Star Force - Rebellen des Mars

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Star Force - Rebellen des Mars
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Alfred Bekker

Star Force - Rebellen des Mars

Star Force 1-4 in einem Band

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

STAR FORCE – Rebellen des Mars

1

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2

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Zweiter Teil

3

3A

3B

3c

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4

5

6

Impressum neobooks

STAR FORCE – Rebellen des Mars

von Alfred Bekker

Der Inhalt dieses E-Books entspricht den separat erschienenen Titeln STAR FORCE 1-4.

© Alfred Bekker

© 2012 der Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

1

Der Mars tauchte als große, rötlich schimmernde Kugel vor dem Sichtfenster der ARMSTRONG auf. Wie eine Orange mit ein paar Schimmelstellen, ging es Jeff Larson durch den Kopf. Jeff Larson, sechsundvierzig Jahre alt und Sergeant der Star Force der Westunion (WU) blickte hinaus und kniff dabei die Augen etwas zusammen.

Für Kanäle hatte man die überraschend regelmäßig wirkenden Linien gehalten, die von der Erde aus auf der Marsoberfläche zu erkennen waren. Aber diese Formationen waren ebensowenig künstlichen Ursprungs wie die außerirdischen Gesichter, die die Ufo-Gläubigen des 20. Jahrhunderts auf Oberflächenfotos der Mars-Sonden zu erkennen vermeint hatten. Die angeblichen Riesenstatuen waren nichts weiter gewesen, als ein gestaltpsychologisch erklärbarer Irrtum des menschlichen Gehirns, das im Chaos des Universums um jeden Preis Vertrautes wiederzuerkennen versuchte.

Doch vor einigen Wochen war genau das geschehen, wovon die Ufo-Jünger alter Zeit immer geträumt hatten.

Menschen waren auf ein nach einem Raumkampf auf dem Mars havariertes Schiff einer außerirdischen Lebensform getroffen.

Doch seitdem hatten sich die an dieser Mission beteiligten Männer um Star Force Commander John Darran nicht mehr gemeldet. Mochte der Teufel wissen, worin der Grund dafür lag.

Vielleicht existierten sie gar nicht mehr.

Es hatte Anzeichen für Kampfhandlungen gegeben.

Möglicherweise waren Darran und seine Männer einfach der vermutlich überlegenen Waffentechnik der Fremden zum Opfer gefallen.

Oder aber Darran und seine Männer hatten andere Gründe sich nicht mehr zu melden.

Gründe, über die man nur spekulieren konnte.

Jedenfalls hatte Robert Berringer, der Präsident der Westunion, entschieden, eine zweite Star Ship-Flotte loszuschicken, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Sechs Wochen hatte die Reise zum Mars gedauert.

Das Star Ship ARMSTRONG und ihre drei baugleichen Schwesterschiffe ALDRIN, COLLINS und SHEPHARD (alle nach Astronauten aus der Frühzeit der Raumfahrt benannt) waren mit ihrem heiklen Auftrag Richtung roter Planet geschickt worden.

Und Larson gefiel dieser Auftrag nicht...

"Träumen Sie, Sergeant?" fragte Commander Pat Gonzalez, der an Bord der ARMSTRONG die Befehlsgewalt innehatte. Pat Gonzalez war jünger als Larson. Fast zehn Jahre jünger. Aber irgendwie hatte er es geschafft, auf der Karriereleiter in der Star Force schneller hinaufzukommen als Larson.

Muß wohl daran liegen, daß er einfach stromlinienförmiger ist als einer wie ich! ging es Larson durch den Kopf. Und mit dieser Vorraussetzung hatte man natürlich in einer auf Befehl und Gehorsam basierenden militärischen Organisation wie der Star Force bessere Karten.

Gonzalez grinste, während er schwerelos durch die Kommandozentrale schwebte und sich dann an einem der Haltegriffe festhielt.

"Waren Sie nicht schon oft genug hier draußen, um vom Anblick des Mars nicht gleich eine Art Hypnose-Schock zu bekommen." Er lachte heiser.

Larson nickte. "Ich war oft hier draußen", bestätigte er. "Aber nach meinem Geschmack immer noch nicht oft genug."

"Ach, nein?"

"Es ist immer wieder auf's Neue faszinierend. Und wegen dieser Faszination bin ich zur Star Force gegangen..."

