Für das Herz und die große Liebe: Arztroman Sammelband 5 Romane

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Für das Herz und die große Liebe: Arztroman Sammelband 5 Romane
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A.F.Morland, Glenn Stirling

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Inhaltsverzeichnis

  Liebe auf der Station - 4 Arztromane: Liebe und Schicksal Großband 9/2021

  Copyright

  Übermut tut selten gut

  Dr. Kayser und die Sonnenkinder

  Dr. Kayser - meine einzige Hoffnung

  Liebe auf der Intensivstation

Liebe auf der Station - 4 Arztromane: Liebe und Schicksal Großband 9/2021
A.F.Morland, Glenn Stirling

Dieser Band enthält folgende Arztromane:

Übermut tut selten gut (A.F.Morland)

Dr. Kayser und die Sonnenkinder (A.F.Morland)

Dr. Kayser - meine einzige Hoffnung (A.F.Morland)

Intensivstation für die Liebe (Glenn Stirling)

Biggi Pirnau verlässt die Familie, um sich dem Guru Zacharias Studt anzuschließen. Ihre Mutter bittet Dr. Kayser um Hilfe, doch es ist nicht so einfach für den Arzt, die junge Frau überhaupt erst aufzuspüren. Und dann weigert sie sich standhaft, ihren „Messias“ zu verlassen. Ein besonders schwerer Fall für Dr. Kayser.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER STEVE MAYER

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Übermut tut selten gut

Neues aus der Wiesenhain-Klinik

Arzt-Roman von A. F. Morland

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E‑Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: Kerstin Peschel nach einem Motiv von Pixabay, 2020

Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel

© dieser Ausgabe 2020 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen im Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Klappentext:

Lisa und Julian Krautmann freuen sich seit Tagen auf die ausgedehnte Wanderung, die sie mit ihren Freunden unternehmen wollen. Ihr Ziel ist das Watzmann-Massiv, und alle sind frohen Mutes sowie bestens ausgerüstet. Doch es dauert nicht lange, da beschleicht Lisa eine bange Ahnung: Sandra, ein bezaubernd schönes Mädchen, will ganz offensichtlich dem überaus sportlichen Karsten imponieren. Statt mit dem Großteil der Clique auf bequemen Wanderwegen die Natur zu genießen, schließt sie sich einigen Jungs an, die eine steile Wand bezwingen wollen. Alle Warnungen schlägt Sandra in den Wind – eine Haltung, die sie keine vierundzwanzig Stunden später bitter bereuen wird, denn es kommt für das untrainierte Mädchen zur nahezu unvermeidlichen Katastrophe, die sie in der Wiesenhain-Klinik erwachen lässt …

***

1. Kapitel

„Hervorragend“, sagte Dr. Florian Krautmann. Er betrachtete sein bezauberndes Gegenüber und rieb sich zufrieden die Hände. „Ich denke, wir können mit dem Ergebnis zufrieden sein.“

„Das bin ich, Herr Doktor“, nickte die junge Patientin. „Sehr sogar.“

Sandra Falkenberg war mit Akneproblemen zu Florian Krautmann in die Wiesenhain-Klinik gekommen, und der Chefarzt hatte ihr zu einer Schälbehandlung unter ärztlicher Aufsicht geraten. Neben der wichtigen mechanisch-kosmetischen Basistherapie waren es im Wesentlichen zwei Präparate, deren Wirksamkeit erwiesen war: Benzoylperoxyd in unterschiedlichen Konzentrationen und Vitamin-A-Säure. Dr. Krautmann hatte letzterer den Vorzug gegeben. Die bei dieser Behandlung aufgetretene Entzündung war ein durchaus gewollter Effekt und kein Anlass zur Beunruhigung gewesen.

Als Sandra nach Abschluss der Behandlung wieder einen Blick in den Spiegel zu werfen wagte, war sie von dem erzielten Erfolg begeistert. „Ich habe eine Haut wie ein neugeborenes Baby“, strahlte sie.

