Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis

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Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis
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Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2016.

This is a work of fiction. Similarities to real people, places, or events are entirely coincidental.

MÖRDER GEBEN KEIN PARDON: DREI KRIMIS

First edition. October 29, 2016.

Copyright © 2016 Alfred Bekker.

Written by Alfred Bekker.

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Inhaltsverzeichnis

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Drei Krimis: Der Killer von Hamburg & Der Hacker & Katzenjammer für Mörder

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Der Killer von Hamburg: Kriminalroman

Prolog

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Der Hacker

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Katzenjammer für einen Killer

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Impressum neobooks

 

Drei Krimis: Der Killer von Hamburg & Der Hacker & Katzenjammer für Mörder

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 400 Taschenbuchseiten.

Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. DER KILLER VON HAMBURG: Ein furchtbarer Fund in einem unbewohnten Haus in Hamburg ruft Kommissar Uwe Jörgensen und sein Team auf den Plan. Morde geschehen und ein tot geglaubter Profi-Killer tritt ins Rampenlicht. Kommissar Jörgensen kommt einer weitreichenden Verschwörung innerhalb des organisierten Verbrechens auf die Spur. DER HACKER: Er nennt sich "The Virus" - und er ist einer der berüchtigsten Hacker aller Zeiten. Und er versucht den Coup seines Lebens zu machen, indem er die Zugangscodes der Pentagon-Rechner knackt und an den chinesischen Geheimdienst zu verkaufen versucht.

––––––––

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Der Killer von Hamburg: Kriminalroman

Thriller von Alfred Bekker

Ein furchtbarer Fund in einem unbewohnten Haus in Hamburg ruft Kommissar Uwe Jörgensen und sein Team auf den Plan. Morde geschehen und ein tot geglaubter Profi-Killer tritt ins Rampenlicht. Kommissar Jörgensen kommt einer weitreichenden Verschwörung innerhalb des organisierten Verbrechens auf die Spur.

Prolog

Ich heiße Uwe Jörgensen, bin Kriminalhauptkommissar und gehöre als solcher zur KriPoEGBu.

Ja, eine solche Abkürzung klingt nach einem übel schmeckenden Medikament oder nach einer Ausführungsbestimmung im Steuerrecht. Irgendetwas, was kompliziert, teuer und unangenehm ist. Aber ich kann Ihnen versichern, auf die KriPoEGBu trifft das nicht zu.

Die Abkürzung steht für „Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes“, und wir sind dem Bundeskriminalamt formal angegliedert, aber unsere Büros befinden sich im Polizeipräsidium Hamburg. Formaljuristisch sind wir ein Teil unserer hanseatischen Kripo, denn Polizei ist Länder-Sache, und wir hätten sonst nur sehr eingeschränkte Befugnisse hier vor Ort. Klingt wie ein Wirrwarr? Ist ein Wirrwarr. Aber nur in der Theorie. In der Praxis klappt das alles ganz gut. Bürokratie ist immer das, was Beamte daraus machen. Und Beamte sind Menschen. Auch, wenn viele das nicht glauben wollen, aber es ist so. Menschen wie mein Kollege Roy Müller und ich. Unsere Abteilung greift dann ein, wenn andere nicht mehr weiter wissen. Oder wenn eine Koordinierung zwischen den Polizeibehörden verschiedener Länder nötig ist. Ich will da nicht in die Einzelheiten gehen. Es sind die größeren Fälle, in denen unser Einsatz vonnöten ist.

In der Praxis sage ich meistens nur: „Jörgensen, Kripo.“

Das reicht.

Absolut.

Und wenn ich sehr geschwätzig bin, was nicht so oft vorkommt, dann sage ich: „Jörgensen, Kripo Hamburg.“

Wenn ich den Leuten mit unserer offiziellen Bezeichnung komme, sagen die nur: „Ich hab' schon eine Versicherung, besten Dank. Und ich kaufe auch nichts.“

Wie gesagt, es sind die größeren Fälle, mit denen wir uns befassen.

Die Wichtigen.

Oder die Schwierigen. Manchmal auch einfach nur das, was liegen geblieben ist und wofür sich niemand anderes zuständig fühlt. Es ist immer dasselbe, aber das kennt man ja aus anderen Bereichen. Oder etwa nicht?