Gonzalez zuckte die Achseln.

"Wir werden hier einen knochentrockenen Job zu erledigen haben", erklärte er. "Ich hoffe, Ihre Gedanken sind dann da, wo sie sein sollten."

"Keine Sorge, Sir."

Der Kommandant der ARMSTRONG wandte sich an Lieutenant Celine Durant, die Funkerin. "Gibt es inzwischen irgend eine Reaktion auf unsere Signale, Lieutenant?"

"Nein, Sir, keinerlei Antwort."

"Verdammt, was denkt dieser Darran sich..."

"Sie gehen davon aus, daß er noch denken kann, Sir", mischte sich Larson ein.

"Um Ihre Meinung habe ich nicht gebeten, Sergeant Larson", erwiderte der Kommandant der ARMSTRONG eisig. Er wirkte angespannt. Die ganze Sache ging ihm ziemlich auf die Nerven.

Larson musterte seinen Vorgesetzten einige Augenblicke lang nachdenklich. Der Commander hatte dunkle Ringe unter den Augen.

Das ist der Unterschied zwischen uns beiden, überlegte Lieutenant Jeff Larson dann. Gonzalez fühlt sich genauso unwohl in seiner Haut wie ich - aber er würde das niemals zugeben, weil es einfach nicht zu seiner Vorstellung davon gehört, wie ein Commander zu sein hat.

"Eine Meldung des HQ", sagte jetzt Lieutenant Celine Durant und wandte dabei den Kopf. Sie trug ein Head-Set, dessen Bügel gleichzeitig verhinderte, daß ihre Haare in der Schwerelosigkeit buchstäblich zu Berge standen.

Gonzalez' Gesicht wirkte konzentriert. Ein Muskel zuckte unkontrolliert. Die Nasenflügel blähten sich leicht. Die Lippen bildeten einen dünnen Strich.

"Und?" fragte der Commander der ARMSTRONG

Celine Durant lächelte. "Im Orbit bleiben und auf Befehle warten."

"Na, so etwas habe ich gerne!"

"Tut mir leid, Sir, daß ich Ihnen keine besseren Nachrichten übermitteln kann..."

"Ist ja nicht Ihre Schuld, Lieutenant. Außerdem weiß man im Voraus nie, was sich am Ende als das ''Bessere' herausstellt."

"Sie sagen es..."

"Trotzdem, mir gefällt das nicht... Verdammt, warum kann sich da unten auf dem

blauen Planeten keiner zu einer eindeutigen Entscheidung durchringen?"

"Sie können ja mal nachfragen, Sir!" sagte Celine Pioncheval.

Eine Bemerkung, die locker dahergesagt klingen sollte, aber genau den gegenteiligen Eindruck vermittelte.

Auf Befehle warten, echote es in Larsons Hirn. Die Befehle, auf die sie warten sollten, konnten unter Umständen bedeuten, auf die eigenen Leute zu schießen... Jedenfalls galt das für den Fall, daß Darran und seine Leute nicht umgekommen oder gefangengenommen waren, sondern schlicht und ergreifend eine Meuterei angezettelt hatten. Dann gab es verschiedene Optionen. Entweder Darran und seine Leute vom Weltraum aus vernichten oder hinunter auf die Planetenoberfläche gehen, um den Job dort zu erledigen.

Verdammt, ich bin nicht zur Star Force gegangen, um mich für so etwas herzugeben! wurde Larson in diesem Augenblick bewusst. Aber jetzt war er hier, hunderttausende Kilometer von der Erde entfernt, an Bord eines Raumschiffs, das einen Auftrag hatte, von dem der Sergeant alles andere als überzeugt war. In der Klemme, dachte Larson. So nennt man das wohl.

*

Vor unendlich langer Zeit musste ein Gesteinsbrocken von gigantischen Ausmaßen auf den Mars eingeschlagen sein. Nur einer von Hunderttausenden solcher Brocken, die ohne Bahn durch den Weltraum irrten, willfährige Spielbälle der Gravitationskräfte größerer Körper. Von Planeten zum Beispiel. Aber dieser eine Brocken hatte eine Spur hinterlassen, die bis heute sichtbar war. Den Lowell-Krater. Es gab auch Krater vulkanischen Ursprungs auf dem Mars, wie etwa den Olympus Mons. Aber dieser Krater war durch einen gewaltigen Einschlag entstanden. Der Mars war übersäet davon.

