Knallhart aufs Kreuz gelegt: Zwei Kriminalromane

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Aus der Reihe: Extra Spannung #11
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Knallhart aufs Kreuz gelegt: Zwei Kriminalromane
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Knallhart aufs Kreuz gelegt: Zwei Kriminalromane

Alfred Bekker and Cedric Balmore

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Zwei Krimis

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Der Boss der blonden Todesengel

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Böser Bruder

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Impressum neobooks

Zwei Krimis

Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Dieses Buch enthält folgende drei Krimis:

Cedric Balmore: Der Boss der blonden Todesengel

Alfred Bekker: Böser Bruder

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Der Boss der blonden Todesengel

Privatdetektiv Tony Cantrell #25

von Cedric Balmore

Der Umfang dieses Buchs entspricht 116 Taschenbuchseiten.

Der Anwalt und Privatdetektiv Tony Cantrell hegt eine lockere Freundschaft zu Rocco Grandini, einem superreichen jungen Mann, der von den meisten Frauen umschwärmt wird. Nur Tonys Frau Carol hat eine Abneigung gegen ihn. Ist er wirklich so harmlos, wie es den Anschein hat, oder ist er doch ein gerissener Ganove? Der Tod und das Verschwinden von mehreren Personen, sowie die Entführung von Cantrell legen die Vermutung nahe, dass Grandini doch nicht so ehrbar ist, wie er tut.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

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1

Nick Zolman strahlte, als er seiner Mörderin die Tür öffnete. Sie sah besser aus, als er es sich erhofft hatte, sie war ein optischer Knüller.

Sie erwiderte sein Lächeln mit halboffenem, rotgelacktem Mund. „L 17“, sagte sie. „Hier bin ich doch richtig?“

Nick Zolman warf einen Blick in den Flur und stellte bedauernd fest, dass niemand sah, welche Superpuppe ihn besuchte. Er war im allgemeinen nicht scharf darauf, seine Damen vorzuzeigen, aber in diesem Falle hätte er gern mit dem Mädchen angegeben. Sie war von einer Klasse, die sich sonst selten ins „Grand View“ verirrte.

Er nickte grinsend.

„Sicher“, sagte er. „Nur hereinspaziert.“ Ehe er zur Seite trat, warf er einen letzten Blick in den Flur. Umsonst. Der lange, triste Schlauch, von dem mehr als ein Dutzend Türen abzweigten, wirkte wie ausgestorben. Das Girl stöckelte an ihm vorbei ins Zimmer. Sie roch nach einem guten, teuren Parfüm.

Nina Ricci, stellte Nick Zolman schnuppernd fest und erinnerte sich jener Tage, wo er hinter dem Tresen eines Drugstores gestanden und kostbare, ausländische Duftwässerchen verkauft hatte. Für sechzig lausige Bucks pro Woche. Gott sei Dank, diese Mistzeiten waren vorbei, er war jetzt oben. Wenn alles so weiterlief, wie er es eingeleitet hatte, würde er schon bald aus dem schäbigen „Grand View“ in eine luxuriösere Herberge ziehen können.

Das Mädchen blieb mitten im Raum stehen und schaute sich prüfend um. Nick Zolman schob sich eine Zigarette zwischen die fast farblosen, schmalen Lippen.

„Setzen Sie sich“, bat er. „Stoßen Sie sich nicht am Anblick der billigen Klamotten. Das .Grand View' bietet seinen Mietern nun mal nichts Besseres. Ich bin hier bloß abgestiegen, weil ich Zeit brauche, etwas Passenderes zu finden. Ich hab auch schon was. Übermorgen ziehe ich ins ,Dorchester'.“

„Ist das nicht eine Nummer zu groß für Sie?“, fragte das Mädchen spöttisch.

Nick Zolman runzelte die Augenbrauen. Er schätzte es nicht, wenn jemand seine Zahlungsfähigkeit in Zweifel zog. Andererseits war es der Puppe wahrhaftig nicht zu verübeln, dass sie so redete. Das „Grand View“ war ein Stall, es war in den dreißiger Jahren errichtet worden und hatte längst aufgehört, modernen Wohn- und Komfortansprüchen zu genügen.

 

Aber es hatte einen Vorteil.

Das Mädchen schaute ihn an. „Das Geld“, sagte sie.