Der Klinikchef warnte die junge Frau vor der gesteigerten Lichtempfindlichkeit der Haut nach Vitamin A-Säure-Anwendungen und verschrieb ihr einen Ovulationshemmer, der neben dem Östrogen ein Gestagen mit antiandrogener Wirkung enthielt. Solange Sandra Falkenberg bei dieser „Pille“ blieb, würde sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Akneprobleme mehr haben.

„Danke, Dr. Krautmann“, sagte Sandra glücklich. „Sie wissen nicht, was Sie für mich getan haben.“

„So schlimm war Ihre Akne doch gar nicht“, erwiderte der Chefarzt freundlich lächelnd.

„Ich habe mein Spiegelbild an manchen Tagen gehasst.“

Bei manchen Aknepatienten konnte der morgendliche Blick in den Spiegel jeden Tag aufs Neue Bitterkeit, Verzweiflung und Depressionen auslösen. Durch eine länger bestehende Akne konnte ein charakteristisches Persönlichkeitsbild mit misstrauischer Zurückhaltung, aggressiver Gespanntheit und angehäuften Schuldgefühlen entstehen. Das wusste Dr. Florian Krautmann. Aber Sandra Falkenberg war meilenweit davon entfernt gewesen, als sie zu ihm gekommen war, um sich von ihm helfen zu lassen.

Sie hätte ihr Spiegelbild nicht zu hassen brauchen. Sie war trotz ihrer Akne eine äußerst hübsche junge Frau gewesen.

Oliver Wiechert, ihr Freund, hatte sich auch überhaupt nicht an den wenigen Follikelentzündungen gestoßen, aber Sandra hatte sich eingebildet, dass diese wegen ihres angeschlagenen Selbstwertgefühls unbedingt weg müssten. Das waren sie nun – und Sandra war nach Langem wieder unbeschwert glücklich und mit ihrem Aussehen zufrieden.

Vor Kurzem waren Lisa und Julian, die achtzehnjährigen Krautmann-Zwillinge, zu der unternehmungslustigen Clique gestoßen, der auch Sandra Falkenberg und Oliver Wiechert angehörten. Vielleicht hatte das dazu geführt, dass Sandra sich an den Klinikchef um Hilfe gewandt hatte, und Florian freute sich, dass er seiner sympathischen Patientin helfen konnte.

„Lisa und Julian können auf ihren tüchtigen Vater stolz sein“, sagte Sandra. Sie senkte den Blick. „Ich habe leider keine Eltern mehr. Mein Vater starb an einer doppelseitigen Lungenentzündung, als ich noch nicht auf der Welt war. Meine Mutter folgte ihm fünf Monate nach meiner Geburt ins Grab. – Gehirntumor.“

„Kamen Sie ins Waisenhaus?“, fragte Florian Krautmann.

Sandra schüttelte den Kopf. „Meine Großeltern, die Eltern meines Vaters, nahmen mich zu sich und zogen mich auf.“

„Leben sie noch?“

„Nur meine Großmutter“, antwortete Sandra Falkenberg. „Sie ist vierundsechzig. Großvater ist vor zwei Jahren kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag von uns gegangen. Wir vermissen ihn sehr.“

„Lisa hat mir von einem Lederwarengeschäft erzählt, das Ihnen und Ihrer Großmutter gehört.“

„Man kann damit nicht gerade reich werden, aber am Hungertuch brauchen Oma Anette und ich auch nicht zu knabbern.“ Sandra schenkte Dr. Krautmann mit ihrem „neuen“ Gesicht ein bezauberndes Lächeln. „Wenn Sie mal einen schönen Aktenkoffer oder eine schicke Reisetasche brauchen, kommen Sie zu uns. Sie können mit einem Preisnachlass rechnen, wie Sie ihn sonst nirgendwo bekommen.“

„Ich werde mir Ihr Angebot merken“, nickte Florian Krautmann.

„Es gilt selbstverständlich für Ihre ganze Familie.“

„Sie sind sehr großzügig“, erwiderte der Chefarzt.

