Ärzte, Liebe, Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane

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Ärzte, Liebe, Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane
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A. F. Morland

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Inhaltsverzeichnis

  Ärzte, Liebe, Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane

  Copyright

  Dr. Härtling und der gelähmte Kollege

  Ein Brautkleid für Dana Härtling

  Unschuldig - und doch in Gefahr

Ärzte, Liebe, Schicksal: Arztroman Sammelband 3 Romane
A. F. Morland

Dieses Buch enthält folgende Romane:

A.F.Morland: Dr. Härtling und der gelähmte Kollege

A.F.Morland: Ein Brautkleid für Dana Härtling

A.F.Morland: Unschuldig und doch in Gefahr

Die achtzehnjährige Dana Härtling lernt auf dem Parkplatz der Paracelsus-Klinik den fünfunddreißigjährigen Andreas Gregan kennen, der seine Schwiegermutter nach einem Klinikaufenthalt wieder nach Hause begleitet. Es ist ein schicksalhafter Augenblick für die beiden ungleichen Charaktere, der ihr Leben für immer verändern sollte. Doch würde Andreas Frau Dolores die Gefühle zwischen den Frischverliebten verstehen?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Dr. Härtling und der gelähmte Kollege

Arztroman von A. F. Morland

Der Umfang dieses Buchs entspricht 109 Taschenbuchseiten.

Dr. Thorsten Burg, ein Chirurg, der sich für seine Patienten aufopfert, der Tag und Nacht arbeitet und dabei die Warnsignale seines Körpers ignoriert. Warum nur nimmt er sich nicht mehr Zeit für seine bezaubernde Frau und seinen Sohn? Flieht er vor irgendetwas?

Dr. Sören Härtling, der beliebte Klinikchef, muss hilflos mitansehen, wie sich sein Freund und Kollege selber ruiniert. Doch dann, an einem schönen Sommertag, geschieht etwas, das Dr. Burgs Leben verändert und auch Sören Härtling die Grenzen seiner ärztlichen Kunst erkennen lässt ...

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Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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1

„Annchen!“, rief Chefarzt Dr. Härtling während der Vormittagssprechstunde und winkte der grauhaarigen Pflegerin mit einer Karteikarte zu. Schwester Annegret fuhr aus ihren Gedanken hoch.

„Ja, Chef?“

„Wo sind Sie schon wieder mit Ihren Gedanken?“

Annegret senkte verlegen den Blick.

„Entschuldigen Sie, Herr Doktor.“

Sören Härtling musterte sie ernst.

„Haben Sie irgendein Problem?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein. Kein Problem ...“

„Sondern - was?“

„Ach, es ist nichts, Herr Doktor. Wirklich nicht.“ Ein Ruck ging durch ihren Körper. „Soll ich die nächste Patientin hereinrufen?“

„Darum hatte ich Sie gebeten.“

„Tut mir leid, dass ich es überhört habe, Chef. Es wird nicht wieder vorkommen“, versprach Schwester Annegret und ging zur Tür.

Sören Härtling sah ihr leicht besorgt nach. Irgendetwas stimmte nicht mit Schwester Annegret, dem guten Geist der Frauenstation. Sie war bereits fünfundsechzig, aber sie dachte - zum Glück - nicht daran, in den wohlverdienten Ruhestand zu treten. Sören Härtling hätte auch gar nicht gewusst, wer diese zuverlässige Kraft hätte ersetzen sollen. Dass es einmal würde sein müssen, war ihm natürlich klar, aber er versuchte im Augenblick lieber noch nicht daran zu denken und schob deshalb diese heikle Angelegenheit immer so weit wie möglich von sich weg.

Was war nicht in Ordnung mit Annegret? Was beschäftigte sie so sehr, dass ihre Gedanken auf einmal - was bei ihr bisher so gut wie nie vorgekommen war - während der Arbeit immer wieder abschweiften?

Sie rief die nächste Patientin auf: Bernadette Paulsen, eine attraktive Geschäftsfrau, die so alt wie Sören war und seit Jahren zu seinen Stammpatientinnen zählte.

Sie schien Sorgen zu haben. Ein düsterer Schatten lag über ihrem hübschen Gesicht. Sie war zur Vorsorgeuntersuchung angemeldet.