„Oh“, meinte er zusammenzuckend, riss die Brieftasche aus seinem Jackett und ließ dabei flüchtig den Revolver erkennen, der in seinem Schulterholster steckte. Er hatte gelernt, dass es selbstmörderisch war, mit Dollarscheinen zu protzen, aber diesmal ließ er das Mädchen sehen, was er besaß, sie sollte erkennen, dass sie sich nicht bei einem „Ferner-liefen-Ganoven“ aufhielt.

Schließlich war er Nick Zolman, ein Freund des großen Rocco Grandini. Er genoss es, zwei Scheine aus dem dicken Hundertdollarnoten-Bündel zu fischen, und legte sie auf den Tisch.

„Das genügt doch wohl, oder?“

„Hm“, machte sie und nahm das Geld an sich. „Für zwei Stunden.“

„He, Moment mal, ich bin keiner von diesen Kurzbrennern“, knurrte er. „Wenn ich ’ne Puppe brauche, dann für die ganze Nacht.“

„Das kostet fünfhundert“, sagte sie.

„Wofür halten Sie sich? Für die Streisand oder so was ähnliches?“, fragte er, war aber nicht so schlecht gelaunt, wie er sich gab. Er hatte schließlich Augen im Kopf und konnte sehen, was das Mädchen wert war. Außerdem war er imstande, sich diesen Luxus zu leisten.

Er grinste. „Also gut. Wenn du die Klasse hast, die du brauchst, um mir zu imponieren, schiebe ich drei Hunderter nach. Zieh dich aus. Oder hättest du vorher gern was getrunken? Ich habe einen Jack Daniels im Haus, Sonderabfüllung. So was kriegt sonst nur Frank Sinatra geliefert, ehrlich, es ist ein Supertropfen.“

Sie musterte ihn prüfend. Er sah besser aus, als sie erwartet hatte, aber natürlich war zu spüren, woher er stammte und was er vorstellte. Ein Windhund, ein Angeber, eine Großschnauze ohne Substanz, ein Mann, der seinen besten Freund betrügen und sogar noch darauf stolz sein würde. Ein Stück Abschaum.

Trotzdem hatte sie Angst.

Nein, es machte ihr nichts aus, zu töten. Es würde eine neue Erfahrung in ihrem Leben sein, eine neue Dimension. Nur war das Ganze nicht frei von Risiken und Unwägbarkeiten. Sie fragte sich, wie Zolman wohl aussehen würde, wenn er starb. Sie hatte oft von brechenden Augen gelesen, sich aber kaum etwas darunter vorstellen können.

Jetzt bot sich ihr Gelegenheit, etwas hinzuzulernen.

Die brechenden Augen des Nicky Zolman...

„Was ist los?“, fragte er, plötzlich irritiert von der Art, wie sie ihn betrachtete. Er griff nach seinem Schlipsknoten.

„Ist die Krawatte verrutscht?“

Das Mädchen lächelte. „Du siehst prima aus“, sagte sie.

Ich tue es für ihn, dachte sie. Wenn alles vorüber ist, wird er wissen, wie sehr ich ihn liebe. Es gibt nichts, was ich nicht für ihn täte.

Sie holte tief Luft. Außerdem ist Nick Zolman wirklich ein Schwein. Ich sehe es ihm an, ich erkenne es an jedem seiner Worte.

„Hast du jemand meine Telefonnummer gegeben?“, fragte sie.

„Nee, wieso?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich will exklusiv bleiben, weißt du. Ich komme nicht zu jedem. Wenn man erst mal damit anfängt, ist man so gut wie tot. So was macht die Preise kaputt.“

Sie überlegte, ob sie Nick Zolman gestatten sollte, mit ihr zu schlafen. Sie mochte ihn nicht, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, ihm etwas bieten zu müssen. Nicht nur die Kugel, die bereits auf ihn wartete...

Er trat ans Sideboard, öffnete eine Flasche und füllte zwei Gläser. Seine Besucherin verkrampfte ihre schlanken, unberingten Hände in die mittelgroße Handtasche und spürte unter dem weichen, dünnen Leder die kantigen Konturen der Waffe.

Schieß jetzt, während er dir seinen Rücken zukehrt!, befahl sie sich.

