Höllenjob in Kansas

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Höllenjob in Kansas
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Alfred Bekker

Höllenjob in Kansas

Neal Chadwick Western Edition

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Impressum neobooks

Kapitel 1

Neal Chadwick

HÖLLENJOB IN KANSAS

Western

"Da kommen sie - diese verdammten Blauröcke!", presste Jeffrey Bridger zwischen den Zähnen hindurch. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend Bewaffneten lauerte er in den steinigen Hängen und blickte in die langgezogene, gewundene Schlucht hinab. Eine Abteilung Kavalleristen der US-Army ritt dort entlang. Sie befand sich offenbar auf dem Weg von Garden City nach Liberal im äußersten Südwesten von Kansas, nur ein paar Meilen vom Indianergebiet entfernt. Bridger zielte mit der Winchester auf den Kommandanten der Abteilung. Der Uniform nach hatte er den Rang eines Captain. In Bridgers Gesicht zeigte sich ein kaltes Lächeln.

"Diese Yankees werden es bitter bereuen, uns bis hier gefolgt zu sein!", murmelte einer der anderen Männer. "Worauf wartest du noch, Jeff? Knallen wir sie ab wie Kaninchen!"

*

Der Kerl, der das gesagt hatte, hielt einen Revolver in der Linken. Der rechte Arm fehlte. Der Ärmel seiner Jacke aus fleckigem Drillich hing schlaff herunter.

"Wir warten noch, Leslie!", bestimmte Bridger. "Erst wenn wir die Chance haben, diesen ganzen Trupp auf einmal zu erledigen, geht es los!"

Der einarmige Leslie verzog das Gesicht.

"Du bist der Boss, Jeff!"

Bridger bleckte die Zähne wie ein Raubtier. "Vergiss das nicht, Leslie!"

"Wie könnte ich!", erwiderte der Einarmige mit leichtem Spott in der Stimme.

Fast ein ganzes Jahr war seit dem Ende des Bürgerkriegs vergangen. Monate, in denen sich die Anhänger des im Auftrag der Konföderierten operierenden Guerilla-Führers William C. Quantrill hatten verstecken müssen. In alle Winde hatten sich Quantrills Leute zerstreut. Die Brüder Frank und Jesse James ebenso wie Jeffrey Bridger. Quantrill selbst war bereits im Juni 1865 von Blauröcken erschossen worden. Nur 28 Jahre war der berüchtigte Guerilla-Führer geworden, der durch die grausamen Plünderungen der von ihm angeführten Bande bekannt geworden war. Besonders im Grenzgebiet von Kansas und Missouri hatten Quantrills Reiter gewütet. Kaum eine Stadt war dort nicht von Quantrills Leuten heimgesucht worden. Bis zu vierhundert Reiter hatten unter seinem Kommando gestanden. Banditen, die mit Billigung und Unterstützung der Confederated States of America ihrem grausamen Geschäft nachgegangen waren.

Inzwischen war ihre Schutzmacht jedoch untergegangen. Unionstruppen hatten das zwischen Gegnern und Befürwortern der Sklaverei zersplitterte Kansas besetzt. Quantrills Bande hatte sich daher in mehrere kleinere Gruppen aufgespalten, die jetzt auf eigene Faust mit ihrem blutigen Handwerk fortfuhren. Auch ohne die Fassade irgendeiner politischen Idee.

Männer, die nichts anderes gelernt hatten, als zu töten und rauben.

Manche von ihnen trieb der pure Hass auf den Norden. Die meisten trieb die reine Geldgier und die Aussicht auf reiche Beute.

Bridgers Zeigefinger spannte sich um den Stecher des Sharps-Gewehrs.

Ein Schuss löste sich, hallte zwischen den Hängen wider.

Für Bridgers Meute das Signal zum Angriff.

*

Captain John Reilly führte den Trupp von US-Kavalleristen an. Der hochgewachsene Offizier ließ den Blick seiner grauen Augen über die Steilhänge schweifen.

Bislang hatte er nichts Verdächtiges entdeckt. Aber Reilly war sich der Tatsache bewusst, dass er sich mit seinem Trupp gewissermaßen in Feindesland befand.

Zwar war Kansas inzwischen von Unionstruppen besetzt und Quantrill erschossen worden, aber noch immer streiften kampferprobte Banden durch das Land. Banden, die aus ehemaligen Quantrill-Kämpfern bestanden, dessen irreguläre Kämpfer sich zerstreut hatten.

