungstherapeutischen Prozess und Praxisbeispielen ergänzt. Dabei wurden Rückmeldungen von Studierenden und Dozierenden, aber auch von Personen aus anderen Ausbildungsstätten berücksichtigt. So ist ein optimaler und erfolgreicher Einsatz des Lehrmittels gewährleistet.

Wir danken all jenen, die mit ihren wertvollen Anregungen zum Gelingen beigetragen haben. Besonders danken wir Serena Failla vom hep verlag für ihre geduldige und wertvolle Begleitung des Projektes, Silvia Angst vom Zentrum für Gerontologie, Zürich und Peter Brand vom medi, Zentrum für medizinische Bildung, Bern, für die kritische Überprüfung der Inhalte, der Bildungsgangsleiterin und dem Bildungsleiter der beiden anderen Schulen, Erika Bugmann vom Zentrum für Ausbildung im Gesundheitswesen Kanton Zürich (ZAG) und Piercarlo Gaia von der Scuola superiore medico-tecnica (SSMT) in Lugano, für ihre Rückmeldungen zum Abgleich der Bildungsprogramme, Regina Marti, Studierende am medi, für die Zurverfügungstellung der Praxisbeispiele, Corinne Kappeler und Andrea Wülser, den beiden Studierenden am medi, welche die Anwendbarkeit des Lehrmittels in der Ausbildung überprüft haben, Barbara Bosshard, Leiterin Aktivierung Stiftung Diaconis, und Regula Schmitt-Manhart, Dr. med., für ihre Fachmeinungen und schliesslich Yolanda Kopp Viglino für die sorgfältigen Korrekturarbeiten.

Myriam Dellenbach

Bildungsgangleiterin, medi Aktivierung

Das Berufsverständnis der Aktivierungsfachperson

Im ersten Teil des Lehrmittels werden zentrale theoretische Inhalte behandelt, welche die Basis für die Praxis bzw. die Methodik der Aktivierungstherapie bilden. Mit diesem Grundverständnis ist es möglich, die Methodik und die Einbettung der Aktivierungstherapie im institutionellen Kontext in seiner Komplexität zu verstehen. Die Bearbeitung und Vertiefung dieser theoretischen Inhalte findet im Unterricht statt.

 

Das Berufsprofil der Aktivierungsfachperson

Die Arbeitsorte der Aktivierungsfachperson sind Alters- und Pflegeheime, Pflegezentren, Tagesheime, Geriatrieabteilungen in Spitälern, psychiatrische Kliniken, Behindertenwohnheime und Spezialkliniken. Die Aktivierungsfachperson ist dafür verantwortlich, dass in den Institutionen Lebensräume geschaffen werden, in denen die Klientinnen und Klienten selbstbestimmt ihren Alltag gestalten können. Sie übernimmt die Fach- und Führungsverantwortung für den gesamten Bereich Aktivierung. Alle Klientinnen und Klienten sollen eine angemessene und ihren Bedürfnissen entsprechende Pflege, Betreuung und Aktivierung erhalten.

Was ist nun professionelle Aktivierung? Zur Aufklärung ein Beispiel. Die Aktivierungsfachperson betritt den Wohnbereich einer Abteilung. Drei Klientinnen und zwei Klienten sitzen in sich versunken an einem Tisch. Stille, Bewegungslosigkeit – keine Reaktion auf das fröhliche «Guten Morgen». Ein ganz normaler Tag? Ein ungewöhnlicher Tag? Diese Situation könnte als ein Bild von Rückzug und Verlust verstanden werden. Die Aktvierungsfachperson versteht die Aktivität einer Person jedoch immer im Kontext ihrer Bedürfnisse sowie im Verständnis, dass «aktiv sein» nicht nur eine nach aussen gerichtete Handlung ist, sondern auch als innerer Prozess verstanden werden muss. Dies kann zum Beispiel eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem eigenen gelebten Leben sein. In diesem Verständnis begegnet die Aktivierungsfachperson den Klientinnen und Klienten. Getragen von einer vertrauensvollen Beziehungsgestaltung orientiert sie sich an deren Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten sowie an den Zielen einer umfassenden Gesundheitsförderung. Die therapeutische Arbeit beinhaltet gezielte Anreize, Impulse und Methoden, die zur Stärkung der sozial-kommunikativen, körperlichen, existenziellen (spirituellen) und seelisch-geistigen Ressourcen der Klientin oder des Klienten führen. Dabei stehen die Entfaltung der Potenziale, die Förderung eigener Entscheidungen sowie die Selbstwirksamkeit der Klientinnen und Klienten im Vordergrund. Die Lebensgeschichte jedes Menschen ist so einmalig wie die sich daraus ergebenden Herausforderungen. Das Zusammenspiel verschiedener fördernder und hemmender Faktoren prägt die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten (Zentrum für medizinische Bildung, 2011).

