Kommandounternehmen Angkor: Military Action Thriller

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Kommandounternehmen Angkor: Military Action Thriller
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Alfred Bekker

Kommandounternehmen Angkor: Military Action Thriller

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kommandounternehmen Angkor

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Impressum neobooks

Kommandounternehmen Angkor

von Alfred Bekker

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© 1994 by Alfred Bekker

www.AlfredBekker.de

www.Postmaster@AlfredBekker.de

All rights reserved

Ein CassiopeiaPress Ebook

Ausgabejahr dieser Edition: 2013

Siehe News:

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Kambodscha hatte unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer zu leiden, die ein Viertel der Bevölkerung umbrachten. Seitdem hat sich das Land noch nicht von den Nachwirkungen dieser Zeit erholt.

Am Oberlauf des Stoeng Sen, eines Nebenflusses des Mekong, beginnt eine Guerilla-Gruppierung zu operieren, die sich als Neue „Khmer Rouge“ bezeichnen. Weite Gebiete stehen schon unter Kontrolle dieser Guerilla, bei der völlig unklar ist, wer dahinter steckt. Zwar sind unter gefallenen KR-Kämpfern auch ehemalige und bekannte Khmer Rouge-Aktivisten dabei, aber andererseits scheint kein politisches Konzept oder Ziel hinter den Aktionen dieser Gruppe zu stehen. Die Bewaffnung ist ultramodern, was bedeutet, dass jemand sehr Mächtiges diese Terroristen ausstattet.

Die bekannten Tempelanlagen von Angkor Wat und Angkor Thom werden von angeblichen Touristen als Übergabeplätze für Bargeld und Drogen benutzt. Es liegt die Vermutung nahe, dass die neuen Roten Khmer nichts anders als eine Söldnertruppe eines Drogensyndikats sind.

Colonel Vanderikke und seine Einheit von Elite-Kämpfern begeben sich mit Zustimmung der kambodschanischen Regierung ins Krisengebiet (denn die Regierung wird der Lage schon längst nicht mehr Herr), um den Hintermännern das Handwerk zu legen.

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Roy McConnery trat aus dem Schatten des uralten Tempelgemäuers hervor. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Seine Hand griff unter das verschwitzte, fleckige Hemd und riss eine automatische Pistole vom Typ Sig Sauer P226 hervor.

Es war Nacht. Der Mond stand als großes, leuchtendes Oval über den Baumwipfeln und tauchte die Ruinen von Angkor Wat in ein fahles Licht.

Ein vielstimmiges Konzert tierischer Laute erfüllte den dichten Regenwald, der die verfallenden Gemäuer an manchen Stellen regelrecht überwucherte. Irgendwo da draußen in dem Labyrinth der verfallenden Mauern lauerten seine Verfolger. McConnery wusste, dass ihn Schlimmeres als der Tod erwartete, wenn er lebend in ihre Hände fiel...

*

Ein Geräusch ließ McConnery herumfahren. Schattenhaft tauchte eine Gestalt hinter einer Mauerecke hervor. Für Sekundenbruchteile fiel das Mondlicht auf einen maskierten Mann in olivgrünem Kampfanzug. Er hielt eine MP7 im Anschlag, richtete den Lauf in McConnerys Richtung und feuerte. Blutrot leckte das Mündungsfeuer aus der kurzen Mündung der Maschinenpistole heraus.

McConnery warf sich zur Seite. Eine MPi-Salve von mindestens dreißig Schuss knatterte größtenteils dicht an ihm vorbei. Nur zwei Projektile erwischten ihn am linken Arm.

McConnery feuerte noch während er fiel. Die P226 wummerte zweimal kurz hintereinander los, bevor McConnery mit einem dumpfen Geräusch auf dem weichen, von Moosen und Schlingpflanzen überwucherten Waldboden aufschlug.

McConnery war ein ausgezeichneter Schütze.

Ein Schuss hatte den Maskierten in der Bauchgegend erwischt, war aber von der Kevlarweste abgefangen worden. Für den getroffenen glich die Wirkung einem sehr kräftigen Tritt. Aber das Projektil konnte durch die dicht gewebten Schichten des kugelsicheren Materials nicht in den Körper eindringen.

Der zweite Schuss war allerdings tödlich. Die Kugel durchschlug den Hals. Röchelnd und blutüberströmt sank der Maskierte zu Boden.

McConnery rappelte sich auf.

