Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman

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Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman
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Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2021.

Inhaltsverzeichnis

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Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman

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Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman


Harry Kubinke Roman

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 118 Taschenbuchseiten.

Drei Anschläge, die auf Polizeipräsidien verübt wurden. Bei allen sind Todesopfer zu beklagen. Der Verdacht liegt nahe, dass eine Sekte, die sich „Königreich der letzten Tage“ nennt, für diese Attentate verantwortlich ist. Doch welche Verbindung gibt es zu dem Anschlag auf den Transporter, der beschlagnahmte Schmuggelware von Rostock nach Potsdam überführte?

Die Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier kommen sich vor, als hingen sie in einem Spinnennetz, denn der Fall ist heikel und der Gegner gefährlich.

––––––––


Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.




Copyright


Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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1


„Betrachten Sie diese Angelegenheit am besten schon jetzt als erledigt!”

„Gut.“

„Das war‘s?“

„Ja.“

„In Ordnung.“

„Von dieser mörderisch frohen Botschaft wird man ganz gewiss hören...“

Der Klang seiner Stimme war so schneidend wie der eiskalte Wind, der jetzt herüberblies. Der Mann mit den grauen Augen steckte sein Smartphone ein. Ein kaltes Lächeln spielte um seine Lippen. Ein Lächeln, so kalt wie der Tod. Der Mann schlug sich nun den Mantelkragen hoch. Er stand an der Ecke und sah mit schmal gewordenen Augen auf das schmucklose, dreistöckige Gebäude gegenüber.

 

Hier war das hiesige Polizeipräsidium untergebracht.

Die Repräsentanz der Macht.

Protzige Erhabenheit schien dieser Bau auszustrahlen.

Aber nicht mehr lange...

Wie hieß es so schön?

Nichts ist von Dauer.

Und das traf in diesem Fall auf eine ganz besondere Weise zu, auch wenn noch niemand etwas davon ahnte.

Niemand... außer einem!

Wie beiläufig blickte der Mann dann auf die Uhr an seinem Handgelenk.

Noch drei Minuten!, dachte er. Ein bisschen Geduld noch...

Dann war es so weit.

Der entscheidende Moment der Wahrheit war gekommen.

Ein kaltes Lächeln spielte um die dünnen Lippen.

Alles fokussierte sich auf diesen einen Zeitpunkt und diesen einen Ort.

Seiner gerechten Strafe kann niemand entgehen!, ging es dem Mann mit den grauen Augen durch den Kopf. Wirklich niemand...

Seine Hände vergrub er in den tiefen Taschen seine Mantels. Die Rechte legte sich dabei um den Griff der Pistole, die er bei sich trug. Eine Berührung, die ihn irgendwie beruhigte. Ihm Halt gab – auf eine gewisse Weise zumindest.

Es wird kein Zurück mehr geben, wusste er.

Manchmal war das so.

Ein Punkt wurde überschritten und nichts war danach so wie vorher.

Vielleicht war er hier und jetzt an so einem Punkt.

Gut möglich, dachte er.

Dann sei es so!

Mit einem Ausdruck von grausamer Befriedigung in den zur verzerrten Maske gewordenen Gesichtszügen versuchte er sich dann auch noch vorzustellen, was gleich geschehen würde.

Leider werde ich es mir nicht ansehen können, dachte er. Sobald hier der Teufel los war, musste er fort sein.

Besser früher als später.




2


Kommissar Jens Günther parkte seinen Wagen vor dem Polizeipräsidium.

Es war ein sehr kalter und sehr grauer Tag. Ein Tag, der von Anfang an aussah wie ein stockiges Leichentuch und auch keineswegs den Eindruck machte, als würde sich noch ändern. Herr Günther stellte den Wagen auf dem zu dem dreistöckigen Gebäude gehörenden Parkplatz ab und stieg aus. Günther war spät dran. Der Verkehr an der Baustelle auf der Autobahn nach Rostock hatte ihn aufgehalten.

Der Wind war ziemlich eisig. Es musste leicht gefroren haben, so kalt war es.