Der Bereich Aktivierung wird in die aktivierende Alltagsgestaltung (AA) und die Aktivierungstherapie (AT) eingeteilt. Aktivierung kann somit allgemein oder spezifisch therapeutisch geschehen (Rahmenlehrplan, 2008).

Die aktivierende Alltagsgestaltung (AA) bietet gesellschaftliche Kontakte und kulturelle Aktivitäten sowie Anlässe an. Sie besteht aus aktivierenden und den Alltag strukturierenden Angeboten und Aktivitäten. Dabei kann es sich um alltagspraktische Tätigkeiten handeln, zum Beispiel Haushaltsarbeit, Blumenpflege oder Tierbetreuung. Es geht also um bedarfs- und bedürfnisgerechte Angebote für Einzelpersonen und Gruppen. Im Gegensatz zum therapeutischen Arbeiten kann die aktivierende Alltagsgestaltung spontan oder als geplantes Angebot durchgeführt werden. Dadurch sollen Kontakte und Gemeinschaftserlebnisse ermöglicht werden. Die AA richtet sich an alle Klientinnen und Klienten mit dem Ziel, sie in ihrem Alltag zu unterstützen und diesen durch Abwechslung, Freude und Spass zu bereichern.

Aktivierende Alltagsgestaltung ist im Leistungsprofil der Institution verankert. Bei der Konzept-, Projekt- und Angebotsplanung werden die institutionellen Rahmenbedingungen berücksichtigt (Rahmenlehrplan, 2008).

Die Aktivierungstherapie (AT) richtet sich an Klientinnen und Klienten mit eingeschränkten Ressourcen und Kompetenzen. Ziel ist, dass sie ihre Lebenssituation besser gestalten und bewältigen können. Die aktivierungstherapeutische Intervention ist ein indiziertes, ziel-, ressourcen- und prozessorientiertes Vorgehen, das über einen längeren Zeitraum geplant, kontinuierlich durchgeführt, reflektiert und evaluiert wird. Im Fokus steht dabei die Erhaltung der Eigenständigkeit und der Selbstbestimmung. Beides wird durch den Einbezug der vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen unterstützt und gestärkt. Dazu werden die sozial-kommunikativen, körperlichen, existenziellen (spirituellen) und seelisch-geistigen Dimensionen einbezogen.

Die Aktivierungstherapie ist ein unentbehrlicher, sinnvoller und gewinnbringender Teil einer ganzheitlichen Begleitung und Betreuung. Wichtig ist dabei die interprofessionelle Zusammenarbeit, damit eine optimale Pflege und Betreuung gewährleistet werden kann. So können einerseits alle Informationen für die aktivierungstherapeutische Arbeit genutzt und die Klientinnen und Klienten ganzheitlich erfasst werden. Anderseits fliessen die Erkenntnisse der Aktivierungstherapie in die aktivierende Alltagsgestaltung und in andere Bereiche ein, insbesondere Pflege und Betreuung.

Tabelle 1 stellt die beiden Teilbereiche einander gegenüber.