Dr. Härtling begrüßte sie freundlich und bat sie, sich auf den Gynäkologenstuhl zu setzen.

Hatte sie Angst, er könnte diesmal etwas entdecken? Eine Veränderung? Ein Gewächs? Die Untersuchung brachte ein beruhigendes Ergebnis.

„Alles in bester Ordnung“, versicherte Sören Härtling, als die schöne Frau wenig später vor ihm auf dem Patientenstuhl saß. Ihr gehörte eine große Kunstgalerie im Zentrum der Stadt, die sich im Laufe der Jahre einen hervorragenden Namen gemacht hatte - auch international.

„Da ist etwas, das mich beunruhigt, Herr Doktor“, kam es stockend über ihre Lippen.

„So? Was denn?“

„Als ich gestern in den Keller gehen wollte, um eine Flasche Wein zu holen, hatte ich plötzlich das Gefühl, alles würde sich um mich herum drehen. Ich klammerte mich erschrocken ans Geländer, um nicht zu stürzen und schleppte mich verstört ins Wohnzimmer zurück, wobei mir ständig so war, als würde ich nach rechts umfallen.“

„War Ihnen auch übel?“, erkundigte sich der Chef der Paracelsus-Klinik.

„Ja.“ Die Patientin nickte, aber sie bewegte ihren Kopf sehr vorsichtig.

„Wie stark?“, wollte Dr. Härtling wissen.

„Ich hätte mich beinahe übergeben, und jede Bewegung des Kopfes verstärkte den Drehschwindel.“

„Wie lange dauerte das ungefähr?“, erkundigte sich Dr. Härtling, nun auch alarmiert.

„Fast zwei Stunden.“

„Dann waren die Beschwerden vorbei?“

„Nicht vorbei, aber es ging mir wieder etwas besser“, antwortete die Patientin.

„Konnten Sie in dieser Zeit eine Hörminderung feststellen?“

„Nein“, sagte Dolores Paulsen.

„Gab es irgendwelche Ohrgeräusche?“, forschte der Klinikchef weiter.

„Auch nicht.“

Sören Härtling konnte bei der Untersuchung des Kopfes und des Gesichtsbereiches nichts feststellen. Als er sich Frau Paulsens Augen ansah, fiel ihm auf, dass sie immer ruckartig nach rechts zuckten.

„Man nennt diese Bewegungen Nystagmus“, erklärte der Leiter der Paracelsus-Klinik der Patientin. Sie wusste sich damit nichts anzufangen, sah ihn ratlos an.

„Das Zucken Ihrer Augen könnte ein Zeichen dafür sein, dass Ihr linksseitiges Gleichgewichtsorgan gestört ist“, sagte Dr. Härtling.

Dolores Paulsen schluckte trocken.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigte Sören die Patientin, „das kriegen wir schon wieder hin. Der Mensch hat auf jeder Seite neben dem Innenohr ein Gleichgewichtsorgan, das - auch bei totaler Dunkelheit oder wenn wir die Augen schließen - anzeigt, welche Bewegungen wir vollführen. Beide Gleichgewichtsorgane sind präzise aufeinander abgestimmt. Wenn eines ausfällt oder schwächer wird, gewinnen die Nervenimpulse des anderen die Oberhand, und man hat das Gefühl, sich wie auf einem Karussell zu drehen.“

 

Die Patientin nickte vorsichtig. Dr. Härtling prüfte die Funktion ihrer Gleichgewichtsorgane und konnte zweifelsfrei feststellen, dass das linke kaum noch reagierte.

„Wie kann es zu so etwas kommen, Herr Doktor?“, fragte Dolores Paulsen beklommen.

„In Ihrem Fall sieht das nach einer leichten plötzlichen Durchblutungsstörung aus, die das linke Organ vorübergehend geschwächt hat.“

„Und wie kann das wieder in Ordnung gebracht werden?“, fragte die Patientin mit belegter Stimme. „Muss man operieren?“

„Nein“, antwortete Dr. Härtling. „Schon in kurzer Zeit wird Ihr Gehirn die Leistungsdifferenz zwischen links und rechts ausgleichen. Dann wird das Schwindelgefühl nur noch bei heftigen Kopfbewegungen auftreten.“

Dolores Paulsen lächelte dünn.