Irgendwie brachte sie es nicht fertig, dem Impuls zu gehorchen. Meuchelmord war nicht ihr Stil, das würde auch Rocco nicht billigen.

Nick Zolman wandte sich um, er hielt in jeder Hand ein Glas, kam auf sie zu und fragte: „Warum stehst du so im Zimmer herum? Setz dich doch, verdammt noch mal! Ich lebe zwar in keiner Nobelherberge, aber die Sessel sind sauber, genau wie das Bett.“ Das Mädchen setzte sich. Sie nahm das Glas entgegen, das er ihr gab. Sie schnupperte daran. Jack Daniels? Pustekuchen, das war billigster Bourbon aus dem Supermarkt, dieser Kerl hatte ihn lediglich in eine Flasche umgefüllt, mit der er protzen konnte.

„Auf eine heiße Nacht“, sagte er grinsend.

„Prost“, meinte sie und trank.

Eine heiße Nacht. Genau das würde es werden, aber ihr würde für Nick Zolman die große Kälte folgen. Die Kälte des Todes.

„Kein schlechter Stoff, was?“, fragte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

„Ich versteh nicht viel davon“, behauptete sie ausweichend.

„Macht nichts“, sagte er grinsend. „Hauptsache du bist im Bett so gut, wie du aussiehst. Wie heißt du eigentlich?“

„Gloria“, sagte sie.

„Gloria ist gut, finde ich. Der Name passt zu dir, er hat so was Strahlendes. Beantworte mir nur eine Frage bitte, warum bestehst du beim Zusammentreffen mit deinen Kunden auf einem Codewort? Das mit dem ,L 17‘ ist doch perfekter Quatsch!“

Sie lächelte. „Nicht ganz. Jeder hat seine Verkaufstricks, seine psychologisch fundierten Gags. Das Codewort gibt einem Rendezvous den Reiz des Geheimnisvollen und Besonderen. Ich habe herausgefunden, das Männer so etwas mögen. In jedem von euch steckt doch ein kleiner Agent, eben der Junge, der am liebsten wieder Räuber und Gendarm spielen möchte...“

Er schaute sie an, ziemlich verdattert. „Woran du so denkst“, murmelte er.

Er kannte viele Callgirls, hübsche und weniger attraktive, sein Notizbuch war voll mit ihren Telefonnummern, aber es gab nur wenige, die er mehr als zwei oder dreimal zu sich bat. Nicht eine dieser cleveren, harten Mädchen konnte es mit Gloria aufnehmen, weder im Aussehen, noch in der Fähigkeit, sich zu artikulieren.

Er war überzeugt davon, dass sie ihr Geld voll wert sein würde und fragte sich, warum er nicht endlich begann, das Amüsement zu fordern, für das er bereits gezahlt hatte. Irgend etwas lag in der Luft, er spürte es, und diese atmosphärische Verunsicherung bedrückte ihn, sie erzeugte in ihm Hemmungen, von denen er sonst frei zu sein pflegte.

Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas, setzte sich auf die Armlehne des Sessels, in dem seine Besucherin Platz genommen hatte, und betrachtete gleichsam aus der Vogelperspektive die betörenden Kurven ihrer Oberweite. Er sah, dass Gloria keinen BH trug. Ihre vollen, üppigen Brüste atmeten unter einer Bluse aus Seidenjersey.

Er legte eine Hand um ihre runde Schulter und genoss die knisternde Anschmiegsamkeit des Materials auf ihrer glatten, jungen Haut.

Das Mädchen hob den Kopf und schaute ihn an. Nick Zolman sah, wie groß und schön ihre graugrünen Augen waren, etwas kalt vielleicht, aber das war nun mal so bei Callgirls, sie waren berechnend, ohne dieses Talent hätten sie sich in diesem Beruf nicht halten können.

„Sind die Wimpern echt?“, fragte er.

„Ja“, meinte sie, „aber untersteh dich, daran zu ziehen. He, du hast ja 'ne Kanone umgebunden!“

Er verzog den Mund. „Was dagegen? Wir leben in unruhigen Zeiten. Da ist es ratsam, gegen alle Eventualitäten gewappnet zu sein.“

„Bist du ein Gangster?“

Er grinste eitel. „Das würde dir schmecken, was? Alle Puppen haben einen Tick für Gangster. Du bildest keine Ausnahme, Mädchen.“

„Nimm das Ding ab, es stört mich“, bat sie.