 

Vielleicht, so überlegte John Darran, während er auf die Bilder blickte, die der Bildschirm vor ihm zeigte, vielleicht war dieser Krater in der Frühzeit des Mars sogar mit Wasser gefüllt gewesen. Ein Binnenmeer, so wie es nach geologischen Erkenntnissen mehrere geben hatte. Möglicherweise sogar einen Ozean. Aber das war drei Milliarden Jahre her. Eine unvorstellbar lange Zeit.

Damals mochte der Mars vielleicht sogar primitive Formen von Leben getragen haben.

Fossile Überreste im Gestein sprachen dafür. Aber um höherentwickelte Lebensformen zu entwickeln waren die Bedingungen auf dem roten Planeten nicht lange genug günstig gewesen. Er hatte den Großteil seiner Atmosphäre in den Weltraum verloren, die Temperatur war gefallen und die Meere gefroren. Selbst wenn die Temperatur jetzt wieder angestiegen wäre, wäre der Atmosphärendruck einfach zu gering gewesen, um flüssiges Wasser zu halten.

Vielleicht kommen jetzt ja wieder bessere Zeiten für den Mars, dachte Darran. Mit Hilfe der Technologie der Fremden, die die von Robotern bemannten Schiffe gebaut hatten. Warum nicht? dachte Darran. Raumhäfen, regelrechte Städte auf dem Mars. Vor seinem inneren Auge konnte er sie schon vor sich sehen. Durch die Roboter-Technologie war das alles keine reine Utopie mehr. Es war in den Bereich des Möglichen gerückt. Was war dagegen doch ein so armseligesGebilde wie die Station Gamma, die die Menschheit im Lowell-Krater bislang unterhalten hatte... Nein, das war kein Vergleich.

Die Technologie der Fremden lässt sich für verschiedene Zwecke einsetzen, ging es ihm durch den Kopf. Aber die Zwecke die sein eigenes Land, die Westunion, damit vermutlich im Sinn hatte, entsprachen nicht dem, was John Darran sich vorstellte. Eine Chance für die Menschheit, dachte er. Viel zu schade, um sie kleinkarierten Machtspielen auf der Erde zu opfern. Und genau das wird passieren. Jeder, der auch nur einen Funken Verstand hat, kann das deutlich erkennen...

'Die Staaten, sie sind kalte Ungeheuer', erinnerte sich Darran an ein Zitat des Philosophen Friedrich Nietzsche. Das galt auch für jenen Staat, in dessen Diensten Darran offiziell immer noch stand.

Innerlich aber hatte er den Dienst in dem Moment quittiert, in dem ihm die Konsequenzen klargeworden waren.

Nach vorne blicken, John! Das Schwierigste steht dir noch bevor. Und du weißt es nur zu gut...

Die EXPLORER II senkte sich langsam auf die Marsoberfläche. Rötlicher Staub wirbelte auf. Er würde eine ganze Weile in der Atmosphäre bleiben, sich erst mit gewisser Verzögerung wieder auf den Boden senken. Eine Folge von niedriger Gravitation und geringem Atmosphärendruck.

Die Landung selbst war sehr sanft und ein äußerer Betrachter hätte kaum glauben können, daß der Pilot gerade erst den zweiten Flug mit dem ehemaligen Beiboot des havarierten und im Kampf stark beschädigten 200-m-Raumers der Fremden absolviert hatte.

Die Induktiv-Schulung, die John Darran und seine Männer über sich hatten ergehen lassen, machte es möglich, daß jeder von ihnen zumindest jetzt wenigstens über einen Teil des Wissens jener Wesen verfügten, die den von Robotern bemannten 200-m-Raumer geschickt hatten.

Darran hatte im Kommandosessel auf der Brücke der EXPLORER II platzgenommen. Er wirkte gelassen. Die innere Anspannung war ihm nicht anzusehen. Bald wird der Moment der Entscheidung kommen! überlegte er. Aber dieser Moment musste sorgfältig abgewartet werden. Ein einziger Fehler und die Leute werden dir nicht mehr folgen, John Darran!