„Verzeihen Sie mir meine Offenheit, Herr Doktor, aber das ist noch kein echter Trost für mich.“

„Ich verschreibe Ihnen fürs erste Zäpfchen“, sagte Dr. Härtling.

„Zäpfchen?“

„Sie wirken ähnlich wie bei Seekrankheit und machen müde“, erklärte der Klinikchef, „deshalb legen Sie sich am besten hin, bevor Sie das erste nehmen. Morgen sollten Sie aber nach Möglichkeit schon ohne Zäpfchen auskommen und stattdessen versuchen, durch Augenübungen und vorsichtige Kopf- und Körperbewegungen wieder die Kontrolle über Ihre irritierte Raumorientierung zu bekommen.“ Er schrieb einige Gleichgewichtsübungen auf. „Wenn Sie dieses Training jeden Tag ein wenig mehr ausdehnen, werden Sie sich bald wieder voll unter Kontrolle haben.“

Dolores Paulsen seufzte: „Was einem alles von einer Minute zur anderen passieren kann.“

„Um die Wiederherstellung der Funktion Ihres gestörten Gleichgewichtsorgans zu beschleunigen, verschreibe ich Ihnen außerdem Medikamente, die die Durchblutung im Kopfbereich fördern.“

„Danke, Herr Doktor.“

„Sind Sie allein hier?“, erkundigte sich der Chefarzt.

„Nein, eine Freundin hat mich begleitet.“

„Lassen Sie sich in einer Woche wieder ansehen!“, sagte Dr. Härtling. „Bis dahin müssten Ihre Beschwerden abgeklungen sein.“

Die Patientin erhob sich. Ein kleines, verlorenes Lächeln huschte über ihr ebenmäßiges Gesicht. „Ich wünschte, ich hätte diese Woche bereits hinter mir.“

Dr. Härtling drückte ihr aufmunternd die Hand.

„Sie werden sehen, sie wird sehr rasch vergehen. Es sind ja nur sieben Tage.“

Nach Dolores Paulsen empfing Dr. Härtling noch vier weitere Patienten, dann war die Vormittagssprechstunde zu Ende und Schwester Annegret befand sich schon wieder mit ihren Gedanken ganz weit fort. Sören Härtling wollte sie gerade darauf ansprechen, da streckte jemand den Kopf zur Tür herein und fragte: „Darf ich kurz stören?“

Sören, der an seinem Schreibtisch saß, blickte hoch.

„Thorsten!“, rief er erfreut. „Kommen Sie herein! Sie stören nicht.“

Dr. Thorsten Burg war Chirurg Er hatte eine eigene Praxis und operierte seine Patienten im Bedarfsfall in der Paracelsus-Klinik. Er trat ein - ein großer, gut aussehender Mann, dem man nicht ansah, wie hart er arbeitete. Er war ein Workaholic, der anscheinend ohne Arbeit nicht leben konnte.

„Hallo, Sören“, sagte er, fröhlich wie immer. „Guten Tag, Schwester Annegret.“

„Wie?“ Die grauhaarige Pflegerin blinzelte verwirrt. „Ach so. Guten Tag, Dr. Burg.“

„Sprechstunde beendet?“, fragte Thorsten Burg.

„Ja“, antwortete Dr. Härtling.

„War viel zu tun?“

„Der Patientenandrang hielt sich in erträglichen Grenzen“, sagte Sören.

„Ich komme gerade aus dem Operationssaal“, erklärte Dr. Burg. „Die Gallenblase eines Patienten musste raus. War keine besondere Sache dank der neuen Techniken.“ Sein Blick pendelte zwischen Dr. Härtling und Schwester Annegret hin und her. „Wie geht’s den Herrschaften?“

„Mir geht es gut“, antwortete der Klinikchef. „Wie es Schwester Annegret geht, weiß ich nicht. Sie ist in letzter Zeit des Öfteren geistig nicht da. Stimmt’s oder habe ich recht, Annchen?“ „Entschuldigung, Chef, was haben Sie gesagt?“, fragte die Pflegerin.

Sören Härtling breitete die Arme aus und sagte zu seinem Kollegen: „Sehen Sie!“

Thorsten Burg wandte sich lächelnd an Schwester Annegret.

„Dr. Härtling wollte wissen, ob Sie verliebt sind.“

Sie sah ihn an, als wäre er verrückt.