*

Ich saß am Hafen und sah den großen Containerschiffen zu, wie sie einfuhren, wie sie be- und entladen wurden und sich mit einer so majestätischen Langsamkeit auf ihr Terminal zubewegten oder sich von ihm entfernten, dass es mich immer an die Art und Weise erinnerte, in der sich große Tiere bewegen. Elefanten zum Beispiel. Ich saß am Kai und angelte.

Irgendwas zappelte an meiner Angel. Das kam nicht oft vor. Das Angelrevier, das ich mir ausgesucht hatte, war auch nicht gerade ergiebig. Das war auch okay.

Genau in diesem Moment klingelte mein Handy.

Ich hatte aus irgendeinem Grund vergessen, es abzuschalten.

Wenn man abschalten will, musste man das Handy abschalten.

Wirklich.

Alter Grundsatz.

Nie befolgt.

Naja. Sowas sollte ja öfter vorkommen.

Wahrscheinlich stand mein Pflichtgefühl dagegen.

Ich langte also in die Tasche meiner Jacke und holte das Smartphone hervor.

KOLLEGE RUFT AN, stand dort in großen Buchstaben.

„So'n Schiet“, sagte ich. „Wer stört?“

„Weißt du doch“, sagte die Stimme an meinem Ohr. Sie gehörte unverkennbar meinem Kollegen Roy Müller. Unverkennbar, weil er einen sehr breiten, norddeutschen Akzent spricht. Und weil ich ihn seit Urzeiten kenne. Wir sind fast wie ein Ehepaar. Wahrscheinlich haben wir beide miteinander mehr Zeit verbracht als jeder von uns beiden mit jeder Frau, mit der er je verheiratet gewesen war. So war das eben. Das nannte man wohl den Primat des Beruflichen oder so ähnlich.

„Ich habe heute frei“, sagte ich.

„Pech für dich, dass irgendein irrer Mörder sich nicht an deine Bürozeiten halten will, Uwe.“

„Jo“, sagte ich. „Da sagst du was. Und ich fürchte, das wird man denen auch nicht mehr beibringen.“

„Häh?“

„Den irren Killern. Dass Sie sich an die Bürozeiten halten sollen.“

„Komm so schnell wie möglich in die Zentrale. Der Chef will, dass wir alle dabei sind.“

„Klingt bedrohlich.“

„Ist bedrohlich, Uwe.“

„Bin am Angeln.“

„Tja, besser, du lässt den Fisch jetzt wieder schwimmen, falls du überhaupt einen an der Angel hast!“

„Na, hör mal!“

„Ich kenn dich doch, Uwe.“

„Ach, wirklich?“

„Du bist für eine Menge Sachen talentiert. Angeln gehört nicht dazu, würde ich mal sagen.“

„Vielleicht kennst du mich doch nicht so gut, wie du glaubst, Roy.“

„Doch, doch...“

„Naja...“

„Hauptsache, du tauchst bald da auf, wo der Chef dich gleich haben will.“

„Jo“, sagte ich. Nicht „Ja“, sondern „Jo“. Mit sehr kurzem 'o' übrigens. Und dieses „Jo“ machte eigentlich klar, dass das Gespräch beendet und die Sache geklärt war. Ein „Jo“ wie ein Punkt. Und manchmal auch wie ein Ausrufungszeichen. Wenn da einer war, der gar nicht hören konnte. Oder wollte. Oder ein lauter Wind pfiff, das kam ja schließlich auch vor.

*

An der Angel zappelte nichts mehr. Vielleicht war das auch nur Einbildung gewesen. Manchmal ist der Wunsch Vater des Gedankens.

Ich packte mein Zeug zusammen.

„Sagen Sie mal, darf man da eigentlich überhaupt angeln?“, sprach mich ein Rentner in beigefarbener Abenteuerweste von der Seite an. Ich hatte ihn nicht bemerkt.

Ich nahm meinen Dienstausweis heraus und zeigte ihm den. „Ist 'ne verdeckte Ermittlung. Bitte erregen Sie kein unnötiges Aufsehen.“

„Na, wenn dat so ist“, sagte der Rentner.

„Ist so.“

„Steckt man ja nicht drin.“

„Nee.“

„Aber eigentlich ist das Angeln hier nicht erlaubt, glaube ich.“

„Schönen Tag noch.“

Manchmal bricht alles auf einmal über einen herein.