Das Risiko war immens. Für die Menschheit, für sein Land, die Westunion und für ihn persönlich. Denn was er vorhatte lief letztlich auf Meuterei hinaus... Man konnte es drehen und wenden wie man wollte. Schon jetzt hatte er Vabanque gespielt, in dem er alle Anfragen der Star Force Kommandos einfach ignoriert hatte. Ein Ritt auf der Rasierklinge. Eine Mission, die nicht gelingen konnte, wenn er die Unterstützung seiner Leute verlor.

Dieser Punkt ist der wichtigste! wurde ihm klar.

Sein Blick war auf den Hauptschirm gerichtet, der die felsige Marslandschaft zeigte. Daneben waren Anzeigen über einen größeren Ausschnitt der Marsoberfläche zu sehen. In südwestlicher Richtung deutete sich einer der gefürchteten Stürme an, die durch die extrem dünne Marsatmosphäre tobten und dabei Unmengen von Sand bewegten. Von diesem war allerdings anzunehmen, daß er sich nur lokal auswirkte und vielleicht ein Gebiet von der doppelten Größe der Vereinigten Staaten buchstäblich durcheinanderwirbelte. Jedenfalls war der Bordrechner der EXPLORER II dieser Meinung. Und dessen Rechnerkapazitäten überstiegen alles, was es auf der Erde an Vergleichbarem gab. War also zu hoffen, daß seine Wettersimulationen etwas zuverlässiger waren als das, was die irdische Wettervorhersage so zu stande brachte.

Der Sturm wird kommen, dachte Darran. So sicher wie die Erde durch das Auftauchen der fremden Raumer in den Strudel von Ereignissen galaktischen Ausmaßes gerissen wurde. Die Menschheit befand sich in einer Gefahr, von der auf der Erde noch kaum jemand etwas ahnte.

John Darran hatte innerlich längst die Konsequenzen daraus gezogen.

Er atmete tief durch, ließ den Blick schweifen.

"Wie wäre es, wenn Sie mich mal loben würden, Sir", meldete sich Lieutenant Rollins zu Wort.

John Darran blickte auf. "So wenig Selbstbewusstsein, Lieutenant?" fragte er. Mit den Gedanken war er jedoch nicht ganz bei der Sache.

Der Pilot grinste zufrieden. "War doch eine Musterlandung, meinen Sie nicht auch? So etwas soll mir erst einmal jemand nachmachen!"

Darran lächelte milde. Die Worte seines Piloten hatten ihn wieder aus seinen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt gerissen.

"Sie haben recht, Lieutenant", fand er. "Ihre Landung war meisterhaft! Aber wenn Sie nicht der beste Pilot der Star Force wären, hätten Sie auch nicht die Ehre bekommen, diesen historischen Flug durchführen zu dürfen..."

Sein Gesicht wurde ernst. "Sir, ich bin mir dieser Ehre vollkommen bewußt!" erklärte er.

"Natürlich."

"Dieses Raumschiff hat ungeahnte Möglichkeiten, Commander!" Rollins kratzte sich am Kinn. Seine Augen glänzten. Die Faszination, die er empfand, war ihm anzusehen. "Wir haben erst einen Bruchteil wirklich ausprobiert... Meine Güte, ich darf gar nicht daran denken, daß die EXPLORER II nur ein Beiboot ist."

Darran nickte. "Gebaut für einen 'lokalen Einsatz', Lieutenant!"

"Ja, nur, dass die Robot-Piloten wohl unter einem 'lokalen Einsatz' etwas verstehen, was für unsere Star Ships schon einer Reise ans Ende des Universums gleichkäme!"

"Sie sagen es."

"Das Mutterschiff dürften wir kaum wieder hinbekommen", meinte jetzt Captain Bert Vandoren, der für sein legeres Verhalten gegenüber Vorgesetzten berüchtigte Schiffsingenieur.

"Leider!" gab Rollins seinem Bedauern Ausdruck. "Wenn ich an die Möglichkeiten denke, die sich daraus ergeben könnten!"

Jetzt meldete sich Lieutenant Marc Johannsen zu Wort, der an Bord der EXPLORER II die Funktion eines Funkers und Navigators erfüllte.

"Commander, das Hauptquartier..."

"Ja, ich weiß", unterbrach Commander Darran.

"Bei allem Respekt, Sir - warum haben Sie bisher alle Anfragen des Oberkommandos ignoriert? Die machen sich Sorgen um uns, fragen sich ob wir überhaupt noch existieren..."

