Hetzjagd im All

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Alfred Bekker

Hetzjagd im All

Die MEGA KILLER Romane in einem Band!

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

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Alfred Bekker

Hetzjagd im All

Die Mega Killer-Romane in einem Band!

Die vorliegende Ausgabe folgt in der Aufteilung den Originalausgaben des Mohlberg-Verlages.

Band 1: Rache aus dem Cyber Space

Band 2: Die Zone der Gesetzlosen

Band 3: Fluchtpunkt Laika-System

Der Inhalt entspricht aber der vierbändigen eBook-Ausgabe bei CassiopeiaPress, mit Ausnahme des Bonus-Romans “Mega Killer reloaded”, der in dieser Fassung nicht enthalten ist.

© 2003 by Alfred Bekker

All rights reserved.

Ein CassiopeiaPress E-Book.

Ausgabejahr dieser Edition: 2013

www.AlfredBekker.de

Alfred Bekker

MEGA KILLER 1

Rache aus dem Cyberspace

1 . T e i l :

J Ä G E R

Ich bin Dak Morley.

Ich bin auch andere.

Ich bin viele.

Ich bin ein Schatten unter Schatten.

Ich bin niemand und jeder.

Der namenlose Träger vieler Namen.

Ich…

*

Ich warf mich zu Boden, rollte mich herum, während der Laserstrahl aus der Waffe meines Gegners dicht an mir vorbeizischte. Dort wo er aufkam, brannte er ein faustgroßes Loch in den Stein. Ein eigenartiger Geruch stieg mir in die Nase. Ich riß meinen Strahler hoch, feuerte und traf meinen Gegner mitten in die Brust -- sofern man das so bezeichnen mochte. Es handelte sich bei meinem Gegner nämlich um einen vierarmigen, etwa zwei Meter fünfzig großen Sampor, dessen Haut so hitzebeständig war, daß ich meinen Strahler auf die höchste Energiesstufe hatte einstellen müssen, um bei ihm überhaupt eine Wirkung zu erzielen. Ich brannte ihm ein Loch in das dunkelgrüne, tunikaartige Gewand, das er trug. Darunter kam die schuppig wirkende Haut (oder sollte man Panzer dazu sagen?) zum Vorschein. Die Energie meines Schusses schleuderte den Sampor gegen die grauweiße Wand einer nahen Ruine. Er rutschte zu Boden. In drei seiner vier prankenartigen Hände trug er Waffen. Einen Strahler, einen Nadler und eine Big-Bang-Gun genannte Pistole. Sie war in der Lage Explosionsgeschosse abzufeuern konnte, die ihr Ziel selbständig verfolgten.

Die Sampor standen im Ruf, die besten Soldaten der Galaxis zu sein. Sie waren aus genetischen Experimenten auf dem Planeten Cartax hervorgegangene Klone. Der zynische Geist, der das Patent ihres Gen-Musters besaß, mußte sich inzwischen daran dumm und dreckig verdient haben.

Ich verzog das Gesicht.

Wer hätte das gedacht, du kannst es sogar mit Sampor aufnehmen! ging es mir durch den Kopf.

Mein Gegner bewegte sich noch - trotz des daumendicken Lochs, daß ich ihm in seine Panzerhaut gebrannt hatte. Zwei seiner Waffenarme hingen schlapp herunter, schienen ihm nicht mehr zu gehorchen. Der Strahler war ihm entfallen. Eine weitere Pranke drückte er gegen die Stelle, an der ich ihn getroffen hatte. Sein schuppiges Gesicht war kaum mehr als eine Maske. Die Augen am Kopf wirkten starr. Es gab ein weiteres, geschlossenes Augenpaar am Hals, das zu einer zweiten Gehirnsektion im oberen Brustbereich gehörte. Diese zweite Gehirnsektion konnte im Fall eines Kopftreffers die Aufgaben des Haupthirns übernehmen.

Perfekte Söldner.

Wahrscheinlich hatte mein Treffer dieses Zweithirn zerstört oder zumindest stark in Mitleidenschaft gezogen.

Ich beschloß, auf Nummer sicher zu gehen, hob den Strahler und brannte meinem Gegner auch noch ein Loch in den Kopf. Genau zwischen die Augen.