Sein Arm schmerzte höllisch. Das Hemd war blutdurchtränkt. Er hörte Äste knacken. Eine Bewegung. Ein weiterer Schatten hinter einem Mauervorsprung. MPi-Feuer blitzte auf. Eine Garbe von zwanzig Schüssen kratzte über das uralte Tempelgemäuer, sprengte Stücke aus den vor tausend Jahren in den Stein gehauenen Reliefs. Die fratzenhaften Göttergesichter wurden reihenweise entstellt. Was der Zahn der Zeitalter in Jahrhunderten nicht vermocht hatte, das schafften diese relativ kleinkalibrigen Projektile innerhalb von Sekunden.

McConnery tauchte hinter einen Mauervorsprung. Die Tempelstädte des alten Khmer-Reichs, dessen Blüte schon über tausend Jahre zurück lag, glichen gewaltigen Labyrinthen aus Steinbauten, die im Lauf der Zeit mehr oder minder vom Dschungel überwuchert worden waren.

Eigentlich ideale Bedingungen also, um Deckung zu finden und sich zu verstecken.

McConnery riss den Lauf der Pistole empor und feuerte in die Dunkelheit hinein. Er orientierte sich am Mündungsfeuer seines Gegners. Ein Schrei gellte.

Das dumpfe Geräusch eines menschlichen Körpers, der auf dem Boden aufschlug folgte.

Nur einen Sekundenbruchteil später zuckte McConnerys Körper wie unter elektrischen Schlägen. Hinter ihm blitzten die Mündungsfeuer mehrerer MPis auf. Dutzende von Treffern zerfetzten seinen Rücken. McConnery drehte sich noch halb herum, kam aber nicht mehr dazu, auch nur einen einzigen Schuss aus seiner Waffe abzufeuern.

Schwer schlug er auf dem Boden auf und blieb regungslos liegen.

Maskierte Bewaffnete in olivgrünen Kampfanzügen traten aus der Dunkelheit hervor.

Einer von ihnen drehte den am Boden liegenden Toten mit der Stiefelspitze herum.

„Ein dreckiger CIA-Agent!“, knurrte er voller Verachtung. „Soll er ein Fraß für Maden und Flussratten werden!“

Einer der anderen Männer lachte.

„Gut, dass er tot ist“, sagte er. „Gut für ihn!“

*

UNO-Hauptquartier, New York, Büro des Generalsekretärs, Mittwoch, 1106 OZ

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen musterte kurz die Anwesenden. Es handelte sich um die UNO-Botschafter einiger Mitglieder des Sicherheitsrates.

„Gentlemen, ich möchte vorab betonen, dass dies ein informelles Treffen ist. Es dient einfach dazu, gegenseitig die Standpunkte des anderen in einer bestimmen Frage kennen zu lernen und die Chancen für die Vereinten Nationen und ihren Sicherheitsrat auszuloten, in dieser Sache tätig zu werden.“

Ein Mann mit kantigem Gesicht und grauem, aber noch sehr dichtem Haar schlug die Beine übereinander.

Er griff in die Westentasche seines dreiteiligen, sehr konservativ wirkenden Anzugs und warf einen Blick auf eine Taschenuhr. „Meine Zeit ist knapp, ich schlage daher vor, dass wir rasch zur Sache kommen!“

„Das ist ganz in meinem Sinn“, erwiderte der Generalsekretär mit einem leicht säuerlichen Lächeln. „Es geht um die Lage in Kambodscha. Nach allem, was uns an Erkenntnissen zur Verfügung steht, braut sich da etwas zusammen, das uns mittelfristig um die Ohren fliegen könnte.“

„Ist das nicht etwas übertrieben?“, meldete sich ein Mann mit Halbglatze und sehr markantem Profil zu Wort. „Zur Zeit der roten Khmer wurde fast ein Viertel der Bevölkerung umgebracht und eine Bande von wahnhaften Utopisten haben versucht, ein ganzes Land zurück in die Steinzeit zu zwingen. Und natürlich kann es da niemandem gefallen, wenn eine Organisation von sich reden macht, die sich als die Neuen Roten Khmer bezeichnet! Aber unseres Erachtens nach ist das ein lokal begrenztes Problem.“

„Es existiert ein offizielle Hilfeersuchen der kambodschanischen Regierung an die Vereinten Nationen“, gab der Generalsekretär zu bedenken. „Darin ist davon die Rede, dass bereits ein großer Teil des Landes nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung steht.“

„Wäre das etwas Neues?“, fragte ein dritter Botschafter. Das Auffälligste an seinem Gesicht war der markante Oberlippenbart. „Wann hatte den denn die Regierung in Phnom Pen im Verlauf der letzten dreißig Jahre schon einmal das Land vollkommen unter Kontrolle? Jedenfalls sehe ich keinen Grund für ein Eingreifen der UNO. Mein Land wird hier sicherlich keine Initiative im Sicherheitsrat einleiten.“

Der Generalsekretär hob die Augenbrauen.

