Isabelle von Bayern

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Isabelle von Bayern
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Alexandre Dumas

Isabelle von Bayern

Historischer Roman aus der Zeit Karls VI.

Impressum

Texte: © Copyright by Alexandre Dumas

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Übersetzer: © Copyrighby Ludwig von Alvensleben

Verlag: Brokatbook Verlag Dresden Gunter Pirntke

Gunter Pirntke

Altenberger Straße 47

01277 Dresden

brokatbook@aol.com

walterbrendel@mail.de

Inhaltsverzeichnis

Historischer Überblick des Herausgebers

Erster Band.

Vorwort.

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

Zweiter Band.

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

Dritter Band.

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

Über dieses Buch

Historischer Überblick des Herausgebers

Karl VI., auch genannte der Vielgeliebte oder der Wahnsinnige, wurde als ältester von drei überlebenden Kindern der königlichen Eltern, Karl V. von Frankreich und dessen Gemahlin Johanna von Bourbon, am 3. Dezember 1368 in Paris war geboren.

1380 bestieg er 11jährig, 1380 den Thron von Frankreich. Er stand zunächst unter Vormundschaft der drei jüngeren Brüder seines Vaters, die einem Regentschaftsrat bildeten und die Staatsherrschaft ausübten. Dieser Regentschaftsrat wurde auch als Regierung der Herzöge bekannt. Dieser Regentschaftsrat regierte das Land schlecht, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht, beuteten sie das Land aus und provozierten damit mehrere Aufstände.

1388 übernahm Karl die Regierung selbst. Er hatte zwar den guten Willen zur Verbesserung, konnte sich aber gegen die Berater seines Vaters kaum durchsetzen sorgte kaum für Verbesserungen. Erschwert wurde das auch von einer Geisteskrankheit, die ihm 1392 befiel und die ein Jahr später deutlich ausbrach. Kurzzeitig war er zwar bei klarem Verstand, aber überwiegend handlungsunfähig.

Zu den königlichen Onkels gesellten sich auch der ehrgeizige Bruder des Königs, der Herzog Ludwig von Orléans und die Titelheldin Isabeau de Bavière, der jungen Frau des Königs. Karls Einfluss und Anspruch wurde immer begrenzter.

Anno 1400 gab es in Land zwei Strömungen, die vom Hof ausgingen. Das waren die Orléanisten und die Bourguignons unter Herzog Philipp bzw., nach seinem Tod 1404, um seinen Sohn Herzog Johann Ohnefurcht. Orléans wurde 1407 durch gedungene Mörder des Herzogs Johann Ohnefurcht ermordet. Es kam zum Bürgerkrieg, indem die Armagnacs die Oberhand behielten und 1413 die Herrschaft übernahmen. Die Königin wurde aus dem Thronrat ausgeschlossen.

Die Auseinandersetzungen schwächten Frankreich zunehmend Diese Schwäche nutzte Heinrich V. von England, um neue Raub- und Eroberungszüge auf französischem Boden zu beginnen, bei denen seine Truppen im Herbst 1415 die Normandie besetzten.

1417 verbannte Bernard, inzwischen Konnetable von Paris, die Königin und ihren Hofstaat. Daraufhin verbündete sich die Königin mit Johann von Burgund, bildete eine Gegenregierung in Troyes und eroberte 1418 Paris zurück. Bernard von Armagnac wurde hingerichtet.

Der Dauphin, obwohl Generalleutnant des Königs, blieb unter dem Einfluss der Armagnaken, vor allem der mit ihnen verbündeten Anjou Yolantha von Aragon, seiner Schwiegermutter. Inzwischen standen die Engländer kurz vor Paris, viele Städte und Landstriche waren verwüstet. Die Spaltung der königlichen Familie beunruhigte viele.

1419 traf der Dauphin den Herzog von Burgund auf der Brücke von Montereau und ließ ihm ermorden.

Karls VI. bezeichnete seinen Sohn als sittenlos und als der Thronfolge unwürdig und enterbte ihm 1420. Durch den Vertrag von Troyes vermählten das königliche Paar ihre Tochter Katharina mit Heinrich V. von England und bestimmten diesen zum französischen Thronfolger des vereinigten Königreiches Frankreich und England.

Der französische Kronprinz Karl erkannte den Vertrag von Troyes nicht an und führte den Widerstand fort.