Delete High Memory, so hätte das vielleicht ein antiker Meister der Programmierkunst in gleichermaßen schlichte wie wie ergreifende Prosa gebracht. Oder auch: Central Processor Unit Error. Ich habe ein Faible für ausgestorbene irdische Sprachen und dieses ganze uralte Zeug, daß man in antiken, schon halbentmagnetisierten Datenspeichern so finden kann.

Der Sampor zuckte noch einmal.

Seine letzte Bewegung.

Unglücklicherweise löste er damit einen Schuß der Big-Bang-Gun aus.

Das Geschoß war ziemlich langsam. Viel langsamer als es ein Projektil des Nadlers gewesen wäre, ganz zu schweigen vom Laserblitz des Strahlers. Aber gemessen an der Reaktionsfähigkeit eines Menschen war auch die Geschwindigkeit des Big-Bang-Geschosses noch rasend schnell.

Ich warf mich zur Seite. Eine Reflexreaktion, die man mir eintrainiert hatte. Eine Art posthypnotisches Programm, daß ich mir über den drahtlosen CyberSensor in meinem Nacken direkt ins Gehirn geladen hatte. Es war nicht das erste Mal, daß mir diese Konditionierung das Leben rettete. Man war einfach den Bruchteil einer Sekunde schneller.

Ich kam ziemlich hart mit der Schulter auf, das Projektil jagte an mir vorbei auf eine der unzähligen Ruinen zu, die diese trostlose Trümmerlandschaft prägten. Die Trümmer irgendeiner dieser alten Riesenstädte, die es in der Vergangenheit gegeben hatte. Old L.A., Old N.Y., Old London oder dergleichen mehr. Ich hatte es vergessen, welchen Namen DIESER Trümmerhaufen trug. Spielte auch keine Rolle. Das einzige, was in diesem Moment zählte war, daß ein paar Sampor mich töten wollten und ich es geschafft hatte, den ersten von ihnen zu erledigen.

Das Projektil bremste vor der Ruinenmauer ab.

Er verfügte über einen autonomen Antrieb und eine elektronische Gegnererfassung. Einfach ausgedrückt: Es jagte alles, was sich bewegte. Naja, etwas komplizierter war es schon. Jedenfalls war das Ding in der Lage mich zu erkennen und zu verfolgen wie ein Insekt.

Es beschleunigte, surrte mit einem unangenehmen Brummton in meine Richtung.

Mir blieb kaum mehr als ein Augenaufschlag.

Ich griff an meinen Gürtel und aktivierte den Magnet-Schocker.

Gerade noch rechtzeitig.

Das mikroelektronische Innenleben des Projektils wurde erheblich verwirrt. Genau dafür waren diese Magnet-Schocker auch gemacht, obwohl man jedem nur abraten kann, sich auf sie zu verlassen. Das Big-Bang-Projektil surrte an mir vorbei und ich betete.

Wenn es jetzt in die nächte Ruine hineinkrachte, nützte mir das überhaupt nichts. Die Explosion wäre gewaltig genug gewesen, um mich trotzdem in Stücke zu reißen. Ich hätte schon Sampor sein müssen, um eine Detonation jener Größenordnung aus dieser geringen Distanz überleben zu können. Und selbst ein Sampor hätte wahrscheinlich auf das Funktionieren seiner zweiten Hirnsektion vertrauen müssen.

Der Unterschied war nur, daß Sampor psychisch so konditioniert waren, daß ihnen der Tod nichts ausmachte.

Mir allerdings schon.

Ich war schließlich erst hundert Jahre alt, also in den besten Jahren.

Das Ding raste auf die Ruinenwand zu.

Eigentlich war der Magnet-Schocker so programmiert, daß er Geschosse wie das Big-Bang-Projektil auf eine ausreichende Distanz brachte.

Eigentlich...

Wie gesagt, man darf sich nicht darauf verlassen. Manchmal klappte das nicht. Ich zählte die Sekunden. Dann zog das Big-Bang-Projektil im letzten Moment nach oben, in einer schrägen Linie direkt in den aschgrauen Himmel hinein.

Einige Augenblicke lang geschah gar nichts. Dann hörte ich die Detonation. In den Wänden der umliegenden Ruinen entstanden Risse. Hier und da bröckelten Steine aus dem Mauerwerk. Betonbrocken lösten sich, brachen herunter. Ich taumelte durch diese Erdbebenlandschaft, atmete auf und deaktivierte den Magnet-Schocker.