„In meinem Alter …!“

„Man kann sich in jedem Alter verlieben, Schwester Annegret“, entgegnete Thorsten. „Wenn ich nicht schon verheiratet wäre, würde ich Ihnen jeden Tag Blumen schicken.“

„Mir?“ Die Pflegerin lachte verlegen. „Weshalb denn das?“

Dr. Burg feixte. „Weshalb wohl?“

„Ich könnte Ihre Mutter sein!“

„Sie sind es aber nicht, und ich fühle mich von reifen Frauen sehr stark angezogen“, grinste Thorsten Burg.

Annegret richtete ihren Blick an Dr. Burg vorbei auf Sören.

„Benötigen Sie mich noch, Chef?“

„Nein, Annchen, Sie können gehen“, antwortete der Klinikchef.

„War mir ein Vergnügen, Sie wieder mal zu sehen“, versicherte Dr. Burg galant.

Doch Annegret winkte ab.

„Ja, ja, schon gut“, sagte sie ruppig zu ihm. Und zu Dr. Härtling: „Falls Sie mich brauchen - ich bin auf der Säuglingsstation.“

„In Ordnung“, nickte der Leiter der Paracelsus-Klinik.

Sie ließ die beiden Ärzte allein.

„Sie ist ein prima Kumpel“, sagte Dr. Burg.

„Sie ist eine Perle.“

„Was für einen Grund könnte ihre Unkonzentriertheit tatsächlich haben?“

Dr. Härtling zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht.“

„Spricht sie nicht darüber?“

„Sie behauptet, es wäre alles in Ordnung“, antwortete Sören Härtling.

„Aber Sie glauben ihr nicht, wie?“

„Ich muss mich in Geduld fassen“, meinte Sören. „Wenn ich zu viel bohre, macht sie die Schotten dicht und lässt mich überhaupt nicht mehr an sich heran.“

Der etwa gleichaltrige Kollege stützte sich auf den Schreibtisch.

„Ich bin nicht ohne Grund hier, Sören.“

„Was haben Sie auf dem Herzen?“

„Ich würde gern mal wieder für Sie und Jana grillen“, sagte Thorsten Burg.

„Prima Idee.“

„Wann haben Sie Zeit?“, erkundigte sich der vielbeschäftigte Chirurg.

„Wann möchten Sie, dass wir kommen?“

„Haben Sie für übernächsten Samstag schon etwas vor?“

Sören schüttelte den Kopf.

„Nein.“

„Also dann abgemacht.“

„Übernächsten Samstag“, sagte Dr. Härtling.

Der Chirurg hob mit wichtiger Miene den Zeigefinger.

„Ich hab’ ein neues Spareribs-Rezept.“

Sören lachte. „Mir läuft das Wasser im Mund zusammen!“

2

Am Freitag kam Dolores Paulsen wieder in die Paracelsus-Klinik. Dr. Härtling erkundigte sich nach ihrem Befinden.

„Es geht mir schon viel besser“, antwortete die attraktive Frau sichtlich erleichtert. „Diesmal brauchte meine Freundin mich nicht zu begleiten.“

„Sind die Beschwerden weitgehend abgeklungen?“, fragte der Klinikchef.

„Ja. Sie treten nur noch bei unbedacht schnellen Kopfbewegungen auf, und in der Dunkelheit fühle ich mich noch etwas unsicher.“

Der Klinikchef lächelte zuversichtlich.

„Auch das wird vergehen.“

Frau Paulsen seufzte befreit: „So etwas hört man gern.“

Die Messung, die der Arzt gleich darauf durchführte, ergab, dass beide Gleichgewichtsorgane wieder nahezu seitengleich funktionierten. Er war mit diesem Untersuchungsergebnis zufrieden und sagte: „In längstens einer Woche werden Sie wieder völlig wiederhergestellt sein, Frau Paulsen.“

Die Patientin sah ihn verlegen an.

„Man kommt sich gleich wie ein Wrack vor, wenn einem so etwas passiert.“

Sören Härtling erhob sich und reichte der hübschen Frau die Hand.

„Wie ein Wrack sehen Sie nun aber wirklich nicht aus.“

In ihren Augen erschien ein dankbares Funkeln.