Günther machte einige zielstrebig wirkende weite Schritte und strebte schnell auf den Haupteingang zu. Das hiesige Präsidium war eher sparsam ausgestattet. Eine Handvoll Kollegen war hier tätig. Dazu kamen noch ein paar Innendienstler.

Günther war erst vor drei Monaten zu dieser Dienststelle abgeordnet worden. Eine Strafversetzung, so hatte er es empfunden.

Und da lag er wohl auch keineswegs falsch.

Aber, was hätte er machen sollen?

Ein Beamter war eben ein Beamter.

Ein >Untergebener<, wie man ihm bei seiner Vereidigung gesagt hatte.

Dieses Wort sagte eigentlich auch schon alles.

Jens Günther war ein >Untergebener<.

Ein Untergebener, der eine >Strafversetzung< eben hinzunehmen hatte.

Und sein ehemaliger Chef hatte das auch ganz offen als >Strafversetzung< bezeichnet. Günther hatte einen Kollegen gedeckt, der korrupt gewesen war. Ein Freundschaftsdienst, der Günther um ein Haar den Job gekostet hatte. Jetzt stand er unter Beobachtung.

Aber Günther war zuversichtlich, die öde Gegend im äußersten Nordosten von Deutschland irgendwann einmal wieder verlassen und nach Frankfurt zurückkehren zu können. Aber auf mindestens zwei Jahre würde er sich wohl noch einstellen müssen. Das hatte Norman Hoffmann, der Leiter seiner ehemaligen Dienststelle, ihm gegenüber schon durchblicken lassen.

Zwei Jahre.

Naja, es war nicht die Wüste.

Nur der Norden.

Aber diese Zeit würde Günther auch noch hinter sich bringen.

„Jens!”, hörte er eine Stimme.

Günther blieb stehen. Eine Frau mit dunklen, gut frisiertet Haaren waren gerade aus ihrem Wagen gestiegen. Ihr Name war Teresa Matern. Sie war eine der Innendienstlerinnen, die hier tätig waren.

„Es tröstet mich, dass ich nicht der einzige bin, der heute zu spät zum Dienst kommt”, sagte Jens Günther.

Teresa Matern lächelte.

Es war ein verhaltenes, etwas müde wirkendes Lächeln.

„Die Verkehrssituation ist im Moment wirklich vollkommen untragbar.”

„Wem sagen Sie das!“

„Tja...“

„Und immer eine ausgesprochen gute Ausrede!”

„Ich habe Sie gestern nicht mehr angetroffen. Es geht um die Beweismittel Fall Albrecht Kranich.”

„Meinen Sie diese hässlichen Jade-Buddhas, die wir beschlagnahmt haben?”

„Genau. Diese hässlichen Buddhas dürften im Übrigen ein Vermögen wert sein.“

„So?“

„Hätten Sie auch nicht gedacht, oder?“

„So hässlich, wie die aussahen...“

„Man nennt sowas Kunst.“

„Okay...“

„Und die ist in der Regel wertvoll.“

„Tja...“

„Allein schon der Materialwert ist immens.“

„Hm.“

„Nicht umsonst sind die Gewinnspannen beim Handel mit illegalen Kunstgegenständen inzwischen höher als beim Heroin. Wenn so was in den Räumen unseres kleinen Polizeibüros über längere Zeit gelagert wird ...”

„Ich kann Sie beruhigen. Die Buddhas sind wahrscheinlich schon unterwegs nach Berlin. Ich hatte eine entsprechende Nachricht auf dem Smartphone.”

„Wieso Berlin?”

„Weil dort ein Spezialist lebt, der beurteilen kann, wieviel die Dinger wirklich wert sind.”

Teresa Matern atmete tief durch.

„Scheint, als müsste ich mich nicht mehr um die Inventarisierung kümmern.”