Die bittere Not der Engländer nach der langen Belagerung der Stadt Meaux griff schließlich Heinrichs Gesundheit so stark an, dass er am 31. August 1422 im Schloss Vincennes in der Nähe von Paris an der Ruhr verstarb.

Am 21. Oktober 1422 starb König Karl VI., am 30. Oktober 1422 ließ sich der Dauphin als Karl VII. in Mehun-sur-Yèvre zum König ausrufen. Ihm gelang mit der Hilfe Jeanne d'Arcs zunächst die Wende im Hundertjährigen Krieg, bevor er 1453 mit der Vertreibung der Engländer aus Frankreich den endgültigen Sieg errang. Frankreich wandelte sich unter seiner Herrschaft von einem großen Lehensverband zunehmend zum Nationalstaat.

Warum Dumas Isabelle von Bayrn als Titelheldin gewählt hat, mag sein Geheimnis bleiben. Isabeau de Bavière, vermutlich 1370 in München als Elisabeth von Bayern geboren, war eine Prinzessin von Bayern aus dem Hause der Wittelsbacher. Am 17. Juli 1385 wurde sie in Amiens mit dem ebenfalls noch jugendlichen französischen König Karl VI. verheiratet und war bis zu dessen Tod 1422 Königin von Frankreich.

Isabeau hielt sich in diesen ersten Ehejahren von der politischen Bühne weitgehend zurück und genoss das Leben als französische Königin. Während das Volk hungerte, verursachte ihr Hang zum Luxus erheblichen Unmut.

Isabeau, die sich mit ihrem Bündnispartner Johann Ohnefurcht in Loyalität übte, versuchte, den Anspruch ihres eigenen Sohnes auf den Thron abzuwehren. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn war ohnehin nicht das Beste, da ihr der erst vierzehnjährige Dauphin fast täglich Vorwürfe bezüglich ihres schamlosen Lebensstils machte. Letzten Endes bestimmte Karl VII., seine Mutter vom königlichen Hof zu entfernen, und wies ihr Quartier in Tours zu. Später befreite Johann Ohnefurcht die Königin aus ihrem Arrest und geleitete sie zurück nach Paris, womit Karl VI. wieder ihrem verhängnisvollen Einfluss ausgesetzt war.

1420 erklärte Isabeau, dass ihr Sohn, der Dauphin, keinesfalls den Thron Frankreichs besteigen könne, weil er kein legitimer Sohn König Karls VI. sei. Da ihr geistig behinderter Mann keine Anklage wegen Ehebruchs erheben konnte und sie als Verbündete des Hauses Burgund keinerlei Befürchtungen haben musste, als Ehebrecherin belangt zu werden, erklärte sie ihren Sohn als außerehelich gezeugt. Mit dieser Behauptung setzte sie den Streit zwischen sich und ihrem Sohn fort, dem sie damit die offizielle Thronfolge aberkannte. Viel mehr noch drängte sie ihren Mann, Karl VI., den Vertrag von Troyes zu unterzeichnen.

Johann Ohnefurcht wurde 1419 ermordet. Isabeau, die somit keinen Verbündeten mehr hatte und auch die Rache der Armagnacs fürchtete, begab sich freiwillig ins burgundische Exil. Am Ende ihres Lebens lebte sie zurückgezogen im Hôtel Saint-Paul in Paris, wo sie im September 1435 starb.

Erster Band.
Vorwort.

Es ist eines der schönsten Vorrechte des Geschichtsschreibers dieses Königs der Vergangenheit, ist es, dass er bei Durchlaufung eines Reiches mit der Feder nur die Trümmer und Leichen berühren darf, um Paläste wieder aufzuführen, Menschen wieder auferstehen zu lassen; auf feine Stimme, wie auf die Gottes, sammeln sich die zerstreuten Gebeine, lebendes Fleisch bekleidet sie, prächtige Gewänder schmücken sie, und in dem ungeheuern Josaphat, in welches drei Jahrtausende ihre Kinder senden, darf der Geschichtsschreiber nur die erwähnen, die feine Laune bezeichnet, ihre Namen nennen, so erheben sie sich im Augenblicke aus dem Grabe, werfen ihr Leichentuch zurück und antworten, wie Lazarus dem Heiland: hier bin ich, Herr, was willst Du von mir?