„Ich muss mich doch irgendwie für Ihre Hilfe bedanken.“

 

„Ich habe Ihnen gern geholfen.“ Sandra Falkenberg reichte dem Klinikchef die Hand, und das glückliche Strahlen ihrer braunen Augen wärmte sein Herz. „Auf Wiedersehen, Dr. Krautmann.“ Sie lächelte. „Es muss ja nicht unbedingt wieder in Ihrer Klinik sein.“

„Ich wünsche Ihnen alles Gute“, gab Florian Krautmann zurück, und die schöne Patientin verließ sein Büro. Ihr Gang wirkte so, als würde sie auf Wolken schweben.

Florian hatte mehr für ihre Seele als für ihr Gesicht getan, und es erfüllte ihn mit Freude, sie so glücklich und zufrieden gemacht zu haben.

Zehn Minuten nachdem Sandra Falkenberg sich verabschiedet hatte, klopfte Schwester Annegret an seine Tür. „Chef …“

„Was gibt’s, Annchen?“

Die grauhaarige Pflegerin trat seufzend ein. „Die arme Frau Schmidt …“

„Wie geht es ihr?“, erkundigte sich der Klinikchef.

„Sie hat seit dreißig Stunden Wehen. Die Zäpfchen und die Spritze wirken noch immer nicht. Die Frau ist schon ganz verzweifelt. Sie hängt seit zwei Stunden am Tropf, aber es geht nichts weiter. Das Baby will und will nicht kommen.“

„Was sagt der Wehenschreiber?“, fragte Dr. Krautmann.

„Wir kriegen immer dieselben Werte.“

„Ist das Baby okay?“, wollte Florian Krautmann wissen.

„Ja, mit dem Kind ist alles in Ordnung.“

„Ich sehe mir die Patientin mal an“, entschied der Klinikchef und begab sich mit Schwester Annegret in den Kreißsaal, wo eine junge, zarte blonde Frau sich schon so lange damit abquälte, ihr Baby auf die Welt zu bringen. Er untersuchte Laura Schmidt, die schrecklich leidend aussah. Sie konnte weder sitzen noch in irgendeiner Position liegen, hatte nahezu ständig Schmerzen und war schon fast am Ende ihrer Kräfte.

Der Muttermund war zwar schon offen, aber noch nicht weit genug. Das Baby, ein Mädchen, wie die Ultraschalluntersuchungen ergeben hatten, kam noch nicht durch.

Laura Schmidt sah den Chefarzt verzweifelt an. „Ich habe solche Schmerzen, Herr Doktor.“

„Es ist bald vorbei“, tröstete Florian Krautmann sie.

„Können Sie mir nichts gegen diese furchtbaren Schmerzen geben?“, flehte die werdende Mutter.

„Wenn ich Ihnen etwas gebe, dauert die Gehurt noch länger“, antwortete Dr. Krautmann.

„Ich kann nicht mehr“, schluchzte die Patientin.

„Tut mir leid, Frau Schmidt, aber Sie müssen da durch.“

„Ich halte das nicht mehr aus“, jammerte die junge Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Dr. Krautmann streichelte die schweißfeuchte Hand der Patientin. „Sie werden Ihr Baby noch in dieser Stunde bekommen, dann ist es ausgestanden.“ Er lächelte sie aufmunternd an. „Nur Mut, es wird alles gutgehen. Ich sehe in einer halben Stunde wieder nach Ihnen.“

Als er dreißig Minuten später feststellte, dass der Kopf des Kindes noch immer nicht durch die Öffnung des Muttermundes passte, sah er sich gezwungen, diesen über das Köpfchen des Babys zu schieben. Ihm war klar, dass das äußerst schmerzhaft für die Patientin war, aber nur so ließ die Geburt sich vorantreiben. Laura Schmidt schrie grell auf, und für einen Moment befürchtete Dr. Krautmann, sie würde das Bewusstsein verlieren, aber sie blieb ansprechbar, und von da an nahm die Niederkunft endlich ihren gewünschten Lauf.