In diesem Moment barsten Scheiben. Glasstücke schnellten wie Geschosse durch die Luft. Eine Explosion ließ die der Straße zugewandte Front des Gebäudes förmlich auseinanderbersten. Günther reagierte instinktiv. Es war ein antrainierter Reflex, sich in so einer Situation zu Boden zu werfen. In diesem Fall riss er Teresa Matern mit sich.

Eine unerträglich heiße Druckwelle war zu spüren. Die walzte förmlich über ihn hinweg. Er lag auf dem blanken Asphalt des Parkplatzes und versuchte das Gesicht mit den Händen zu schützen.

Ein weiterer, geradezu ohrenbetäubender Knall war zu hören. Er war so ohrenbetäubend laut, dass Günther für einen Augenblick glaubte, für immer taub zu sein.

Für quälend lange Augenblicke hatte Günther das beklemmende Gefühl, durch die mörderische Hitze regelrecht versengt zu werden.

Als er dann wieder aufsah, bemerkte er Teresa Materns blutüberströmten Körper, nur wenige Meter von ihm entfernt. Sie lag in eigenartig verrenkter Haltung auf dem Asphalt und irgendetwas Scharfes musste sie getroffen haben. „Nein...“, flüsterte er. Glassplitter vielleicht oder Metallteile, die wie Geschosse durch die Luft geschleudert worden waren, hatten sie getroffen.

Teresa Matern zuckte. Sie lebte noch.

Noch.

„Durchhalten! Sie schaffen das!”

Kommissar Jens Günther verstand genug davon, um zu wissen, dass das nicht so war.

Verdammt!, dachte er.




3


Später stand Jens Günther mit einem Becher Kaffee in der Hand in der Nähe eines der zahlreichen Einsatzfahrzeuge, die inzwischen den Ort des Geschehens erreicht hatten. Überall waren Angehörige der der Rostocker Polizei und der örtlichen Feuerwehr zu sehen. Die Blinklichter der Einsatzfahrzeuge warfen jetzt ein flackerndes Zwielicht auf die Szenerie.

Günther führte den Becher zum Mund und stellte dabei fest, dass seine Hand zitterte. Er nahm die andere Hand zu Hilfe, damit es nicht so auffiel. Das musste der Schock sein. In all den Jahren, die Jens Günther nun schon bei der Polizei seinem Dienst verrichtete, hatte er so etwas noch nicht erlebt. Das Bild von Teresa Materns furchtbar zugerichteten Körper stand ihm vor Augen. Und er war sicher, dass er diesen Anblick lange nicht vergessen würde.

Der Notarzt kam jetzt aus dem Krankenwagen heraus, in dem die Erstbehandlung durchgeführt worden war. Schon sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er war bleich. Jede Nachfrage war da überflüssig. Er schüttelte nur leicht den Kopf.

„Wir konnten nichts mehr tun”, sagte er.

Günther musste schlucken.

Ein Kloß steckte ihm im Hals.

„Todesopfer Nummer zehn”, murmelte er.

„Ja.“

„Ich nehme an, dass einige der Schwerverletzten im Laufe des Tages noch dazukommen werden, oder täusche ich mich?”

„Nein, Sie täuschen sich nicht”, gestand der Notarzt mit düsterer Miene.

Günthers Blick glitt jetzt zum Gebäude, von dem aus jetzt eine dunkle Rauchsäule wie ein dunkles Fanal in den Himmel stieg. Es war genau der Trakt von der Explosion getroffen worden, in dem die Räume der Polizei untergebracht waren. Ein beträchtlicher Teil der zur Straße ausgerichteten Wand war durch die Wucht der Detonation weggerissen worden. Es sah aus, als befände man sich in einem Kriegsgebiet. Der gesamte Komplex war inzwischen evakuiert worden. Auch für jene Bereiche, in denen die kommunalen Angestellten ihre Büros gehabt hatten, bestand akute Einsturzgefahr. Es stand so gut wie fest, dass man das gesamte Gebäude abreißen musste.

Niemand konnte die Ruine im Moment betreten. Es war einfach zu gefährlich.

