34 Kurz-Krimis

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34 Kurz-Krimis
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Alfred Bekker

34 Kurz-Krimis

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Inhaltsverzeichnis

Titel

34 Kurz-Krimis

ABENDESSEN MIT KONVERSATION

EIN PROFI GIBT NICHT AUF

DAS LINKE BEIN

ZUM DESSERT: EIN MORD!

TÖDLICHE TROPFEN

DER KOPF-ABHACKER

UNGEBETENE GÄSTE

DIE KONKURRENTEN

DER EINZIGE MORDZEUGE

KALT WIE EIS

UNTER MORDVERDACHT

DIE TOTE AM STRAND

EINE BÖSE ÜBERRASCHUNG

SARAS FLUCHT

DER VERRÄTER

MILLYS ERSTER MORD

EIN FREUND DES INSPEKTORS

DER KILLER IN DEN BERGEN

MÖRDER MIT HUT

DER NAME DES MÖRDERS

EINE KUGEL FÜR DEN KURIER

DIE FRAU, DIE ZUVIEL WUSSTE

SIE FANDEN EINE LEICHE

DER HOLLYWOOD-KILLER

DER MÖRDER IRRTE

TODESFAHRT

DER LEIBWÄCHTER

DER FALL ROSENER

IRISCHER MORD

EINE LEICHE IM KOFFERRAUM

TOD IM SEE

TOT UND TEUER

DEN TOD VOR AUGEN

DER KLINIK-MÖRDER

Impressum neobooks

34 Kurz-Krimis

von Alfred Bekker

© der Digitalausgabe 2013 AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich, Westf.

Www.AlfredBekker.de

Alle Rechte vorbehalten

ABENDESSEN MIT KONVERSATION

Es ist eine traurige Sache.

Warum bleiben sie nicht?

Warum erschrecken sie, wenn sie das Haus betreten? Weshalb beklagen sie alle sich über einen bestimmten Geruch, von dem sie nicht sagen können, wodurch er verursacht wird?

Sie wollen nicht bleiben und mit mir reden.

Ich weiß nicht warum.

Ist es zuviel, was ich verlange?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Und doch, es ist immer dasselbe. Sie wollen nicht bleiben. Ich kann von Glück sagen, wenn sie sich wenigstens mit mir an den gedeckten Tisch setzen.

Ich zünde die Kerzen an.

Der Schein des Lichts fällt auf ihre ebenmäßigen Züge und taucht sie in ein diffuses Licht.

Ich konnte sie nicht gehen lassen.

Ich konnte einfach nicht.

"Sie wollen wirklich schon gehen?"

Ihr Gesicht wirkt verlegen.

"Ja."

"Aber..."

"Ich muß mich auf den Weg machen. Verstehen Sie mich doch, es ist höchste Zeit..."

"Ich habe den Tisch gedeckt!"

"Hören Sie, ich will Sie nicht kränken, aber..."

"Aber?"

"Ich weiß nicht, ob es richtig war, Ihre Einladung anzunehmen... Was ich sagen will ist..."

"Sie können mir das nicht antun! Ich habe für Sie gekocht!"

"Das ist sehr nett, aber - "

"Alles ist vorbereitet... "

Sie runzelt genau in diesem Moment die Stirn.

"Vorbereitet?"

Viele von ihnen haben genau in diesem Moment die Stirn gerunzelt.

Ich kann es unmöglich erklären, aber es ist so.

Ich habe kein gutes Gefühl.

"Es gibt Lachs in Kräuterbutter. Dazu einen guten Wein. Es wird Ihnen schmecken..."

Ich habe etwas Scheußliches getan.

Naja, das haben die meisten vielleicht irgendwann schonmal in ihrem Leben. Aber das, was ich getan habe, ist von besonderer Scheußlichkeit. Ich weiß es, aber ich kann es nicht ändern.

Ich empfinde auch keine Schuld.

Es ist so gekommen.

Aus.

Fertig.

Reden wir über etwas anderes.