Viele von ihnen zog es in den äußersten Südwesten von Kansas.

Die Nähe zum Indianergebiet zog sie an. Das Gebiet der sogenannten zivilisierten Indianernationen hatte seine eigene Gerichtsbarkeit. Doch die galt nicht für Weiße. Für sie war das gewaltige Oklahoma-Territorium ein nahezu gesetzloser Ort. Kein Wunder, dass es die Banditen aus den Nachbarstaaten anlockte wie das Licht die Motten.

Die ehemaligen Quantrill-Kämpfer konnten dieses Gebiet daher als bequemen und sicheren Rückzugsort nutzen.

Viele der lokalen Gesetzeshüter hatten allerdings gar kein Interesse daran, ehemaligen Quantrill-Leuten nachzustellen, da sie insgeheim mit ihnen sympathisierten.

Der Krieg war zwar beendet, aber der Riss, der durch die Bevölkerung von Kansas ging, war damit noch lange nicht gekittet worden. Noch immer gab es zahlreiche Sympathisanten des Südens, die Banditen wie die James-Brüder oder Jeffrey Bridger deckten.

Auf ihrem Weg Richtung Oklahoma hatten Captain John Reilly und seine Leute Dodge City und Garden City passiert. Viele Einwohner hatten sie mit offenen Armen empfangen. Aber es gab auch Menschen, die den Blauröcken mit Misstrauen begegneten. Reilly nahm an, dass die Nachricht vom Eintreffen der Kavallerie-Abteilung seinen Leuten längst vorausgeeilt war.

Ein Höllenjob lag vor Reilly und seinen Männern.

Südlich von Garden City sollte sich die Bande von Jeffrey Bridger versteckt haben. Ein paar erfolgreiche Banküberfälle hatten sie verübt, bevor sie im hintersten Winkel von Kansas untergetaucht waren.

Der Erfolg hatte Bridgers Bande Zulauf gebracht. Gewöhnliche Kriminelle waren ebenso darunter wie ehemalige Angehörige der Konföderierten-Armee, die der Illusion anhingen, dass die Sache des Südens doch noch nicht verloren war.

Captain Reilly hatte den Auftrag, Bridger und seine Bande zu zerschlagen. Wenn möglich sollten die Anführer vor Gericht gestellt werden.

Neben Reilly ritt Lieutenant Ben McCall, ein blonder Mittdreißiger mit hellblauen, wachen Augen. Die Zügel seines Braunen führte McCall mit der Linken. Die Rechte ruhte auf dem Army-Holster am Gürtel.

"Es würde mich nicht wundern, wenn Bridgers Leute hier irgendwo auf uns lauern würden, Sir", murmelte Ben McCall. Der Lieutenant blinzelte gegen die tiefstehende Sonne.

"Dies ist Bridgers Land", stellte der Captain fest. "Aber wir sind hier, um es ihm weg zu nehmen!"

"Aye, Sir!", nickte Ben McCall. "Dass man dazu eigentlich viel mehr Leute bräuchte, muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen!"

Reilly lachte heiser.

"Danach fragt niemand", erwiderte der Kommandant.

Das Wiehern eines Pferdes veranlasste beide Männer dazu, sich in den Sätteln herumzudrehen.

Das Pferd von Corporal Ray Taggert scheute.

Der dunkelhaarige Mann schaffte es mit Mühe, den Gaul wieder unter Kontrolle zu bekommen. Taggert beugte sich vor, fasste dem Tier an die Nüstern. Es beruhigte sich.

Die Abteilung hielt.

"Was ist los?", rief John Reilly.

Der Corporal richtete sich im Sattel auf. Er zuckte die breiten Schultern.

"Keine Ahnung, Sir. Vielleicht hat ein Insekt meinen Braunen gestochen."

In diesem Moment krachte ein Schuss von den Steilhängen herab. Die Kugel pfiff haarscharf an Captain Reillys Kopf vorbei. Um kaum einen Fingerbreit verfehlte sie ihn. Reilly zog den Colt aus dem Army-Holster. Das Pferd scheute, stellte sich wiehernd auf die Hinterbeine.

Weitere Schüsse pfiffen den Blauröcken um die Ohren.

Überall wurde jetzt von den Hängen aus geschossen. Mindestens aus zwanzig Rohren, so schätzte Reilly.