John Darran spürte auf einmal, wie sich die Blicke aller auf ihn richteten.

Jetzt ist er also gekommen, dachte Darran. Der Moment der Entscheidung. Er hatte ihn noch etwas aufschieben wollen, aber in Anbetracht der Umstände war das wohl nicht möglich.

Er erhob sich aus dem Kommandosessel, verschränkte die Arme.

"Was soll ich antworten, Commander?" fragte Lieutenant Johannsen. "Oder soll ich auch diese Anfrage einfach ignorieren - wie so viele zuvor?"

Rollins blickte Darran beinahe fassungslos an. "Ist das wahr, Commander? Sie haben Anfragen des HQ ignoriert?"

"Bei allem Respekt, aber ich denke, wir können eine Erklärung erwarten, Commander", sagte Marc Johannsen. Sein Gesichtsausdruck vermittelte Entschlossenheit.

Darran sah Johannsen an, hob die Augenbrauen. Der Commander begriff, daß Johannsen es sehr ernst meinte.

Jetzt läßt es sich nicht länger aufschieben, dachte Darran.

Er hob die Augenbrauen, sah Johannsen offen an.

"Was würden Sie vorschlagen, Lieutenant Johannsen?" erkundigte er sich.

"Ich?"

Johannsen war irritiert. Mit einer derartigen Gegenfrage hatte er nicht gerechnet. Er zuckte die Achseln, wandte dann den Blick kurz zu Rollins, der genauso verwirrt schien. Rollins kratzte sich am Hinterkopf. Eine Verlegenheitsgeste.

Darrans Tonfall blieb gelassen.

"Ja, Sie, Lieutenant Johannsen!" beharrte er. "Aber im Grunde ist das eine Frage, die auch jeden anderen von Ihnen angeht! Sie könnten dem Oberkommando mitteilen, daß wir mit Hilfe der Induktivschulung ein Beiboot des havarierten Raumers beinahe so perfekt bedienen können, wie es eine Besatzung der Originalspezies vermögen würde! Wir könnten stolz berichten, daß wir das größte Machtmittel in Händen halten, das jemals in der Geschichte der Menschheit existiert hat... Keine Macht der Erde kann es mit uns aufnehmen. Die Waffentechnik der EXPLORER II hat zwar bislang noch keine echte Feuerprobe zu bestehen brauchen, wir können aber getrost annehmen, daß nicht einmal in den Geheimlabors von Westunion und PAZIV etwas auch nur halbwegs Vergleichbares entwickelt wurde..."

"Und wir wurden ausgeschickt, um diese Technologie für die Menschheit nutzbar zu machen", stellte Johannsen fest.

"Für die Westunion", korrigierte Darran.

"Meinetwegen: Für die Westunion", gestand Lieutenant Marc Johannsen zu.

Darran fuhr fort: "Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß unsere Regierung bereit wäre, diese Errungenschaften mit der Pazifischen Vereinung zu teilen --- oder beurteilen Sie das anders?"

Johannsen zuckte die Achseln, verschränkte dann die Arme vor der Brust. "Warum auch?" meinte er. "Es wäre ja auch wohl gerade zu töricht, unseren Feinden das Messer in die Hand zu geben, mit denen sie uns die Gurgel durchschneiden können... So verflucht lange ist der große Krieg von 2031 schließlich auch noch nicht her!"

"Sehr richtig... Und jetzt denken Sie mal einen Schritt weiter! Wir bringen die EXPLORER II auf die Erde, landen damit vor dem Regierungssitz und sagen zu Präsident Berringer: Bitteschön, hier hast du ein tolles Spielzeug, mit dem du der PAZIV eins auswischen kannst! Haben Sie auch schonmal darüber nachgedacht, was dann geschehen wird?"

Schweigen herrschte.

Einige volle Sekunden lang sagte niemand ein Wort.

"Es wird Krieg auf der Erde geben", war schließlich Ron Sohlbergers unmißverständliche Analyse der Lage. "Entweder wird unsere eigene Regierung übermütig oder die PAZIV-Regierung schlägt zu, weil sie glaubt, daß sie hoffnungslos ins Hintertreffen gerät, wenn sie nicht bald etwas unternimmt..."

Darran nickte. Eins zu null, dachte er. Captain Ron Sohlberger schien seine Argumentation verstanden zu haben.