Tabelle 1: Gegenüberstellung aktivierende Alltagsgestaltung und Aktivierungstherapie


Bereich Aktivierung
Aktivierende Alltagsgestaltung (AA) Die aktivierende Alltagsgestaltung besteht aus aktivierenden und den Alltag strukturierenden Angeboten und Aktivitäten. Aktivierungstherapie (AT) Die Aktivierungstherapie besteht aus spezifischen therapeutischen Interventionen.
Ausführung: Die aktivierende Alltagsgestaltung wird von verschiedenen Berufsgruppen ausgeführt, z. B. von Mitarbeitenden der Aktivierung, vom Pflege- und Betreuungspersonal. Ausführung: Die Aktivierungstherapie wird von diplomierten Aktivierungsfachpersonen ausgeführt. Sie erfordert den professionellen Einsatz von aktivierungstherapeutischen Methoden.
Umsetzung: Die aktivierende Alltagsgestaltung ist von den Rahmenbedingungen der Institution und den kollektiven Bedürfnissen der Klientinnen/Klienten geprägt. Umsetzung: Die Aktivierungstherapie ist von den Rahmenbedingungen der Institution geprägt. Leitend für einen aktivierungstherapeutischen Prozess ist eine spezifische Indikation.
Zielsetzung: Die Ziele der aktivierenden Alltagsgestaltung sind allgemein auf die gesamte Gruppe bezogen. Zielsetzung: Die Ziele der Aktivierungstherapie sind spezifisch auf die Indikation der einzelnen Klientinnen und Klienten abgestimmt.
Die aktivierende Alltagsgestaltung ermöglicht ■ Tagesstruktur, ■ Gemeinschaft und Kontakt, ■ Freude und Spass, ■ körperliche und geistige Bewegung. Die Aktivierungstherapie ermöglicht ■ gezielte Unterstützung und Förderung der sozialen, körperlichen, seelisch-geistigen und existenziellen (spirituellen) Dimension, ■ die Nutzung und Entwicklung der individuellen Kompetenzen, ■ Partizipation, ■ Selbstwirksamkeit.
Vorgehen: Die aktivierende Alltagsgestaltung wird mit Einzelpersonen oder Gruppen spontan oder geplant und einmalig oder regelmässig durchgeführt. Vorgehen: Die Aktivierungstherapie wird mit Einzelpersonen oder in Kleingruppen (4–8 Personen) gezielt über einen längeren Zeitraum geplant, strukturiert und prozessorientiert durchgeführt.
Ort: Die aktivierende Alltagsgestaltung findet vorwiegend in den Wohngruppen und in öffentlich zugänglichen Räumen oder auf der Station statt. Ort: Die Aktivierungstherapie findet vorwiegend in geschütztem und ungestörtem Rahmen statt, damit die Intimsphäre der Klientinnen und Klienten gewährleistet wird.
Ergebnis: Die aktivierende Alltagsgestaltung unterstützt die Klientinnen und Klienten im täglichen Leben. Ergebnis: Die Aktivierungstherapie unterstützt die Klientinnen und Klienten in der Gestaltung und Bewältigung ihrer Lebenssituation.
Mittel:* z. B. Musik, Bewegung, Spiel, Sprache, Gestalten.

* Im Bereich der Aktivierung können in der Alltagsgestaltung wie auch in der Aktivierungstherapie die gleichen Mittel verwendet werden. Ein Mittel kommt therapeutisch zum Einsatz, wenn es ziel- und prozessorientiert den Bedürfnissen und Ressourcen der Klientin/des Klienten entsprechend umgesetzt wird. Quelle: Rahmenlehrplan (2008)

Merke

Der Bereich Aktivierung wird in die aktivierende Alltagsgestaltung und die Aktivierungstherapie unterteilt. Die Aktivierungsfachperson hat die Fach- und Führungsverantwortung für den gesamten Bereich.