Dann überprüfte ich die Justierung meines Strahlers. Wenn ich Pech hatte, machte sich die Wirkung des Schockers auch dort bemerkbar. Se etwas kam immer wieder vor, auch wenn die Herstellerhinweise vorgaben, das mit angeblich über 99prozentiger Sicherheit ausschließen zu können.

Ich entfernte mich vom Ort der Detonation. Schließlich wollte ich keine giftigen Rückstände mitbekommen. Dann überquerte ich eine breite Straße, die sich wie eine Schneise durch die Ruinenlandschaft zog. Irgendwo in der Ferne waren Trommeln zu hören.

Ich grinste unwillkürlich.

Ja, die Trommeln...

Die hatten eigentlich auch noch gefehlt zur typischen akkustischen Kulisse eines OutlawSector oder kurz OS. Bewaffnete Gangs in martialisch wirkender Kleidung, die sich um eine Feuerstelle herum gruppierten, im Hintergrund der dumpfte Klang der Trommeln. Manchmal hatte ich den Eindruck, daß sich bei den Angehörigen dieser Gangs die Muster altirdischer Stammesgesellschaften wieder durchgesetzt hatten.

 

Aber das war ein Zusammenhang, der wohl nur denen auffiel, die sich etwas intensiver mit der Vergangenheit dieses Planeten befaßt hatten. Auf mich traf das zu. Es war eine Art Hobby.

Ich befand mich in der Mitte der Straße und fragte mich einen Sekundenbruchteil lang, ob ich vielleicht in die falsche Richtung ging - den trommelnden OS-Bewohnern direkt in die Arme. Und die gingen nicht unbedingt zimperlich mit denjenigen um, die sich in ihre Gebiete verirrten. Ins OutlawLand. Andererseits waren sie sicherlich angenehmere Gegner als die beiden Sampor, die hier noch irgendwo in den Trümmern herumstrichen und auf der Jagd nach mir waren.

Ich hatte die andere Seite schon fast erreicht, wollte mich in einem verfallenen Hochhaus in Deckung begeben, da nahm ich an einem der glaslosen Fenster im Erdgeschoß dieses monströsen Betonskeletts eine Bewegung wahr.

Ein kurzer Moment der Erstarrung folgte.

Eine Art Lähmphase, gemeinhin auch Schrecksekunde genannt, die meine Konditionierung zwar reduzieren aber nicht völlig aus der Welt schaffen konnte. Ich war ein Mensch. Was immer das im fünfundreißigsten Jahrhundert auch sein mochte. Ein Mensch mit allen Nachteilen seiner Gattung. (Und die Sampor? dachte ich in irgendeinem hinteren Winkel meines Bewußtseins. Du teilst mehr als 99 Prozent deiner Gene mit ihnen...)

"Verdammt, irgendwie habe ich keine Lust mehr auf den Mist!" sagte ich laut.

ETWAS kam aus dem Fenster herausgesprungen. Die Gestalt eines Sampor. Er rollte sich auf dem Boden ab, riß seine Waffen empor und feuerte dann gleichzeitig mit Strahler, Nadler und Big-Bang-Gun auf mich.

Ich verzichtete darauf, den Schocker zu aktivieren oder meinen Strahler abzufeuern.

Warum auch?

Ich stand einfach da und ließ mich erschießen, denn ich wußte, daß es dann am schnellsten vorbei war.

Zuerst traf mich der punktgenaue Laserstrahl. Zischend brannte er mir ein Loch in die Herzgegend, den Aufprall des Nadelgeschosses bekam ich überhaupt nicht mehr mit. Daß der Sampor danebengeschossen hatte, konnte ich allerdings kaum annehmen. Und dann folgte das Big-Bang-Projektil.

Die Explosion war verdammt grell.

Ich schloß die Augen, aber das nützte nichts. Eine sinnlose Reflexreaktion, denn die Daten dieses interaktiven Spiels wurden über den drahtlose CyberSensor in meinem Nacken direkt auf meine Sinnesnerven übertragen. Nichteinmal eine Netzhautentfernung hätte mir diesen grellen Blitz ersparen können.

Mein Cyber-Ich wurde in dieser furchtbaren Detonation förmlich zerrissen. Ich konnte die Hitze spüren, den Druck. Es war sehr realistisch.