 

Freilich bedarf es eines festen Schrittes, um in die Tiefen der Geschichte hinabzusteigen, einer gewaltigen Stimme, um die Fantome zu befragen, einer Hand, um die Worte niederzuschreiben, die sie diktieren. Die Todesfälle sind zuweilen mit furchtbaren Geheimnissen verbunden, welche der Totengräber mit ihnen in das Grab versenkt. Die Haare Dantes erbleichten bei der Erzählung vom Grafen Ugolino, und seine Augen behielten einen finstern Ausdruck, seine Wangen eine solche Totenblässe, dass die Weiber von Florenz, als Virgil ihn wieder auf die Oberfläche geführt hatte, erkannten, woher der sonderbare Reisende kam; sie zeigten in ihren Kindern und sagten: »Seht Ihr den Mann, der so ernst und traurig vorübergeht? Er ist in die Hölle hinabgestiegen.«

Auf uns besonders wird dieser Vergleich mit Dante und Virgil anwendbar: das Tor des Gewölbes von Saint Denis, welches sich vor uns öffnen wird, hat wohl was Ähnliches von dem Höllentor; dieselbe Sünde paßt wunderbar auf Beide, und wenn wir die Fackel Dante's trügen und durch die Hand Virgil's geführt würden, so würden wir nicht lange unter den drei königlichen Geschlechtern, welche die Grabgewölbe der alten Abtei bevölkern, zu suchen haben, um irgend einen Mörder zu finden, dessen Verbrechen eben so verdammenswert ist, des Erzbischofs Roger, irgend ein Opfer, dessen Unglück eben so beweinenswert ist, als das des Gefangenen im Hungerturm von Pisa.

In diesem weiten Beinhause ist besonders ein Grab, vor dem wir nie vorüber gingen, ohne stehen zu bleiben, die Arme zu kreuzen und die Augen zu senken. Es ist in einem Gewölbe zur Linken ein einfaches Denkmal von schwarzem Marmor, auf dem, dicht nebeneinander, zwei Statuen ruhen, die eines Mannes und die einer Frau. Schon seit vier Jahrhunderten ruhen sie so nebeneinander, mit gefalteten Händen betend; denn der Mann bittet Gott um Verzeihung für einen Zorn, die Frau um Gnade für ihren Verrat; denn Ihr müsst wissen, diese beiden Figuren sind die eines Unsinnigen und einer Ehebrecherin; die Narrheit des Einen und die Liebschaften der Andern färbten zwanzig Jahre lang Frankreich mit Blut, und nicht ohne Grund fügte der Griffel den Worten des Grabmales: »Hier ruht König Karl der Vielgeliebte, seines Namens der Sechste, und die Königin Isabelle von Bayern seine Gemahlin« – weiter unten hinzu: »Betet für sie.«

In Saint Denis also, da wir einmal dort sind, wollen wir die geheimnisvollen Archive der sonderbaren Regierung öffnen, welche, wie einer unserer Dichter sagte: »zwischen der Erscheinung eines Greises und der einer Schäferin stand, und als Denkmal für ihre Dauer nichts hinterließ, als einen bitteren Spott auf das Geschick der Reichen und das Glück der Menschen – das Kartenspiel.«

Für einige weiße Blätter, die es in diesem Buche gibt, werden wir viele finden, welche rot von Blut, schwarz von Trauer sind; denn Gott wollte, dass hienieden sich alles mit diesen drei Farben färben sollte, die er dem menschlichen Leben als Wappen mit der Devise gab: »Unschuld, Leidenschaft, Tod.«

Jetzt wollen wir also das Buch, wie Gott das Leben, bei den weißen Blättern öffnen, schnell genug werden wir zu denen des Blutes und der Trauer gelangen.

I.

Sonntag, den 20. August des Jahres 13891 strömte schon mit Tagesanbruch eine große Volksmenge auf die Straße hinaus, die von Paris nach Saint Denis führt.

Madame Isabelle, Tochter des Herzogs Stephan von Bayern, und Gemahlin König Karls VI. sollte als Königin von Frankreich ihren ersten feierlichen Einzug in die Hauptstadt des Reiches halten.

