Die Bestie: Thriller

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Die Bestie: Thriller
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Alfred Bekker

Die Bestie: Thriller

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Bestie

***

***

***

***

Impressum neobooks

Die Bestie

von Alfred Bekker

Thriller

© Alfred Bekker, CassiopeiaPress

All rights reserved.

Ein CassiopeiaPress E-Book

Ausgabejahr dieser Edition: 2013

www.AlfredBekker.de

***

Rod Vandermoore bleckte grimmig die Zähne. Drei Cops.

Und alle bis auf die Zähne bewaffnet... Das war selbst für einen Mann etwas viel, den man 'Die Bestie' nannte und der wegen fünfundzwanzigfachen Auftragsmordes seinem Prozeß entgegensah.

Vandermoore saß angekettet im hinteren Bereich des Gefangenentransporters. Die Hände waren mit Handschellen gefesselt, an den Fußgelenken trug er ebenfalls Ketten.

Zwei Uniformierte saßen auf der Bank gegenüber, einer neben ihm. Er sollte in das Staatsgefängnis von Newark verlegt werden.

Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Vandermoore ein Straßenschild mit der Aufschrift WEST NEW YORK/ UNION CITY.

"War doch ganz nett auf Riker's Island", flachste Vandermoore.

"Ich verstehe gar nicht, wieso ich nicht dort auf meinen Prozess warten kann!"

Der Transporter fuhr eine scharfe Rechtskurve.

Die Straße war übersät mit Schlaglöchern. Die Stoßdämpfer des Transporters wurden auf eine harte Probe gestellt. Der Wagen fuhr an Industrieruinen vorbei, die sich in dieser Gegend meilenweit erstreckten. Verfallene Schlote, baufällige Fabrikhallen und ein wilder Autofriedhof.

Vandermoore spürte das Rumpeln und Stoßen, mit dem der Wagen über die Schlaglöcher fuhr.

Das war doch nicht der Weg nach Newark! Wo brachten diese Kerle ihn hin?

Sein Instinkt für Gefahr meldete sich. Er atmete tief durch.

Der Transporter erreichte den Autofriedhof.

Hunderte von Fahrzeugen rosteten hier vor sich hin. Die Besitzer hatten sie einfach abgestellt, alles was noch irgendwie brauchbar an ihnen gewesen war, ausgeschlachtet und den Rest sich selbst überlassen.

"Fahr irgendwo hin, wo man uns von der Straße aus nicht sieht, Birdy!", sagte der Mann auf dem Beifahrersitz zum Fahrer.

Der lachte heiser. "Hier fährt sowieso niemand her, der bei Trost ist!"

"Trotzdem. Ich will, dass die Sache ordentlich zu Ende gebracht wird..."

Vandermoore, der im Gefangenenraum des Transporters saß, begriff, dass hier eine verdammte Sauerei ablief.

Der Kerl, der ihm direkt gegenübersaß, hatte eine MPi in den Händen und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. Sein Sitznachbar tat dasselbe, nur etwas zeitverzögert. Ein Goldzahn blitzte dabei auf.

"Was ist hier los?", zischte Vandermoore.

Das Gesicht des Killers war kreideweiß geworden.

Der Kerl mit der MPi verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Sein Sitznachbar tat dasselbe, nur etwas zeitverzögert. Ein Goldzahn blitzte dabei auf.

"Wart's doch einfach ab!", antwortete der MPi-Mann.

Der Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen.

Vandermoore zog mit Daumen und Zeigefinger der Rechten heimlich ein nagellanges Drahtstück hinter seiner Armbanduhr hervor. Es war nicht das erste Mal, dass er mit so einem Hilfsmittel ein paar Handschellen öffnete.

"Ihr seid keine Cops, was?" sagte er. "Wer schickt euch?

Irgendjemand von denen, die Angst haben, dass ich ihre Namen im Prozess erwähnen könnte?" Vandermoore lachte heiser. "Hab ich's mir doch gedacht."

Der Kerl mit dem Goldzahn stieß die Hecktüren des des Transporters auf.

"Erraten, 'Bestie'!", grinste der Mann mit der MPi.

"Wer hat euch geschickt?", knurrte Vandermoore.

"Denk nach! Vielleicht kommst du in den letzten Sekunden, die dir bleiben, noch selbst drauf..."