"Außerdem müssen wir damit rechnen, daß das Schiff, das den 2000-m-Raumer kampfunfähig geschossen hat, wieder hier im Sol-System auftaucht", war James O'Donnell, der Computerspezialist überzeugt.

Shebulaan, so nannte sich diese Spezies, wie sie aus den Speichern der Induktiv-Schulung wußten. Und da diese Shebulaan sich mit den Robotern, die den havarierten Kugelraumer bemannt hatten, offenbar im Krieg befanden, bedeutete daß, das zumindest eine der beiden Parteien der Menschheit feindlich gesonnen war.

Rollins nickte. "Und vermutlich wird das Shebulaan-Raumschiff nicht allein kommen. Wahrscheinlich werden diese Außerirdischen uns als Feinde betrachten... Schließlich fliegen wir mit einem Raumer ihrer Feinde durchs All, da liegt der Schluß ja auch nahe."

"Als Feinde?" zweifelte Captain Ron Sohlberger, der Waffenspezialist unter Darrans Leuten. Sohlberger schüttelte den Kopf. "Vielleicht eher als eine Art störendes Ungeziefer, das man beseitigen muß... Die militärischen Möglichkeiten der Westunion sind ein Nichts gegen die Macht dieser Außerirdischen. Und dasselbe gilt natürlich für die PAZIV! In dem interstellaren Krieg, der offenbar da draußen tobt, wären wir kein Machtfaktor. Noch nicht einmal jemand, den man überhaupt beachten müßte."

Darran war mit dieser Analyse der Lage durchaus einverstanden. "Wir stehen kurz davor, in einen galaktischen Konflikt hineingezogen zu werden... In einen Konflikt, bei dem wir nicht die geringste Ahnung von den Hintergründen haben. Wir bewegen uns praktisch wie Blinde auf galaktischem Parkett. Und bislang sind wir so gut wie völlig schutzlos."

 

"Wen bezeichnest du jetzt als 'wir'?" fragte Major Net Rovan, ein Duzfreund Darrans. Seine Spezialität waren waghalsige Kommandounternehmen.

Darran drehte sich zu ihm herum. Er wechselte einen kurzen Blick mit dem Major.

"Wir? Das ist die Menschheit, Net", erklärte der Commander dann.

"Und die Westunion?" fragte Rovan zurück.

Darran zuckte die Achseln. Erkennst du das wirklich nicht, Net? dachte er. Nein, es widerspricht allem, worauf er gedrillt wurde. Allem, wofür er gelebt hat. Es gibt verdammt viel Gedankenmüll, den wir alle über Bord schmeißen müssen und ich kann nur hoffen, daß möglichst viele von uns das schaffen. Genug jedenfalls, um diese Sache durchzuziehen...

"Was bedeutet der Konflikt zwischen Westunion und PAZIV schon angesichts dessen, was da draußen auf uns wartet?" sagte Darran schließlich. Eine rhetorische Frage. Die Anwesenden schiegen. Nach einer kurzen, effektvollen Pause fuhr Commander John Darran dann fort: "Nichts! Im kosmischen Maßstab gesehen bedeutet dieser Konflikt gar nichts! Er ist ein völlig bedeutungsloser Faktor, ein Kampf zwischen Kleinstaaten auf einem Primitiv-Planeten! Mehr nicht!" Darran atmete tief durch. Er sah die Zweifel in den Augen seiner Leute. Und er konnte sie sogar verstehen. Schließlich hatten sie alle einen Eid geleistet, der Westunion loyal zu dienen. Und das, worauf Darrans Gedanken letztlich hinausliefen, war nicht mehr und nicht weniger als pure Meuterei...

So langsam begann das auch seinen Männern zu dämmern.

Und normalerweise wäre die Reaktion bei einigen von ihnen ziemlich heftig gewesen.

Normalerweise...

Aber es war nicht irgend jemand, dessen Gedanken praktisch auf Meuterei hinausliefen.

Es war John Darran. Und das natürliche Charisma des Commanders sorgte dafür, daß die Männer sich solche Äußerungen überhaupt anhörten.

Vielleicht hat der eine oder andere von ihnen ebenfalls bereits daran gedacht, überlegte Darran. Marc Johannsen zum Beispiel.

