Kubinke und die Killer: Kriminalroman

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Kubinke und die Killer: Kriminalroman
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Kubinke und die Killer: Kriminalroman

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2021.

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Kubinke und die Killer: Kriminalroman

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Kubinke und die Killer: Kriminalroman


Harry Kubinke Roman

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 113 Taschenbuchseiten.

Der Mörder feuert. Sein Werkzeug ist eine Pistole mit ausgesetztem Schalldämpfer. Der Killer tritt dann an die Leiche heran. Mit dem Fuß dreht er den leblosen Körper auf den Rücken und richtete die Schalldämpfer-Waffe geradewegs auf den Kopf des bereits toten Kriminalhauptkommissar Denner. Dann drückte er nochmals ab. Das Projektil spaltete den Schädel. Ein furchtbarer Anblick! Doch der Mörder wendet seinen Blick nicht ab. „Sicher ist sicher”, murmelte er.

Ein neuer Fall für die Berliner Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier ...

––––––––


Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.




Copyright


Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER STEVE MAYER

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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1


Hannover, Niedersachsen ...

„Kommissar Gieselher Denner?”

Denner stand vor seinem Wagen und suchte in der Jackentasche nach dem Schlüssel. Es war schon weit nach Mitternacht und dunkel. Er hatte den Wagen in einer schmalen Seitenstraße geparkt. Die Krawatte hing ihm wie ein Strick um den Hals. Denner sah auf und blinzelte. Die Gestalt, die ihn angesprochen hatte, stand unter Straßenlaterne und hob sich als schwarzer Schatten ab. Vom Gesicht konnte man nichts sehen.

„Woher kennen Sie meinen Namen?”, fragte Denner.

Ein Geräusch, das an den Schlag einer Zeitung erinnerte, folgte. Der Unbekannte hatte eine Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer abgefeuert.

 



2


Denner brach zusammen und blieb in eigenartig verrenkter Haltung regungslos liegen.

Der Unbekannte trat an die Leiche heran. Mit dem Fuß drehte er den leblosen Körper auf den Rücken. Denner starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts.

Der Unbekannte richtete die Schalldämpfer-Waffe geradewegs auf den Kopf des am Boden liegenden Kriminalhauptkommissar Denner.

Dann drückte er ab.

Das Projektil spaltete den Schädel. Der Anblick war furchtbar. Der Unbekannte wandte aber nicht ein einziges Mal den Blick ab.

„Sicher ist sicher”, murmelte der Mann mit der Schalldämpfer-Waffe vor sich hin. Ein grimmiges, fast triumphierend wirkendes Lächeln spielte um seine Lippen. Er atmete tief durch. Ein Gefühl der Befreiung machte sich in ihm breit. Eine große Erleichterung. Aber er wusste, dass dieses Gefühl nicht lange anhalten würde. Es gab noch viel zu tun. Die Angelegenheit war noch nicht bereinigt.

Der Mann schraubte den Schalldämpfer von seiner Waffe ab und steckte beides ein. Dann wandte er sich um und ging in aller Seelenruhe die Straße entlang. Bevor er um die nächste Ecke bog, hört er Schritte und Stimmen.

„Hey, Mann, was ist mit dem Typ?”

„Bestimmt besoffen!”

„Oder mehr Stoff, als er vertragen konnte.”

„Ey, guck mal, der hat gekotzt!”

„Nein, der hat nicht gekotzt. Scheiße, das ist sein Kopf ...”

Der Mann mit der Schalldämpfer-Pistole erreichte unterdessen seinen Wagen, stieg ein und fuhr los. Er trat das Gaspedal so sehr durch, dass die Kids, die den Toten gefunden hatten, das später in ihren Aussagen erwähnten.




3


Eine Woche später...

Kriminalhauptkommissar Pascal Barkow hielt mit seinem Wagen auf dem Gelände einer abgelegenen Industriebrache am Rand von Frankfurt. Früher war dies einmal ein florierender Teil des Hafens gewesen. Aber das war lange her. Die Insolvenz einer südkoreanischen Reederei hatte die Import-Export-Gesellschaft, der die Lagerhallen einst gehört hatten, ebenfalls in die Insolvenz gezogen.