Ich sehe ihr in die Augen, diese leuchtend blauen Augen, die mich eigentlich ganz friedlich anblicken.

Sie sitzt mir gegenüber, mit diesen Augen, mit ihrem schmalen Mund, mit ihrem feingeschnittenen Gesicht. Ihr Mund lächelt nicht mehr. Er ist vielmehr unbeweglich, etwas starr, ich weiß auch nicht.

Ich hebe mein Glas und proste ihr zu.

Sie schweigt.

Ich rede mit ihr. Oder besser: Ich erzähle ihr alles mögliche. Über mich. Über meine Ansichten. Über Gott. Und die Welt.

Nein, vielleicht doch nicht über Gott. Was ich damit sagen will ist folgendes: Gott hat in dieser Geschichte eigentlich nicht allzuviel verloren.

Ich sollte ihn aus dem Spiel lassen.

Um seinetwillen.

Mein Mund produziert Worte. Eins nach dem anderen, ohne Unterlaß. Eigentlich bin ich ein schweigsamer Mensch, vielleicht sogar schüchtern. Ich lebe zurückgezogen mit meinen drei Katzen. Das Haus, in dem ich wohne, liegt etwas abseits, nicht weit von der Steilküste entfernt.

Ich habe es für mich allein und das ist gut so.

Oft bin ich oben bei den Klippen.

Es herrscht immer ein starker Wind dort.

Man trifft Leute dort. Touristen. Manchmal komme ich mit ihnen ins Gespräch und lade jemanden zu mir nach Hause ein.

Zum Essen.

Die meisten wollen nicht, aber bei einigen gelingt es mir.

Kein Mensch kann immer allein sein. Kein Mensch. Auch ich nicht.

Ein Tag vergeht. Und ein weiterer.

Ich lasse sie am Tisch sitzen. Sie blickt mich starr an, wenn wir uns unterhalten.

Hätte ich sie doch gehen lassen sollen?

Vielleicht.

Ich konnte es nicht.

Es war einfach unmöglich.

Ich brauchte sie.

Und ich hoffe nur, daß ich ihr nicht allzu sehr wehgetan habe. Jedenfalls hat sie nicht geschrien. Sie war wohl sofort tot. Ganz bestimmt.

Am vierten oder fünften Tag nahm ich sie über die Schulter und setzte sie in einen der großen Ohrensessel, die bei mir im Wohnzimmer stehen. Wir saßen beieinander. Es war schön.

Jedenfalls besser, als wenn man alleine dasitzt.

Von Tag zu Tag gab es mehr Fliegen im Haus und mir war klar, woher das kam.

Ich betrachtete wehmütig ihr Gesicht.

Schade, aber ich würde mich von ihr verabschieden müssen.

Ich schob es noch ein paar Tage vor mir her. Schließlich hatte ich mich an ihre Gesellschaft gewöhnt.

Dennoch, es war unvermeidlich.

Ich löste ein paar Fußbodenbretter, unter denen ich eine Art Grube angelegt hatte, und legte sie zu den anderen.

EIN PROFI GIBT NICHT AUF

Joe Martinez steckte das Zielfernrohr auf das Gewehr und legte an. Von hier, dem siebten Stock eines Rohbaus, aus dem irgendwann einmal das Bürogebäude eines mittelgroßen Versicherungskonzerns werden sollte, hatte Martinez eine hervorragende Aussicht auf das ehrwürdige Gerichtsportal. Es konnte nicht mehr allzu lange dauern, dann würde Gordon Smith durch dieses Portal geführt werden - jener Mann, dem Martinez eine Kugel in den Kopf jagen wollte... Martinez war ein Profi-Killer, sein Ruf in Syndikats- und Unterweltkreisen mehr als hervorragend! Er arbeitete schnell und präzise. Und vor allem konnte man sich auf ihn verlassen! Wenn er einen Auftrag annahm, konnte man todsicher davon ausgehen, daß er die Sache auch durchzog. Joe Martinez hatte noch nie versagt. Martinez verengte die Augen ein wenig. Der Finger am Abzug spannte sich, als der gepanzerte Wagen vorfuhr. Sicherheitsbeamte stiegen aus und blickten sich mit der Waffe im Anschlag nach allen Seiten um. Und dann kam endlich Gordon Smith zum Vorschein, von beiden Seiten von Polizisten eingekeilt. Gordon Smith mußte sterben. Martinez wußte über diesen Mann zwar kaum mehr, als man aus der Presse erfahren konnte, aber die Sache lag wohl ziemlich klar auf der Hand. Smith sollte als Kronzeuge gegen einige große Nummern des organisierten Verbrechens aussagen, wodurch diese vielleicht endlich hinter Gitter kamen. Natürlich war diesen Leuten kaum ein Preis zu hoch, um Smith aus dem Weg zu räumen. Und so hatten sie über einen Mittelsmann Joe Martinez angeheuert - den Besten seines Fachs. Martinez hielt den Atem an.