Um diese Neugier zu rechtfertigen, muss man erwähnen, dass man sich wunderbare Dinge von dieser Prinzess erzählte. Man wusste, dass der König bei dem ersten Zusammentreffen mit ihr, welches an einem Freitag stattfand (15. Juli 1385), leidenschaftlich in sie verliebt geworden wäre, und nur mit Mühe wollte er seinem Oheim, dem Herzog von Burgund, bis zum nächsten Montag Frist geben, die Vorbereitungen zur Vermählung zu treffen.

Diese Vermählung erweckte übrigens große Hoffnungen im Königreiche. Man wusste, dass der König Karl V. auf seinem Totenbett den Wunsch aus gesprochen hatte, sein Sohn möchte sich mit einer bayrischen Prinzess vermählen, um ein Gegengewicht gegen den Einfluss Richards von England zu gewinnen, der die Schwester des deutschen Königs geheiratet hatte. Die Liebe des jungen Prinzen unterstützte daher wunderbar die letzten Wünsche seines Vaters; überdies hatten die Matronen, welche die Braut untersuchen mussten, den Ausspruch getan, dass sie fähig sei, der Krone Erben zu geben, und nach Verlauf eines Jahres machte die Geburt eines Sohnes ihrer Erfahrung Ehre. Es gab freilich einige Unglückspropheten, wie bei dem Beginn einer jeden Regierung, welche sagten, dass alles zum Schlechtesten ausschlagen würde, denn der Freitag sei ein Unglückstag zu einer Brautwerbung. Aber bis jetzt hatte noch nichts ihren Weissagungen Glauben, verschafft, und hätten sie ihre Stimmen erheben wollen, würden sie schnell vor dem Freudengeschrei des Tages verstummt sein, womit wir unsere Geschichte beginnen.

Da die Hauptpersonen, welche in dieser Chronik eine Rolle spielen werden, durch ihre Geburt oder ihren Rang berufen sind, an der Seite der Königin oder in deren Gefolge Platz zu nehmen, wollen wir, mit Erlaubnis des Lesers, dem Zuge folgen, der, um sich in Bewegung zu setzen, nur noch die Ankunft des Herzogs von Touraine, Bruder des Königs, erwartete. Die Einen sagten, die Sorge für seinen Putz halte ihn zurück, Andere, eine der Liebe geweihte Nacht.

Dies wird wenigstens ein bequemes, wenn auch kein neues Mittel fein, mit den Personen und Dingen Bekanntschaft zu machen, und überdies wird es in dem Gemälde, das wir zu entwerfen suchen, einige Details geben, denen es nicht an Eigentümlichkeit und Originalität mangelt.

Wir sagten also, dass an diesem Sonntage viel Volk auf die Straße nach Saint Denis hinaus strömte; es war wunderbar mit anzusehen, wie die Landstraße mit Männern und Frauen so dicht bedeckt war, wie ein Kornfeld mit Halmen; dieser Vergleich wurde noch passender bei jedem Ereignisse, welche die dichte Menschenmenge hin und her wogen ließ wie ein Kornfeld, denn sie war so dicht gedrängt, dass der geringste Stoß sich gleich der ganzen Masse mitteilte.