Der Bereich Aktivierung ist ein zentraler und gewinnbringender Teil einer ganzheitlichen Pflege, Begleitung und Betreuung der Klientinnen und Klienten. Dabei ist die interprofessionelle Zusammenarbeit ein wesentlicher Faktor.

Aufgaben der Aktivierungsfachperson im Bereich Aktivierung

Die Aktivierungsfachperson ist entsprechend den institutionellen Rahmenbedingungen und der Institutionskultur für die Gesamtkonzeption des Bereiches Aktivierung und für die professionelle Durchführung und Evaluation der Angebote zuständig.

Tabelle 2 gibt Aufschluss darüber, welche Aufgaben einer Aktivierungsfachperson zufallen.

Tabelle 2: Aufgaben der Aktivierungsfachperson im Bereich Aktivierung

Führen und Leiten des Bereichs Aktivierung

■ Verantwortung für die Gesamtkonzeption des Bereichs Aktivierung

■ Planen und Gestalten von Tages-, Wochen- und Jahresangeboten

■ Vernetzung und Koordination mit anderen Berufsgruppen (interprofessionelle Zusammenarbeit)

■ Führen von Mitarbeitenden

■ Planung, Betreuung und Begleitung von freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

■ Bewirtschaftung von Infrastruktur und Material

■ Qualitätssicherung

Aktivierende Alltagsgestaltung

■ Angebote in der Alltagsgestaltung konzipieren, planen, durchführen und evaluieren

■ Kulturelle Anlässe und Feste organisieren, durchführen und evaluieren

Aktivierungstherapeutisches Arbeiten

■ Aktivierungstherapien für Einzelne und Gruppen planen, durchführen und evaluieren

■ Therapeutisch wirksame Kurzinterventionen in verschiedenen Situationen durchführen

Interprofessionelle Zusammenarbeit

Mitwirkung

■ bei der Gestaltung einer klientengerechten Wohnsituation

■ beim Heimeintritt einer Klientin, eines Klienten

■ bei der Angehörigenarbeit

■ in interprofessionellen Arbeitsgruppen: z. B. Palliative Care, Biografiearbeit usw.

■ in Qualitätszirkel, zur Überprüfung der Qualität

■ bei der Öffentlichkeitsarbeit z. B. Ressortverantwortung Rahmenprogramm (Unterhaltung)

■ verantwortlich bei der Anleitung und Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Bereich Pflege und Betreuung in der Alltagsgestaltung

Lernbegleitung

■ Praxisverantwortung bei der Ausbildung von Studierenden zu Aktivierungsfachpersonen HF

■ Begleitung von Lernenden (z. B. FaGe/FaBe) im Bereich Alltagsgestaltung

■ Betreuung von Praktikantinnen/Praktikanten in der Aktivierung

Quelle: Rahmenlehrplan (2008)

Die Handlungskompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

In Abbildung 1 sind die Modelle, Konzepte und Theorien, die während der Ausbildung unterrichtet werden, den vier Kompetenzbereichen Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz zugeordnet. Die Aufzählung der speziellen Grundlagen, Modelle usw. ist keineswegs vollständig. Ausserdem können sich die Bereiche überschneiden, einzelne Grundlagen, Modelle, Konzepte und Theorien kommen deshalb in mehreren Kompetenzbereichen vor.

Abbildung 1: Die Handlungskompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten in der Übersicht


* Es ist lediglich eine Auswahl häufig verwendeter Modelle und Konzepte aufgeführt; die Aufzählungen sind nicht abschliessend. Quellen: Zentrum für medizinische Bildung (2011), S. 38; Maurer & Gurzeler (2012), S.114–117.

Aus Abbildung 1, aus dem Berufsprofil und der Gegenüberstellung der aktivierenden Alltagsgestaltung und der Aktivierungstherapie (vgl. Tabelle 1 auf Seite 13) wird ersichtlich, dass das aktivierungstherapeutische Arbeiten besondere Kompetenzen voraussetzt.