 

Smith befand sich nun genau in seinem Fadenkreuz. Unter seiner Kleidung trug der Kronzeuge sicher eine kugelsichere Weste. Das bedeutete, daß Martinez den Kopf treffen mußte, wenn er sichergehen wollte. Noch einen Sekundenbruchteil wartete er ab, dann glaubte er den richtigen Zeitpunkt für gekommen und feuerte. Martinez wußte, daß er wahrscheinlich nicht mehr als einen Schuß haben würde. Aber für einen Profi seiner Klasse reichte das in der Regel auch.

Und genau so schien es auch diesmal zu sein. Durch das Zielfernrohr beobachtete er, wie Smith getroffen zu Boden stürzte. Die Sicherheitsbeamten rotierten und ließen irritiert die Köpfe kreisen. Martinez lächelte kalt und packte sein Gewehr in eine Tasche für Golfschläger. Es hatte ihn niemand gesehen.

*

Joe Martinez wohnte in einer schäbigen Absteige, in der man sich nicht sonderlich um Identität und Herkunft der Gäste kümmerte, solange im Voraus bezahlt wurde. Gestern abend war er in die Stadt gekommen und morgen früh würde er sie auch schon wieder verlassen. Bis zum nächsten Auftrag vielleicht. Die erste Hälfte seines Honorars hatte man ihm bereits im Voraus bezahlt, die zweite würde wohl irgendwann in den nächsten Tagen auf seinem Züricher Bankkonto eingehen. Alles war glattgegangen. Leicht verdientes Geld! dachte Martinez, bis er am nächsten Morgen eine böse Überraschung erlebte, als er die Morgenzeitung aufschlug. Über das Attentat auf den Kronzeugen Gordon Smith wurde groß berichtet. Und Martinez glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er da lesen mußte, daß Smith noch lebte! Smith lag schwerverletzt im Städtischen Krankenhaus und war bis auf weiteres nicht vernehmungsfähig. Martinez ballte grimmig die Rechte zur Faust. Er würde noch einmal in Aktion treten müssen! Schließlich war er Profi und hatte immerhin einen exzellenten Ruf zu verlieren. Und diesmal vielleicht sogar noch mehr! durchzuckte es ihn fröstelnd. Denn es mochte gut sein, daß seine Auftraggeber es ihm nicht verzeihen würden, wenn er versagte... Schließlich ging es ja auch für sie um die Existenz. Martinez würde die Sache also zu Ende bringen müssen. Um jeden Preis!

*

Joe Martinez besorgte sich in einem einschlägigen Fachgeschäft einen weißen Kittel. Natürlich konnte er sich bei seiner Anmeldung nicht einfach danach erkundigen, in welchem Zimmer man Gordon Smith untergebracht hatte. Das hätte nur Verdacht erregt. Und wahrscheinlich führte man den Kronzeugen sogar unter falschem Namen. So mußte er also suchen. Flur um Flur ging Martinez durch, bis er schließlich fündig wurde. Vor einem Krankenhauszimmer hatte ein uniformierter Beamter Posten bezogen. Das mußte es sein! Martinez versuchte wie selbstverständlich an dem Wachmann vorbeizugehen, aber dieser trat ihm in den Weg.