Die Mündung der Heckler & Koch-MPi zeigte jetzt direkt auf Vandermoores Kopf, während sich gleichzeitig der dritte

'Cop' an seinen Fußfesseln zu schaffen machte und sie ihm abnahm.

"Los, raus jetzt mit ihm!", sagte der Mann mit dem Goldzahn. Vandermoore stand auf, drehte sich zur offenen Hecktür um. Er erhielt einen brutalen Stoß in den Rücken und stolperte aus dem Wagen. Bäuchlings fiel er hart zu Boden.

Zwei der Uniformierten packten ihn an den Oberarmen und zerrten ihn wieder auf die Beine.

"Wir haben keine Lust, dich zu tragen, 'Bestie'!", grinste einer der Kerle. "Ist nicht im Preis inbegriffen."

Die anderen Uniformierten lachten.

"Am besten wir packen ihn in eines dieser Autowracks!", meinte ein anderer. "Da findet ihn in hundert Jahren niemand!"

"Bringen wir's hinter uns!", sagte der Kerl mit der MPi, Sie bildeten einen Halbkreis um Vandermoore.

"Nimm's nicht persönlich, 'Bestie'. Du kennst das doch.

Es ist nur ein Job. Mehr nicht. Außerdem würdest du wohl sowieso die Giftspritze kriegen, bei dem, was du auf dem Kerbholz hast. Für einige Leute macht es aber einen kleinen Unterschied, ob du vorher noch in aller Öffentlichkeit das Maul aufreißen kannst oder nicht."

Vandermoore hatte es inzwischen geschafft, die Hände zu befreien. Seine Rechte zuckte mit unglaublicher Geschwindigkeit vor. Ein fassungsloser Ausdruck gefror im Gesicht des falschen Cops, als Vandermoore ihn mit einem mörderischen Handkantenschlag am Hals traf.

Der Uniformierte verdrehte die Augen und schwankte.

Vandermoore zog ihn zu sich heran, benutzte ihn als Deckung und riss ihm dabei die SIG Sauer P226 aus dem offenen Holster -

die Standardwaffe aller New Yorker Polizeieinheiten.

Vandermoore ließ sich zusammen mit dem Toten seitwärts fallen, während die MPi losratterte. Mehrere Dutzend Geschosse knatterten dicht über ihn hinweg und perforierten die Seitenfront eines halb verrosteten Lieferwagens.

Auf dem Boden rollte Vandermoore sich ab, riss die Waffe in seiner Faust empor und gab dann einen einzigen gezielten Schuss ab. Er traf den Kerl mit der MPi mitten in der Stirn. Vandermoore wirbelte herum, drehte den Lauf der SIG

ein paar Grad und feuerte noch einmal. Er erwischte den Kerl mit dem Goldzahn am Oberkörper, noch ehe dieser seine eigene Waffe ganz herausreißen konnte. Ein ächzender Laut kam über die Lippen des Getroffenen, während er zusammenklappte wie ein rostiges Taschenmesser. Vandermoore warf sich zur Seite, während links und rechts von ihm Projektile in den staubigen Boden schlugen. Er hechtete hinter einen Ford, der irgendwann einmal blau lackiert gewesen war.

Noch zwei Gegner waren übrig und er hatte noch 14 Patronen im Magazin, eine im Lauf. Im Gegensatz zu den falschen Cops besaß er keine Reservemunition und konnte sich daher nicht auf langwierige Schießereien einlassen.

Aber als Profi-Killer der Sonderklasse war er es gewöhnt, präzise zu arbeiten. Mit einem Minimum an Aufwand.

Er nahm die SIG mit beiden Händen und tauchte vorsichtig hinter dem Schrottwagen hervor. Ein Hagel von Geschossen empfing ihn. Vandermoore zuckte wieder zurück.

Hinter einem Chevrolet hatte er eine huschende Bewegung registriert. Einer der falschen Cops hatte offenbar einen Bogen geschlagen, um Vandermoore von der anderen Seite zu erwischen.

Der Uniformierte feuerte seine Pistole zweimal kurz hintereinander ab. Vandermoore warf sich in derselben Sekunde zur Seite. Die Geschosse schlugen Löcher, so groß wie eine Daumenkuppen, in das rostige Blech des Wagens hinter ihm.

Vandermoore riss seine Waffe hoch und feuerte. Der erste Schuss traf den falschen Cop im Oberschenkel, der zweite durchschlug seinen Hals.