Ich konnte das beurteilen, schließlich hatte ich auch in der corporalen Realität (der Begriff 'corporal' war irgendwann im 22. Jahrhundert als Gegenbegriff zur sogenannten 'virtuellen' Realität entstanden) schon in ähnlichen Situationen gesteckt. Ich hatte sogar bereits gegen coroporale - körperlich existierende - Sampor gekämpft und überlebt.

Ihre virtuellen Counterparts waren vielleicht sogar noch etwas cleverer als ihre corporalen Vorbilder.

>Das Programm endete mit Ihrem virtuellen Tod, Benutzer Dak Morley>, klärte mich eine Cyberstimme auf. Es war keine echte Stimme, nichts was jemand außer mir hätte hören können. Genau genommen handelte es sich lediglich um eine Impulsfolge mit der meine Hörnerven stimuliert wurden, wodurch ich in der Illusion lebte, diese Stimme zu hören. (Illusion? dachte ich. Du denkst immer mehr in den Denkmustern deiner Vorfahren, mit deren Geschichte du dich so gerne beschäftigst. Sonst würdest du dieses Wort nicht benutzen. Du würdest statt dessen corporale und virtuelle Realität als gleichwertige Ebenen in gegenseitiger Abhängigkeit betrachten. Der Begriff Illusion beinhaltet eine Wertung... Eines Tages wirst du auf das Denk- Niveau der OS-Bewohner hinabsinken, die jegliche Cyber- Technik für Teufelszeug halten!)

>Möglicherweise sollten Sie bei einer nochmaligen Verwendung des Programms MEGA KILLER darauf achten, ein niedrigeres Anspruchs- und Reaktionslevel auszuwählen>, riet mir die Cyberstimme. >Benutzer Dak Morley, wollen Sie jetzt die Optionen für eine zukünftige Benutzung des MEGA KILLER definieren?>

"Ich möchte das Programm deaktivieren", sagte ich laut. Ein entsprechender Gedankenimpuls hätte genügt, aber irgendwie fühlte ich mich etwas müde und es fiel mir leichter, mich zu konzentrieren, wenn ich laut sprach.

>Deaktivierungssequenz wird eingeleitet, Benutzer Dak Morley. Möchten Sie, daß eine persönliche Version des Programms MEGA KILLER mit allen persönlichen Features für Sie in den Zentralspeichern des GalaxyNet gespeichert und ständig über den Code ihres persönlichen CyberSensor abrufbar sein wird?>

>Nein. Löschen>, erwiderte ich in Gedanken und wiederholte es gleich darauf noch einmal laut: "Löschen."

"Hat Ihnen das Programm MEGA KILLER nicht gefallen, Benutzer Dak Morley? Wenn Sie Kritik oder Anregungen haben, so geben Sie diese bitte in den GalaxyNet-Zugang ihres Mentalspeichers ein."

"Ich habe nichts auszusetzen."

Diese Abfragerei während der Deaktivierungssequenz von Spielprogrammen war ziemlich nervig. Und man mußte außerdem noch höllisch aufpassen, daß die Hersteller oder Vertreiber einem nicht an den Systemeinstellungen des CyberSensor herummanipulierten. Bei unseriösen Anbietern konnte es schonmal vorkommen, daß man dann völlig unerwartet (und natürlich in den ungünstigsten Momenten) Werbeeinblendungen auf die Netzhaut projiziert bekam.

Ich hatte meine Tricks, um die Abfrage-Prozedur abzukürzen. Über den GalaxyNet-Zugang meines Mentalspeichers gab ich eine entsprechende codierte Sequenz ein. Es handelte sich um eine Art Datenvirus, der über das Hyperfunknetz von Iplan (der Föderation der INneren PLANeten) den Zentralrechner des Vertreibers aufspürte und dafür sorgte, daß alle meine Daten aus dessen System verschwanden, so als hätte es den BENUTZER DAK MORLEY nie gegeben.

Auf diese Weise brauchte ich für den Gebrauch eines Spielprogramms wie dem MEGA KILLER noch nicht einmal zu bezahlen.

Ich befand mich in meiner Wohnung in Barcana, einer aus dem Meer hervorragenden ultramodernen Turmstadt. Eine bevorzugte Wohngegend, so konnte man selbst ein kleines Appartment in Barcana nennen. Ich hatte eine große Suite mit angrenzenden Büroräumen. Ich hasse nichts mehr als Enge. Man muß sich in den eigenen vier Wänden bewegen können. Man sollte diese Wände sogar verschwinden lassen können, wenn einem danach ist.