Böse Zungen behaupteten allerdings, dass die Eigentümer nicht besonders viel getan hatten, um das zu verhindern. Der Grund lag vielleicht darin, dass diese Firma ohnehin in erster Linie der Geldwäsche gedient hatte und man nun froh war, das Unternehmen auf elegante Weise liquidieren zu können, ohne dabei in den Fokus der Ermittlungsbehörden zu geraten.

Jetzt standen hier ein paar Lagerhallen leer. Kräne rosteten vor sich hin und Ratten machten sich breit. Auf Grund komplizierter Vermögensfragen würde es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis dieses Gelände wieder etwas anderes wurde, als ein Treffpunkt für jene, die weder gesehen, noch gehört werden wollten.

Kommissar Barkow stieg aus. Ein kühler Wind wehte vom nahen Fluss herüber, auf dem Nebelbänke standen. Am Tag konnte man normalerweise weit flussabwärts sehen. Aber jetzt verdeckte der Nebel alles.

Barkow zündete sich eine Zigarette an.

Er brauchte drei Versuche, bis sie von allein weiterbrannte. So feucht war die Luft.

Er sah noch einmal auf die Uhr.

Pünktlichkeit war noch nie deine Stärke, Boris Vitali, ging es Barkow ärgerlich durch den Kopf. Boris Vitali war ein Informant. Einer, den Barkow hin und wieder dafür bezahlte, dass er ihn über wichtige Dinge informierte, die sich innerhalb der kriminellen Netzwerke so taten. Manchmal nur Gerüchte und manchmal wollte sich Boris Vitali wohl auch einfach nur wichtig machen.

Zuverlässigkeit war nicht die starke Seite von Boris Vitali. Aber hin und wieder war es Barkow in der Vergangenheit gelungen, den einen oder anderen mittelgroßen Drogendeal mit Vitalis Hilfe hochgehen zu lassen. Und das war ja auch etwas.

Ein zweiter Wagen tauchte auf.

Endlich!, dachte Barkow.

Es war ein Geländewagen mit Kuhfänger. Der Fahrer blendete auf, stellte das Fahrzeug dann ab und stieg ebenfalls aus.

„Hey Mann, Rauchen ist ungesund!”, meinte er.

„Das sagt einer, der nichts dabei findet, sich den Kopf mit allen möglichen Sachen vollzudröhnen”, gab Barkow zurück.

„Stehen Sie mal jede Nacht hinter der Bar eines Clubs, dessen Musik Sie nicht leiden können ...”

„... und nebenbei wohl der größte Designer-Drogenumschlagplatz von Frankfurt ist, an dessen Umsatz Sie beteiligt sein dürften. Harter Job, muss ich sagen!”

Boris Vitali kam näher. Er hob sich als dunkler Schatten gegen das Scheinwerferlicht seines Wagens ab.

„Ich mach mir eben Sorgen um Ihre Gesundheit, Barkow! Wer versorgt mich mit ein bisschen Kleingeld, um mir was Gutes für die Nase kaufen zu können, wenn Sie jetzt plötzlich an Lungenkrebs sterben? Und wer gibt mir hin und wieder mal einen Tipp, wenn eine besondere Aktion bevorsteht und man sich als ehrlicher Kleingewerbetreibender, der einem Konflikt mit der Justiz gerne aus dem Weg geht, besser für eine Weile auf dem Markt etwas zurückhalten sollte?” Boris Vitali kicherte.

Barkow hoffte, dass er nicht noch irgendwas genommen hatte, bevor er hier hergefahren war. Dann konnte Boris Vitali nämlich unausstehlich werden. Barkow hatte das mehr als einmal erlebt.

„Sie sollten es nicht übertreiben”, sagte Barkow kühl und zog dann an seine Zigarette. „Hören Sie, es ist kalt und nass. Wenn Sie nur hier sind, um sich wichtig zu machen, sollten wir das Ganze beenden, bevor ich Ihnen das übelnehme.”

„Heh, nicht so feindselig, Barkow!”

„Dann sagen Sie mir, was Sie zu sagen haben. Und ich hoffe in Ihrem Interesse, dass es nicht nur wieder irgend so ein Dünnpfiff ist, der die Steuergelder kaum wert ist, die ich Ihnen in den Rachen schiebe.”