Um elf Uhr ertönte lautes Geschrei und verkündete der allgemeinen Ungeduld, dass endlich et was Neues sich zeigen sollte. Es war die Königin Johanna und die Herzogin von Orleans, ihre Tochter. Mit Hilfe einiger Diener, welche ihnen voranschritten und das Volk mit Prügeln zurücktrieben, bahnten sie sich einen Weg, und damit die Menschenmasse sich hinter ihnen nicht wieder schlösse, besetzte die berittene Elite der Bürgerschaft von Paris, zwölfhundert an der Zahl, beide Seiten der Straße. Die, welche zu dieser Ehrenwache gewählt worden waren, trugen lange seidene Gewänder, grün und rot, und auf dem Haupte Schweifkappen, deren Spitzen auf die Schultern herabfielen, oder gleich Fahnen flatterten, wenn ein Lufthauch die drückende Atmosphäre erfrischte, die durch den Sand, welchen Pferde und Menschen aufwühlten, noch unerträglicher wurde. Durch diese Bewegung zurück gedrängt, ergoss sich das Volk zu beiden Seiten auf das Feld, und die Straße blieb frei. Das alles geschah weit leichter, als es heut zu Tage der Fall fein würde, denn das Volk glaubte, dass es sich geduldig prügeln lassen müsste. Hier suchte es im vollen Laufe die nächsten höheren Punkte zu erreichen, wo man die Straße übersehen konnte. Im Nu waren Bäume und Häuser mit Menschen bedeckt, und vom untersten Aste bis zum Wipfel, vom Erdgeschosse bis zum Dache, reihte sich Kopf an Kopf. Die, welche eine solche Erkletterung nicht wagten, stellten sich hinter den berittenen Bürgern auf; die Weiber erhoben sich auf die Fuß spitzen, die Kinder kletterten auf die Schultern ihrer Väter; die Einen blickten über die Croupen der Pferde hinweg, die Andern durch deren Beine hindurch. Die Art von Unruhe, welche der Durchzug der Königin Johanna und der Herzogin von Orleans, die sich nach dem Justizpalaste begaben, wo der König ihrer wartete, bewirkte, war kaum beseitigt, als man von der Hauptstraße von Saint Denis her die so lange erwartete Sänfte der Königin kommen sah. Das Volk war sehr neugierig, die junge Prinzess zu sehen, die noch nicht neunzehn Jahr alt war, und auf der die Hälfte der Hoffnungen des Reiches ruhte. Der erste Blick, den die Menge auf sie warf, rechtfertigte vielleicht den Ruf der Schönheit nicht, der ihr vorausgegangen war, denn es war eine sonderbare Schönheit, an die man sich erst gewöhnen musste. Das kam aus dem scharfen Kontrast her, den ihr beinah goldblondes Haar mit den glänzend schwarzen Augenbrauen bildete, Diese charakteristischen Zeichen der Geschlechter des Norden und des Süden kreuzten sich in dieser Frau, und verliehen ihrem Herzen die glühenden Leidenschaften einer jungen Italienerin, ihrer Stirn den stolzen Hochmuth einer deutschen Prinzess2.

Was ihren Körper betraf, so hätte ein Bildhauer dem Modell einer aus dem Bade steigenden Diana keine anmutigen Formen wünschen können. Ihr Gesicht bildete jenes vollkommene Oval, dem Raphael zwei Jahrhunderte später seinen Namen verlieh. Die engen Kleider und dicht anliegende Ärmel, welche man zu jener Zeit trug, ließen ihre schlanke Taille und ihren vollen gerundeten Arm sehen; ihre Hand ließ sie vielleicht mehr aus Koketterie, als aus Nachlässigkeit, auf dem Wagenschlage ruhen, und sie glich einem Basrelief von Alabaster auf goldenem Grunde. Ihr übriger Körper war zwar durch die Felder der Sänfte verborgen, aber nach dem, was man sah, hielt man sich überzeugt, dass er auf Feenbeinen, auf Kinderfüßen ruhen müsste. Das fremdartige Gefühl, von dem man bei ihrem ersten Anblicke ergriffen wurde, verschwand beinahe sogleich, und der glühende Blick ihrer Augen übte jene Zauberkraft aus, welche Milton, und nach ihm alle Dichter, als das charakteristisch und verhängnisvolle Zeichen der Schönheit ihrer gefallenen Engel angeben.