Im nächsten Moment hörte Vandermoore, wie der Motor des Gefangenentransporters gestartet wurde. Mit durchdrehenden Reifen brauste der Wagen davon.

Vandermoore schnellte hoch, versuchte mit einem Schuß die Reifen zu erwischen und ließ dann die Waffe sinken.

Feigling!, dachte er.

*

Um ein Haar hätte ich mich an Helens vorzüglichem Kaffee verschluckt, als ich an diesem Morgen in Mr. Leighs Büro saß und an einer eiligst einberufenen Besprechung teilnahm.

Was Mr. Leigh, der Chef des FBI-Districts New York im Rang eines Special Agent in Charge, uns G-men mitzuteilen hatte, verschlug uns allen die Sprache.

Rod Vandermoore - in der Boulevardpresse und in der Unterwelt auch als 'Die Bestie' bekannt - war von der Gefängnisinsel Riker's Island entkommen.

Erst vor gut drei Monaten war dieser Mann, bei dem es sich um einen der gefährlichsten Lohnkiller in der Geschichte des organisierten Verbrechens handelte, ins Netz des FBI gegangen. Mein Partner Lew Tucker und ich hatten daran nur mittelbaren Anteil. Unser Kollege Special Agent Fred Raska hatte bei der Verhaftung die Einsatzleitung gehabt. Ein Tipp aus Gangster-Kreisen hatte dafür gesorgt, dass Vandermoore auf der New Yorker Gefängnisinsel Riker's Island gelandet war.

 

Eine ganze Abteilung des District Attorneys arbeitete inzwischen an der Anklageschrift.

Ich tauschte einen kurzen Blick mit Lew. Er war ebenso erstaunt wie ich. Als ich ihn vor einer halben Stunde an unserer bekannten Ecke abgeholt hatte, war von Vandermoores Ausbruch noch nichts in den Radionachrichten gewesen. Aber vielleicht wurden die Informationen auch aus fahndungstaktischen Gründen noch zurück gehalten. Länger als ein paar Stunden würde das aber aller Erfahrung nach nicht klappen. Irgendwo gab es immer eine undichte Stelle.

Außer Lew und mir waren noch ein halbes Dutzend weiterer G-men im Raum, darunter auch Fred Raska.

"Wie konnte das nur passieren?", fragte Fred. "Ich dachte, ein Ausbruch von Riker'S Island sei so gut wie unmöglich!"

Mr. Leigh zuckte die Schultern.

Sein Gesicht wirkte sehr ernst.

"Wie man sieht geht es doch", sagte er.

"Allerdings wohl nicht ohne fremde Hilfe. Ein Computer-Dossier liegt noch nicht vor, aber die Einzelheiten sehen zusammengefasst so aus: Ein Kommando von angeblichen Beamten der State Police wird auf Riker's Island vorstellig, um Vandermoore ins Staatsgefängnis von Newark zu verlegen. Sie legen die richtigen Papiere vor, es kommt die telefonische Bestätigung aus Newark und von der hiesigen Justiz..."

"Das heißt, die konnten völlig unbehelligt mit ihm davonfahren!", stieß unser indianischer Kollege Delladonna hervor.

Mr. Leigh nickte. "Das ist leider der Fall. Dieser Coup ist perfekt eingefädelt worden. Die Täter müssen über Verbindungen verfügen, die es ihnen erlaubt haben, die fingierten Nachrichten abzusenden. Möglicherweise hatten sie Unterstützung von Hackern, um sich in die entsprechenden Datensysteme einzuloggen. Und der Zeitpunkt war auch geschickt gewählt."

"In wie fern?", hakte Lew Tucker nach.

"Weil es seit einigen Wochen ein juristisches Hin und Her um eine mögliche Verlegung gab, über das auch die Medien hinreichend berichtet haben.

Es dürfte so ziemlich jeder New Yorker davon erfahren haben. So schöpfte auch bei den Verantwortlichen auf Riker's Island niemand Verdacht, als es dann tatsächlich zu einer Verlegung des Gefangenen kam."

"Jetzt werden einige Gangster-Größen bestimmt erleichtert aufatmen", war Cleve Caravaggio überzeugt. Der flachsblonde Italo-Amerikaner stellte den Kaffeebecher auf den Tisch und beugte sich etwas vor. "Als erstes würde mir da zum Beispiel der Batistuta-Clan einfallen..."