"Wer sind Sie?"

"Dr. Morton, Facharzt für Neurologie. Der Patient hat eine schlimme Kopfverletzung. Und da vielleicht das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen ist, meinte der Chef, ich sollte ihn mir mal ansehen!"

"Der Chef? Sie meinen Dr. Miller!"

"Ja, genau den!" Der Wachmann trat zur Seite. "Gehen Sie hinein!" meinte er. Und Martinez dachte: Jetzt ist es so gut wie geschafft!

Er würde eintreten, die Tür hinter sich schließen, dann die Schalldämpferpistole unter dem Kittel hervorziehen und abdrücken. Eine Sekundensache.

*

Mit einem schnellen Schritt war Martinez im Krankenzimmer und seine Rechte hatte bereits nach der Waffe unter dem Kittel gegriffen, da erstarrte er mitten in der Bewegung. Er blickte direkt in die Mündungen einiger Revolver. Jemand hielt ihm eine Polizeimarke unter die Nase. "Wir wußten, daß es ein Profi sein mußte, der es auf Smith abgesehen hatte", erklärte einer der Kriminalbeamten, während Martinez ein anderer die Waffe abnahm und ihm Handschellen anlegte.

Martinez fluchte.

"Ich begreife nicht...", murmelte er.

"Wir brauchten nur warten", fuhr der Beamte fort. "Ein Profi gibt schließlich nicht auf, stimmt's?" Er grinste. "Ich schätze, wir haben irgendwo ein schönes Foto von Ihnen in unseren Karteien..."

"Und wo ist Smith?" knurrte Martinez.

"An einem sicheren Ort, wo er sich vermutlich besser von seiner Schußverletzung erholen wird als hier!" war die trockene Antwort.

DAS LINKE BEIN

Ralph Jakobs bemerkte nicht, wie drei Augenpaare ihn beobachteten, während er sein Glas austrank, bezahlte und gemessenen Schrittes das Lokal verließ. "Seht mal, wen haben wir denn da: Unseren hochverehrten Herrn Bankdirektor!" murmelte Larbach, einer der Beobachter mit deutlich ironischem Unterton. Sein Mund verzog sich spöttisch, als er noch hinzusetzte: "Ist er nicht ein feiner Herr, unser Herr Jakobs?"

"Er ist schlicht und einfach ein Schwein!" brummte Bronner, der neben ihm saß, den Blick ins Glas gerichtet. "Allerdings habe ich eine ganze Weile gebraucht, um das zu merken!" setzte er noch naserümpfend hinzu. "Jahrzehntelang war er mein bester Freund. Und dann hat er mich ruiniert. Einfach so, ohne mit der Wimper zu zucken. Er zertrat meine Karriere - mein ganzes Leben - mit einer Gleichgültigkeit, mit der man für gewöhnlich ein störendes Insekt erschlägt." Tief empfundene Bitterkeit lag in Bronners Tonfall.

"Wie kam das?" fragte Neubauer, der dritte am Tisch.

"Die Geschichte ist schon Jahre her", berichtete Bronner zögernd. "Jakobs und ich waren beide in der hiesigen Bankfiliale beschäftigt." "... deren Direktor Jakobs jetzt ist", vervollständigte Larbach, der Bronners Geschichte kannte. "Genau! Nun, um es kurz zu machen: Ich hatte mich damals finanziell etwas übernommen - Familie gegründet, ein Haus gekauft und so weiter und so fort. Andererseits war ich nicht bereit, Abstriche an meinem Lebensstandard zu machen. Wofür legt man sich schließlich krumm, frage ich Sie! Jedenfalls nicht, damit alles von Raten, Tilgung und Zinsen aufgefressen wird und einem nichts bleibt, um sch zu amüsieren!"

"Das kann ich verstehen!" meinte Neubauer.