Der erste Soldat wurde aus dem Sattel geholt, bevor er das Sattelgewehr gezogen hatte. Ein Zweiter, der den Sharps-Repetierer gerade aus dem Scubbard gezogen und durchgeladen hatte, bekam einen Kopftreffer. Ein Ruck ging durch den Körper des Kavalleristen. Er wurde nach hinten gerissen. Ein Fuß verfing sich im Steigbügel. Das Pferd brach seitlich aus und schleifte den Toten hinter sich her.

Lieutenant Ben McCall und Corporal Ray Taggert hatten ihre langläufigen Army-Colts vom Kaliber .44 aus den Holstern gerissen und feuerten zurück. Die Angreifer schienen jedoch von allen Seiten zu kommen. Captain Reillys Truppe war in einen regelrechten Hinterhalt geraten.

Es gab so gut wie keine Deckung.

Innerhalb weniger Augenblicke waren ein halbes Dutzend Soldaten tot und lagen in ihrem Blut.

Reilly wusste sofort, dass es nur noch darum ging, das Schlimmste zu verhindern.

"Vorwärts!", brüllte er.

Dabei feuerte auch er seinen Colt ab.

Er zielte auf einen Busch, hinter dem er kurz zuvor Mündungsfeuer hatte aufblitzen sehen.

Ein heiserer Todesschrei vermischte sich mit den Schussgeräuschen.

Die Blauröcke preschten vorwärts. Es war eine Flucht nach vorn. Eine andere Möglichkeit blieb ihnen in diesem Moment auch nicht, wollten sie nicht bis auf den letzten Mann niedergemacht werden.

 

Lieutenant Ben McCall führte sie an, während Captain Reilly sich zurückfallen ließ.

Unablässig feuerte er den Revolver ab, bis die Trommeln leer waren. Dann griff er nach dem Sharps-Karabiner im Scubbard, riss die Waffe heraus und feuerte weiter.

Seine Männer wehrten sich, so gut sie konnten.

Hin und wieder hatte ihr Gegenfeuer auch Erfolg und einer der Angreifer stürzte getroffen aus seiner Deckung heraus.

Ein Pferd ging wiehernd zu Boden. Mehrere Schüsse hatten es im Bauchbereich getroffen. Der Reiter sprang rechtzeitig ab. Hart kam er auf den Boden, rollte herum und feuerte seinen Sharps-Karabiner ab.

Reilly hielt auf ihn zu.

Der Soldat kam auf die Beine, feuerte immer wieder in Richtung der Gegner.

"Auf meinen Sattel, Private!", rief Reilly, streckte die Hand nach dem Blaurock aus.

Der Mann ergriff sie, schwang sich hinter seinen Kommandanten. Reilly gab dem Gaul die Sporen. Zusammen mit den anderen schnellten sie auf das Ende der Schlucht zu.

Einige der Pferde, die mit ihnen galoppierten, besaßen keinen Reiter mehr.

Ungefähr ein Dutzend Männer hatte die Truppe inzwischen verloren.

Dazu kamen noch einige Verletzte.

Sie hetzten vorwärts, ließen die Pferde in einem wahnwitzigen Tempo die Schlucht entlang preschen. Diese machte nach etwa dreihundert Yards eine Biegung. Der Geschosshagel, der bis dahin auf die Blauröcke hernieder geprasselt war, verebbte. Offenbar hatten sich hier keine ehemaligen Quantrill-Guerillas auf die Lauer gelegt.

Reilly war einer der Letzten, der die Biegung passierte.

Lieutenant Ben McCall hatte inzwischen schon dafür gesorgt, dass die Truppe hielt. Mit bloßer Stimmgewalt allerdings, denn der Trompeter war unter den Gefallenen.

Die Kavalleristen sammelten sich.

Reilly zügelte seinen Gaul.

"Steigen Sie ab und nehmen Sie sich eines der Pferde ohne Reiter!", wies er den hinter ihm sitzenden Soldaten an.

"Aye, Sir!"

Der Soldat sprang auf den Boden.

Er wandte sich an seinen Kommandanten. "Danke, Sir! Sie haben mir das Leben gerettet!"

Reilly musterte ihn kurz.

"Wie heißen Sie?"

"Private Jim Hughes, Sir!"

Der Captain nickte leicht. Er erinnerte sich daran, Hughes' Namen auf der Personalliste für diese Mission gelesen zu haben. Hughes war bereits Corporal gewesen. Wegen Disziplinlosigkeit hatte man ihn wieder zum einfachen Soldaten degradiert. Diese Mission war für ihn die Chance, seinen Rang zurück zu erhalten.