"Das sind nicht die Einzigen, die froh sind, dass Vandermoore jetzt wohl kaum noch einen Deal mit dem District Attorney schließen und auspacken wird", erklärte unser Chef.

"Es gibt da wirklich genug Adressen für Sie alle und ich kann Ihnen die mühsame Aufgabe leider nicht ersparen, sie der Reihe nach abzuklappern."

Ich sah, dass Lew die Augen verdrehte. Das war genau die Art von Sisiphos-Arbeit, nach der wir uns alle sehnten.

"Die Chancen stehen schlecht, Vandermoore wieder einzufangen", war Fred Raska überzeugt. "So viel Glück wie beim letzten Mal werden wir kaum noch einmal haben..."

Mr. Leigh sah Fred an. "Dieser anonyme Informant, der Ihnen vor drei Monaten den entscheidenden Tipp gegeben hat..."

"...ist leider immer noch so anonym wie ein Schweizer Nummernkonto", sagte Fred. "Aber möglicherweise bekommt der Kerl jetzt kalte Füße. Schließlich könnte Vandermoore wissen, wer für seine Verhaftung verantwortlich ist."

"Dann wird er sich an dem Verräter sicher rächen wollen", sagte ich.

"Eben."

In diesem Moment meldete Helen, die Sekretärin unseres Chefs, über die Gegensprechanlage: "Sir, die Mitarbeiter des District Attorney warten hier!"

"Gut, Helen. Sie möchten hereinkommen!" Mr. Leigh wandte sich wieder uns zu. "Die Staatsanwaltschaft wird Sie jetzt gleich auf den letzten Stand ihrer Prozessvorbereitungen bringen. Vielleicht ergeben sich daraus ein paar Anhaltspunkte, wo wir bei der Fahndung nach Vandermoore am Sinnvollsten ansetzen können!"

Die Staatsanwaltschaft erschien in Gestalt eines grauhaarigen, blassen Mannes mit kantigem Gesicht und einer jungen Frau im adretten Kostüm und seriös wirkender Steckfrisur. Unter dem biederen Kostüm zeichneten sich allerdings deutlich prächtige Kurven ab, die geeignet waren, die männliche Hälfte jeder Geschworenen-Jury völlig aus dem Häuschen zu bringen.

Sie hieß Gail Lebrocki und hatte durch ihre akribische Arbeitsweise von sich reden gemacht. Der Grauhaarige war der Staatsanwalt persönlich. Jay Garrison würde bei den kommenden Wahlen ganz sicher nicht wieder antreten, sondern sich in den Ruhestand zurückziehen. Ziemlich offen favorisierte er Gail Lebrocki als seine Nachfolgerin. Der Ausbruch eines Verbrechers wie Vandermoore konnte die Stimmung natürlich gegen diese Pläne kippen lassen, auch wenn keiner der beiden etwas dafür konnte.

Entsprechend nervös waren die beiden.

"Vor einem halben Jahr wurde Victor Minchew, der Boss der ukrainer Müll-Mafia in Brooklyn ermordet", erinnerte uns Gail Lebrocki. "Dank der Arbeit Ihres Special Case Field Offices, Mr.

Leigh, hatten wir in dem Fall die besten Aussichten, Vandermoore die Tat nachzuweisen und ein Todesurteil zu erwirken."

"Und der mutmaßliche Auftraggeber war der Batistuta-Clan aus Little Italy", ergänzte Fred Raska.

Gail Lebrocki nickte ihm zu. "Die direkte Konkurrenz der Ukrainer - Sie sagen es!"

Und Jay Garrison sagte: "Auf Initiative von Miss Lebrocki haben wir Rod Vandermoore einen Deal vorgeschlagen. Die Giftspritze wäre ihm erspart geblieben, wenn er uns endlich etwas gegen John Batistuta in die Hand gegeben hätte. Der tanzt uns schon seit Jahren auf der Nase herum. Irgendwann wird er es schaffen, sein illegal erworbenes Vermögen in legale Geschäfte zu transferieren. Dann kommt niemand mehr an ihn heran."

"Wie war Vandermoores Reaktion auf das Angebot?", fragte ich.

Garrison zuckte die Achseln. "Sein Anwalt bat für ihn um Bedenkzeit."