„Würde Ihr Land denn einen Beschluss des Sicherheitsrates blockieren?“

Der Mann mit dem Oberlippenbart lächelte.

„Nun, möglicherweise wäre meine Regierung zu einer Stimmenthaltung bereit.“

In den Augen des Generalsekretärs blitzte es. Ein verhaltenes Lächeln spielte um seine Lippen. „Na, das ist doch immerhin schon einmal ein Wort.“ Er lehnte sich etwas in seinem Sessel zurück und fuhr fort: „Die so genannten Neuen Roten Khmer verfolgen den Erkenntnissen mehrerer Geheimdienste nach keinerlei politische Ziele und sie haben mit den Nachfolgern der kommunistischen Guerilla, die nach dem Sturz ihres Schreckensregimes wieder in den Untergrund gingen, nur wenig gemeinsam. Außerdem sind sie hervorragend ausgerüstet. So gut, dass sie es an Kampfkraft mit jeder Armee der Welt aufnehmen können. Die regulären kambodschanischen Truppen haben sich an ihnen die Zähne ausgebissen!“

 

„Und da sollen ausgerechnet Blauhelme dafür sorgen, dass sie in die Schranken gewiesen werden“, fragte der Mann mit den grauen Haaren mit deutlich erkennbarem Spott. „Das hat doch schon Anfang der Neunziger nicht geklappt, als die UN-Truppen die Wahlen überwachen sollten. Die Roten Khmer wussten damals ganz genau, dass sie auf Zeit spielen konnten. Schließlich war das UNO-Mandat auf achtzehn Monate begrenzt und nach Abzug de Blauhelme konnten sie dann wieder aktiv werde und ihren schmutzigen Guerilla-Krieg weiter führen.“ Er schüttelte entschieden den Kopf. „Das ist ein Fass ohne Boden. Meine Regierung hat kein Interesse, sich da zu engagieren.“

„An einen Einsatz von UNO-Truppen denkt derzeit wirklich niemand.“

„Und woran wird derzeit gedacht?“

Der Generalsekretär hob die Augenbrauen. „Ich meine, dass dies ein Fall für die International Security Force One wäre.“

*

Mark Fellmer rollte sich über den Boden ab. Er riss danach augenblicklich den Lauf der MP7 empor und feuerte als wie aus dem Nichts ein Bewaffneter auftauchte.

Die MP7 in Fellmers Händen ratterte los.

Mündungsfeuer leckte aus dem Lauf heraus.

Ein gutes Dutzend Kugeln schalteten den Gegner aus, bevor dieser seinerseits das Feuer eröffnen konnte. So schnell er konnte, rappelte sich Fellmer auf und hechtete sich hinter die nächste Deckung.

Irgendwo vor ihm im Halbdunkel zwischen den Hauseingängen blitzte Mündungsfeuer auf. Eine MP ratterte und gab Dauerfeuer.

Fellmer wartete ab bis der Geschosshagel etwas nachgelassen hatte. Die roten Laserstrahlen von Zielerfassungsgeräten tanzten durch die Luft.

Der Lieutenant tauchte hinter seiner Deckung hervor, die MP7 im Anschlag. Urplötzlich erschien eine Gestalt: Ein breitschultriger Mann im olivgrünen Kampfanzug mit Splitterweste und einer Kalaschnikow im Anschlag. Fellmer feuerte. Der Mann auf der anderen Seite konnte gerade noch den Lauf seiner Waffe empor reißen, aber es war zu spät für ihn. Mindestens drei Kugeln fetzten ihm in den ungeschützten Kopfbereich hinein und schalteten ihn aus.

Ein zweiter Gegner kam hinter einem Mauervorsprung hervor, auch er im olivgrünen Kampfanzug und mit einer Kalaschnikow bewaffnet.