„Keine Ahnung, was mit Ihnen zurzeit los ist, Barkow. Konnten Sie bei Ihrer Kollegin nicht landen? Mann o Mann, es muss doch in Ihrem Zuständigkeitsbereich wenigstens ein Bordell geben, dessen Besitzer Sie schmiert und Sie vielleicht mal umsonst zur Sache kommen lässt, wenn Ihre kargen Bezüge als Kommissar dafür nicht ausreichen. Dann sind Sie vielleicht wieder ein bisschen ausgeglichener.”

„Jetzt reicht es, Vitali! Ich bin nicht hier rausgefahren, um mir diesen Scheiß anhören zu müssen.”

Barkow wandte sich dem Wagen zu. Demonstrativ betätigte er das elektronische Türschloss.

Boris Vitali hob beschwichtigend die Hände.

„Schon gut, Mann! Keine übereilten Kurzschlussreaktionen bitte!”

„Ich werde darüber nachdenken, Sie von der Informantenliste streichen zu lassen”, sagte Barkow.

„Dann verpassen Sie einen der größten Deals der nächsten Zeit.”

„Ach, wirklich?”

„Eine große Ladung Kokain. Kommt hier in Frankfurt an.”

„Wann und wo?”

„Erfahre ich noch und würde ich Ihnen rechtzeitig weitergeben.”

„Okay.”

„Aber es muss diesmal etwas mehr für mich drin sein.”

„Wenn das wirklich ein großer Deal ist und ein paar entscheidende Leute dabei über die Klinge springen, dann kann man darüber reden.”

„Gut, dann reden wir darüber. Morgen Abend, die gleiche Zeit, hier. Dann will ich was Definitives hören.”

„Ein bisschen mehr müssen Sie schon im Vorfeld anbieten, sonst kann ich meine Vorgesetzten kaum überzeugen, da mitzumachen.”

„Sie können davon ausgehen, Diego Romano verhaften zu können. Der steht doch schon lange auf Ihrer Liste. Und das wäre die einmalige Chance, ihn mit mindestens einer halben Tonne Kokain zu erwischen. Und? Jetzt sagen Sie mir nicht, dass gegen Diego Romano nichts vorliegt und Sie gar nicht gegen ihn ermitteln?”

„Ungefähr dreißig Mordaufträge, ein Geldwäsche- und Drogenimperium, das sich über zwanzig Länder spannt.”

„Na, also! Wir verstehen uns also.”

„Ich sage Ihnen morgen Bescheid.”

„Ich will das Zehnfache von dem, was ich sonst kriege. Und danach tauche ich eine Weile ab. Euer bescheuertes Zeugenschutzprogramm oder dergleichen will mich gar nicht. Das ist mir zu unsicher. Aber Sie werden verstehen, dass ich danach erst einmal eine ganze Zeit auf Tauchstation gehen muss.”

Barkow nickte. „Ja, das verstehe ich.”

„Dann bis morgen.”

Boris Vitali ging zu seinem Wagen zurück. Er stieg ein und fuhr los. Die Reifen drehten durch. Boris Vitali hatte seine ganz eigene Art, einen Wagen zu starten. Er brauste mit vollkommen überhöhter Geschwindigkeit davon. Angesichts der kaum vorhandenen Beleuchtung auf dem ehemaligen Firmengelände, kam das einem Blindflug gleich. Aber Boris Vitali war dafür bekannt, dass er gerne Risiken einging. Auch solche, die völlig unnötig waren.

Barkow zündete sich eine zweite Zigarette an. Man konnte kaum noch irgendwo in der Öffentlichkeit rauchen. Hier draußen hinderte ihn niemand daran.

Diese paar Augenblicke gönne ich mir, dachte er.

Sein Vorgesetzter war um diese Zeit ohnehin nicht mehr im Büro. Die Angelegenheit mit Boris Vitali konnte er daher sowieso erst Morgen mit ihm besprechen.

Eine Gestalt schälte sich als dunkler Schattenriss aus der Dunkelheit zwischen den Lagerhäusern. Der Schatten musste dort schon die ganze Zeit gewartet haben.

Ein Zeuge war nun wirklich das Letzte, was Pascal Barkow in Bezug auf ein Treffen mit Boris Vitali gebrauchen konnte.

„Wer ist da?”, fragte er.

„Kommissar Pascal Barkow, Kripo Frankfurt?”, fragte eine Männerstimme.

„Was soll das? Was wollen Sie von mir?”