Er erhob sich, zog das Jackett aus und löste das Schulterholster. Plötzlich hielt er in seinen Bewegungen inne und fragte: „Wer sagt mir, dass du kein Spitzel bist? Oder jemand, der mich ausplündern will? So was gibt’s in dieser Scheißstadt nur allzu häufig. Oh, Chicago! Ich kenne diesen verlausten Steinhaufen, ich weiß, was darin gespielt wird. Du hast gesehen, was ich in meiner Brieftasche spazieren trage. Du weißt, dass es sich lohnen würde...“

„Spinnst du?“

Er hielt ihren Blick flüchtig fest, dann lächelte er und legte das Schulterholster mit dem schweren Revolver ab. Er hängte das Ganze über eine Stuhllehne, außerhalb von Glorias Reichweite. Das Mädchen begriff, dass er den Revolver nicht aus den Augen lassen würde.

Rocco hatte sie gewarnt. Nick war kein Anfänger. Seine spöttischen Worte waren ernster gemeint, als er es zugeben mochte. Und er wäre nicht Nick Zolman gewesen, wenn nicht dieses beständige Misstrauen in ihm gelebt hätte, eine konstante Menschenverachtung, von der er nur ein Wesen ausnahm: sich selbst.

„Schließ die Tür ab“, bat er.

„Wieso ich?“

Er schaute sie an. Sein Blick war hart geworden, kalt und fordernd. „Ich bezahle dich. In den nächsten zwei Stunden wirst du tun, was ich verlange. Also los. Troll dich!“

Sie stand auf. Sie hatte noch keine drei Schritte getan, als Zolman plötzlich hinter und bei ihr war. Er packte sie am Unterarm und riss sie herum. Gloria stieß einen leisen Schrei aus. „Du tust mir weh! Was soll das?“

„Ich wüsste gern, warum du deine Handtasche ständig mit dir herumschleppst“, sagte er und riss ihr die Tasche aus der Hand. Er öffnete sie, schaute hinein, stieß einen dünnen Pfiff aus und holte die Pistole aus dem Durcheinander von Lippenstift, Puderdose, Schlüsselbund und Pillenschachtel.

„Was ist das?“, fragte er. Seine Augen waren schmal geworden. In den zu Schlitzen verengten Öffnungen glitzerte es wie Laternenlicht auf Eiskristallen.

„Hast du Sand im Getriebe?“, schimpfte sie und wunderte sich, wie überzeugend wütend sie in diesem Moment aufzutreten vermochte. „Du siehst doch, was das ist! Glaubst du, es sei ein Privileg von dir, mit ’ner Kanone herumzulaufen? Mir sind schon die tollsten Dinge passiert, in meinem Beruf geht man nicht unbewaffnet zu fremden Männern.“

Das kalte Glitzern in seinen Augen löste sich auf, er entspannte sich, grinste matt und gab ihr die Handtasche mitsamt Inhalt zurück. „Du hast ja recht“, sagte er. „Wer in dieser Miststadt nicht auf die verrücktesten Dinge vorbereitet ist, darf sich nicht wundern, wenn er an ’ner Bleivergiftung stirbt. Es wird zwar behauptet, das sei ein schöner Tod, aber ich für meinen Teil hätte ihn lieber etwas konventioneller, am liebsten im Bett, weißt du. Apropos Bett wird es nicht Zeit, dass wir die Matratze prüfen?“

„Gibt’s keine Musik in diesem Laden?“, fragte Gloria, der einfiel, dass sie ohne Schalldämpfer schießen musste und es deshalb für notwendig hielt, für eine entsprechende Geräuschkulisse zu sorgen.

„Das Radio ist kaputt“, sagte er, „und Fernsehen wäre wohl für unser trautes Zusammensein schwerlich die geeignete Unterhaltung. Ich zeig dir was besseres, Baby.“

Er fing an, sich auszuziehen. Plötzlich wusste Gloria, dass sie nicht mit ihm schlafen konnte. Auf einmal hatte sie den Wunsch, das Ganze hinter sich zu bringen, möglichst rasch und schmerzlos. Sie nahm die Pistole aus der Tasche und spürte, wie der scharfe Geruch des Waffenöls in ihre sich blähende Nase stieg.