Fellmer zögerte. Das Gesicht, er kannte es nur zu gut. Es gehörte Colonel John Vanderikke, seinem Kommandanten beim Alpha-Team der UNO Spezialeinheit International Security Force One.

Für den Bruchteil einer Sekunde gerieten Fellmers sorgfältig geschulte Reflexe ins Stocken.

Ein Zögern, das den Tod bedeutete.

Vanderikke feuerte.

„Sie sind tot, Fellmer“, hörte er die Stimme seines Kommandanten noch sagen.

*

„Sie wären jetzt tot, Fellmer“, wiederholte Vanderikkes Stimme diese Feststellung aus einer anderen Richtung.

Die Schritte des Colonels hallten durch den Simulatorraum während sein projiziertes Ebenbild erstarrte. Vanderikke hatte die Simulation offenbar abgebrochen.

Fellmer fluchte.

„Sir, das war nicht fair“, protestierte er.

Vanderikke grinste.

„Sagen Sie bloß, in Ihrer Zeit bei den Krisenreaktionskräften der Bundeswehr hat man Ihnen beigebracht, dass es im Krieg fair zugeht, Lieutenant!“

„Zumindest sieht man nicht unbedingt das Gesicht seines eigenen Kommandanten vor sich, wenn man einen Gegner erwartet!“

Vanderikke deutete auf die erstarrte Projektion seines Ebenbildes.

„Dieser Mann dort ist Ihr erwarteter Gegner – auch wenn Sie es vielleicht gewohnt sind, in anderen Situationen Befehle von ihm entgegenzunehmen!“, versetzte Vanderikke.

„Ob Sie es nun glauben wollen oder nicht - in unserem Job geht es darum, mit ungewohnten, völlig unvorhergesehenen Situationen klar zu kommen. Routine reicht bei einer Einheit wie der International Security Force One nicht.“

„Und nachdem ich inzwischen stellvertretender Kommandant dieser Einheit bin, wollen Sie mir damit klar machen, dass ich eigentlich nicht hier hin gehöre - oder wie soll ich das verstehen?“, fragte Fellmer, wobei er sich kaum Mühe gab, den galligen Unterton zu unterdrücken.

Hatte er, der ehrgeizige Vorzeigesoldat der UNO-Sondereinheit nicht wirklich alles getan, um Vanderikkes Respekt zu gewinnen?

Hatte er nicht immer einen mindestens hundertprozentigen Einsatz gezeigt und war oft sogar darüber hinaus gegangen? Bis ans absolute Limit?

Wer sonst hätte das schon von sich guten Gewissens behaupten können, wenn nicht Fellmer! Und das selbst in einer Elitetruppe wie dem Alpha-Team der von den Vereinten Nationen aufgestellten multinationalen International Security Force One.

Ich habe alles eingesetzt, um seine Anerkennung zu gewinnen – aber es war wohl genauso vergeblich, wie bei meinem Vater!, ging es Fellmer bitter durch den Kopf. Ein Gedanke, der ihn wütend machte.

Innerlich kochte er, auch wenn er versuchte, sich äußerlich davon nichts anmerken zu lassen.

Eigentlich hatte er gedacht, - nach anfänglichen Ressentiments von Seiten des Colonels – es geschafft zu haben, den Colonel von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Seine recht schnelle Beförderung zum Lieutenant als äußeres Zeichen dafür angesehen.

Sollte ich mich da so getäuscht haben?, fragte er sich. War offenbar alles ein Irrtum.

Vanderikkes Gesichtsausdruck entspannte sich jetzt erkennbar.

„Nicht sauer sein, Lieutenant“, versuchte der Amerikaner seinen Stellvertreter zu beruhigen. „Sie haben bei den Simulationstests im Nahkampf-Schießtraining regelmäßig die besten Punktwertungen und hängen sich jedes Mal mit vollem Einsatz rein. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen und dachte, dass ich diesen Test für Sie etwas anspruchsvoller gestalte.“

Fellmer atmete tief durch.

Es hatte wohl mit der mangelnden Anerkennung durch seinen Vater zu tun, dass Fellmer in vergleichbaren Situationen immer das Negative erwartete.

Das solltest du dir langsam abgewöhnen!, ging es ihm durch den Kopf.

Sein Verstand wusste das, sein Gefühl weigerte sich jedoch beharrlich gegen diese Erkenntnis und ignorierte sie schlicht.

Fellmer hob die Schultern.