Johannsen hatte ja Gelegenheit genug dazu gehabt, das Hauptquartier der Star Force eigenmächtig zu informieren. Er hatte es nicht getan. Und das gewiß nicht ohne Grund. John Darran hielt das für ein gutes Zeichen.

Schließlich lagen die Konsequenzen ja auf der Hand, auch wenn vielleicht bislang noch nicht alle bereit waren, sie sich auch einzugestehen.

"Du traust unserer Regierung nicht, John", stellte Net Rovan fest. Sein Tonfall klang klirrend kalt. John Darran registrierte das ganz genau. Er konnte sich nicht daran erinnern, daß Net je so mit ihm geredet hatte...

John Darran nickte.

"Ganz recht", nickte er. "Ich mißtraue der Regierung der Westunion in dieser Situation. Was würde denn passieren, wenn wir Ihnen die EXPLORER II und ihr Schwesterschiff, an dem unsere Leute gerade herumbasteln, überließen? Es wäre genau wie Captain Sohlberger es vorhin analysierte: Krieg oder Präventivkrieg!"

"Die verdammte PAZIV bekäme endlich mal eins auf die Nuß!" meinte Bert Vandoren, der offenbar so viel gar nicht gegen eine derartige Entwicklung einzuwendfen hatte. Vielleicht entsprang seine Bemerkung aber auch einem Gewissen Hang zum Sarkasmus.

Er hatte das ziemlich flapsig dahingesagt, aber im Moment schien keinem der Anwesenden nach Humor dieser Art zu Mute zu sein. Captain Vandoren zuckte einfach nur die Schultern, kratzte sich im Nacken.

Wieder folgte eine Pause.

Die Stille wurde nur durch einen piepsenden Signalton an einer der Konsolen unterbrochen. Ein nervtötendes Geräusch in dieser Situation.

"Wir wissen alle, was das bedeuten würde", meinte schließlich Ron Sohlberger. "Wie man es auch dreht und wendet, es läuft auf Krieg hinaus. Und was das bedeutet, haben wir 2031 gesehen. Zumindest diejenigen, die alt genug sind, sich daran zu erinnern. Und damals hatten wir Glück, weil die ganz großen ballistischen Hammer in den Silos blieben... Sonst würden wir diesen Außerirdischen jetzt nur eine Strahlenwüste bieten."

"Für die Roboter vermutlich kein Problem!" meinte Marc Johannsen. Sein Grinsen wirkte gezwungen. Innerlich fühlte er sich längst nicht so locker, wie er tat. Es war einfach ein Versuch, die geradezu beklemmende Stimmung aufzubrechen, die sich an Bord der EXPLORER II breitgemacht hatte. Eine Stimmung, die daher rührte, daß im Endeffekt von jedem einzelnen eine Entscheidung verlangt werden würde. Eine Entscheidung, die einschneidende Konsequenzen für jeden an Bord nach sich ziehen würde. Und für die Menschheit im ganzen.

"Und darüber sind wir uns doch wohl alle einig: In der gegenwärtigen Situation wäre ein Krieg auf der Erde so etwas wie ein Selbstmord der Menschheit!" stellte John Darran fest. "Mit einem so glimpflichen Verlauf wie 2031 können wir nicht noch einmal rechnen. Die Waffenarsenale haben sich weiterentwickelt. Vielleicht können PAZIV und Westunion nicht mit der Waffentechnik der Kugelraumer mithalten, aber ihr Arsenal reicht imer noch aus, um mehr oder weniger die gesamte Menschheit zu vernichten."

"Und wie soll das Ihrer Meinung nach verhindert werden?" fragte Johannsen. "Durch Meuterei vielleicht?"

Er ist der erste, der es offen auszusprechen wagt! registrierte Darran. Aber er war sich sicher, daß Johannsen sich über diese Konsequenz im Grunde schon länger klar war.

Commander John Darran nickte leicht.

"Sie sagen es, Lieutenant Johannsen", stellte er fest. Klar und eineutig. Es gab keine Ausflucht mehr. Kein Drumherumreden. Die Alternativen lagen auf der Hand. Für jeden von ihnen. Augenblicke lang herrschte Schweigen. John Darran musterte nacheinander die Gesichter seiner Männer. Manche wichen seinem Blick aus.

"Das ist nicht Ihr Ernst!" protestierte schließlich Bert Vandoren.