Hughes fasste eines der herrenlosen Pferde am Zügel, schwang sich in den Sattel.

Corporal Ray Taggert meldete sich zu Wort.

"Wir haben 13 Männer verloren, fünf sind verletzt und brauchen dringend medizinische Behandlung!", meldete er.

"Der nächste Arzt dürfte in Liberal zu finden sein", stellte Lieutenant McCall fest. "Das ist noch etwa einen Tagesritt von hier. Mit den Verletzten wird es natürlich nicht so schnell gehen."

Reilly blickte sich um. Einige der Angeschossenen hielten sich nur mühsam im Sattel. Nicht alle von ihnen würden es bis Liberal schaffen.

"Wir müssen aus dieser Schlucht heraus!", erklärte Reilly. "Wenn wir eine Stelle finden, an der wir einigermaßen Deckung haben, bleiben wir dort."

"Glauben Sie, dass die Banditen wieder angreifen?", fragte Ben McCall.

Reilly schüttelte energisch den Kopf.

"Nein. Die haben versucht, jedes Risiko zu vermeiden. Sie wissen genau, dass sie sich bei einem zweiten Versuch blutige Nasen holen würden!"

Reilly zog den Säbel.

Er trug ihn nicht am Gürtel, sondern hatte ihn vorn am Sattel hängen.

Mit der in der Sonne blinkenden Klinge wies er Richtung Süden.

"Vorwärts, Männer!", rief er.

Donnernd stampften Pferdehufe über den trockenen, nur mäßig bewachsenen Untergrund.

Sie erreichten schließlich den Ausgang der Schlucht. Dort gab es einige kleinere Felsformationen, bevor relativ offenes, hügeliges Land folgte, das nur hin und wieder durch kleinere Baumgruppen unterbrochen wurde.

Im Schutz der Felsen stoppte die Truppe erneut.

Reilly wandte sich an seine Männer und gab Befehle. Die Verletzten mussten notdürftig versorgt werden. Der Großteil der Männer sollte Deckung in der Umgebung suchen. "Sollten unsere Gegner uns folgen, werden Sie es schwer haben! Wir werden uns hier eine Weile einigeln."

"Sir! Was ist, wenn sich die Banditen einfach aus dem Staub machen?", fragte McCall. "Sie haben selbst erwähnt, wie risikoscheu die Brüder sind!"

Reilly nickte. "Die haben uns kalt erwischt."

"Während wir uns die Wunden lecken, sollte ihnen jemand folgen!", forderte McCall.

Jim Hughes meldete sich freiwillig. "Das könnte ich machen!"

Reilly musterte den Degradierten stirnrunzelnd.

"Können Sie Fährten lesen, Private Hughes?"

"Um ein so großes Rudel Wölfe zu finden, wird es ausreichen!"

"Okay, dann versuchen Sie Ihr Glück. Ich bestehe allerdings darauf, dass ein weiterer Mann Sie begleitet. Reiten Sie einen Bogen. Sollten die Kerle sich davonmachen, dann vermutlich Richtung Süden oder Südwesten."

"Ja, Sir."

"Wir treffen uns in Liberal, Private Hughes!"

*

Die Sonne stand bereits tief und war milchig geworden, als ein einsamer Reiter die kleine Stadt Liberal im äußersten Südwesten von Kansas erreichte. Die Grenze zum Indianer-Territorium war nur wenige Meilen entfernt.

Eine Main Street, ein paar Häuser, drei Saloons, ein Office für den Sheriff und eine Kirche - das war Liberal. Früher hatte es zahlreiche Ranches und Farmen in der Umgebung gegeben. Aber der Krieg, der in Kansas vor allem ein Krieg zwischen irregulären Banden beider Seiten gewesen war, hatte dafür gesorgt, dass viele Siedler aufgegeben hatten und weiter nach Westen gezogen waren. Alles, was man diesen Menschen über blutdurstige Prärie-Indianer erzählt hatte, war offenbar weniger grausig gewesen als das, was ihnen durch weiße Kriegsmeuten drohte.

Der einsame Reiter erreichte die Main Street.

Misstrauische Blicke begleiteten ihn.

Auf den ersten Blick wirkte er wie ein Indianer. Er trug einen eng anliegenden Anzug aus Wildleder. Sein blauschwarzes Haar war zu einem Zopf zusammengefasst. Um die Hüften trug er einen breiten Revolvergurt, an dem außer dem Holster für den Colt noch ein langes Bowie-Messer hing. Eine Winchester 44 steckte im Sattelschuh.