"Wenn er dem Deal nicht sofort zustimmte, scheint ihm sein Leben nicht besonders wichtig zu sein!", warf 'Orry'

Delladonna ein.

"Um ehrlich zu sein: Ich habe mich auch gewundert", nickte Jay Garrison. "Jedenfalls wird Mr. Batistuta jetzt wieder besser schlafen können, nehme ich an. Und er ist nicht der einzige, für den das gilt. Wir haben Ihnen eine Namensliste mit Personen zusammengestellt, die an einer Befreiung Vandermoores interessiert sein müssen."

Er reichte uns die Liste.

Wir würden uns diese Ganoven alle vornehmen müssen.

*

Zwei Stunden später fuhr ich meinen Jaguar in der Centre Street kurz vor der Cleveland Plaza an den Straßenrand. Lew und ich stiegen aus. Ich blickte in die Richtung aus der wir gekommen waren. John Batistuta kontrollierte das ganze Gebiet bis zur Hester Street. Es gab keinen Coffee Shop, keinen Friseurladen und keine Pizzeria, an der er nicht wenigstens beteiligt war. Die meisten Läden befanden sich ganz in seinem Besitz. Aber das war nur die Oberfläche von Batistutas Geschäften. Sein Geld machte er in anderen Bereichen. Vor allem mit illegaler Giftmüllentsorgung. Das pfiffen mittlerweile die Spatzen von den Dächern, auch wenn es noch kein Staatsanwalt geschafft hatte, diese Pfiffe in eine wirksame Anklageschrift zu übertragen.

Wir hatten die unangenehme Aufgabe, uns mit Batistuta zu unterhalten. Niemand hatte sich darum besonders gerissen.

Batistuta pflegte kein Wort ohne Gegenwart kampflustiger Anwälte zu äußern und schon so mancher Cop war aus einem Treffen mit ihm selbst als Angeklagter wegen Hausfriedensbruch, Verleumdung oder anderer Kleinigkeiten hervorgegangen. Haltlose Anschuldigungen, aber Batistuta ging nach der Devise, dass immer etwas hängenbleibt, wenn man mit genug Dreck nach jemandem wirft.

Fred Raska und unser Kollege Sid Caddox von der Fahndungsabteilung versuchten unterdessen doch noch etwas über den geheimnisvollen Informanten herauszubekommen, der Vandermoore ans Messer geliefert hatte. Und die anderen Kollegen klapperten den Rest der Namensliste ab, die die Staatsanwaltschaft uns überlassen hatte. Selbstverständlich wurden auch alle sonstigen Fahndungsinstrumente eingesetzt, zum Beispiel die Kontrolle von Flughäfen und dergleichen. Aber es war kaum anzunehmen, dass Rod Vandermoore so dumm war, sich in diesem Netz für gewöhnliche Kriminelle zu verfangen. Vandermoore war eine Klasse für sich.

Lew und ich standen vor einem mindestens zehnstöckigen Brownstone-Komplex. Das war Batistutas Residenz.

Verglichen mit den wirklich großen Wolkenkratzern des Big Apple war dieses Haus natürlich winzig. Als Domizil eines einzelnen Mannes allerdings recht beachtlich.

An der Tür aus Panzerglas zeigten wir den finster dreinblickenden Wächtern unsere Ausweise. Die Männer trugen dunkle Anzüge.

Die Jacketts wurden von ihren Waffen ausgebeult.

"Warten Sie!", wies uns einer der Männer an und griff zum Walkie-talkie. Anschließend erklärte er uns, dass Mr.

Batistuta nicht die Absicht habe, mit uns zu sprechen.

"Wir können ihn auch offiziell vorführen lassen", stellte Lew klar. "Ich weiß nicht, ob es Ihrem Boss recht ist, wenn er auf diese Weise in die Schlagzeilen kommt."

Der Bodyguard grinste. In der oberen Zahnreihe glänzte ein viel zu weißes Inlay.

"Du kannst jederzeit einen Termin mit Mr. Batistutas Anwalt bekommen, G-man. Rex Tardelli. Er hat sein Büro einen Block weiter Richtung Cleveland Plaza!"

"Richte deinem Boss aus, dass wir mit ihm jetzt und hier sprechen wollen - und zwar über Rod Vandermoore!"

"Hast du schlechte Ohren, G-man?", zischte der Bodyguard meinem Partner ins Gesicht. "Mein Boss ist an einem Gespräch nicht interessiert!"