„Ja, ich sag ja nur“, sagte der Rentner, und ich war eigentlich schon ein Stück weiter. Aber für den Kerl ist das noch nicht erledigt. Bei manchen ist das so. Da wird irgendwann mit zunehmendem Alter das Rechthaber-Gen umgelegt. Dann fangen diese Leute an, Falschparker aufzuschreiben. Oder sie werden sogenannte Wutbürger, die gegen alles und jedes sind und gegen jedes Straßenschild eine Volksbefragung zu organisieren versuchen. Und manchmal prozessieren sie auch gegen Kindergeschrei oder Jugendliche auf Bolzplätzen. Und die ganz üble Sorte vergiftet Hunde und Katzen, die überall herumkacken. Ehrlich gesagt, für letztere habe ich sogar Verständnis. Aber sollte man besser nicht sagen. Jedenfalls nicht als Polizist.

„Ja, ich sag ja nur“, sagte der Rentner nochmal und diesmal lauter, sodass ich es auf den zwanzig Metern, die ich inzwischen schon zurückgelegt habe, auch auf jeden Fall mitbekommen muss. „Wenn man schon bei der Polizei ist, sollte man sich wenigstens selbst an die Gesetze halten, finde ich! Ich habe schließlich mein Leben lang Steuern gezahlt!“

Ich konnte es mir nicht verkneifen.

Ich drehte mich um und rief: „Dummes Gequatsche ist seit dem Ersten strafbar! Haben Sie das noch nicht gewusst? Da steht lebenslänglich drauf!“

*

Also, vielleicht sollte ich an dieser Stelle ein paar Dinge richtig stellen, sonst bekommen Sie einen falschen Eindruck von mir.

Vielleicht denken Sie: 'Typisch Beamter, will nur seine Ruhe.'

Oder Sie denken: 'Und so eine Schnarchnase soll das Gesetz gegen Kriminelle verteidigen? Na, dann gute Nacht, Hamburg!'

Ich bin in Wahrheit nicht so schnarchnasig, wie Sie jetzt vielleicht denken.

In Wahrheit bin ich ein dynamischer Vulkan.

Naja, so dynamisch und explosiv, wie Menschen aus dem Norden, die sprachlich über den spitzen Stein stolpern eben sein können. Alles ist ja relativ, wie Einstein schon herausgefunden hat. Ein temperamentvoller Italiener werde ich in diesem Leben nicht mehr. Noch nichtmal ein quasseliger Rheinländer. Aber ich brenne 24 Stunden am Tag für meinen Job, den Schwachen zu helfen, den Opfern von Gewalttaten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und dafür zu sorgen, dass das organisierte Verbrechen nicht Überhand nimmt. Manchmal schlafe ich nur vier Stunden. Gangster haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, sich nicht an die Dienstpläne unserer Abteilung zu halten. Wir müssen aktiv sein, wenn die Halunken es auch sind. Das ist nunmal so. Ich ernähre mich von ungesunden Hot Dogs, weil ich oft keine Zeit für anderes habe. Und wenn ich deswegen eine Plautze kriege, sollte man das wie eine Kriegsverletzung ansehen, die ich man sich eben im Kampf gegen das Verbrechen holen kann.

Aber wenn ich dann mal einen Tag frei habe, dann will ich nur Ruhe.

Dann sitze ich zum Beispiel am Wasser und halte die Angel hinaus.

Wo wir schon bei der Wahrheit sind: Ich mag gar keinen Fisch. Ich habe auch nicht den Verdacht, dass da, wo ich sitze sonderlich viele davon herumschwimmen. Ich persönlich als Fisch würde mir jedenfalls ein anderes Gewässer suchen.

Aber kann man in unserer Leistungsgesellschaft einfach nur rumsitzen? Man ist sofort verdächtig. Wieso sitzt der da so? Was glotzt der? Oder wenn man die Augen geschlossen hat, um sich wie Buddha ganz in sich selbst zu versenken, dann denkt jeder: Ist der besoffen?

Dem Rentner, der mich so doof angemacht hatte, hätte ich auch sagen können: „Ich angle gar nicht. Ich bade nur einen Wurm.“ Ist mir aber zu spät eingefallen. Das ist manchmal so. Die besten Sachen fallen einem zu spät ein. Und davon abgesehen, weiß man ja nie, an wen man so gerät. Aktivisten für das Menschenrecht von Würmern, dreckig zu bleiben, soll es ja auch geben...

Mein freier Tag war mir heilig.