Der Reiter lenkte seinen Braunen auf den größten der drei Saloons zu.

Am Saloon stand in großen Buchstaben "Fire Water".

Auf der anderen Straßenseite sammelten sich ein paar Männer, tuschelten miteinander und starrten immer wieder zu dem Fremden.

Sein Gesicht war sehr dunkel.

Selbst für einen Indianer.

Die breite Nase entsprach auch nicht dem gewohnten Profil.

Der Fremde stieg vom Pferd, machte den Braunen am Hitchrack vor dem "Fire Water" fest und passierte anschließend die Schwingtüren.

Zänkisches Stimmengewirr mischte sich mit dem Spiel eines talentlosen Pianisten.

An einem der Tische war eine Pokerrunde im Gange. Am Schanktisch stand ein gutes Dutzend Männer, die auf den ersten Blick wie Cowboys aussahen. Allerdings fiel auf, dass keiner von ihnen Chaps trug. Außerdem waren die Colts der Männer sehr tief geschnallt, was einen Cowboy bei der Arbeit behindert hätte.

Revolvermänner!, dachte der Fremde. Einige von ihnen hatten sogar zwei Waffen am Gürtel.

Das Stimmengewirr ebbte etwas ab, als die Saloon-Zecher auf den Fremden aufmerksam wurden.

Er ging zum Schanktisch, winkte den Salooner herbei, einen schmächtigen Mann mit tiefliegenden Augen und buschigem Schnauzbart.

"Mein Name ist Tom White Feather. Ist in letzter Zeit eine Truppe von Army-Kavalleristen durch Liberal gekommen?"

"Nein, nicht, dass ich davon gehört hätte", sagte der Salooner. "Und normalerweise höre ich alles, was in der Gegend so vor sich geht."

"Verstehe. Kann man hier telegrafieren?"

"Konnte man vor dem Krieg, Mister."

"Und was ist mit einem Mietstall?"

"Am Ende der Straße."

Tom White Feather legte eine Münze auf den Tisch. "Ich möchte ein Zimmer für die Nacht, eine warme Mahlzeit und einen Kaffee, der Tote erweckt!"

Der Salooner blickte auf die Münze. Er zögerte, ehe er sie einsteckte.

"Keinen Whisky?", vergewisserte er sich.

Tom White Feather schüttelte den Kopf. "Ich trinke kein Feuerwasser."

"War ja nur 'ne Frage."

"Ich habe zu viele Indianer wie hilflose Narren herumtorkeln sehen."

"Ist sicher besser, man lässt die Finger von dem Zeug. Sagt unser Reverend auch immer." Ein verlegenes Grinsen erschien im Gesicht des Salooners. "Allerdings lebe ich unglücklicherweise davon, das Zeug zu verkaufen. Ob an Weiße, Rote oder Chinesen ist mir ganz egal!"

Toms Gesicht blieb unbewegt.

"Bringen Sie mir das Essen an den Tisch", forderte er.

"Ja, Mister."

Tom drehte sich um.

Am Pokertisch hatten die Männer inzwischen aufgehört zu spielen. Sie starrten Tom White Feather an.

Einer der Kerle stand auf.

Er trug einen fast knöchellangen Saddle Coat.

"Hey, bedienst du inzwischen schon jeden, Derry?", rief er zum Salooner hinüber.

"Wenn er bezahlt schon."

Der Saddle Coat-Mann spuckte aus und schlug den Mantel zur Seite, sodass der tiefgeschnallte Revolver sichtbar wurde. "Du bist halt eine geldgierige Ratte ohne Ehre, Derry", zischte er zwischen den schmalen Lippen hindurch. "Aber bei mir ist das anders." Er umrundete den Tisch, stellte sich breitbeinig in der Mitte des Schankraums auf. Seine Daumen klemmten hinter dem Gürtel. "Von welchem Stamm bist du?", fragte er.

"Ich bin Cherokee", erwiderte Tom White Feather ruhig.

"Ich mag keine Cherokees!"

"Dann würde ich vorschlagen, dass wir uns aus dem Weg gehen. Ich bin nicht auf Ärger aus."

"Du bist ziemlich dunkel für einen Indianer... Sieht mir nach Niggerblut aus. Wer war dein Vater?"

"Er war Cowboy."