Schwester Annegret und zwei Hebammen halfen der jungen Frau, ihr Kind zu gebären, während Dr. Krautmann sich immer wieder um die Herztöne des Babys kümmerte.

Schließlich erblickte das kleine Mädchen das Licht der Welt. Es wurde gewaschen, gemessen, gewogen und fotografiert, und als Dr. Krautmann der jungen Mutter ihr süßes Baby zeigte, schaffte diese trotz der großen Strapazen, die sie ausgestanden hatte, ein glückliches Lächeln.

2. Kapitel

„Siehst du, was ich sehe?“, fragte Julian Krautmann seine Zwillingsschwester Lisa. Sie saßen in dem roten Kleinwagen, den sie gebraucht, aber noch sehr gut erhalten – zu ihrem achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatten, und befanden sich auf dem Heimweg.

„Ja“, antwortete Lisa, „und es gefällt mir irgendwie nicht.“

„Mir auch nicht.“

Sie blickten beide in dieselbe Richtung. Julian hatte an einer Verkehrsampel angehalten, und auf der gegenüberhegenden Seite der Straßenkreuzung warteten ein Motorrollerfahrer und sein Klammeräffchen auf Grün.

„Oliver Wiechert und Dorothee Simonis“, brummte Julian. „Ich weiß jemanden, dem bei diesem Anblick die Galle hochkommen würde.“

„Sandra Falkenberg“, sagte Lisa. „Genau.“

„Ich dachte, Oliver würde Sandra so sehr liehen“, bemerkte Lisa.

Julian zuckte die Schultern. „Vielleicht bringt Oliver die mannstolle Dotty nur irgendwo hin.“

„Ja, und dafür bedankt sie sich dann auf ihre spezielle Weise“, sagte Lisa giftig. „Sieh nur, wie sie sich an ihn schmiegt! Sie genießt es richtig, sich an ihm festzuhalten. So ein Luder! Keine Beziehung ist ihr heilig. Je besser sich zwei verstehen, desto mehr ist ihr das ein Dorn im Auge. Wenn ich einen Freund hätte, und Dotty Simonis würde sich so an ihn ranschmeißen …“

„Was würdest du dann tun?“

„Das Gesicht würde ich diesem Biest zerkratzen.“

Das Lichtsignal wechselte auf Grün, Julian fuhr weiter. Der Motorroller fuhr vorbei, ohne dass Dotty und Oliver die Krautmann-Zwillinge bemerkten.

„Ich sage Sandra nichts davon“, murmelte Julian.

„Ich auch nicht.“

„Aus solchen Dingen hält man sich besser raus“, meinte Julian. „Die Angelegenheit kann ja auch völlig harmlos sein.“

„Von Olivers Seite aus vielleicht, aber ganz bestimmt nicht von Dottys. Sie scheint sich mal wieder selbst beweisen zu müssen, dass sie jeden haben kann, wenn sie will.“

Julian feixte. „Warum versucht sie’s nicht mal bei mir?“

„Du bist nicht interessant für sie.“

„Na, hör mal.“

„Erstens bist du erst achtzehn, während sie schon vierundzwanzig ist, und zweitens bist du nicht gebunden.“ Julian schlug mit der Hand auf das Lenkrad, als würde er sich ärgern. „So ein Pech aber auch.“

Die Zwillinge kamen nach Hause. „Cäcilie, was gibt es zu essen?“, fragte Julian die Haushälterin.

„Leute, die nicht grüßen können, bekommen von mir prinzipiell nichts“, entgegnete die alte Wirtschafterin.

„Oh, Entschuldigung. Ich muss meine guten Manieren draußen im Auto vergessen haben.“

„Scheint so.“

Julian schnappte die Wirtschafterin blitzschnell mit beiden Händen, zog sie zu sich und drückte ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange. „Guten Abend, Cäcilie.“

Die Haushälterin lachte. „Verrückter Kerl.“ Sie hatte ein so großartiges Verhältnis zu allen vier Krautmann-Kindern, als wären es ihre eigenen.