Mir war danach.

In der Sichtanzeige in meinem linken Auge verblaßte gerade das Logo der Herstellerfirma des MEGA KILLER. Über meinen CyberSensor stellte ich Verbindung zum Wohnungsrechner her. Die Wand, die sich etwa fünf Meter von mir entfernt befand, schien sich aufzulösen, wurde transparent und einen Augenblick später hatte ich eine fantastische Aussicht auf das Meer, daß irgendein antiker Namensgeber das MITTELMEER genannt hatte, weil es gewissermaßen den Mittelpunkt der damals bekannten Welt dargestellt hatte.

Die Küste lag im Nebel.

Von Barcana aus - zumindest, wenn man nicht gerade in den untersten, deutlich preiswerteren Stockwerken wohnte - konnte man bei besserem Wetter bis zu den Ruinen von Alt-Barcelona hinübersehen. In antiker Zeit war Alt-B, wie man den Steinhaufen auch nannte, angeblich eine blühende Stadt gewesen. Ich halte das für ein Gerücht. Genauso wie die Behauptung, daß es bis ins dreiundzwanzigste Jahrhundert dort einen Schiffshafen gegeben hat. Aber ich bin ja auch nicht mehr als ein Amateurhistoriker.

Jetzt gehörten die Ruinen von Alt-B jedenfalls zu einem OS --- einem OutlawSector. Wenn man die akkustischen Sensoren, die auch das Meeresrauschen ins Innere der Wohnung übertragen konnten, auf das höchste Level einstellte und außerdem genügend Filter aktivierte, dann konnte man sogar die Trommeln der OS-Leute hören...

Für sie gab es kein GalaxyNet, keine Cyberspiele, keine galaxisweite Vernetzung mit allem und jedem --- zumindest im Bereich von Iplan. Was die Rand-Föderation, die Äußeren Kolonien oder die Autonomen Welten anging, war das zum Teil ja etwas schwieriger. Aber das GalaxyNet breitete sich immer weiter aus. Es wuchs wie ein Spinnennetz aus Hyperfunklinien und Transmitterstraßen. Jedes Raumschiff, daß weiter in unbekannte Gebiete vordrang, gehörte dazu, war über dieses Netz mit den zivilisatorischen Zentren der Menschheit verbunden.

"Ich sehe, du bist endlich fertig mit deinem Baller-Spiel", hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich langsam um und sah die grazile Gestalt einer jungen Frau. Sie trug das Haar offen. Es reichte ihr bis weit über die Schultern. Ein beinahe knielanges Gewand aus einem fließenden Stoff schmiegte sich an ihren Körper. Sie lief barfuß, lächelte.

Ich erwiderte ihr Lächeln.

"Ich verstehe nicht, was dir das gibt", meinte sie.

"Man bleibt im Training."

"Ach, Quatsch!"

"Nein, es ist wirklich so."

Sie näherte sich lautlos, berührte mich leicht am Unterarm. Ihre wohlgerundeten Brüste hoben und senkten sich, während sie atmete und drückten sich dabei gegen den Stoff ihres Gewandes.

Sie war die Frau, mit der ich seit fast zwei Jahren zusammenlebte.

Sorana Zanuck, 32 Jahre alt, was bedeutete, daß sie nicht einmal ein Drittel meines Alters hatte. Durch meine Beschäftigung mit der grauen Vorzeit des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts wußte ich, daß es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der so etwas von Bedeutung gewesen war. Das allgemeine Gen-Tuning hatte den Tod, das Alter und den Verfall zwar nicht abgeschafft, aber es war gelungen, diese Dinge erheblich weiter hinauszuschieben, als daß unseren kurzlebigen Vorfahren vergönnt gewesen ist.

Ich strich über Soranas seidiges Haar.

"Wie hieß das Programm, daß du dir auf die Netzhaut gedröhnt hast?" fragte sie.

"Nicht auf die Netzhaut. Auf die Sehnerven."

"Ist doch egal, oder?"

"Netzhautübertragungen haben nicht die nötige Qualität, die taugen nur für Kontrollanzeigen und Info-Programme."

Sie stubste mich leicht. "Du willst mich ärgern, was?"

"Necken."