Ich trat einen Schritt an ihn heran. "Dein Boss wird dir den Kopf abreißen, wenn du ihm das nicht ausrichtest!"

Der Bodyguard war einen Augenblick lang verunsichert. Er wechselte einen ratlosen Blick mit seinen Kollegen, dann griff er nochmal zum Walkie-talkie - und zwei Minuten später trug uns ein Aufzug in den obersten Stock.

Wir wurden in einen Raum geführt, der so mit kostbaren orientalischen Teppichen überladen war, dass man sich wie in einem türkischen Bazar vorkam.

Ein Springbrunnen plätscherte. Und auf einer Couch räkelte sich eine Blondine, deren prächtige Kurven das hautenge Kleid, das sie trug, beinahe zu sprengen drohten.

Der Bodyguard, der uns bis hierher begleitet hatte, postierte sich an der Tür. Die junge Frau erhob sich, als sie uns sah.

"Mit wem habe ich das Vergnügen?", hauchte sie.

"Special Agent Murray Deiser, FBI", stellte ich mich vor und deutete dann auf Lew. "Dies ist mein Kollege, Agent Lew Tucker. Wir hatten eigentlich erwartet, mit Mr.

Batistuta sprechen zu können."

"Es tut mir unendlich Leid, aber heute werden Sie mit mir Vorlieb nehmen müssen." In ihren Augen blitzte es. Sie näherte sich mit katzenhaften, geschmeidigen Bewegungen.

"Ich bin Mr. Batistutas Schwiegertochter Alana, und er vertraut mir in allen Dingen vollkommen."

Wir hatten davon gehört, dass der große John Batistuta einen Sohn namens Eric hatte, von dem er nicht sonderlich viel hielt. Niemand in Little Italy traute Eric zu, eines Tages die Familie führen zu können. Er galt als alkoholabhängig und spielsüchtig. Offenbar hatte das seiner Anziehungskraft auf Frauen aber keinen Abbruch getan.

"Hören Sie", sagte Lew, "wir sind nicht wegen irgendeiner Lapalie hier, sondern..."

"Wegen Rod Vandermoore!", unterbrach Alana ihn. Zwei Reihen makelloser Zähne blitzten auf. "Er soll von Riker's Island entkommen sein."

Ihrem Gesichtsausdruck nach genoss sie Lews Verblüffung.

"Ach, davon wissen Sie?", fragte ich erstaunt.

"Nun, wie soll ich mich da ausdrücken?" Sie begann am Revers meines Jacketts herumzunesteln und sah mich mit ihren himmelblauen Augen an. "Wissen Sie, einige gute Freunde unserer Familie sitzen auf Riker's Island. Und Neuigkeiten sprechen sich dort schnell herum. Dort - wie auch hier in Little Italy." Sie lachte. "New York ist in dieser Beziehung ein Dorf, G-man."

"Es besteht der Verdacht, dass Ihr Schwiegervater etwas mit Vandermoores Befreiung zu tun hat! Wo ist er jetzt?", fragte ich in sachlichem Tonfall.

"Er ist nicht hier!", antwortete Alana. "Mein Schwiegervater leidet unter Asthma. Er ist für ein paar Tage an die See gefahren."

"Long Island?"

"Nein, Kalifornien."

 

"Adresse?"

"Er besitzt eine Villa in Long Beach. Adresse und Telefonnummer schreibe ich Ihnen auf."

"Okay."

Ich blickte ihr fest in die Augen und hatte plötzlich den Eindruck, eine Spielerin vor mir zu haben. Sie spielte mit allem. Mit der Wahrheit genauso wie mit mir. Ich nahm mir vor, Alana nicht zu unterschätzen.

Lew reichte ihr einen Notizblock, den er bei sich trug.

"Außerdem brauchen wir den Namen Ihres Informanten auf Riker's Island."

"Es gibt keinen Informanten", behauptete sie. "Nur Gerüchte, die Bekannten von uns zu Ohren gekommen sind. Und dass diese Gerüchte stimmen, beweist Ihr Auftauchen hier, Murray!" Ihr Augenaufschlag war gekonnt. Sie atmete tief durch, wobei sich die straffen Brüste noch deutlicher unter dem Stoff ihres Kleides hervorhoben. "Sie wollen mir doch daraus keinen Strick drehen?"