Die wenigen Augenblicke inneren Friedens wollte ich genießen.

Leider kannten die dunklen Elemente der Stadt keinen Respekt vor heiligen Dingen.

Also musste ich los.

Ermitteln.

„Mein Gott, Roy, das nächste Mal suche ich mir einen Angelplatz im Funkloch“, murmelte ich vor mich hin, während ich schon im Wagen saß und mich durch den Verkehr quälte.

Aber sowas finde mal in einer Großstadt wie Hamburg!

Ein Funkloch meine ich.

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An einer anderen Stelle in der Stadt, zu einer anderen Zeit...

 

Immer schon hatte es geheißen, das Haus sei böse.

Übel.

Unheimlich. Ein Ort, den man besser mied.

Ein Geisterhaus.

Aber genau das zog manche aus bestimmten Gründen hier her.

Kinder zum Beispiel.

Oder Penner.

Und Ratten.

*

„Los, kommt schon! Oder traut ihr euch nicht?“

Marvin-Julian Pellemeier hatte ein Brett aus dem vernagelten Fenster des heruntergekommenen Hauses heraus gebrochen. Der neunjährige Junge mit den rotblonden, etwas wirren Haaren, stand auf der Fensterbank und blickte sich zu den anderen um. Insgesamt sechs Jungen zwischen zehn und zwölf Jahren bildeten dort mit verschränkten Armen und skeptischen Blicken einen Halbkreis. Marvin-Julian war der Jüngste in ihrer Bande, die sich einfach ‚Die Gang’ nannte. Oft genug hatten sie sich über ihn lustig gemacht. Aber heute konnte er auftrumpfen.

„Hey, was ist? Seid ihr feige oder traut ihr euch was?“

Das Geisterhaus – so hieß das seit einem Jahr leer stehende Gebäude bei den Kids in der Umgebung. Es war einfach unheimlich – schon deswegen, weil um das Gebäude herum immer wieder tote Ratten zu finden waren. Marvin-Julian gelang es, noch ein weiteres Brett zu lösen. Die entstandene Öffnung war jetzt groß genug, um ins Innere gelangen zu können. Dunkel war es dort. Schatten tanzten.

Und der Geruch hätte Marvin-Julian eigentlich warnen müssen...

Eigentlich...

Aber da war es wohl schon zu spät.

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Brasewinkel Straße 345...

Der Geruch, der aus dem Inneren des Gebäudes drang, war so stechend, dass Marvin-Julian innerhalb von Augenblicken Nase und Augen schmerzten. Ihm verschlug es den Atem. Aber nun konnte er nicht mehr zurück. Dazu hatte er sich zu weit vorgewagt. Jetzt einen Rückzieher zu machen, hätte bedeutet, sich vor den anderen bis auf die Knochen zu blamieren. Genau das erwarteten sie ja von ihm.

Nein, dachte er, ich werde es ihnen zeigen! Sie werden nicht sehen, dass ich Angst habe!

Marvin-Julian sah in die Gesichter der Gangmitglieder.

Einige grinsten. Andere sahen einfach nur interessiert zu und warteten ab.

„Wetten, dass du dich doch nicht traust!“, meinte Paul, der Älteste in der Gruppe. Er war der Anführer. Geräuschvoll räusperte er sich und spuckte aus. „Ist doch immer dasselbe mit dem Kerl! Erst gibt er groß an, nachher ist nichts dahinter.“

„Ich sag euch Feiglingen nachher, was innen zu sehen war!“, rief Marvin-Julian.

„Ha, ha!“, machte Paul und verzog das Gesicht dabei zu einer Grimasse. „Mach nur! Wir warten gespannt ab.“

„Besser nicht!“, äußerte sich Burat.

Burat war zehn, hatte eine Brille mit ziemlich dicken Gläsern und galt bei den anderen als der Vorsichtige in der Gruppe.

Er traute sich am wenigsten und verletzte sich trotzdem am Häufigsten von allen, was vor allem damit zusammenhing, dass er ziemlich ungeschickt war. „Lass es besser bleiben, Marvin-Julian“, meinte er. „Wer weiß, vielleicht ist sogar noch der Penner da drin...“

Burat spielte darauf an, dass sie vor einiger Zeit einen Obdachlosen auf dem Gelände beobachtet hatten. Es hatte wie aus Eimern geschüttet und die Jungen waren gerade von der Schule gekommen, als sie die abgerissene Gestalt in dem fleckigen, völlig durchnässten Regenmantel auf das Geisterhaus hatten zugehen sehen.