"Nun, ich ließ mich dazu hinreißen, meine Probleme auf illegalem Weg - zumindest vorrübergehend - zu lösen. Ich sah damals keinen anderen Ausweg, als mir bei der Bank, bei der ich beschäftigt war, Geld zu beschaffen. Hier eine kleine Manipulation am Computer, dort eine weitere... Die Wahrscheinlichkeit, daß das Ganze auffliegen würde, war eins zu tausend, und ich beabsichtigte ja auch, zum Schluß alles wieder in Ordnung zu bringen. Ein zinsloses Darlehen, so könnte man es ausdrücken, das war alles. Mehr wollte ich gar nicht und wahrscheinlich wäre die Sache auch längst vergessen, wenn Jakobs mir nicht auf die Schliche gekommen wäre."

"Wie hat Jakobs reagiert?" fragte Neubauer und nahm einen Schluck aus seinem Glas. "Lassen Sie mich raten: Er hat Sie verpfiffen!"

Bronner nickte mit versteinertem Gesicht. "Ja, das hat er. Wir waren Freunde - seit der Schulzeit, verstehen Sie? Er hätte nur so zu tun brauchen, als hätte er nichts gesehen und vielleicht eine Woche abwarten müssen. Aber nein, das konnte er für seinen alten Schulfreund nicht tun! Er mußte zum Direktor laufen und mich anschwärzen... Seiner Karriere hat es jedenfalls nicht geschadet: Er sitzt heute selbst auf dem Direktionssessel, während ich rausgeworfen wurde. Natürlich sprach sich die Sache im Bankgewerbe herum und so gelang es mir nicht, dort je wieder Fuß zu fassen. Heute verdiene ich meine Brötchen mit dem Verkauf von Lebensversicherungen..." Er atmete schwer, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. "Ein sozialer Abstieg, kann ich Ihnen sagen! Hätte Ralph Jakobs sich damals anders verhalten vielleicht würde ich heute auch eine Filiale leiten, wer weiß?" Seine Augen waren gerötet. "Sie wissen nicht, wie das ist", murmelte er an Neubauer gewandt. "Sie sind selbständiger Konditor, Ihr Geschäft geht gut, Sie können sich nicht vorstellen, wie man sich fühlt, wenn alte Freunde einem aus dem Weg gehen..."

Neubauer legte Bronner eine Hand auf die Schulter. "Vielleicht verstehe ich Sie viel besser, als sie meinen!" erklärte er, woraufhin Bronner ihn ungläubig anstarrte. "Sie kennen sicher Frau Jakobs, nicht wahr?" fragte Neubauer.

"Flüchtig. Sie war zuvor schon einmal verheiratet, soweit ich gehört habe."

"Sie haben richtig gehört", griff Neubauer den Faden auf. "Frau Jakobs war bereits einmal verheiratet. Mit mir."

"Ach", sagte Bronner. "Das ist ja interessant!"

"Eine traurige Geschichte", fuhr Neubauer fort. "Wenn Sie so wollen, bin ich auch ein Jakobs-Geschädigter. Als ich Franziska kennenlernte, war ich ein kleiner Angestellter, dessen Lohn gerade ausreichte, um die Familie über Wasser zu halten. Aber Franziska genügte das nicht. Sie wollte mehr, ihre Ansprüche an das Leben waren größer, vielleicht sogar maßlos. Als die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, suchte sie sich auch Arbeit, um mitzuverdienen, aber auch das reichte ihr bald nicht mehr. Sie wollte Luxus, teure Mode, ein eigenes Haus, mehr soziales Prestige... Sie trietzte mich so lange, bis ich bereit war, weiterzulernen und meinen Konditormeister zu machen. Schließlich war ich soweit und hatte mein eigenes Geschäft. Franziskas Sucht nach Höherem war für eine Weile gestillt.