„Was gibt’s zu essen?“, wiederholte Julian seine Frage.

„Geschmorten Kalbsbraten mit pikanter Füllung.“

„Großartig.“ Julian rieb sich begeistert die Hände. „Und wann?“

„Sobald euer Vater nach Hause kommt“, antwortete Cäcilie.

Julian legte die Hand auf seinen Magen und verzog schmerzlich das Gesicht. „Das erlebe ich nicht“, stöhnte er. „Ich sterbe vor Hunger.“

„Dann nimm dir einstweilen ein Stück Brot“, riet die Wirtschafterin ihm.

„Der Mensch lebt nicht von Brot allein“, versuchte Julian sie zu belehren.

Cäcilie schmunzelte. „Den Rest bekommt der Mensch in etwa einer halben Stunde.“

3. Kapitel

Nach dem Abendessen gab es eine Neuauflage der ewigen Kabbelei zwischen der zehnjährigen Kim und dem vierzehnjährigen Christoph. Diesmal ging es um einen neuen Popstar. Kim schwärmte für ihn, während Christoph ihn total ablehnte.

„Er ist hässlich“, behauptete Christoph.

„Ist er nicht“, widersprach ihm Kim gereizt.

„Klar ist er das.“

„Du bist auch hässlich.“

„Und du erst“, konterte Christoph. „Außerdem kann der Typ überhaupt nicht singen.“

„Er singt besser als diese vier Schreihälse, von denen du jede Scheibe haben musst.“

„Pah, ich lach’ mich gleich kaputt.“

„Könnt ihr nicht einmal vernünftig miteinander reden?“, fragte Melanie Krautmann vorwurfsvoll.

„Warum siehst du mich an?“, protestierte ihre jüngste Tochter. „Sag Christoph, er soll mich nicht immer ärgern.“

„Ich ärgere dich nicht, ich sage bloß die Wahrheit“, behauptete Christoph. „Fett ist das Antitalent, das du so anhimmelst, übrigens auch. Eine richtige Speckschwarte ist er. Ein Nilpferd. Wenn ich ihn ansehe, brauche ich drei Tage nichts zu essen.“

„Zum Glück ist nicht jeder so ein Beistrich wie du. Bei dir muss man ja zweimal hingucken, damit man dich einmal sieht.“

Florian Krautmann, der sich auf einen ruhigen, friedlichen Abend im Kreise seiner Lieben gefreut hatte, sagte streng: „Ihr hört jetzt entweder auf damit, oder ihr setzt euer Streitgespräch anderswo fort.“

Kim und Christoph schwiegen. Sie attackierten. einander nur noch mit feindseligen Blicken. Aber das brauchte man nicht weiter ernst zu nehmen.

Wenn es darauf ankam, hielten die beiden zusammen wie Pech und Schwefel. Sie waren nicht besser oder schlechter als andere Geschwister.

Auch Lisa und Julian waren nicht immer ein Herz und eine Seele gewesen, doch mit zunehmendem Alter vertrugen sie sich immer besser.

Florian Krautmann erzählte den Zwillingen, wie Sandra Falkenberg sich über ihre Heilung gefreut hatte.

„Also ich fand ihre Akne gar nicht so schlimm“, sagte Julian.

„Aber sie hat darunter gelitten“, bemerkte Lisa.

„Und nun ist sie überglücklich, dass ihre Haut wieder glatt und sauber ist“, fügte der Klinikchef hinzu.

Lisa warf Julian einen nachdenklichen Blick zu. „Oliver behauptete immer, ihn würde Sandras Akne nicht stören. Ob er gelogen hat?“ Sie wandte sich an ihren Vater: „Wir haben heute Dotty Simonis hinter Oliver Wiechert auf seinem Motorroller sitzen gesehen.“

„Dotty ist eine falsche Schlange“, erklärte Julian, damit Florian Krautmann sich auskannte. „Der macht es großen Spaß, intakte Beziehungen kaputtzumachen.“

„Und da gehört sie noch immer zur Clique?“, wunderte sich Melanie Krautmann.