„Ich muss gestehen, dass ich für eine Sekunde wie gelähmt war, als ich Ihr Gesicht sah, Colonel!“

„Eine Sekunde, die im Ernstfall Ihren Tod bedeutet hätte“, gab Vanderikke zu bedenken.

Der Lieutenant nickte.

„Ich weiß“, gestand Mark ein.

Vanderikke grinste. „Wie ich schon sagte, nehmen Sie es mir nicht krumm - und ich missgönne Ihnen auch keineswegs den Spitzendurchschnitt bei den Testergebnissen. Ich wollte Sie einfach nur vor zu großer Selbstgewissheit bewahren - denn die kann im Ernstfall genauso tödlich sein, wie Ihr kurzes Zögern.“

„Ich werde es mir hinter die Ohren schreiben“, versprach Fellmer.

In Vanderikkes Augen blitzte es.

„War übrigens gar nicht so einfach, mein Foto in die Projektion hineinzuschmuggeln!“

„Sagen Sie bloß, DeLarouac steckt dahinter.“

„Ich traue mir viel zu, Lieutenant – aber so etwas überlasse ich lieber jemandem, der etwas davon versteht.“

Vanderikkes Handy schrillte.

Der Colonel sagte zweimal kurz hintereinander ein knappes: „Jawohl, Sir!“

Anschließend steckte Vanderikke das Gerät wieder weg.

Sein Gesicht wirkte noch etwas ernster, als ohnehin schon.

„Schluss mit der Übung, Lieutenant. Das war gerade General Elamini.“

Fellmer seufzte.

„Lassen Sie mich raten: Ein neuer Job wartet auf uns.“

Vanderikke nickte. „So ist es.“

Fellmer machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ist mir fast egal, wohin es geht! Hauptsache, es handelt sich nicht um irgendeine tiefgefrorene Region unseres Planeten.“ Die letzte Antarktis-Mission der International Security Force One, als das Team damit beauftragt worden war, illegale Atomtests in einem verborgenen See unter dem Eis zu unterbinden, saß sowohl Fellmer als auch den anderen Soldaten des Alpha-Teams in den Knochen.

*

Nacheinander betraten die Mitglieder des ISFO-Teams den Briefingraum 2 im Stabsgebäude von Fort Conroy.

Der französische Kommunikationsspezialist Pierre DeLarouac erschien in Begleitung von Miroslav Harabok, dem eher lakonischen, russischen Techniker der Truppe.

Wortreich erklärte DeLarouac dem Russen, wie man es schaffen könnte, ein PC-Spiel auf dem einen Computer zu installieren, dessen Betriebssystem eigentlich nicht den Anforderungen entsprach.

Haraboks Beitrag zu dem Gespräch beschränkte sich auf ein kurzes „Ja“.

Dr. Ina Karels trug zivil.

Die junge Niederländerin war die Psychologin des Teams und hätte normalerweise heute ihren Urlaub angetreten, aber leider nahmen die weltpolitischen Ereignisse auf Urlaubspläne von Soldaten keinerlei Rücksicht und so hatte sie ihren Heimflug in die Niederlande kurzerhand stornieren lassen. Natürlich auf Kosten der Vereinten Nationen.

Karels nahm Platz und verdrehte die Augen, nachdem sie DeLarouacs ungebremstem Redefluss einige Augenblicke lang gelauscht hatte.

Anschließend betraten die Argentinierin Marisa „Mara“ Gomez und der italienische Nahkampfspezialist Roberto Mancuso den Raum.

Sie trugen Kampfanzüge.

Vanderikke und Fellmer komplettierten das Team.

Als General Elamini den Raum betrat, erhoben sich alle von ihren Plätzen und standen stramm. Der südafrikanische Gründer und kommandierende General der International Security Force One ging mit weiten, entschlossen wirkenden Schritten durch den Raum – dorthin wo bereits sein Laptop mit angeschlossenen Beamer platziert waren.

Er drehte sich zu den Mitgliedern des Alpha-Teams der International Security Force One um, grüßte knapp und sagte: „Setzen Sie sich!“

General Elamini ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er musterte die Anwesenden kurz. Der General aktivierte den zu seinem Laptop gehörenden Beamer und projizierte einen Kartenausschnitt von Süd-Ost-Asien an die Wand.