Die Sänfte der Königin wurde durch die sechs ersten Großen von Frankreich begleitet; an ihrer Spitze waren der Herzog von Touraine und der Herzog von Bourbon. Der Name des Ersten leite unsere Leser nicht irre; sie mögen darunter den jüngern Bruder des Königs, den jungen und schönen Prinzen von Valois erkennen, der vier Jahr später den Titel eines Herzogs von Orleans annahm, den er durch seinen Verstand, sein Unglück und seine Liebschaften so berühmt gemacht hat. Seit einem Jahr war er vermählt mit Galeas von Visconti Tochter, die anmutige historische Erscheinung, welche unter dem Namen Valentine von Mailand besungen wurde, und deren Schönheit selbst in ihrer ersten Blüte nicht im Stande war, den königlichen Schmetterling zu fesseln. Wahr ist es, dass er der schönste, reichte und eleganteste Herr des Hofes war. Man fühlte, wenn man ihn sah, dass alles an ihm Freude und Jugend sein müsse, dass er das Leben empfangen hätte, um zu leben, und dass er lebte; dass das Unglück wohl ihm entgegen kommen könnte, aber er nicht dem Unglück; dass dieser sorglose Pagenkopf mit blondem Haar und blauem Auge nicht geschaffen sei, lange Zeit ein großes Geheimnis oder einen traurigen Gedanken zu bewahren, und dass Beide bald über die Lippen gleiten würden, die so unbesonnen und rosig waren, wie die eines Weibes. An diesem Tage trug er mit einer Anmut, die nur ihm eigen war, ein prachtvolles Gewand, das er sich zu dieser Gelegenheit hatte machen lassen. Es war eine Robe von schwarzem Sammet mit dunkelrotem gefüttert; an den Ärmeln zog sich eine Stickerei in Gestalt eines Rosenzweiges herunter; der Stamm war von Gold gestickt, hatte auf beiden Seiten Blätter von Smaragd, und zwischen diesen funkelten auf jedem Arme elf Rosen von Rubinen und Saphiren; die Knopflöcher erinnerten an einen alten Orden, den die Könige von Frankreich gestiftet hatten; sie waren mit Stickerei eingefasst, und hatten, in den Ecken eine Quaste von Perlen. Der eine Schoß, welscher das Knie bedeckte, das von der Sänfte abgewendet war, wurde ganz von einer goldnen Sonne bedeckt, welche der König zu einer Devise erwählt hatte, und die Ludwig XIV. später erneuerte. Der andere Schoß, auf den die Königin mehrmals ihre Blicke richtete, denn er zeigte ganz offenbar ein verborgenes Emblem, das sie zu enträtseln suchte, der andere Schoß also, sag' ich, hatte einen jungen, silbernen Löwen, der gefesselt war und den eine in die Wolken sich verlierende Hand lenkte. Er hatte die Umschrift: Wohin ich will. – Die reiche Kleidung wurde durch ein Barett von rotem Samt vollendet; dieses war mit prächtigen Perlenschnüren umwunden, deren jede einzelne so tief herabhing, dass er während des Gespräches mit der Königin die vom Zügel freie Hand damit spielen ließ.

 

Den Herzog von Bourbon werden wir mit wenigen Worten erwähnen. Er war einer jener Prinzen, welche ihren Namen in das Buch der Geschichte nur als Sohn oder Vater großer Männer einschreiben.

Hinter ihnen ritten der Herzog Philipp von Burgund und der Herzog von Berry, Brüder Karls V. und Oheime des Königs. Es war eben der Herzog Philipp, welcher die Gefahren des Königs Johann zu Poitiers und dessen Gefangenschaft zu London teilte, und der durch seine Tapferkeit auf dem Schlachtfelde, wie durch einen Muth im Gefängnisse, den Beinamen des Verwegnen erhielt welchen ihm sein Vater gab, und welchen Eduard bestätigte, als er eines Tages bei einer Mahlzeit dem Mundschenken des Königs von England, der ihn eher bediente, als den König von Frankreich, eine Maulschelle gab, indem er dazu rief: »Meister, wer hat Dich denn gelehrt, den Vasallen vor dem Lehnsherren zu bedienen?«

Der Andere war der Herzog von Berry, welcher mit dem Herzoge von Burgund während des Wahnsinns des Königs, die Regentschaft von Frankreich teilte, und der durch seinen Geiz wenigstens ebenso sehr dazu beitrug, das Reich in das Verderben zu stürzen, wie der Herzog von Orleans durch seine Verschwendung.

Auf diese folgten Peter von Navarra und der Graf von Ostrevent. Da sie aber. Beide nur wenig Teil an dem nehmen, was wir erzählen wollen, verweisen wir die Leser auf ihre Biographien. Hinter dem König folgte in ihrer Sänfte auf einem reich geschmückten Pferde die Herzogin von Berry; neben ihr ritten die Grafen von Nevers und von La Marche. Auch hier wieder drängt der berühmtere Namen den unbedeutenden in den Hintergrund.

Dieser Graf von Nevers, Sohn Philipps und Großvater Karls, wird einst Johann von Burgund sein. Sein Vater hieß der Verwegne; sein Enkel wird der Kühne heißen, und die Geschichte hat ihm den Beinamen des Furchtlosen gegeben.