Nick Zolman stand etwa vier Schritte von ihr entfernt, noch in Reichweite des am Stuhl baumelnden Schulterholsters. Er spürte, dass etwas nicht stimmte, wandte den Kopf und bekam große Augen, als er die Waffe in der Hand seiner Besucherin sah. Sein Kinn klappte nach unten, als sei es an einem losen Scharnier befestigt.

„Also doch“, murmelte er.

Sein Unterhemd war verschwitzt und nicht ganz sauber. Komisch, dachte Gloria, wenn er ein sauberes Hemd trüge, hätte ich mich zu ihm gelegt, aber so! Sie schüttelte sich, ohne genau zu wissen, ob Ekel oder wachsende Erregung diese Reaktion bewirkte.

Er stand sehr still, wie eine Statue. Das Mädchen sah, wie sich seine Muskeln spannten, wie alles in ihm darauf hinzielte, seinen Revolver zu erreichen und so zu kontern, wie es die Situation erforderte.

„Es hat keinen Zweck“, sagte sie. „Schau auf meinen Finger. Er liegt am Druckpunkt.“

„Was soll der Quatsch?“

„Du musst sterben, Nicky.“

„Willst du mir Angst machen?“

„Ich will dich kaltmachen, das ist alles.“

Er schluckte. Auf seiner Stirn glänzte plötzlich ein dichtes Netz winziger Schweißperlen. „Du kannst das Geld haben“, stieß er hervor. „Die ganze Brieftasche. Es sind fast zweitausend Bucks. Nimm es dir, hau ab damit...“

„Ich bin nicht wegen des Geldes hergekommen, Nicky.“, sagte sie und sah, wie es in ihm arbeitete. Er dachte an die Telefonnummer, die man ihm gegeben hatte. Er wusste jetzt, dass sich eine Falle dahinter verborgen hatte. Er war wie ein Anfänger hineingelaufen und musste jetzt einen Weg finden, um sich daraus zu befreien, aber ein Blick in Glorias große, graugrüne Augen zeigten ihm, dass sein Weg in die Falle eine Einbahnstraße war, ein Weg ohne Wiederkehr.

 

Plötzlich drückte sie ab. Sie schoss zweimal hintereinander. Das Echo der Schüsse ließ die Fensterscheiben klirren. Es war um vieles lauter, als Gloria es befürchtet hatte.

Nick Zolman zuckte zusammen wie von Stromstößen getroffen. Er brach in die Knie.

Sein Mund war ein großes, offenes Loch, und in seinen Augen kämpften Hass, Überraschung und jähe, lähmende Schwäche um die Oberhand.

Sein Unterhemd färbte sich rot. Gloria fand, dass der Saft nicht wie Blut aussah, eher wie die Farbmixtur eines Bühnenmeisters.

Ihr Mund war trocken geworden. Sie hatte noch niemals zuvor auf einen Menschen geschossen, nicht mal auf ein Tier. Es war phantastisch, zu erleben, welche Macht einem eine solche Waffe gab, aber es machte einen auch krank. Es führte zu einem Würgen in ihrer Kehle und zu einer erschreckenden Schwäche in ihren Knien.

Nick Zolman atmete keuchend. Mein Gott, warum stirbt er denn nicht?, schoss es dem Mädchen durch den Kopf. Die Finger, mit denen sie die Waffe umspannt hielt, klebten vor Schweiß. Sie hatte den Wunsch, noch einmal zu schießen, sie wollte das ganze Magazin leeren, um das Entsetzen aus dem Gesicht des Sterbenden zu wischen, aber sie hatte Angst vor einem weiteren Knall.

Nick Zolman rutschte auf den Knien vorwärts, er kämpfte sich an den Stuhl und den Revolver heran, Zentimeter um Zentimeter, er hatte nur noch dieses eine Ziel, er wollte schießen und töten.

Gloria hob die Waffe. Sie zielte genau, dann drückte sie ab.

Ihr Opfer kippte nach vorn. Zolman schlug mit der Stirn hart auf den Boden.

Er rührte sich nicht mehr.

„Tot“, murmelte Gloria. „Er ist tot.“