„Sie sehen hier das so genannte goldene Dreieck: Kambodscha, Laos, Thailand. Es handelt sich um einen der größten Drogenumschlagsplätze der Welt und das seit vielen Jahrzehnten“, erklärte General Elamini. „Ein beträchtlicher Anteil des weltweit gehandelten Heroins stammt letztlich aus dieser Region. Instabile politische Verhältnisse und korrupte lokale Regierungen haben dies natürlich über Jahrzehnte hinweg begünstigt. Das ist nichts Neues, und es steht leider außerhalb unserer Macht, etwas daran zu ändern. Im Verlauf der letzten ein bis zwei Jahre hat in diesem Gebiet allerdings eine Entwicklung eingesetzt, die völlig unbeachtet von der Welt nicht nur im Hauptquartier der Vereinten Nationen große Sorgen ausgelöst hat, sondern auch die kambodschanische Regierung zu einem offiziellen Hilfeersuchen an die Vereinten Nationen veranlasste.“

Mit dem Strahl eines Laserpointers umkreiste General Elamini jenes Gebiet, in dem der Mekong die Grenze zwischen Kambodscha und Laos überschritt.

„Sie sehen hier das Rantanakiri Plateau und die drei Nebenflüsse des Mekong in dieser Region: den Kông, den San und den Srepog“, erläuterte Elamini. „Das gesamte Gebiet und einige andere Regionen stehen faktisch nicht mehr unter Kontrolle der Regierung in Phnom Pen. Es hat hier immer Mohnanbau und Drogenhandel gegeben, aber jetzt versucht offenbar jemand, diesen Handel unter seine Kontrolle zu bringen und damit Milliardengewinne zu machen. Wer dieses Gebiet und die angrenzenden Gebiete in Laos und Thailand beherrscht, kann die Heroin Preise in der South Bronx oder Harlem diktieren. Nach Erkenntnissen der kambodschanischen Regierung, sowie verschiedener Nachrichtenagenturen operiert hier eine Guerillabewegung, die unter dem Namen „Neue Rote Khmer“ firmiert. Das Überraschendste ist jedoch, dass diese Kämpfer besser ausgebildet sind und auch besser bewaffnet sind als die reguläre Armee. Sie verfügen über hochmoderne Raketenwerfer, über Stinger-Raketen zur Abwehr von Hubschraubern oder Flugzeugen und haben ganze Teile des Landes praktisch vom Rest der Region abgeriegelt. Das Ganze ging einher mit einer brutalen Säuberungswelle unter den lokalen Drogenfürsten. Offenbar ist jeder liquidiert worden, der nicht bereit war mit dieser neuen Macht zu kooperieren.“

 

„Haben diese Leute tatsächlich etwas mit jenen Roten Khmer zu tun, die in den 70er Jahren eine Schreckensherrschaft über Kambodscha ausübten?“, fragte Colonel John Vanderikke.

„In den Wirren des Vietnam-Krieges war es damals den kommunistischen Roten Khmer gelungen, die amerikafreundliche Regierung des Diktators Lon Nol zu stürzen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung fiel in den nachfolgenden Jahren der Schreckensherrschaft unter Pol Pot zum Opfer. Eine Schreckensherrschaft, die erst durch eine Invasion der Vietnamesen beendet worden war. Noch Jahre danach hatten die Roten Khmer in den unzugänglichen Dschungelgebieten Kambodschas operiert. Eine Gruppe unverbesserlicher Steinzeitkommunisten, die jedoch eine zunehmend geringere Bedeutung gespielt hatten. Aber selbst nach ihrer Vertreibung führten sie noch einen jahrelangen Bürgerkrieg.“

General Elamini fuhr fort: „Nach ihrer Entmachtung lieferten sich die ursprünglichen Roten Khmer jahrelang blutige Gefechte mit der Regierung und sie beherrschen bis heute einige Gebiete im Westen und Nordwesten des Landes. Daran hat selbst eine UNO-Friedensmission nichts geändert, die Anfang der 90er Jahre zur Sicherung der allgemeinen Wahlen stattfand. Die Roten Khmer spielten damals einfach auf Zeit. Sie wussten, dass das UNO-Mandat auf 18 Monate begrenzt war.“

Elamini deutete erneut auf das im Nordosten gelegene Rantanakiri Plateau.