Einige mit Gasmasken ausgerüstete Angehörige des örtlichen Feuerwehr gestikulierten.

„Herr Günther?”, fragte plötzlich eine Stimme.

Günther drehte sich um. Er sah in das Gesicht eines untersetzten, sehr breitschultrig wirkenden Mannes mit hoher Stirn und buschigen, schräg nach oben ausgerichteten Augenbrauen.

„Ja?”

„Polizeiobermeister Breitner, Rostocker Polizei. Ich habe hier die Einsatzleitung und man sagte mir, ich würde Sie hier finden.”

„... ich ...”

„Hat man sich um Sie gekümmert?”

„Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert”, sagte Günther schroff. Er trank etwas überhastet den Kaffee aus, um sein nervöses Zittern zu überspielen. Seine Stimme vibrierte. Er hatte das Gefühl, dass ihm ein Kloß im Hals steckte.

„Sind Sie vernehmungsfähig, Herr Günther, oder ...”

„Ich sagte doch - es geht mir gut!”, erwiderte Günther nun noch eine Spur schroffer, als er es beabsichtigt hatte. „Entschuldigen Sie. Aber fast alle meine Kollegen sind entweder tot oder schwer verletzt. Das muss man erst mal verdauen.”

 

„Wir müssen damit rechnen, dass es sich um einen gezielten Anschlag auf den Teil des Gebäudes gehandelt hat, in dem die Polizei untergebracht war”, erklärte Breitner. „Es könnte ein Terror-Akt gewesen sein. Die Polizei in Schwerin ist ebenso informiert worden, als auch das BKA in Berlin.“

„Ich kann Ihnen sagen, wer dafür verantwortlich ist!”, meinte Günther und sein Gesicht verzog sich dabei für einen Augenblick zu einer grimmigen Fratze. „Das war ein Racheakt!”

„Wovon reden Sie?”

„Lesen Sie gar keine Zeitung mehr? Wenigstens für die Nachrichten im lokalen Frühstücksfernsehen sollten Sie Zeit haben.”

„Hören Sie, Herr Günther, bei allem Verständnis für das, was Sie durchmachen ...”

„Es ist Zeitverschwendung, mit Ihnen zu reden”, knurrte Günther und machte eine wegwerfende Handbewegung. Der leere Kaffeebecher flog durch die Luft und landete auf dem Asphalt. Günther setzte sich mit finsterer Entschlossenheit in den Gesichtszügen in Bewegung.

„Warten Sie!”, verlangte Breitner.

Günther reagierte erst, als der Polizeiobermeister ihn ein zweites Mal ansprach.

„Was wollen Sie noch?”

„Was haben Sie mit Ihrer Bemerkung gerade gemeint? Wenn Sie irgendetwas über die Hintergründe dieses Anschlags wissen, dann sollten Sie uns einweihen, Herr Günther.”

Günther blieb stehen und drehte sich noch einmal vollständig zu dem Polizeiobermeister um. „Ich glaube nicht, dass dieser Fall lange genug in Ihrer Zuständigkeit bleibt, als dass es sich lohnen würde, länger mit Ihnen darüber zu reden”, meinte er.

In diesem Augenblick klingelte Breitners Handy. Der Polizeiobermeister nahm das Gerät ans Ohr.

„Hier Breitner. Was gibt’s?” Breitners Gesichtsfarbe veränderte sich in den nächsten Augenblicken von einem zornigen Dunkelrot in ein bleiches Weiß. Zweimal stieß er ein entsetztes „Nein!” während des Gesprächs hervor. Dann steckte er das Handy wieder weg. Er sah Günther an. „Es hat zwei weitere Anschläge dieser Art gegeben”, erklärte er.

„Was?”, entfuhr es Günther.

„Betroffen sind Polizeidienststellen von Neubrandenburg und Lübeck. Über die Zahl der Opfer kann man noch nichts sagen. Angeblich sollen die meisten Kollegen, die in Lübeck stationiert sind, in einem Einsatz gewesen sein, so dass die Kollegen dort wohl etwas glimpflicher davongekommen sind.”