Barkow hatte keine Chance, seine Dienstwaffe zu erreichen. Ein Mündungsfeuer blitzte in der Dunkelheit blutrot auf. Zweimal kurz hintereinander. Es gab kein Schussgeräusch. Nur einen Laut, der wie ein leichter Schlag mit einer zusammengerollten Zeitung klang.

Es war eine Waffe mit Schalldämpfer.

Die Schüsse trafen Barkow in der Herzgegend. Zwei Einschüsse, sehr dicht nebeneinander. Er fiel um wie ein gefällter Baum und blieb regungslos liegen. Seine Hand griff noch zur Brust. Das Blut sickerte zwischen den Fingern hindurch.

Der Mann mit der Schalldämpfer-Waffe trat in aller Ruhe näher. Er beeilte sich nicht. Was zu erledigen war, war erledigt. Mit dem Fuß drehte er den Körper aus der Seiten- in die Rückenlage. Der Lichtkegel einer Taschenlampe blitzte auf und erfasste den Kopf. Der Killer zielte aus unmittelbarer Nähe auf die Stirn und drückte ab.

„Sicher ist sicher”, murmelte der Mann mit der Schalldämpfer-Waffe vor sich hin.

Aber da war er schon damit beschäftigt, den Schalldämpfer abzuschrauben, um die Waffe besser einstecken zu können.




4


„Der Schädel ist aufgespalten”, sagte Dr. Gerold M. Wildenbacher, der Gerichtsmediziner unseres Ermittlungsteams Erkennungsdienst. Rudi und ich befanden uns in einem der Sektionsräume der Bundesakademie in Quardenburg, Gerold erläuterte uns gerade anhand einer Leiche ein paar Fakten darüber, was zum Tod dieses Mannes geführt hatte.

 

„Schon mal was von Canoeing gehört?”, fuhr der hemdsärmelige Gerold in seinem unnachahmlichen bayerischen Akzent fort.

„Ich nehme an, das hat nichts mit irgendwelchen Freizeitaktivitäten in der kanadischen Wildnis zu tun”, sagte Rudi.

„In diesem Fall nicht. Wenn man jemandem, der am Boden liegt, einen Kopfschuss verpasst, spaltet das meistens den Schädel auf eine ganz bestimmte Weise. Das zugegebenermaßen etwas unappetitliche Ergebnis sehen Sie hier. Von der Form her erinnert es an ein Kanu. Daher die Bezeichnung Canoeing.”

„Ja, ich denke, wir verstehen, was Sie meinen”, sagte ich.

„Wenn jemand am Boden liegt, ist die Wirkung eines solchen Schusses eine andere, als wenn Sie vor jemandem stehen”, erklärte Gerold. „Letzteren Fall habe ich häufiger hier auf dem Tisch des Hauses. Jemand bekommt eine Kugel aus nächster Nähe in die Stirn. Dann ist die Eintrittswunde nicht sehr groß. Die größere Wunde entsteht dann am Hinterkopf. So etwas dürfte Ihnen ja vertraut sein ...”

„Gehört leider zu unserem Job”, sagte Rudi.

„Aber hier liegt der Fall anders. Wenn jemand auf dem Boden liegt, insbesondere auf dem Rücken, und jemand aus der Standhöhe auf die Stirn schießt, wird der Schädel auf diese Weise gespalten. Das hängt damit zusammen, dass der Untergrund in der Regel hart und für das Projektil undurchdringlich ist. Ein Betonboden zum Beispiel. Die Kugel kann nicht einfach aus dem Hinterkopf austreten. Die Kraft muss irgendwohin. Darum dieses erschreckende Ergebnis. Unser Fischkopp kann Ihnen die physikalischen Gesetze, die dazu führen, vielleicht bei Gelegenheit mal in aller Ausführlichkeit darlegen.”

Mit Fischkopp meinte Gerold seinen hamburgisch-stämmigen Kollegen Friedrich G. Förnheim, von uns allen meistens FGF genannt. Der hemdsärmelige Gerold machte sich über den allein schon wegen seines Akzents leicht etwas abgehoben wirkenden Naturwissenschaftler und Ballistiker immer gerne mal etwas lustig. Bezeichnungen wie Fischkopp musste Friedrich da schon mal über sich ergehen lassen. Allerdings wusste der Norddeutsche da auf seine Weise durchaus zu kontern.