"Und vorher? Ein entlaufener Niggersklave, habe ich Recht?"

Niemand sagte einen Ton. Es herrschte absolute Stille im "Fire Water". Der Saddle Coat-Mann schien es auf Streit anzulegen. Er wandte sich erneut an den Salooner. "Gib dem verdammten Nigger-Halbblut sein Geld zurück", forderte er.

Der Salooner fing an zu schwitzen.

"Ich weiß nicht..."

"Na, los! Mach schon!"

Einer der Männer am Schanktisch meldete sich zu Wort. "Das Halbblut hat nach einer Schwadron von Yankee-Blauröcken gefragt, die er hier erwartet!"

Ein zynisches Grinsen erschien im Gesicht des Saddle Coat-Mannes.

"Sieh an. Hätte ich mir ja denken können. Ein Yankee-Nigger."

"Der Krieg ist vorbei", sagte Tom White Feather so gelassen wie ihm das in dieser Situation möglich war.

"Der Krieg ist für die Feiglinge der konföderierten Regierung vorbei! Das mag sein. Aber viele andere sehen das nicht so! Es gibt noch Männer, die die Sache des Südens für gerecht halten!"

"Sie meinen die Sklaverei?"

"Ich meine das Recht eines jeden Staates, die Union zu verlassen, wann immer er will. Genau das haben die Confederated States of America getan. Nicht mehr und nicht weniger. Aber der Norden hatte etwas dagegen, dass im Süden ein verfassungsmäßig garantiertes Recht in Anspruch genommen wurde!"

Tom White Feather zuckte die Achseln.

"Akzeptieren Sie es besser, wie es jetzt ist", riet Tom. "Jeder Mensch hat dasselbe Recht auf Freiheit, gleichgültig mit welcher Hautfarbe er geboren wurde! Ob es Ihnen nun passt oder nicht, Sie werden sich daran gewöhnen müssen!"

Der Salooner umrundete den Schanktisch. In leicht gebeugter Haltung näherte er sich Tom White Feather, reichte ihm die Münze, mit der der Halb-Cherokee zuvor bezahlt hatte. "Hier, nehmen Sie Ihr Geld zurück, Mister."

"Macht Ihnen der Kerl da vorne so viel Angst?", fragte Tom. Er steckte die Münze ein. Innerlich kochte er. Äußerlich wirkte er ruhig. Tom White Feather war es gewöhnt, dass Weiße ihm mit Verachtung gegenübertraten. Eine Schießerei war das in keinem Fall wert. Irgendwann würden auch der Saddle Coat-Mann und seine Kumpane am Pokertisch die Zeichen der Zeit akzeptieren müssen.

Tom machte einen Schritt in Richtung der Schwingtüren.

 

Die Stimme des Saddle Coat-Mannes ließ ihn erstarren.

"Halt, Yankee-Nigger!"

"Was ist noch?"

"Ich will wissen, was es mit den Blauröcken auf sich hat! Was hast du mit den Hurensöhnen zu tun, die nur hier her kommen, um uns Vorschriften zu machen?"

"Das geht Sie nichts an, Mister!"

"Ich will eine Antwort, Nigger!"

"Leben Sie wohl, Mister!"

Tom ging ungerührt an dem Saddle Coat-Mann vorbei, hatte die Schwingtüren gerade erreicht. Er wandte den Kopf zur Seite.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung war.

Mit katzenhaft geschmeidigem Bewegungsablauf wirbelte Tom herum, griff zum Colt. Der Saddle Coat-Mann hatte den Revolver bereits in der Hand.

Beide Männer schossen annähernd gleichzeitig.

Der Saddle Coat-Mann schrie auf, taumelte zurück. Hemd und Mantel färbten sich rot. Die Wucht des Schusses ließ ihn wie einen gefällten Baum niederstürzen.

Tom hatte ihn an der Schulter erwischt.

Krampfhaft hielt der am Boden Liegende den Griff des Revolvers umfasst, aber der Arm wollte ihm nicht so recht gehorchen. Ein weiterer Schuss löste sich aus der Waffe, pfiff in einer Höhe von wenigen Inches über den Boden und fuhr einem der Zecher an den Tischen in den Stiefel. Der Mann stöhnte auf.

Tom White Feather trat auf den Saddle Coat-Mann zu und richtete den Colt auf dessen Kopf. Der Halb-Cherokee spannte den Hahn.

"Fallenlassen!", zischte Tom zwischen den Lippen hindurch.