Florian Krautmann nickte. „Wieso hat man sie noch nicht in die Wüste geschickt?“

Julian hob die Schultern. „Offenbar kann sich keiner dazu entschließen.“

„Eine wie sie muss in der Clique doch ständig für Ärger und böses Blut sorgen“, meinte Melanie Krautmann.

„Es hat ihretwegen schon einige schwere Zerwürfnisse gegeben“, gab Lisa zu. „Aber da gehörten wir noch nicht dazu, das war vor unserer Zeit.“

„Leider sind wir noch ziemlich neu“, bemerkte Julian, „zudem sind alle andern älter als wir, deshalb hat unser Wort auch nicht allzu viel Gewicht. Auf gut Deutsch gesagt: Wir haben in der Clique noch nichts zu melden, müssen da erst mal hineinwachsen und besser Fuß fassen, damit man auf uns hört.“

„Vielleicht sehen wir auch bloß Gespenster“, meinte Lisa. „Das hoffe ich jedenfalls für Sandra und Oliver. Ich kann die beiden nämlich sehr gut leiden.“

„Ich auch“, nickte Julian.

4. Kapitel

„Es freut mich, dich so glücklich zu sehen“, sagte Anette Falkenberg zu ihrer Enkelin. Liebevoll strich sie über Sandras aschblondes Haar.

„Ach, Oma, ich fühle mich großartig. Einfach himmlisch.“ Sandra drehte eine Pirouette. „Ich könnte die ganze Welt umarmen.“

Anette Falkenberg lachte. „Es genügt, wenn du mich umarmst. Aber nicht zu fest drücken. Ich bin eine alte Frau.“

„Mit vierundsechzig ist man heute doch noch nicht alt. Ich habe gelesen, dass Frauen deines Alters eigentlich zwanzig Jahre jünger sind als die Generation davor. Weil sie sich besser gepflegt und gesünder ernährt haben.“

Anette Falkenberg war tatsächlich noch sehr attraktiv. Ihr Gesicht hatte kaum Falten, und da sie jede Woche zum Friseur ging, war ihr brünett gefärbtes Haar immer tadellos.

Sandra sah auf ihre Armbanduhr, ein Geschenk von Oliver – kratzfestes Glas, wasserdicht. Sie konnte damit sogar schwimmen gehen.

„Oliver wird gleich hier sein“, sagte sie innerlich angespannt.

„Ihr hättet auch hier was essen können“, bemerkte Anette Falkenberg. „Es ist alles da. Schinken, Salami, Käse …“

 

„Wir freuen uns aber auf eine Pizza bei Luigi, Oma.“

Anette Falkenberg schüttelte verständnislos den Kopf. „Was alle Welt an so ’ner Pizza findet. Ich kann mich dafür nicht erwärmen.“

Sandra lachte. „Du brauchst sie auch nicht zu essen. Oliver und mir schmeckt sie.“

„Ein bisschen Teig und fast nichts drauf. Dafür acht Euro und mehr zu verlangen, ist eine Frechheit.“

„Oma, Oma …“

„Ich habe altmodische Ansichten, entschuldige.“ Anette Falkenberg machte eine wegwerfende Handbewegung. „Hör nicht auf mein dummes Geschwätz. Lasst euch die Pizza trotzdem schmecken.“

Dem Haus näherte sich das Knattern eines Motorrollers. Das Geräusch erstarb, und dann schlug die Türglocke an.

„Das ist mein Oliver“, sagte Sandra stolz. „Man kann die Uhr nach ihm stellen.“

Anette Falkenberg schmunzelte. „Ich hoffe, er hat auch noch andere Vorzüge.“

„Aber ja: Er sieht fantastisch aus, ist klug, ehrlich, charmant und hilfsbereit – und er liebt mich über alle Maßen.“ Sandra ließ ihn ein.