"Ich sehe keinen anderen Weg. Wir dürfen die Beiboote des Roboter-Schiffs nicht aus der Hand geben", nickte John Darran.

Rollins fuhr sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht.

"Und dann?" fragte er. "Wie soll es dann weitergehen? Sollen wir hier auf dem Mars vielleicht so etwas wie eine unabhängige Macht gründen?"

"Warum nicht?" gab Darran zurück. Seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. "Wir haben wahrscheinlich nicht viel Zeit..."

"Und die Konsequenzen?" fragte Johannsen. "Ich meine die Folgen, die so ein Unternehmen für jeden von uns persönlich hätte!"

Darran hob die Augenbrauen. "Wären die Folgen nicht unter Umständen viel schlimmer, wenn wir einfach den Befehlen des Star Force Oberkommandos folgen und ihm die Waffen der EXPLORER II zu Füßen legen?"

"Das klingt fast, als hätten Sie sich das gut überlegt, Commander!" versetzte Johannsen schneidend.

Darrans Augen wurden schmal.

"Seit wir zum ersten Mal den Kugelraumer betraten, denke ich an nichts anderes mehr", bekannte Darran. "Ich weiß, daß ein gewisses persönliches Risiko für jeden von uns dabei ist, aber ich sehe keine Alternative. Mit der Marsstation im Lowell-Krater haben wir etwas, das wir als eine Art Basis ausbauen können, von der aus wir operieren. Die Technologie der Roboter wird uns dabei helfen..." Der Commander ging auf Henson zu. Einige Augenblicke lang sahen sich die beiden Männer von Angesicht zu Angesicht an. "Wollen Sie noch immer das Oberkommando der Star Force informieren, Lieutenant?"

Johannsen biß sich auf die Lippen, die zu einem schmalen Strich geworden waren.

Er schüttelte schließlich den Kopf.

"Nein, Sir", murmelte er tonlos.

Darran hatte keine andere Antwort erwartet.

"Und was ist mit den anderen?" Der Commander der EXPLORER II drehte sich herum. "Wie ist Ihre Meinung? Bei dem, was ich vorhabe, bin ich auf jeden einzelnen von Ihnen angewiesen. Allein kann ich nichts ausrichten. Wenn Sie also der Meinung sind, daß Ihr Commander den Verstand verloren hat, dann verhaften Sie mich und liefern mich der Star Force aus. Johannsen braucht nur einen einzigen Knopf zu drücken..."

Wieder herrschte Schweigen.

Schließlich war es Rollins, der es als erster brach. "Verdammt, Sie haben recht, Commander. Ich bin dabei!" Er drehte sich herum. "Und was ist mit euch?"

Einer nach dem anderen nickte oder brachte ein halblautes "Ich auch" heraus.

Schließlich war die Reihe an Johannsen.

"Ich glaube, wir machen einen Fehler", sagte er. "Aber vielleicht machen wir einen noch größeren Fehler, wenn wir Commander Darran nicht folgen."

Ein erleichterter Ausdruck erschien auf Darrans Gesicht. Der Damm ist gebrochen, dachte er. "Ich hoffe, Ihnen ist klar, daß es kein Zurück von dieser Entscheidung gibt..."

Captain Ron Sohlberger meldete sich zu Wort. "Sie müssen eine Vollversammlung aller unserer Leute einberufen", meinte er. "Schließlich müssen wir uns auf jeden einzelnen verlassen können."

Sohlberger dachte natürlich vor allem an den Teil von Darrans Truppe, der zur Zeit noch immer damit beschäftigt war, das zweite 40-m-Beiboot des Kugelraumers instandzusetzen.

"Und was soll mit jenen geschehen, die unsere Entscheidung nicht mittragen können?" fragte Johannsen.

"Wir werden einen Weg finden, sie zur Erde zurückzuschicken", erklärte Darran.

Net Rovan, der alte Haudegen, atmete tief durch. Er verzog das Gesicht zu einem ziemlich gezwungen wirkenden Lächeln. Das Ganze ging ihm gehörig gegen den Strich, das lag auf der Hand. Andererseits sah aber auch er keine Alternative, als John Darrans Plan zu folgen.

"Wer hätte das gedacht," murmelte er dröhnend. "Werde ich doch tatsächlich noch auf meine alten Tage zum Renegaten!"