„Wir stellen Ihre Untersuchungsergebnisse und die daraus abgeleiteten Hypothesen nicht in Frage, Gerold”, versicherte ich.

„FGF hat mir fast die Ohren abgequatscht, als er mir das erläutert hat”, meinte Gerold. „Eigentlich nicht richtig, dass Sie weniger leiden brauchen als ich.”

„Lassen Sie das FGF nicht hören!”, sagte ich.

„Das kann er ruhig wissen - und ich bin überzeugt davon, das weiß er auch. Aber da ist noch eine Sache, die ich jetzt beinahe vergessen hätte.”

„Und die wäre?”, fragte ich.

„Dieses Canoeing ist typisch für die Vorgehensweise von Einsatzkräften des KSK, etwa wenn die einen Terroristen ausschalten.”

„Also noch mal in den Kopf schießen, damit man sicher ist, dass der Betreffende tot ist”, fasste ich es zusammen.

„Eigentlich ist das eine unerwünschte Vorgehensweise, die sich aber bei den Scharfschützen immer mehr verbreitet hat, genauso wie das Sammeln von Souvenirs und Trophäen bei den Einsätzen.” Gerold deutete auf den Toten. „Ich bin kein liberales Weichei, aber so was ist widerlich. Soweit ich weiß, versucht man das einzudämmen, indem man die Einsätze umfassender per Video dokumentieren lässt.”

„Dann schließen Sie daraus, dass der Täter ein Soldat des KSK war”, stellte ich fest.

„So wie er selbst.”

Der Mann, dessen zerstörten Schädel uns Gerold erläutert hatte, war Klaus Deggemann, ehemaliges Mitglied beim KSK und zuletzt Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma in Nördendorf. Zwei weitere Männer waren auf dieselbe Art und Weise gestorben wie Deggemann. Es handelte sich um zwei Kriminalhauptkommissare: Gieselher Denner aus Hannover und Pascal Barkow aus Frankfurt. Was die drei Fälle letztlich miteinander verband, wussten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Aber es stand auf Grund der ballistischen Untersuchungen an den verwendeten Projektilen fest, dass alle drei Männer mit derselben Waffe und daher mutmaßlich auch von demselben Täter ermordet worden waren. Die Vorgehensweise war jedes Mal dieselbe gewesen.

Alle drei Opfer hatten am Boden liegend und zu einem Zeitpunkt, da sie sehr wahrscheinlich nicht mehr gelebt hatten, noch einen weiteren Schuss aus nächster Nähe bekommen. Eine Schuss, der ihnen den Schädel gespalten hatte.

An einen Zufall glaubte da niemand von uns.

Seit ein paar Tagen hatten wir nun diesen Fall auf dem Tisch. Und irgendwie schien daran nichts zusammenzupassen. Drei Männer waren auf die gleiche Art und Weise umgebracht worden. Darunter zwei Kommissare aus völlig unterschiedlichen Städten. Rudi und ich hatten schon die Hoffnung gehabt, hier einen Ansatzpunkt in diesem Fall zu finden. Aber dann kam Opfer Nummer drei, ein ehemaliger Soldat des KSK, der zuletzt in einen Job in der privaten Sicherheitsbranche gehabt hatte und mit den Opfern Nummer eins und zwei überhaupt nichts zu tun zu haben schien.

Irgendeinen Zusammenhang musste es natürlich geben. Wir kannten ihn nur noch nicht.

Etwas später erläuterte uns Dr. Dr. Friedrich G. Förnheim noch den ballistischen Bericht.

„Soll ich Ihnen die Wirkungsweise eines Projektils beim sogenannten Canoeing anhand eines Simulationsprogramms demonstrieren, das mir Lin-Tai entwickelt hat?”, erkundigte sich der Norddeutsche, als wir uns in seinem Labor unterhielten. Lin-Tai Gansenbrink war die IT-Spezialistin und Mathematikerin des Teams.

„Interessante Sichtweise”, sagte ich.

Er hob die Augenbrauen.

„Inwiefern?”

„Dass Lin-Tai Ihnen bei der Entwicklung des Programms geholfen hat und nicht umgekehrt.”

„Vielleicht unterschätzen Sie einfach meine Fähigkeiten auf Gebieten, die zwar nicht zu meinem Fachbereich gehören, aber daran eng angrenzen. Und Informatik gehört genauso dazu wie Mathematik und die Fähigkeit, irgendetwas mit Programmcodes anzufangen.”