Vielleicht hätte es ihr gereicht, vielleicht wäre sie damit zufrieden gewesen, wenn... wenn Ralph Jakobs nicht aufgetaucht wäre. Wir lernten ihn bei irgendeiner Gelegenheit kennen und von da an hatte ich nicht mehr die geringste Chance, den Wettlauf mit der Zeit zu gewinnen. Was ist schon ein Konditormeister gegen einen Bankdirektor? Nichts!" "Ich sagte ja, daß er in Schwein ist, unser Bankdirektor", kommentierte Larbach Neubauers Geschichte. "Der Mann schreckt vor nichts zurück." "Ich könnte ihn umbringen!" meinte Bronner, wobei er mit der geballten Faust auf den Tisch schlug. "Was hat er Ihnen getan?" fragte Neubauer an Larbach gewandt. "Er muß Ihnen etwas getan haben, sonst würden Sie kaum so bitter über ihn reden." Larbach nickte. "Und ob er mir etwas getan hat! Er hat meinen Sohn totgefahren, aber er hatte die besseren Rechtsanwälte.

Man konnte ihm kein schuldhaftes Verhalten nachweisen... Aber Irgendwann wird er sich vor einem anderen, höheren Richter verantworten müssen und dort wird er sich nicht herausreden können!"

*

Ein paar Tage waren vergangen. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, als Ralph Jakobs sich auf den Weg nach Hause machte. Er hatte ein Lokal besucht, etwas getrunken und versucht abzuschalten. Es waren nur ein paar hundert Meter bis zu seinem Haus und er war schon fast angekommen. Da tauchte aus dem Schatten eine Gestalt auf. Es war ein Mann, der das linke Bein beim Gehen etwas nachzog. Jakobs erkannte den Hinkenden sofort und dachte: Was will der denn hier? Dann umgab den Bankdirektor auf einmal nur noch Schwärze.

*

In der nächsten Woche trafen sie sich wieder zu gewohnter Stunde an ihrem Tisch: Larbach, Neubauer und Bronner. Natürlich redeten sie über Jakobs, dessen Tod groß in der örtlichen Tageszeitung gestanden hatte. Man wußte nur, daß er mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden war. Ansonsten tappte die Polizei völlig im dunkeln.

"So einer wie Jakobs hat sicherlich eine Menge Feinde!" meinte Bronner.

"Und drei dieser Feinde sitzen hier an diesem Tisch!" setzte Larbach hinzu.

"Nun erlauben Sie mal!" empörte sich Bronner. "Vermuten Sie den Mörder unter uns?"

"Ist das so abwegig?" Larbach grinste. "Wir haben schließlich alle drei ein ausreichendes Motiv, oder etwa nicht? Jeder von uns könnte ihn umgebracht haben. Sie selbst haben eine dahingehende Bemerkung gemacht..."

Bronner wurde blaß und so beschwichtigte Larbach ihn sogleich: „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Der Kerl hat es verdient, ich verurteile diesen Mord keineswegs!"

"Jakobs hat es wirklich verdient!" meinte Neubauer. „Man sollte den Mörder zu seiner Tat beglückwünschen."

 

"Vielleicht waren Sie ja selbst der Mörder", sprach Larbach ihn mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen an. "Wo waren Sie am Mittwoch, so gegen zehn Uhr abends?"

"Beim Tennis. Wie jeden Mittwoch."

"Und ich war zu Hause", erklärte Bronner eiligst, woraufhin Larbach verächtlich abwinkte. "Das kann jeder behaupten. Wo waren Sie tatsächlich?"

"Es ist doch für jeden von uns eine Leichtigkeit, sich ein Alibi zuzulegen!" schnaufte Neubauer.

"Was soll eigentlich dieses Räuber-und-Gendarm-Spiel?" fragte Bronner ärgerlich.

Larbach lächelte. "Ist es denn nicht interessant, mal ein bißchen Gendarm zu spielen? Es war sehr aufschlußreich, zu sehen, wie Sie darauf reagiert haben..." Er erhob sich. "Ich muß jetzt leider gehen. Es ist schon spät." Dann ging Larbach dem Kellner entgegen und bezahlte, bevor er sich dem Ausgang zuwandte und das Lokal verließ. Er zog ein wenig das linke Bein nach.