„Schön, dass Sie mir mein Selbstwertgefühl wiedergeben. Darf ich Ihnen und Ihrer Frau eine Einladung zur nächsten Vernissage schicken?“

„Wenn es sich zeitlich einrichten lässt, kommen wir sehr gerne“, antwortete Dr. Härtling.

Nachdem die Patientin gegangen war, schlich Schwester Annegret wieder mit diesem geistesabwesenden Blick umher.

„Jetzt reicht es“, sagte Sören zu seiner wertvollen Mitarbeiterin.

„Wie bitte?“ Irritiert sah Annegret ihn an.

Dr. Härtling zeigte auf den Patientenstuhl.

„Setzen Sie sich! Na los, setzen Sie sich!“

„Aber, Chef ...“

„Sie sollen sich setzen“, bestimmte Sören Härtling energisch. Annegret nahm auf dem Stuhl Platz. „So, und nun möchte ich endlich wissen, was mit Ihnen los ist“, sagte Dr. Härtling streng.

Schwester Annegret sah ihn mit offenem Blick an.

„Nichts, Chef. Mit mir ist nichts los. Wirklich nicht“, beteuerte sie dem Leiter der Paracelsus-Klinik.

„Sind Sie krank?“, fragte Sören trotzdem.

„Aber nein.“

„Haben Sie sonst irgendwelche Probleme?“, wollte Dr. Härtling wissen.

„Nein.“

„Finanzielle Sorgen?“

Die grauhaarige Pflegerin riss erschrocken die Augen auf.

„Um Himmels willen - wie kommen Sie denn auf so etwas?“

„Irgendetwas bedrückt Sie, Annchen, das sieht doch ein Blinder“, sagte Dr. Härtling eindringlich. „Wir kennen uns schon so lange. Sie wissen, dass meine Mitarbeiter mit all ihren Sorgen zu mir kommen können.“

„Aber ich habe keine Sorgen“, beteuerte die Pflegerin.

Dr. Härtlings Augenbrauen zogen sich ungläubig zusammen.

„Wieso laufen Sie permanent wie eine Tagträumerin durchs Haus? Woran denken Sie? Was beschäftigt Sie die ganze Zeit so sehr, dass Sie mit Ihren Gedanken stets woanders sind?“

Schwester Annegret schwieg.

„Ich lasse nicht mehr locker, Annchen“, erklärte Sören Härtling entschlossen. „Ich will es endlich wissen.“

„Na ja ... Es ist ... Mein Gott ...“

„Tut mir leid, mit diesem Gestammel kann ich nichts anfangen“, erklärte Dr. Härtling trocken.

„Die Sache ist ganz harmlos, Chef. Ehrlich.“

„Umso eher müssten Sie darüber reden können“, sagte der Klinikchef.

„Also ich habe - hatte mal eine sehr gute Freundin: Jutta Grosse“, begann Schwester Annegret. „Wir sind zusammen zur Schule gegangen und miteinander aufgewachsen. Sogar die Krankenpflegerinnenausbildung haben wir gemeinsam absolviert. Anschließend versuchten wir beide hier unterzukommen, aber Professor Paracelsus, der die KIinik damals leitete, hat nur mich aufgenommen. Jutta ging nach Hannover. Anfangs haben wir uns fast jede Woche geschrieben, doch allmählich wurden die Abstände zwischen den Briefen größer, und irgendwann bekam ich nur noch einmal im Jahr, kurz vor Weihnachten, einen Brief von Jutta. Es ging ihr gut. Sie heiratete einen Pfleger, hatte zwei Kinder mit ihm ... Ich habe sie kürzlich wiedergetroffen. Ich hätte sie fast nicht wiedererkannt. Sie war immer so schmal und zerbrechlich, und heute ist sie mehr breit als hoch. Sie ist nach München zurückgekehrt.“

„Mit ihrer Familie?“, fragte Sören Härtling.

Schwester Annegret schüttelte ernst den Kopf. „Sie hat keine Familie mehr. Ihr Mann, ein sehr starker Raucher, ist vor fünf Jahren an Lungenkrebs gestorben. Ihr Sohn wurde in Florida von Straßenräubern überfallen und angeschossen. Er erlag drei Tage später seinen schweren Verletzungen, ohne das Bewusstsein noch einmal wiederzuerlangen. Ihre Tochter kam bei einem Tauchunfall auf den Malediven ums Leben.“

„Manchen Menschen spielt das Schicksal schon sehr übel mit“, meinte Dr. Härtling mitfühlend.