"Wie auch immer." Sie sah mich an, wirkte nachdenklich. Ein Gesichtsausdruck, den ich nur zu gut bei ihr kannte. "Manchmal denke ich, daß du eines Tages genauso spurlos verschwindest wie eine dieser GalaxyNet-Applikationen und mir die Cyber-Stimme in die Hörnerven flüstert: 'Benutzerin Sorana Zanuck, die Anwendung DAK MORLEY mußte aufgrund eines fehlerhaften Zugriffs geschlossen werden...' und du dich einfach in Luft auflöst."

"Ich bin aus Fleisch und Blut. Beziehungsweise aus DNA und Wasser."

Es sollte ein Witz sein.

Sie lachte nicht.

"Du bist hier vor zwei Jahren so plötzlich aufgetaucht, Dak. Wie aus dem Nichts. Und wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich immer noch kaum etwas über dich - außer, daß du eine Sammlung halborganischer Fingerkuppen besitzt, um Finger- Print-Scanner zu betrügen, wenn du in einer anderen Identität unterwegs bist."

Ich hob die Augenbrauen.

"Willst du mich jetzt über meine Vergangenheit ausfragen?"

Ihre Hand glitt die Struktruren meiner Kombination entlang.

"Nein, ich weiß, daß das keinen Zweck hat. Du bist ein Phantom."

"Hängt mit meinem Job zusammen."

"Das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit..."

Ich legte den Arm um sie. Unsere Lippen berührten sich flüchtig.

Ein mildes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Ein Ablenkungsamanöver", stellte sie fest.

"Das bildest du dir ein."

"Nein, ich glaube nicht. Ich kann nämlich deine Gedanken lesen, Dak Morley - oder wie immer du wirklich heißen magst."

"Was du nicht sagst..."

"Ja - und zwar ganz ohne telepathische Psi-Begabung wie bei den pflanzlichen Intelligenzen von Gataran!"

"Ich habe den Namen schonmal gehört..."

"Bestimmt von mir." Sie schlang ihre Arme um meinen Hals. "Ist eine Iplan-Welt. Wir schicken von unserem Reisebüro aus regelmäßig Psychotouristen dorthin, damit sie auf Gataran an Encounter-Gruppen teilnehmen können. Manche Unternehmen schicken ihre kompletten Belegschaften kostenlos zu diesen Psychohygiene-Kursen."

"Die Begegnung mit sich selbst - auf dem Umweg über eine telepathisch begabte Pflanzenintelligenz."

Sie strich mir über die Stirn, fuhr mit ihren Fingern die Schläfe, dann das Kinn entlang und landete schließlich auf meiner Schulter.

 

Ein Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Ein Lächeln, so einzigartig wie sonst kaum etwas im Universum. Meine persönliche Sonne, um die im Augenblick das ansonsten etwas instabile System meines privaten Glücks kreiste.

"Manche Leute brauchen diese Art Umwege, um sich selbst zu erkennen, Dak."

"Manche Leute können halt nicht genug davon bekommen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, Sorana."

"Manche Leute sagen so etwas nur, weil sie in Wahrheit eine Heidenangst davor haben, sich einem anderen Menschen wirklich zu öffnen."

Ein kurzes Signal zeigte mir an, daß Sorana offenbar durch einen Impuls ihres CyberSensor das Antigravfeld aktiviert hatte. Es füllte etwa sechs Quadratmeter dieses Raums aus und flimmerte in verschiedenen Farben. Eine rein optische Markierung, die Unfälle durch ein versehentliches Hineintreten verhindern sollte. Sie zog mich mit sich. "Komm", sagte sie. "Ich muß für zwei Tage weg und werde furchtbar Sehnsucht nach dir haben."

"Wohin geht's denn?"

"Tywyn. Ich treffe mich da mit einem unserer Lizenznehmer, mit dem es Ärger gibt..."

"Kann man so etwas nicht durch eine virtuelle Reise regeln?"

"Ich möchte verhindern, daß meinem Cyber-Ich irgendwelcher Mist vorgegaukelt wird."

"Verstehe..."

Wir sanken auf das Antigravfeld, schwebten dann im nächsten Augenblick engumschlungen in dem farbigen Geflimmer. Vielleicht war das eine der stärksten Gemeinsamkeiten zwischen uns: Wir teilten die in den Augen mancher Leute schon altmodisch erscheinende Vorliebe für corporalen Sex.