Der Begriff «Kompetenz» wird nach Maurer und Gurzeler (2012, S. 114) wie folgt definiert: «Kompetenzen sind Fertigkeiten, Fähigkeiten, Eigenschaften oder Haltungen, die es ermöglichen, Anforderungen in komplexen Situationen erfolgreich und effizient zu bewältigen. Darunter versteht man in erster Linie nicht konkrete Verhaltensweisen (z. B. rechnen oder sprechen), sondern die Fähigkeit, verfügbare Ressourcen oder Potenziale (z. B. logisches Denken, Wissen, beurteilen, selbstständig handeln usw.) zu einem gesteckten Ziel zu führen. Eine Person ist also kompetent (bezogen auf einen gewissen Bereich), wenn sie Potenziale kreativ und funktional miteinander kombinieren kann.»

Während der HF-Ausbildung zum Aktivierungsfachmann bzw. zur Aktivierungsfachfrau wird die Handlungskompetenz in den Lernbereichen Schule und Praxis gefördert, gestärkt und vertieft. Die Handlungskompetenz setzt sich aus den vier Kompetenzen zusammen: Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

Fachkompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

Fachkompetenz umfasst die Fähigkeiten und Fertigkeiten, das Erfahrungs- und Fachwissen gezielt bei der aktivierungstherapeutischen Arbeit einzusetzen. Das Erfahrungswissen kann nur in der praktischen Arbeit angeeignet und vertieft werden. Fachkompetenz heisst, adäquat handeln zu können und die passenden Methoden und Konzepte anzuwenden. Die Fachkompetenz bezieht sich auf die folgenden Konzepte, Modelle und Theorien:

■ Berufsprofil, Berufsidentität: fachlich kompetent auftreten, das Berufsprofil und dessen Kompetenzen kennen, den Beruf vertreten können;

■ Biografiearbeit und Gesellschaftsbiografie: das Verhalten der Klientinnen und Klienten verstehen, in einen Zusammenhang bringen und dabei deren Ressourcen einbeziehen;

■ Salutogenese, Gesundheitsverständnis: Klientinnen und Klienten bessere Gestaltungs- und Bewältigungsmöglichkeiten in ihrer aktuellen Lebenssituation bieten;

■ Lösungsorientierung: sich bei der therapeutischen Arbeit an Lösungen orientieren, um den Prozess der Klientin und des Klienten bei der Lösungsfindung zu unterstützen;

■ Grundlagenwissen:

– Geriatrie,

– Gerontologie,

– Medizin,

– Physiologie,

– Psychiatrie,

– Sonderagogik,

– Sozialpsychologie.

Dieses Grundlagenwissen ist die Voraussetzung für aktivierungstherapeutisches Arbeiten und fachlich kompetentes Handeln. Die Aktivierungsfachperson ist in der Lage, komplexe Situationen der Klientinnen und Klienten zu analysieren und ihr Verhalten zu verstehen (z. B. die Auswirkungen der Multimorbidität). Somit kann sie Unter- oder Überforderungen vermeiden.

■ Qualitätssicherung: durch das professionelle, fachkompetente und dokumentierte aktivierungstherapeutische Arbeiten, das Vorgehen, den Verlauf des therapeutischen Prozesses, die Zielerreichung und die eigene Leistung aufzeigen.

Methodenkompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten

Methodenkompetenz umfasst die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die aktivierungstherapeutischen Fachkenntnisse umzusetzen. Sie setzt die Beherrschung und Anwendung verschiedenster Arbeitsmethoden voraus.

Die Methodenkompetenz bezieht sich auf die folgenden Grundlagen, Modelle, Konzepte und Theorien:

■ Methodik der Aktivierungstherapie: die Situation der Klientin, des Klienten durch prozessorientiertes Vorgehen ganzheitlich betrachten und geeignete Methoden und Massnahmen ausführen;

■ Vier Dimensionen der Gesundheit: das sozial-kommunikative, das körperliche, das existenzielle (spirituelle) und das seelisch-geistige Wohlbefinden gezielt unterstützen;

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