Der am Boden Liegende ächzte. Sein Gesicht verwandelte sich zu einer Maske aus Wut und Schmerz. Aber er sah ein, dass er verloren hatte. Fürs Erste zumindest. Der Griff um den Revolver lockerte sich. Die Waffe rutschte auf den Boden. "Verdammte Nigger-Rothaut!"

"Sie haben Glück, dass Sie an mich geraten sind, Mister!"

"Bastard!"

"Ein schlechterer Schütze hätte Sie getötet."

"Man sieht sich im Leben immer zweimal, Nigger! Vergiss das nur nicht!"

Tom White Feathers Gesicht verzog sich zu einem dünnen Lächeln. "Sollten wir uns mal wiedersehen, werde ich vielleicht nicht so gut treffen!"

Rückwärts bewegte sich Tom wieder auf die Schwingtüren zu, hielt dabei die anderen Männer im Raum im Auge. So manche Hand war zum Colt gewandert. Aber keiner der Anwesenden wagte es, gegen Tom zu ziehen. Schließlich hatten sie alle gesehen, mit welcher Schnelligkeit dieser Fremde das Eisen zu benutzen wusste. Davor hatten sie offenbar Respekt.

"Ich bin nicht auf Ärger aus", sagte Tom. "Mit niemandem. Darum werde ich woanders essen."

Er passierte die Schwingtüren, steckte den Revolver ein und schwang sich auf sein Pferd. Im scharfen Galopp preschte er die Main Street entlang Richtung Mietstall.

Ein heißes Pflaster, dieses Liberal!, ging es dem Halb-Cherokee durch den Kopf. Ich kann nur hoffen, dass Captain Reillys Truppe hier bald eintrifft!

Auf jeden Fall hatte Tom White Feather keine Lust, auch nur eine Minute länger in Liberal zu bleiben als unbedingt notwendig...

*

Jim Hughes zügelte sein Pferd. Zusammen mit einem weiteren Kavalleristen namens Sam O'Mara war er einen weiten Bogen geritten, um auf jene Anhöhen zu gelangen, von denen aus die Angreifer auf die Blauröcke gelauert hatten.

Hughes stieg vom Pferd, blickte sich auf dem Boden um.

"Das sind die Spuren von mindestens einem Dutzend Gäulen", stellte er fest. Er deutete mit der Hand Richtung Südwesten. "Sie führen dort auf die Hügel zu."

"Ich dachte, es wären viel mehr Männer gewesen, die uns angegriffen haben", meinte Sam O'Mara.

"Ich schätze, dass dies nur ein Teil der Bande war", sagte Hughes. Schließlich haben die Kerle sich hier überall in der Gegend verteilt und auf uns gelauert."

"Feige Hunde sind das!"

"Mit einer offenen Feldschlacht konnte wohl niemand von uns rechnen."

"Da haben Sie allerdings Recht, Hughes."

Sam O'Mara war ein schlanker, drahtiger Mann. Kaum zwanzig Jahre alt und weizenblond wie die grasbewachsenen Ebenen von Kansas. Trotz seiner Jugend hatte der Bürgerkrieg dafür gesorgt, dass er schon mehr Kampferfahrung besaß, als andere Kavalleristen am Ende ihrer gesamten Dienstzeit vorweisen konnten. Unter anderem war O'Mara in Gettysburg dabei gewesen. "Wir wollen Gott nicht um den Sieg bitten - schließlich wissen wir ja nicht, ob wir auf seiner Seite kämpfen", hatte Präsident Lincoln vor der Schlacht zu den Soldaten gesagt. Worte, die sich in O'Maras junges Bewusstsein eingebrannt hatten. Inzwischen war auch dieser große Humanist im weißen Haus durch einen fanatischen Anhänger des Südens ums Leben gekommen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Regierung der Confederated States of America zwar kapituliert hatte, aber damit die klaffende Wunde, die mitten durch das Land ging, noch lange nicht geheilt war.

Die Truppen der Union mussten sich nun im wahrsten Sinn des Wortes daran machen, das verlorene Terrain zurückzuerobern. Da gab es nicht nur den Widerstand ehemaliger Südstaaten-Guerillas, sondern auch noch die aufmüpfig gewordenen Indianer weiter westlich. Schließlich waren viele Army-Forts und -Stützpunkte im fernen Westen während des Krieges verlassen worden. Jetzt wurden sie nach und nach wieder besetzt. Gleichzeitig waren natürlich großer Teile der Army gleich nach Kriegsende demobilisiert worden. Für die verbleibenden Berufsoldaten gab es daher alle Hände voll zu tun. Mochte auch offiziell ein Waffenstillstand unterzeichnet worden sein - die Waffen schwiegen mancherorts noch immer nicht.