„Diese verdammten Schweinehunde”, murmelte Günther. Er ballte die Hände zu Fäusten.

„Und jetzt raus mit der Sprache! Was ist Ihr Verdacht?”




4


Zweieinhalb Stunden dauerte die Fahrt von Rostock nach Berlin. Zumindest, wenn man nach den Angaben des Navigationssystems ging. Tatsächlich saßen die BKA-Kommissare Daniel Grams und Rita Belling bereits seit über sechs Stunden in dem Mercedes-Transporter aus den Beständen der BKA-Fahrbereitschaft. Grams und Belling gehörten zum BKA in Berlin und aus den Beständen der dortigen Fahrbereitschaft stammte auch der Transporter. Damit waren Sie am Vortag nach Rostock gefahren, um eine Ladung beschlagnahmter Jade-Buddhas in Empfang zu nehmen. Mutmaßlich handelte es sich um illegal eingeführte Kunstgegenstände. Aber um das genau beurteilen zu können, war die Expertise eines Sachverständigen notwendig. Und einer der wenigen Fachleute, die sich mit burmesischen Jade-Buddhas auskannte, wohnte im Berliner Speckgürtel.

Da es bei der Rostocker Polizei kein Fahrzeug gegeben hatte, das für diesen Transport geeignet gewesen wäre, hatte das BKA in Berlin aushelfen müssen.

Grams und Belling hatten sich am Steuer abgewechselt. Heute saß die dunkelhaarige Rita Belling hinter dem Steuerrad, während Daniel Grams ziemlich angestrengt auf sein Smartphone blickte.

„Du machst dich nur verrückt, Sören”, sagte Rita Belling.

„Soll ich vielleicht die Hände in den Schoß legen?”

„Nein...“

„Eben!“

„Du kannst sowieso nichts machen, Sören!”

Grams atmete tief durch. „Ich weiß”, gab er zu.

Unterwegs hatten sie von den Ereignissen in Rostock erfahren. Jemand hatte offenbar erfolgreich versucht, das dortige Polizeigebäude in die Luft zu sprengen. Kurz bevor Grams und Belling die Grenze zum Bundesland Brandenburg passiert hatten, hatten sie dann im Radio gehört, dass es ähnliche Anschläge auch in Neubrandenburg und Lübeck gegeben hatte. Seitdem warteten sie beide ungeduldig auf Neuigkeiten.

Natürlich waren sie inzwischen auch offiziell vom BKA in Berlin über die Lage unterrichtet worden, soweit man darüber schon etwas sagen konnte.

„Weißt du, worüber ich schon die ganze Zeit nachdenken muss?”, fragte Grams seine Kollegin, ohne darauf im Ernst eine Antwort zu erwarten. „Wenn wir nicht bereits gestern von Berlin aus nach Rostock gefahren wären, sondern erst heute früh, dann hätten wir ungefähr zu der Zeit, als es dort geknallt hat, bei den Kollegen im Büro eine Tasse Kaffee getrunken und wären mit in die Luft gegangen.”

„Gegen Terroranschläge ist man letztlich machtlos”, meinte Rita Belling. „Es kann jeden treffen. Überall und zu jedem Zeitpunkt.”

„Wenn es ein Terroranschlag war.”

Sie erreichten das Gebäude die Polizei von Potsdam.

„Ziel erreicht”, meinte Rita Belling, nachdem sie einen Parkplatz am Straßenrand gefunden hatten.

Sie stiegen aus.

Wenige Augenblicke später standen sie in der Türnische des Haupteingangs. Belling hatte die Sprechanlage betätigt. Aber anstatt der Stimme eines Kollegen hörten sie von der Straße her den Knall einer ohrenbetäubenden Detonation. Der Transporter, mit dem sie gefahren waren, wurde von der Gewalt der Explosion regelrecht zerrissen und verwandelte sich in einen Feuerball. Überall zerbarsten Fensterscheiben unter der Druckwelle.

Es war die Hölle.