*

Als ich am nächsten Tag erwachte, war Sorana schon nicht mehr da. Sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen, die mir über den CyberSensor eingespielt wurde. Ich ließ sie mir auf der Netzhaut des linken Auges anzeigen, während ich zum Duschen ging.

Sorana vermißte ich jetzt schon. Irgendwie herrschte in der Wohnung ein anderes Fluidum, wenn sie auch dort war. Selbst wenn wir uns gar nicht die ganze Zeit miteinander beschäftigten.

Noch ein paar Wochen und du bist 100 Jahre alt, ging es mir durch den Kopf. Ein Mann in den besten Jahren, so sagt man. Kein besonderes Ereignis, aber Zahlen haben ihre eigene Magie. Ich kenne einige, für die das Erreichen eines dreistelligen Alters ein erster Anlaß war, zurückzublicken, in gewisser Weise Bilanz zu ziehen. Was habe ich erreicht, was soll die Zukunft bringen?

Ich hatte die letzten Jahrzehnte dazu genutzt, einen bescheidenen Wohlstand zu erreichen. Die Wege, auf denen mir das gelungen war, waren nicht unbedingt immer gerade gewesen. Als Söldner, Geheimagent und Industriespion hatte ich oft genug meinen Kopf hingehalten. Jetzt wollte ich etwas kürzer treten. Privatagent, so nannte ich meinen Beruf. Ich führte hin und wieder noch Spezialaufträge aus. Mal waren es Ermittlungstätigkeiten, mal Industriespionage. Letzteres wurde nach wie vor am besten bezahlt, auch wenn es das höchste Risiko beinhaltete. Klar, daß sich jemand mit meinem Lebenslauf eine Menge Feinde gemacht hatte. Mächtige Feinde, die sich nicht scheuten, einem ihre Killermeute auf den Hals zu hetzen. Schon deswegen war ich immer wieder gezwungen gewesen, meine Identität zu wechseln. Auch jetzt war ich jederzeit darauf vorbereitet. Ein paar Handgriffe und ich war ein ganz anderer, hatte die dazugehörigen halborganischen Fingerkuppen und Bio-Kontaktlinsen, die jeden Iris-Scanner in die Irre führen konnten. In unserem gesegneten 35.Jahrhundert konnte man sich kaum einen Schritt bewegen, ohne sich auf irgendeine Art identifizieren zu müssen. Alles war codiert, Signale des CyberSensor wurden mit den gescannten Fingerprints oder Iris-Diagrammen abgeglichen und wehe etwas paßte da nicht zusammen.

Ich ging in mein Büro und aktivierte die Fensterwand, bevor ich mich in einen der Ledersessel flezte. Mein Blick streifte über die fernen Ruinen von Alt-B. Ein Turm ragte hoch empor. Ich hatte mich immer schon gefragt, ob das vielleicht ein Überbleibsel von LA SAGRADA FAMILIA war, einer Kathedrale, die ein antiker Architekt mit dem Namen Antonio Gaudi einst geschaffen hatte.

Möglich wäre es, überlegte ich. Aber man hätte an Ort und Stelle genauere Untersuchungen anstellen müssen. Dann wäre es eine Kleinigkeit gewesen, das genau festzustellen. Aber es gab niemanden, der sich zur Zeit nach Alt-B traute. Davon mal abgesehen war die frühterranische Archäologie und Geschichte ohnehin ein Stiefkind der Wissenschaft. Wer Karriere machen wollte, suchte sich andere Gebiete, um sich gegenüber der Konkurrenz hervortun zu können. Wen interessierten schon diese alten Steinhaufen, von denen die Erde nur so übersäet war? Das Leben auf dem Festland war in den letzten dreihundert Jahren immer unmoderner geworden. Und gegen diesen Trend war wohl kein Kraut gewachsen.

In gewisser Weise sind sie zu beneiden, diese Leute aus dem OutlawSector, ging es mir durch den Kopf. Bei ihnen gab es jedenfalls all diese Identitätskontrollen nicht. Die wildesten Geschichten waren über die OS-Leute in Umlauf. Das meiste davon stimmte noch nicht einmal im Ansatz. Ich selbst war bereits in einer diese OutlawSectors gewesen. In Old L.A.. Ich hatte ein paar gute Bekannte dort, bei denen ich eine Weile verbracht hatte. Das war bereits ein paar Jahre her gewesen. Ich hatte von einem Augenblick zum anderen verschwinden müsen, weil ich dem Boss eines mächtigen Kartells bei meinen Ermittlungen zu sehr auf die Füße getreten war und zusätzlich noch dafür gesorgt hatte, daß ein milliardenschweres Patent an die Konkurrenz ging.