„Das hat uns Gerold bereits ausreichend erklärt”, sagte ich.

Friedrich hob die Augenbrauen.

„Kann es sein, dass ich bei Ihnen eine geradezu besorgniserregende Geringschätzung des wissenschaftlichen Details konstatieren muss?”, sagte er.

„Ganz gewiss nicht. Es ist nur so, dass wir vorrangig darauf fokussiert sind, einen Mörder daran zu hindern, weiter sein Unwesen zu treiben.”

„Wer sagt, dass das eine das andere ausschließen muss?”, gab Friedrich zurück. „Sie haben den vollständigen Bericht wahrscheinlich schon in Ihren Mailfächern gefunden. Die Waffe, die der Täter benutzt hat, ist eine ganz gewöhnliche Automatik. Er verwendet außerdem einen Schalldämpfer, der sich auch anhand der Spuren auf dem Projektil identifizieren ließe - vorausgesetzt das Teil würde in unsere Hände fallen. Leider war der Datenabgleich negativ.”

„Das heißt, die Waffe ist bisher noch nicht benutzt worden”, stellte ich fest.

Friedrich nickte und verschränkte dabei die Arme vor der Brust.

„Es sind die drei Fälle für diese Waffe aktenkundig, mit denen Sie sich zur Zeit beschäftigen, meine Herren.”

„Scheint ein Neuling zu sein”, meinte Rudi.

„Oder ein alter Hase, der sich eine neue Waffe besorgt hat”, hielt Friedrich ihm entgegen. „Das kann man nun wirklich nicht sagen. Zumindest nicht mit den Methoden, die mir zur Verfügung stehen. Allerdings lassen sich ein paar Aussagen schon treffen.”

„Wir sind ganz Ohr”, sagte ich.

„Zunächst mal muss der Täter ungefähr 1,80 m groß gewesen sein. Er hat aus dem Stand auf den Kopf gezielt, als die Opfer am Boden lagen. Da Sie Einzelheiten und Details nicht so zu schätzen wissen, wie ich mir das als Wissenschaftler wünschen würde, schlage ich vor, dass ich Ihnen die Details erspare, beziehungsweise Sie diese in meinem Bericht nachlesen, falls Sie aus irgendeinem Grund doch daran interessiert sein mögen - und sei es nur, dass Sie beabsichtigen, die Grundlagen meiner Berechnungen in Zweifel zu ziehen.”

„Daran dachten wir wohl kaum”, sagte Rudi.

„Eine Körpergröße von 1,80 m schließt eine Frau als Täterin leider noch nicht völlig aus”, sagte ich.

„Aber es ist unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Täter um eine Frau handelte”, sagte Friedrich. „Und die Körpergröße ist dazu durchaus das Hauptargument. Ich habe Ihnen eine durchschnittliche statistische Verteilung im Bericht mitgeliefert. Sie haben Recht, ausschließen kann man eine Frau zwar nicht, aber statistisch gesehen wäre dieser Fall dann wohl doch eher unwahrscheinlich.”

„Was ist mit den Fähigkeiten des Schützen?”, fragte ich. „Ich meine, wenn es sich bei diesem sogenannten Canoeing um eine Vorgehensweise handelt, die bei den Sondereinsatzkräften des KSK verbreitet ist, dann liegt ja der Schluss nahe, dass der Täter ein ehemaliges Mitglied des KSK war.”

„Und Sie wollen jetzt wissen, ob weitere Indizien dafür sprechen, dass der Täter eine militärische Ausbildung genossen hat?”, fragte Friedrich.

„Wäre doch naheliegend”, meinte Rudi.

„Leider kann man da aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen nichts ableiten. Fest steht, dass der Täter über ganz gute Fertigkeiten als Pistolenschütze verfügt haben muss. Denn die tödlichen Schüsse wurden ja aus einer gewissen Entfernung abgegeben, die jeweils im Bericht genau angeben wird. Die Fähigkeiten des Schützen würde ich dabei als professionell, aber nicht herausragend einschätzen. Sie könnten ebenso gut Resultat einer militärischen Ausbildung sein, als auch an einem ganz gewöhnlichen Schießstand durch regelmäßiges Training erworben sein.”