„Seit einem halben Jahr genießt Jutta nun ihren wohlverdienten Ruhestand.“

Sören glaubte plötzlich zu wissen, woher der Wind wehte.

„Und sie hat ihn Ihnen so schmackhaft gemacht, dass Sie sich seither mit dem Gedanken tragen ...“

 

Doch die grauhaarige Pflegerin schüttelte den Kopf.

„Falsch, Chef.“

Sörens Augen verengten sich.

„Sie spielen nicht mit dem Gedanken, uns zu verlassen?“

„Möchten Sie mich loswerden?“

„Ich wäre unglücklich, wenn Sie gingen“, erwiderte der Klinikchef aufrichtig, „und das wissen Sie.“

„Keine Sorge, ich bleibe Ihnen schon noch ein Weilchen erhalten.“

Dr. Härtling lächelte beruhigt.

„Was ist es aber, das Sie so sehr beschäftigt, Annchen?“

„Jutta Grosse hat ein Buch geschrieben: ‘Schwester X - Eine Krankenpflegerin erinnert sich’.“

„Ich glaube, das habe ich vor ein paar Tagen im Schaufenster einer Buchhandlung gesehen“, sagte Sören. „Das X bestand aus zwei gekreuzten Spritzen.“

„Richtig“, nickte Schwester Annegret. „Hat Jutta Grosse einen Bestseller geschrieben?“

„Ihr Buch verkauft sich recht gut, und sie hat mir den Floh ins Ohr gesetzt, mich ebenfalls literarisch zu betätigen“, gestand Annegret endlich.

Dr. Härtling hob die Augenbrauen.

„Jetzt ist mir alles klar! Sie sind im Begriff, unter die Buchautoren zu gehen. Haben Sie schon einen Titel für Ihr Werk?“

„Nein.“

„Wie viele Kapitel haben Sie bereits geschrieben?“, erkundigte sich Sören Härtling.

„Zwei. Aber es ist eine Tortur.“ Schwester Annegret seufzte und rollte die Augen. „Ich kann mich nicht klar und leicht verständlich ausdrücken, das schaffe ich einfach nicht. Bei mir klingt alles knochentrocken und verschroben. So etwas will mit Sicherheit niemand lesen, deshalb sollte ich das Traktat in den Altpapiercontainer werfen und mich wieder auf das konzentrieren, was ich kann.“

„Ich würde Ihre beiden Kapitel gern mal lesen, Annchen.“

Die Pflegerin lachte verlegen.

„Sind Sie ein verkappter Masochist, oder möchten Sie sich zu Tode langweilen.“

„Vielleicht beurteilen Sie sich selbst zu streng. Vielleicht kann ich Ihnen den einen oder anderen Tipp geben. Vorausgesetzt Sie sind an Verbesserungsvorschlägen interessiert.“

Annegret sah den Chefarzt resigniert an.

„Eine Umfrage hat ergeben, dass jeder vierte Deutsche schreibt. Jeder vierte Deutsche hält sich für einen begnadeten Schriftsteller und beglückt die Verlage mit einem etwa dreihundertseitigen Manuskript. Sollte man sich da nicht fragen, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, sich in diese lange Schlange zu stellen?“

„Sie haben viel erlebt, also haben Sie auch viel zu erzählen“, meinte Dr. Härtling. „Und Ihr Tagebuch wäre eine tolle Stoffvorlage.“

„Wer interessant, kurzweilig und informativ schreiben möchte, braucht Talent, und das fehlt mir ganz offensichtlich“, sagte Schwester Annegret erbarmungslos.

„Ich würde mir gern selbst ein Urteil bilden.“

Sie sah den Chefarzt unglücklich an.

„Und ich möchte mich nicht blamieren.“

„Wann bekomme ich das Manuskript zu sehen?“

Annegret seufzte geplagt: „Hätte ich Ihnen doch bloß nichts davon erzählt.“

„Montag? Bringen Sie es am Montag mit?“

„Na schön“, gab Annegret endlich nach, „ich bringe es am Montag mit, aber Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie nur hinter meinem Rücken lachen würden.“

Sören Härtling sah die Pflegerin ernst an und erwiderte: „Ich werde überhaupt nicht lachen.“