Ich drehte mich in dem Ledersessel herum. Es handelte sich um ein Stück, daß antiken Vorbildern nachempfunden war. Auf Alpha Centauri 2 gab es einen Hersteller, der sich auf Mobiliar aus der irdischen Prä-Weltraum-Ära spezialisiert hatte. Ein paar Augenblicke lang überlegte ich, ob ich mir einen alten Kino-Film aus dem zwanzigsten oder 21. Jahrhundert ansehen sollte. Natürlich in der primitiven 2-D-Originalfassung, wie es sich für einen echten Antik-Freak gehörte. Ich hatte mir dafür eine Original-Leinwand in die Wohnung geholt. Aber dann stand mir der Sinn doch mehr nach einem Gleiter-Rundflug über die weitgehend unbesiedelte iberische Halbinsel.

Zu meiner Wohnung gehörte neben einer eigenen Transmitter-Station auch ein separater Gleiter-Hangar mit mehreren Fahrzeugen für unterschiedliche Zwecke.

Ich durchschritt den Schott, der den Hangar vom Rest meiner Residenz trennte.

Die Schiebetür teilte sich, ich machte einen Schritt. Irgend etwas warnte mich. Eine Art unterbewußter Instinkt für Gefahr. Vielleicht war es auch die Bewegung, die ich aus den Augenwinkeln herum wahrnahm. Und das eigenartige Geräusch. Hier stimmte etwas nicht. Die beiden Hälften des Schiebeschotts rasten auf mich zu. Ich warf mich nach vorn, während die beiden Hälften mit einem krachenden Laut gegeneinanderstießen. Dies geschah mit einer geradezu mörderischen Heftigkeit.

Ich hatte mich einigermaßen auf dem Boden abrollen können und rappelte mich wieder auf.

"Systemkontrolle", forderte ich. Mein CyberSensor würde den Wohnungsrechner ansteuern und nach Fehlfunktionen im Programmbereich untersuchen.

Es hatte nicht viel gefehlt und die Tür wäre zu einer Todesfalle für mich geworden. Fehlfunktionen kamen vor - aber andererseits...

Sie waren extrem selten. Vor allem in einer ziemlich perfekt organisierten Stadt mit erhöhtem Komfortniveau wie Barcana.

Ich atmete tief durch, registrierte dabei die Anzeige, die mir in dieser Sekunde im linken Auge angezeigt wurde und mich über den Fortschritt der Überprüfung informierte.

>Es wurde eine Störung im Programsektor WACMXXX festgestellt.>

"Bitte genauer identifizieren."

>Genaure Identifizierung bislang nicht möglich>, erklärte mir die Pseudostimme in meinen Hörnerv hinein. >Fehler beheben und Untersuchung der Ursache fortsetzen?>

"Ja."

>Sie befinden sich im Gleiter-Hangar. Von einer Benutzung der Gleiter wird abgeraten, so lange der aufgetretene Fehler nicht behoben ist.>

"In Ordnung. Aber vielleicht könntest du dafür sorgen, daß der Schott wieder passierbar ist. Ich bin hier ja gewissermaßen gefangen", erwiderte ich. Und dabei fiel mir ein, daß ich soeben ein Computerprogramm mit 'du' angeredet hatte. Wie eine Person, obwohl es sich eigentlich um nichts weiter als eine Folge codierter Befehle handelte. Es gab Leute, die ihren Systemen Namen gaben. Ich gehörte nicht dazu.

Irgendwie ist deine Haltung nicht ganz konsequent, meldete sich eine sarkastische Stimme in mir. Wer der Meinung ist, daß es zwischen Maschinen und biologischen Lebewesen eine natürliche Grenze gibt, sollte nicht mit einem CyberSensor im Nacken herumlaufen...

Das SYSTEM meldete sich einige Augenblicke lang nicht.

Niemand kitzelte meine Hörnerven.

Auch auf dem Anzeigenfeld in meinem linken Auge tat sich nichts.

Mir war nicht klar, ob ich das für ein gutes oder ein schlechtes Zeichen halten sollte.

Dann öffnete sich plötzlich der Schott.

Er ruckelte eigenartig dabei und blieb dann schließlich offen.