Sein neugieriger Blick erforschte ihr Gesicht. „Liebling, du siehst hinreißend aus“, sagte er überwältigt. Er grinste. „So viel Schönheit ist ja kaum noch auszuhalten.“

„Du wirst schon irgendwie damit fertigwerden“, erwiderte sie lachend und küsste ihn ungestüm auf den Mund.

Er ging mit ihr ins Wohnzimmer und Sandra hängte sich bei ihm ein. „Guten Abend, Frau Falkenberg“, begrüßte er ihre Grußmutter.

„Guten Abend, Oliver. Na, was sagen Sie zu Sandras neuem Gesicht?“

„Ich bin sprachlos. Jetzt kann sie jeden Schönheitswettbewerb gewinnen.“ Er verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. „Eigentlich ist mir das gar nicht so recht, denn nun muss ich befürchten, dass ich ihr nicht mehr genüge.“

Sandra kniff ihn leicht in den Arm. „Dummkopf.“

Er sah sie an. „Können wir gehen?“

„Ich bin fertig.“

„Hoffentlich bist du hungrig. Du weißt, Luigis Pizza ist groß wie ein Wagenrad.“

„Ich werd’ bestimmt nichts übriglassen“, versprach Sandra.

Oliver wandte sich an die alte Dame. „Also dann, auf Wiedersehen, Frau Falkenberg.“

„Ich wünsche euch einen schönen Abend“, sagte Anette Falkenberg.

Sandra umarmte und küsste die Großmutter. „Kann spät werden. Oder früh. Wie man’s nimmt“, sagte sie leise, und dann verließ sie mit Oliver Wiechert das Haus.

Er konnte sich während des Essens an ihrem Gesicht nicht sattsehen. Es war nun wirklich makellos. Nach dem Essen bestellte Oliver eine zweite Flasche Valpolicella.

„Danach solltest du den Roller aber stehen lassen“, sagte Sandra.

„Wir gehen zu mir. Das ist ja gleich hier zweimal um die Ecke.“ Er hob sein Glas. Das Kerzenlicht ließ den Wein rubinrot funkeln. „Ich möchte auf dich trinken.“

„Und ich möchte auf uns trinken“, sagte Sandra mit unendlich viel Liebe im Blick.

„Und darauf, dass ich dich wiederhabe.“

Sandra hatte niemandem erlaubt, sie in der Wiesenhain-Klinik zu besuchen. Ihr entzündetes, sich schälendes Gesicht war kein schöner Anblick gewesen. Den hatte sie keinem zumuten wollen. Und sie hatte auch nicht gewollt, dass jemand sie so sah. Sie stießen miteinander an. Ihre Gläser klirrten leise. Sie tranken, und Sandra spürte, wie ihr der italienische Rotwein allmählich in den Kopf stieg.

Sie kicherte. „Nun wirst du mich nicht mehr los.“

„Habe ich gesagt, dass ich das möchte?“

Sie nahm seine Hand und schaute ihm verliebt in die Augen. Es war so schön, mit ihm zusammen zu sein. „Habe ich dir ein wenig gefehlt?“

Er nickte. „Ein ganz klein wenig, ja“, neckte er sie.

Sie ließ seine Hand los. „Scheusal.“

Er schickte einen innigen Kuss über den Tisch. „Ich liebe dich.“

„Und ich kann dich nicht ausstehen“, log sie.

„Das macht nichts“, erwiderte er gleichmütig. „Meine Liebe reicht für uns beide.“

Das bewies er ihr wenig später in seiner kleinen Wohnung. Bei gedämpftem Licht und leiser Musik küsste er sie immer und immer wieder, und schließlich nahm er sie auf seine kräftigen Arme und trug sie ins Schlafzimmer.

Sanft ließ er sie aufs Bett nieder, und während er sie wieder zärtlich küsste und liebkoste, schälte er sie behutsam aus ihrem Kleid.

Köstliche Schauer durchliefen Sandra, als Oliver zu ihr kam, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwo auf der Welt eine Frau gab, die glücklicher war als sie.