„Diejenigen Verbände, die in diesem Gebiet operieren und sich als Neue Rote Khmer bezeichnen, haben unseren Erkenntnissen nach mit den alten Steinzeitkommunisten überhaupt nichts zu tun. Sie benutzen nur ihren Namen und ihre Taktik, um ihre eigenen Ziele zu verschleiern. Einem CIA-Agenten namens Roy McConnery gelang es, zu ihnen vorzudringen. Über einen verschlüsselten Satellitenkanal konnte er noch einige wichtige Informationen übersenden bevor er schließlich bei den Ruinen von Angkor Wat umgebracht wurde. Dankenswerterweise hat uns die US-Regierung diese Informationen zugänglich gemacht. Danach ist es einer unbekannten Macht gelungen große Teile der alten Roten Khmer als Söldner anzuheuern. Die Ziele dieser Macht haben nichts mit politischer Ideologie zu tun. Es geht um die Kontrolle des Drogenhandels. Wir sind uns inzwischen sicher, dass diese Macht Teil eines größeren Netzwerkes ist.“

„Sprechen Sie von einem Syndikat?“, fragte Vanderikke.

„Wir sollten hoffen, dass es sich nur um ein Syndikat handelt“, erklärte Elamini. „Wenn dem so ist, verfügt es über exzellente Verbindungen, denn anders sind die hochmodernen militärischen Möglichkeiten nicht zu erklären über die die Neuen Roten Khmer plötzlich verfügen.“

„Es scheint mir, als würde Ihnen noch eine andere Hypothese im Kopf herumschwirren“, stellte Vanderikke fest.

Der General lächelte mild.

„Sie haben Recht, Colonel. Die Kontrolle des Drogenhandels im goldenen Dreieck stellt eine politische Macht dar. Allein schon wegen der ungeheuren Summen, die dadurch umgesetzt werden. Die Geheimdienste vieler Länder haben uns vorexerziert wie man mit Hilfe von aus dem Drogenhandel stammenden Geldern ganze Regierungen stürzen kann. Ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte auch mancher demokratischer Länder.“

Elamini tickte mit dem Finger auf das Rantanakiri Plateau. „Es könnte auch ein interessierter Staat dahinter stecken“, fuhr er anschließend fort. „Die Kontrolle des Heroinhandels ist eine Trumpfkarte, die man bei außenpolitischen Differenzen mit den Vereinigten Staaten oder Europa hervorziehen könnte.“

Vanderikke nickte.

„Nordkorea ist zu arm, um eine solche Truppe auszurüsten. Doch wer steckt dann dahinter? Der Iran?“

Elamini zuckte die Achseln. „Vielleicht auch China. Sie waren immer schon die traditionellen Unterstützer der Roten Khmer.“

„Und was ist mit einer kriminellen Organisation wie SHADOW?“, fragte Fellmer.

„Auch das wäre möglich“, erwiderte Elamini und fuhr fort: „Wie auch immer. Ihre Aufgabe ist es, die Zentrale der Neuen Roten Khmer auszuschalten und nach Möglichkeit Hinweise darüber zu sammeln, wer dahinter steckt. Roy McConnery hat es leider nicht geschafft bis zu der Zentrale vorzudringen, aber er konnte in Erfahrung bringen, dass es eine unterirdische Bunkeranlage gibt, von der aus die Vorgänge in den von den Neuen Roten Khmer kontrollierten Gebieten gesteuert werden. Von hier aus müssen auch sehr gute Kommunikationswege ins Ausland existieren.“ Elamini machte eine kurze Pause. Sein Gesicht wirkte sehr ernst. In gedämpftem Tonfall fuhr er schließlich fort: „Sie werden bei diesem Einsatz völlig auf sich allein gestellt sein, faktisch jedenfalls. Die kambodschanische und auch die laotische Regierung unterstützen uns zwar, aber wir müssen damit rechnen, dass diese Unterstützung mehr moralischer Natur ist. Über das Einsatzgebiet selbst hat die Regierung in Phnom Penh nicht mehr die Kontrolle. Darüber hinaus müssen Sie damit rechnen, dass Vertreter der Behörden, Soldaten, aber auch die Polizei mehr oder weniger leicht korrumpierbar ist. Das erklärt sich schon aus den bescheidenen Lebensverhältnissen. Seit es dieses offizielle Hilfeersuchen Kambodschas gibt, sind unsere Gegner gewarnt. Es ist daher vielleicht viel versprechender, wenn Sie von laotischem Gebiet aus ins Einsatzgebiet vordringen. Ein anderer Ansatzpunkt wäre es, sich zu den Ruinen von Angkor Wat zu begeben. Diese Ruinen sind bei Forschern und Touristen gleichermaßen beliebt. Für die Neuen Roten Khmer dienen sie vor allen Dingen als Drogenumschlagplatz. Die Drogen und das entsprechende Geld werden einfach irgendwo abgelegt und dann von so genannten Touristen weitertransportiert. Im Gegensatz zu den Einheimischen werden die nämlich kaum kontrolliert.“

„Worin besteht das genaue Ziel dieser Mission?“, fragte Vanderikke.