Der Graf von Nevers war am 12. April 1385 mit Margarethe von Hennegau vermählt, und jetzt 22 Jahr alt; ohne eben groß zu sein, war er doch kräftig und schön gebaut. Sein Auge war zwar klein und hellblau, wie das des Wolfes, aber glänzend und drohend; seine Haare, die er lang und glatt gekämmt trug, waren von jenem violetten Schwarz, von dem nur die Federn des Raben einen Begriff geben können; sein Bart war rasiert und ließ offen ein volles, frisches Gesicht sehen, ein Bild der Kraft und Gesundheit. An der Nachlässigkeit, mit der er den Zügel seines Pferdes hielt, erkannte man das Vertrauen des Reiters. Seiner Jugend ungeachtet, und obgleich er noch nicht zum Ritter geschlagen war, hatte er sich doch schon mit der Kriegsrüstung vertraut gemacht, und keine Gelegenheit versäumt, sich Mühseligkeiten zu unterwerfen und an Entbehrungen zu gewöhnen. Strenge gegen Andere und sich selbst, fühllos gegen Hunger und Durst, Kälte und Hitze, hätte man ihn für einen jener Männer aus Stein halten sollen, auf welche die Bedürfnisse des Lebens keine Herrschaft ausüben. Hochmütig gegen die Großen, herablassend gegen die Kleinen, säte er unablässig Hass bei seines Gleichen, Liebe bei den Geringeren für sich aus. Er war allen heftigen Leidenschaften zugänglich, aber er wusste sie in der Brust zu verbergen, und diese Brust unter dem Harnisch, dieser Wall von Erz und Fleisch, verbarg einen Abgrund, in den keines Menschen Auge dringen konnte, und in welchem der Vulkan, scheinbar verlöscht, seine innern Eingeweide verzehrte, bis er den günstigen Zeitpunkt gekommen glaubte; dann brach er finster und zürnend aus, und wehe dann dem, auf den die vernichtende Lava seines Zornes sich ergoss. An diesem Tage, und ohne Zweifel um einen Kontrast gegen Ludwig von Touraine zu bilden, war der Anzug Johanns von Nevers von übertriebener Einfachheit. Er trug ein Gewand, kürzer als gewöhnlich, von violettem Sammet, mit geschlitzten, herabhängenden Ärmeln, ohne Schmuck oder Stickerei; um den Leib wurde es durch einen Gürtel von Stahlplatten zusammen gehalten, und an diesem hing ein Schwert mit Gefäß von angelaufenem Eisen; auf der Brust sah man ein enganliegendes Wams von himmelblauer Farbe, welches um den Hals mit einem goldenen Bande festgehalten wurde; ein Barett war schwarz, und ein einziger Diamant bildete die Agraffe, aber es war der, welcher später unter dem Namen des Sancy unter die Kron-Juwelen Frankreichs kam3.

Wir trachteten besonders darnach, die beiden edlen Herren näher kennen zu lernen, welche wir beständig zur Rechten und Linken des Königs wiederfinden, und die neben dem traurigen, dichterischen Gesichte Karls und dem glühenden, leidenschaftlichen Isabelles, die wichtigsten Personen dieser unglücklichen Regierung waren. Denn für sie teilte sich Frankreich in zwei Parteien, und nahm zwei Herzen an, deren eines bei dem Namen Orleans, das andere bei dem Namen Burgund lebhafter klopfte. Jede Partei teilte den Hass und die Liebe dessen, den sie zu ihrem Oberhaupte gewählt hatte, liebte in ihrer Liebe, hasste in ihrem Hasse, vergaß alles, um sich nur ihrer zu erinnern, alles, ja sogar den König, der ihr Herr, Frankreich, das ihre Mutter war.