"Den dreht sich jeder selbst", erwiderte ich.

In diesem Moment meldete sich mein Handy.

Es war Mr. Leigh, der mich anrief.

Auf einem wilden Schrottplatz waren vier Leichen in Uniformen der State Police gefunden worden.

Es sprach viel dafür, dass es sich dabei um jene Männer handelte, die Rod Vandermoore befreit hatten...

*

"Ob es klug war, diese G-men zu empfangen?"

Der große, dunkelhaarige Mann nippte an seinem Glas mit Kentucky-Bourbon. Er hatte Ringe unter den Augen und sah aus, als hätte er mehrere Nächte hintereinander durchgezecht.

Alana verschränkte die Arme unter den Brüsten.

"Welche Wahl hatte ich denn?", fauchte sie gereizt.

"Wir hätten es wissen müssen..."

"Was? Dass der FBI zuerst hier auftaucht, wenn Vandermoore sich vom Acker macht?"

"Ja, das auch."

Sie ging auf ihn zu, nahm ihm das Glas aus der Hand, leerte es in einem Zug. Dann sah sie ihn mit funkelnden Augen an. "Wir sitzen ganz schön in der Klemme, Eric. Aber wenn wir jetzt die Nerven behalten, dann..."

"Was dann?", grinste Eric Batistuta und legte beide Hände auf ihre geschwungene Hüfte.

"Lass das jetzt!", wies sie ihn zurecht. "Wir können froh sein, wenn wir aus dieser Sache mit heiler Haut herauskommen!"

Erics Grinsen ging über das ganze Gesicht. "Ich dachte, du liebst Spiele genauso wie ich, Baby!"

Ihr Blick wurde abschätzig. "Im Gegensatz zu dir stehe ich mehr auf die Art von Spielen, bei denen es auch eine reelle Gewinnchance gibt!"

Der Summton der hausinternen Sprechanlage unterbrach ihren Disput. Alana ging zum Apparat. "Ja?"

"Ein Anruf für Sie, Mrs. Batistuta", sagte eine sonore Männerstimme.

"Wer ist es?"

"Ein gewisser Rod Vandermoore. Auf welchen Apparat soll ich durchstellen?"

*

Der Ort des Gemetzels war ein wilder Schrottplatz inmitten einer Industriebrache, drüben auf der anderen Seite des Hudson im Staat New Jersey.

Unsere Kollegen Delladonna und Cleve Caravaggio waren schon dort, als wir ankamen. Außerdem unser Arzt Doc Reiser und unsere Erkennunsdienstler Agent Sam Steinberg und Agent Mell Forster.

Normalerweise ist an einem Tatort auch immer die Scientific Research Division anzutreffen, der zentrale Erkennungsdienstes aller New Yorker Polizei-Einheiten.

Daneben haben wir allerdings auch unseren eigenen Spezialisten, die in Fällen wie diesem zum Einsatz kommen..

New Jersey gehört zum Zuständigkeitsbereich des FBI Field Office New York, aber die Scientific Research Division und das NYPD haben hier, außerhalb der Grenze von New York State, normalerweise nichts zu suchen.

"Die vier starben durch Schussverletzungen", berichtete Doc Reiser. "Sehr präzise Treffer. Der Täter muss ein erstklassiger Schütze gewesen sein! Mehr kann ich im Moment nicht sagen. Du musst schon auf meinen Bericht warten, Murray."

"Trotzdem danke", sagte ich.

Ich beobachtete unseren Kollegen Agent Mell Forster dabei, wie er die Gesichter der Toten fotografierte. Wir würden die Bilder durch unsere Datenbanken jagen und auf Übereinstimmungen hin abfragen. Es musste schon mit dem Teufel zugehen, wenn dabei nichts zutage kam. Wer es schaffte, einen Gefangenen aus Riker's Island herauszubekommen, konnte kein blutiger Anfänger sein.

Ich sprach mit Agent Steinberg, der mich auf ein paar Spuren hinwies.

Auf dem Boden waren Abdrücke von Schuhsohlen zu sehen und der Abdruck einer Hand. Es war die linke Hand.

"Hier hat jemand Deckung gesucht", stellte Steinberg fest.

"Ich frage mich, weshalb Vandermoore seine Befreier umgebracht hat", murmelte ich

"Vielleicht haben die ihn nur befreit, um ihn endgültig zum Schweigen zu bringen.", überlegte Lew.