Er hatte kurz zu ihnen hinübergeblickt.

Tief liegende Augen und fast völlig von einem verfilzten Bart überwuchertes, sehr hohlwangiges Gesicht hatten ihn ziemlich unheimlich aussehen lassen. ‚Der Mann mit dem Loch im Bart’ hatten sie ihn genannt, weil es da eine ziemlich eigenartig aussehende Lücke in diesen ansonsten alles überwuchernden Haaren gegeben hatte.

„Quatsch, der ist längst weg!“, meinte Marvin-Julian.

Wie hätte er den Gestank da drinnen auch aushalten sollen?, ging es dem Jungen dabei durch den Kopf.

„Und wenn nicht?“

„Wenn jemand von euch Mut hat, kommt er mit“, sagte Marvin-Julian. „Die anderen sollen in Zukunft in der Schule besser auf die Mädchentoilette gehen, denn da gehören sie hin!“

„Angeber!“, rief Paul.

Dann sprang Marvin-Julian hinunter. Dabei trat er auf etwas Weiches, dass sich im Schatten befunden hatte. Er taumelte, ging zu Boden und kam hart auf. Eine klebrige, zähflüssige Substanz befand sich dort.

Das Zeug roch so ekelhaft, dass er sich um ein Haar erbrochen hätte.

Aber Marvin-Julian war wild entschlossen, sich zusammenzureißen und keine Schwäche zuzugeben.

„Na, lebst du noch?“, hörte er Pauls vor Hohn und Spott nur so triefende Stimme von draußen.

„Super gemütlich hier!“, behauptete Marvin-Julian. Er musste Husten. In seinem Hals brannte es jetzt genauso wie in seinen Augen und in der Nase. Der Magen begann ihm ebenfalls wehzutun.

Vorsichtig erhob er sich. Das klebrige Zeug wischte er am T-Shirt ab.

Ärger mit seiner Mutter war jetzt sowieso vorprogrammiert. Er blickte auf das weiche Ding, auf das er beim Sprung aufgekommen war.

Marvin-Julian trat einen Schritt auf dieses Ding zu.

Seine Augen gewöhnten sich mehr und mehr an das Halbdunkel, das im Inneren des Gebäudes herrschte, und so erkannte er jetzt, was es war.

Er stieß einen kurzen, entsetzten Schrei aus.

„Was ist los?“, rief Burat von draußen.

„Hier liegt ´ne tote Katze!“, stieß Marvin-Julian röchelnd hervor. Er rang nach Luft. Alles begann sich vor seinen Augen zu drehen. Er versuchte noch, sich an der Wand festzuhalten, rutschte dann aber an ihr zu Boden.

Dabei stieß er ein paar unartikulierte Laute aus.

Den anderen Mitgliedern der Gang stockte der Atem.

Sie standen wie erstarrt da. Niemand rührte sich. Sie lauschten, ob sich innen noch irgendetwas tat.

„Marvin-Julian?“, rief Paul.

Aber er bekam keine Antwort.

„Marvin-Julian, was ist los?“

„Vielleicht ist er verletzt und kann sich nicht helfen“, vermutete Burat.

„Wir sehen uns das an!“, bestimmte Paul. Er kletterte auf die Fensterbank. Als ihm von innen der stechende Geruch entgegen schlug, verzog er angewidert das Gesicht. „Das riecht ja wie ein Rattenfurz!“, meinte er, um cool zu wirken. Dann steckte er seinen Kopf durch die Öffnung.

Dort unten, auf dem Boden, lag Marvin-Julian und rührte sich nicht. Auch ihm selbst wurde plötzlich ganz schlecht.

Aber er riss sich zusammen. „Marvin-Julian liegt da unten und rührt sich nicht“, rief er.

Er stieg jetzt ebenfalls durch die Öffnung, brach dabei noch ein weiteres Brett heraus und sprang schließlich ins Innere.

Die anderen standen wie erstarrt da.

Niemand rührte sich. Von Paul waren nur noch ein paar Geräusche zu hören. Dann nichts mehr.

„Besser wir holen Hilfe“, meinte Burat.

Niemand unter den anderen Mitgliedern der Gang hielt ihn deswegen für einen Feigling.