Jim Hughes schwang sich wieder in den Sattel.

"Sehen wir zu, dass wir die Bande einholen."

"Sie glauben, dass es die Leute sind, derentwegen wir hier her kamen!"

"Zählen Sie zwei und zwei zusammen und Sie kommen zu demselben Schluss, O'Mara!"

Sie preschten auf die Anhöhen zu.

Kurz bevor sie die kleinere Gruppe von knorrigen und teilweise vertrockneten Bäumen erreichten, vereinigte sich die Spur, die Hughes gefunden hatte, mit einer zweiten Spur.

Sie stammte von einer Reitergruppe, die noch etwas zahlreicher sein musste als die Erste.

Ein triumphierendes Grinsen erschien auf Jim Hughes' Antlitz.

"Was habe ich Ihnen gesagt, O'Mara?"

Der junge Mann nickte. "Wie schätzen Sie den Vorsprung ein, den die Bastarde haben?"

"Nicht allzu groß. Die Spuren sind recht frisch. Und außerdem wissen die Kerle nur zu gut, was sie unter unseren Leuten für ein Blutbad angerichtet haben. Denen ist klar, dass wir ihnen nicht sofort mit der ganzen Truppe nachsetzen und sie stellen können. Außerdem kennen sie das Gelände. Sie sind hier zu Hause und schon deswegen im Vorteil."

"Was schlagen Sie vor, Hughes?"

"Wir folgen ihnen in einem Abstand, der groß genug ist, dass sie uns nicht bemerken. Sollte das nämlich der Fall sein, haben wir beide ziemlich schlechte Karten!"

"Verstehe."

"Ich schätze, die Bande hat irgendwo in der Gegend einen Unterschlupf gefunden, wohin sie sich zurückziehen kann."

"Vermutlich verbunden mit einem reichlich ausgestatteten Waffen- und Munitionslager!", ergänzte O'Mara.

Hughes lachte heiser auf.

"Davon können Sie ausgehen! Diese Hunde haben mit ihren Überfällen mehr verdient, als wir bekommen würden, wenn wir bis achtzig im Sattel säßen!"

O'Mara schob sich den Hut in den Nacken.

"Schon mal darüber nachgedacht, auf der falschen Seite zu sein?"

Hughes schüttelte den Kopf. "Nein", erklärte er knapp. "Außer vielleicht..."

"Ja?"

Hughes' Gesicht wurde finster.

"In dem Moment, als ich ungerechterweise vom Corporal zum einfachen Kavalleristen degradiert wurde, musste ich kurz darüber nachdenken. Geld war mir nie besonders wichtig. Aber man fragt sich dann: Wozu setzt man sein Leben ein, wenn das der Dank ist?" Hughes zuckte die breiten Schultern. "Vielleicht habe ich mir die Sache auch selbst zuzuschreiben. Allerdings habe ich jetzt keine Lust, darüber zu reden, okay?"

"Okay", sagte O'Mara.

Sie ritten in einem mittleren Tempo auf die Anhöhen zu.

Die Pferde sollten nicht zu sehr beansprucht werden. Schließlich wussten die beiden US-Kavalleristen ja nicht, wann sie in nächster Zeit das Letzte aus den Tieren herausholen mussten. Oben angelangt blickten sie sich um.

Von den Banditen war nichts zu sehen, obwohl man einen ziemlich weiten Blick hatte bis zu einer weiteren Hügelkette am Horizont. Dafür waren die Spuren der Reitergruppe in dem weichen, grasbewachsenen Boden praktisch nicht zu übersehen. Auch dann nicht, wenn man kein indianischer Fährtenleser war, sondern sich auf diesem Gebiet lediglich Grundkenntnisse angeeignet hatte, wie es für Hughes zutraf. Die Spur eines einzelnen Reiters wäre schon wesentlich schwieriger zu verfolgen gewesen. Aber so bestand keine Gefahr, die Fährte zu verlieren.

Die Stunden krochen dahin.

Die meiste Zeit über ritten sie schweigend.

Die Sonne sank immer tiefer, stand schließlich als glutroter Ball über dem Horizont.

Ein paar Stunden noch und es würde so dunkel sein, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte.

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