„Ausfindigmachen und gegebenenfalls Zerstören der Kommunikationszentrale und Sicherung von so viel Datenmaterial über die weltweite Vernetzung der Neuen Roten Khmer wie möglich. Sobald Sie Ihren Job erledigt haben, kann zugeschlagen werden – und zwar weltweit zur selben Zeit.“

„Und da machen über unter Umstände über 190 UNO-Mitglieder auf der Welt mit?“, wunderte sich Lieutenant Fellmer.

General Elamini lächelte dünn. „Sagen wir so: Ein Land, das die Hintermänner dieses Drogenkartells deckt, wird einiges zu erklären haben und vielleicht in den Verdacht geraten, selbst die Kontrolle über die Opiate aus dem goldenen Dreieck anzustreben. Auch das ist ja nicht auszuschließen.“

General Elaminis Haltung straffte sich.

„Ich komme jetzt zu den Einzelheiten… Das Codewort der Operation lautet Unternehmen Khmer.“

*

Phnom Penh, Boulevard Confederation de la Russie, zwei Tage später, 1210 OZ

Es war drückend heiß in dem Taxi, obwohl die Seitenscheiben heruntergedreht waren und der Fahrtwind Fellmer und Karels durch das Haar fuhr. Die Luftfeuchtigkeit musste nahe bei hundert Prozent sein. Schon als sie aus dem Flieger gestiegen waren, hatte Fellmer beim ersten Atemzug geglaubt, einen Schlag vor den Kopf zu bekommen.

Ein Taxi brachte die beiden ISFO-Soldaten vom außerhalb der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh gelegenen Pochentong Airport aus zum Hotel Wat Phnom.

Der Weg führte quer durch die Stadt. Der Boulevard Confederacion de la Russie war eine der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt – und meistens verstopft. Zur hohen Luftfeuchtigkeit kam noch ein Schadstoffgehalt, den man wahrscheinlich in keiner europäischen oder amerikanischen Großstadt antreffen konnte.

Fellmer fragte sich, wie Fahrer der überladenen Fahrradrikschas das auszuhalten vermochten.

Dagegen war selbst ein Höhentraining für Gebirgsjäger der reinste Erholungsurlaub.

Ina Karels erging es nicht anders.

Sie wirkte matt und abgeschlagen, saß in sich zusammengesunken auf der Rückbank des Taxis und strich sich eine schweißnasse Strähne aus dem Gesicht.

„Jetzt wünsche ich mir den antarktischen Sommer“, murmelte sie nur. „Oder eine frische Brise an der Nordsee. Kannst du dir das jetzt vorstellen, Mark?“

„Kann ich – aber ich tue es nicht.“

„Wieso?“

„Wäre doch Folter.“

Karels atmete tief durch und sagte schließlich nach einer kurzen Pause: „Ich hoffe, wir gewöhnen uns möglichst schnell an die Bedingungen hier.“

Fellmer und Karels trugen zivil. Sie mimten Touristen, die zu den Bauten von Angkor reisen wollten. Die Ruinen der alten Dschungelstädte aus der Blütezeit des Khmerreichs wurden von den Neuen Roten Khmer als Übergabeorte für Geld und Drogen genutzt. Die Durchführung war extrem einfach. Man heuerte Amerikaner oder Europäer an, für ein gutes Honorar ein Paket an einem bestimmten Punkt in dem Steinlabyrinth der vom Dschungel überwucherten Ruinen zu hinterlegen und ein anderes Paket dafür abzuholen und außer Landes zu bringen. Kambodscha war auf jeden Touristen-Dollar dringend angewiesen. Entsprechend wenig gründlich wurden die Kontrollen durchgeführt. Wenn dann noch bestimmte Grenzübergänge nach Thailand oder Laos benutzt wurden, an denen die Grenzer geschmiert waren, dann bestand so gut wie keinerlei Risiko – es sei denn, es bestand die Absicht, jemanden in die Falle gehen zu lassen.

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