Ich nickte düster.

Wieder ein Punkt, der in Richtung jener Leute wies, die eine Heidenangst davor haben mussten, dass Rod Vandermoore den Mund aufmachte. Jemand hatte ihm vorher das Lebenslicht ausblasen wollen. Aber da hatte sich dieser Jemand gründlich verrechnet...

*

"Hier hast du dich also verkrochen, Birdy!", zischte eine unangenehm hohe Fistelstimme.

Birdy hatte sich gerade über einen der Billard-Tische von

'Jackson's Tavern' an der 74. Straße Ost gebeugt, als der hagere Mann mit dem knochigen Totengesicht auftauchte.

Birdy schluckte.

Einen Augenblick lang überlegte er, die Automatik unter dem weiten Hemd hervorzureißen, das er über der Hose trug.

"Tu nichts Unüberlegtes!", zischte das Totengesicht. Er trat näher. Seine rechte Faust steckte in der linken Jacketttasche. Der Lauf eines Revolvers drückte sich durch den Stoff.

"Was willst du von mir, Randy?", fragte Birdy. Er warf einen Blick zur Tür. Der überbreite Kleiderschrank, der sich dort mit verschränkten Armen aufgebaut hatte, musste zu dem Bleichgesicht gehören. Und ein schmächtiger Mittvierziger, der nun an die Bar trat und den Kellner verscheuchte, gehörte offenbar auch dazu.

Verdammt, dachte Birdy, ich bin ihnen in die Falle gegangen!

In Birdys Kopf rasten die Gedanken.

So wie er Randy und seine Meute kannte, hatte auch am Hinterausgang noch einer seiner Männer Posten bezogen.

"Hör mal, Randy, wir können uns bestimmt irgendwie einigen", sagte Birdy. Er wollte Zeit gewinnen.

Sein bleichgesichtiges Gegenüber strich sich mit einer fahrigen Geste der linken Hand über das dunkle, nach hinten gekämmte Haar. Randys Augen waren wässrig-blau. Und sie fixierten Birdy auf unangenehme Weise.

"Red' keinen Stuss, Birdy. Du weißt, was ich jetzt tun muss. Fällt mir nicht leicht, aber..."

Die letzten Gäste von 'Jackson's Tavern' verließen den Schankraum. Der Muskelmann, der sich an der Tür postiert hatte, winkte sie durch.

Randy trat nahe an Birdy heran. "Erzähl mir, was mit Vandermoore ist!"

"Keine Ahnung."

"Was soll das heißen, keine Ahnung?"

"Die Sache ist schief gegangen!"

"Was du nicht sagst!"

"Ich bin mit knapper Not entkommen. Der Mann ist ein Teufel!"

Randy schüttelte den Kopf. "Dein Pech, Birdy. Die anderen haben's ja wohl schon hinter sich."

"Wovon sprichst du?"

"Von der großen Überfahrt!", höhnte der Schmächtige an der Theke.

"Ihr wollt mich wirklich - umlegen? Das... das ist doch nicht euer Ernst!"

Randy zuckte die Achseln. "Du weißt einfach zu viel. Und außerdem - wie sieht das aus? Du hast einen Auftrag erhalten, ihn verpatzt und es nicht mal für nötig befunden, uns davon in Kenntnis zu setzen, geschweige denn dein Geld zurückzugeben."

"Das wollte ich ja!"

Blitzschnell hatte Randy die Waffe herausgerissen. Es war eine Automatik, Kaliber 45. Der Lauf war auf Birdys Oberkörper gerichtet.

"Du begleitest uns jetzt auf einer Spazierfahrt!", zischte er.

Birdy taumelte zurück, griff unter sein Hemd. Ein Akt der Verzweiflung.

Er riss seine Pistole hervor, eine Beretta. Aber er war nicht schnell genug. Randy drückte ab, traf Birdy in die Schulter.

Die Wucht des Treffers ließ Birdy nach hinten taumeln.

Er versuchte, sich an einem der Billard-Tische festzuhalten.

Der zweite Schuss traf Birdy in die Brust. Aufstöhnend ließ er die Beretta fallen, rutschte zu Boden und blieb reglos liegen.

"Los, weg hier!", knurrte der breitschultrige Kleiderschrank an der Tür.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?