Auf einer Seite des Weges ritt auf einem weißen Pferde Madame Valentine, welche wir unsern Lesern schon als die Gemahlin des jungen Herzogs von Touraine vorgestellt haben. Sie verließ ihr schönes Vaterland, die Lombardei, und kam zum ersten Male nach Frankreich, wo ihr alles neu und reich erschien. Zu ihrer Rechten ritt Messire Peter von Craon, der teuerste Günstling des Herzogs von Touraine, in einer Kleidung, welche der seines Herrn glich, und die dieser als Zeichen der Freundschaft ihm hatte machen lassen. Er war ungefähr von gleichem Alter mit dem Herzoge, schön wie dieser, und nahm, gleich ihm, das Wesen der Unbefangenheit und Heiterkeit an. Prüfte man ihn jedoch näher, so konnte man leicht erkennen, dass im Grunde dieses dunkeln Auges der Ausdruck aller Leidenschaften eines heftigen Herzens ruhte; dass er jenen eisernen Willen besaß, der stets ein Ziel erreicht, sei es im Hasse, sei es in der Liebe, und dass wenig dabei zu gewinnen war, ihn zum Freunde zu haben, Alles zu fürchten, wenn man ihn zum Feinde hatte. Links neben der Herzogin und im voller Eisenrüstung, die er eben so leicht trug, wie die andern Herren ihre Samtgewänder, ritt der Sir Olivier von Clisson, Konnetabel von Frankreich, Sein aufgeschlagenes Visier ließ das offene, treue Gesicht des alten Kriegers blicken, und eine Narbe die sich über die Stirn zog, ein blutiges Andenken der Schlacht von Auray, bewies, dass das mit Lilien geschmückte Schwert, welches an seiner Seite hing, nicht der Intrigue oder Gunst, sondern wirklichen treuen Diensten gewährt worden war. Clisson, in der Bretagne geboren, war in England erzogen worden, doch mit achtzehn Jahren kehrte er nach Frankreich zurück, und seit Zeit kämpfte er eifrig und tapfer in den königlichen Heeren.

Wir begnügen uns, nachdem wir die genannten Personen dem Auge der Leser vorübergeführt haben, bloß die Namen derer zu nennen, welche folgten. Es waren die Herzogin von Burgund und die Gräfin von Nevers, geführt durch den Messire Heinrich von Bar und den Grafen von Namur.

Dann die Herzogin von Orleans, auf einem schönen reich geschmückten Zelter, geführt durch Messire Jacob von Bourbon und Messire Philipp von Artois.

Dann die Frau Herzogin von Bar mit ihrer Tochter, begleitet von Messire Karl d'Albret und dem Herrn von Coucy, dessen Name allein eine große Erinnerung erwecken würde, beeilten wir uns nicht, seine Devise mitzuteilen, welche die bescheidenste oder die hochmütigste ihrer Zeit war. Sie lautete:

»Prinz und Herzog bin ich nicht.«

»Aber doch der Herr von Coucy.«

Der andern Herren, Damen und Fräulein, welche teils zu Ross, teils zu Wagen, teils in Sänften folgten, erwähnen wir weiter nicht. Wir führen nur an, dass die Spitze des Zuges, das die Königin, schon die Vorstadt erreichte, als die Pagen und Reitknechte, die das Ende bildeten, Saint Denis noch nicht verlassen hatten. Während des ganzen Weges wurde die junge Königin mit dem Rufe: »Weihnachten« begrüßt, welches damals den Ruf: »Es lebe der König!« ersetzte, denn in jener Zeit des Glaubens hatte das Volk noch kein Wort gefunden, welches seine Freude besser ausdrückte, als jener Ruf, der an die Geburt des Heilandes erinnerte. Beinahe überflüssig ist es, hinzuzufügen, dass die Blicke der Männer sich zwischen Isabelle von Bayern und Valentine von Mailand teilten, so wie die der Frauen zwischen dem Herzoge von Touraine und dem Grafen von Nevers.

An dem Tore von Saint Denis machte die Königin Halt, denn hier hatte man für sie die erste Station bereitet. – Es war eine Art von großem Ruhealtar, wie beim Frohnleichnamsfest. Er war ganz mit weißem Atlas bekleidet und darüber hing ein Himmel voll goldener Sterne. In den Wolken, welche diesen Himmel bildeten, schwebten Kinder, als Engel gekleidet; sie sangen leise und melodisch und bildeten den Chor für ein schönes Mädchen, das die Mutter Gottes vorstellte. Auf dem Schoß hielt sie ein Kind, das Jesuskind vorstellend. Der Gipfel dieses Himmels, der die Wappen von Frankreich und Bayern trug, wurde die Sonne erleuchtet, die wir als die Devise des Königs erwähnten. Die Königin fand viel Vergnügen an diesem Schauspiele und lobte die Anordnung sehr. Als die Engel ihren Gesang beendigt hatten, und man glaubte, dass die Königin alles in Augenschein genommen hätte, öffnete sich das Altarblatt und ließ die ganze große Rue Saint Denis bedeckt, wie ein ungeheures Zelt erblicken; alle Häuser waren mit Camelot oder Seide bekleidet, so dass Froissard sagt, man hätte glauben sollen, das Tuch koste kein Geld, oder man wäre in Alexandrien oder Damaskus.